Himmel und Erde des Jacques Dorme
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Eine erwtigende Liebesgeschichte voller Tragik und Pathos hat den jungen Mann er die Jahre immer wieder beschtigt: Es ist die Liebesgeschichte seiner Franzischlehrerin von einst mit dem Piloten Jacques Dorme, die inmitten der Wirren des Zweiten Weltkrieges ein tragisches Ende finden musste. Die Lehrerin hat ihrem Scher, einem armen, geknechteten Jungen aus dem Waisenhaus, immer wieder von Jacques Dorme erzlt. Und jetzt fahndet jener im fahlen Licht des Polarkreises nach dem Absturzort des Piloten.
Himmel und Erde des Jacques Dorme von Andreï Makine
LESEPROBE
Sie waren so kurze Zeit zusammen, dasssie alles zugleich
zum ersten und zum letzten Malerlebten.
Zu Beginn der Nacht hat er bei ihrenleidenschaftlichen
Umarmungen die alte Kette zerrissen,die sie nie
ablegte. Die kleinen Bernsteinperlensind auf den Boden
geprasselt, und der einsetzende Regenhat den feinen
Kugelhagel nachgeahmt, dann ist erstärker geworden,
zum Schauer, zum Wolkenbruch,schließlich
zur Grundsee, und hat das Zimmerunter Wasser gesetzt.
Nach einem brütend heißen Tag und demtrockenen
Wind, der wie Insektenflügel sirrte,streift diese
Woge ihre nackten Körper, tränkt dieLaken mit dem
Geruch feuchter Blätter, mit demkühlen, herben Duft
der Steppen. Die Wand zum Bett hinbesteht nur noch
aus Stümpfen verkohlter Rundstämme,die Verwüstung
eines zwei Wochen zurückliegendenBrandes. Dahinter
türmt sich der tief hängende, harzigeviolette Himmel
auf. Der erste und der letzteMaisturm, den sie zusammen
erleben.
Sie schlüpft aus dem Bett, zieht denTisch in die Ecke, wo
ihn der Regen am wenigsten trifft,und bleibt dann vor der
abgebrannten Wand stehen. Er stehtauf, geht zu ihr, legt
seine Arme um sie, vergräbt den Mundin ihrem Haar, sein
Blick verliert sich im dunklenBrodeln hinter dem Loch.
Der Wind klatscht den Regen wie einlanges, nasses Tuch
auf ihre Haut. Der Mann fröstelt undmurmelt der Frau
ins Ohr: »Du frierst wohl nie «
Sie lacht leise: »Ich bin seit mehrals zwanzig Jahren in diesen
Steppen. Und du ein Jahr? Das istder Unterschied.
Man gewöhnt sich daran, du wirstschon sehen «
Ein Zug rüttelt an den Gleisen, dieunmittelbar am Haus
vorbei führen. Der Pfiff derLokomotive gellt durch die
Nacht, durch den Regen. Die Masse vonWaggons kommt
vor den Fenstern zum Stehen, derStrahl einer Lampe
streift das Zimmer. Der Mann und dieFrau verstummen,
stehen eng aneinander gepresst. VomZug steigt ein
Durcheinander von zischenden,wimmernden Stimmen,
ein langes, schmerzvolles Röchelnauf. Verwundete, die an
der Front nicht mehr zu gebrauchensind, werden ins Hinterland
evakuiert. Es ist seltsam, seineneigenen Körper
dabei so lebendig und noch dazu vonLust durchdrungen
zu spüren. Und diese weiblichenSchultern, über die seine
Finger streichen, den langsamen Puls,das warme Blut in
der Mulde ihres Beckens. Und dieBernsteinperle, die unter
die Fußsohle gekullert ist. Morgenwürde er sie alle
einsammeln und die Kette reparierenmüssen.
Das Verblüffendste ist allerdings, anden morgigen Tag zu
denken, an die Jagd nach den kleinenPerlen in diesem
Haus, kaum hundert Kilometer von derFrontlinie entfernt,
in diesem Land, das ihnen fremd ist,dem Mann
noch mehr als der Frau. Unter ihnensetzt sich der Zug in
Bewegung, beginnt wieder in seinemstählernen Takt zu
stampfen. Sie verfolgen, wie dasGerüttel der Gleise im
Rieseln des Regens untergeht. DieFrau ist glühend heiß.
»Mehr als zwanzig Jahre in diesenSteppen «, fällt dem
Mann ein, er lächelt in der Dunkelheit.Seit sie sich vor
zwei Tagen begegnet sind, hat er ihrbereitwillig alles berichtet,
was sich in jenen zwanzig Jahren inFrankreich zu-
getragen hat. Als wäre es möglich,sich an alles zu erinnern,
als könnte er Jahr für Jahr alleEreignisse auflisten,
von 1921 bis zu jenem Juni 1940, alser Frankreich verlassen
hat
Regentropfen prasseln auf denFußboden, ein nasser
Schleier liegt auf ihren Gesichtern.»Meinst du, er kann
sich tatsächlich behaupten?«, murmeltsie. »Ohne Armee,
ohne Geld. General hin, General her «
Er antwortet ihr nicht sofort, weiler von der Merkwürdigkeit
dieser Augenblicke ergriffen ist:eine Frau, die ihren
Mädchennamen seit so vielen Jahrennicht mehr gehört
hat (von den Leuten hier wird sie»Schura« genannt,
Schura oder manchmal Alexandra), erselbst als Pilot in
Russland, das von einer Explosionzerfetzte Haus, dieses
Nest an einem großen Fluss, ringsumdie Steppe, in der es
zu einer gigantischen Schlacht kommenwird.
Vom Sturm aufgeschreckt, stürzt einVogel ins Zimmer,
flattert aufgeregt durch dieDunkelheit, entkommt durch
das Loch in der Wand.
»Er hat zwar nur sehr wenige Leute«,murmelt der Mann,
»und wer weiß, ob man mit denEngländern wirklich
rechnen kann, aber es ist wie beieinem Luftkampf, es
kommt nicht unbedingt darauf an, wieviele Flugzeuge
man hat, auch nicht darauf, ob siegut sind. Entscheidend
ist Wie soll ich sagen? Entscheidendist die Luft. Ja, die
Luft. Manchmal spürst du, dass dieLuft dich trägt, dass sie
es gut mit dir meint. Die Luft oderder Himmel. Man muss
nur ganz fest daran glauben. Das giltauch für ihn, entscheidend
ist, ob er den Himmel auf seinerSeite hat
Und er glaubt daran.«
© btb Verlag
Übersetzung: HolgerFock und Sabine Müller
- Autor: Andreï Makine
- 2006, 207 Seiten, Maße: 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Dtsch. v. Holger Fock u. Sabine Müller
- Verlag: BTB
- ISBN-10: 344273374X
- ISBN-13: 9783442733743
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