Hinter fremden Türen
Roman
Wie bekommt man ein schönes Leben? Das ist die Frage, die sich Kolfinna Karlsdóttir - ein Aschenputtel unserer Tage - schon seit geraumer Zeit stellt: Arbeitslos, alleinstehend und frustriert geht sie zu reichen Leuten putzen, von deren Lebensstil sie...
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Buch
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Produktinformationen zu „Hinter fremden Türen “
Wie bekommt man ein schönes Leben? Das ist die Frage, die sich Kolfinna Karlsdóttir - ein Aschenputtel unserer Tage - schon seit geraumer Zeit stellt: Arbeitslos, alleinstehend und frustriert geht sie zu reichen Leuten putzen, von deren Lebensstil sie fasziniert ist. Aber wie kommt man dahin? Die Autorin hat mit viel Witz und Ironie einen tiefgründigen Roman über eine wunderbare Alltagsheldin in den kleinen und großen Wirrnissen unserer Zeit geschrieben.
Lese-Probe zu „Hinter fremden Türen “
1Die Straße schlief noch unter einer Decke gelber und roter Blätter. Aber die junge Frau, die die Straße entlangging, würdigte das Laub keines Blickes, sondern betrachtete die Häuser zur Rechten und zur Linken, von denen einige gerade erwachten. Sie blieb stehen, hustete und gähnte, aber dann wurde sie durch das Geräusch einer zuschlagenden Tür daran erinnert, dass sie nicht trödeln durfte, denn auf sie wartete ein Haus, das geputzt werden musste, heute das eine Haus, morgen das nächste, und so würde es endlos weitergehen, Woche um Woche, bis zum Frühjahr. Sie zweifelte sehr daran, dass sie das durchstehen würde.
Viele Häuser lagen zurückgesetzt hinter Hecken und großen Ebereschen, sie musste die Augen zusammenkneifen, um die Hausnummern zu erkennen, aber schließlich fand sie das Haus der alten Dame, bei der sie heute das erste Mal putzen sollte. Es war rotbraun mit einem niedrigen Dachgeschoss, Pflanzen rankten bis zu den kleinen weiß gestrichenen Fenstern herauf, und die Herbstsonne, die sich den Himmel hinauf gestohlen hatte, spielte mit der Farbenpracht in dem alten Garten. Auf der Treppe lag eine silbergraue Katze ausgestreckt auf den Pfoten und miaute klagend, als sie sich näherte.
Kaum hatte sie den Zeigefinger auf die Klingel gelegt, flog die Tür auf und eine kleine alte Frau mit einem hübschen Gesicht und dichtem weißen Haar blickte sie schalkhaft an. Ihre Augen strahlten unerwartet lebhaft und ihr war nicht anzusehen, dass sie schon über achtzig war, wie man ihr gesagt hatte; deshalb zögerte sie einen Augenblick, bevor sie fragte, ob sie hier richtig sei bei Listalin Jonsdottir.
Die alte Frau nickte lächelnd, kam einen Schritt auf sie zu, sah ihr tief in die Augen und flüsterte: "Sie ist immer draußen und mordet."
"Wer?", fragte die zukünftige Haushaltshilfe leicht erschrocken.
"Das Katzenvieh", sagte die Frau, senkte langsam den Blick und deutete mit ernster Miene auf die Katze. "Sie hat im Laufe eines einzigen Tages zwei Vögel hier
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angeschleppt, und deshalb kommt sie mir heute nicht mehr ins Haus. So eine böse Katze will ich drinnen bei mir nicht haben, dass du dich nicht schämst, du Mörderin."
Sie sah das Katzenvieh an, dem das völlig egal zu sein schien. Es erhob sich langsam und strich sanft an ihren Beinen entlang.
"Die Tochter ist ganz anders", fügte die alte Frau hinzu. "Die schwarze mit den weißen Höschen. Du hast sie noch nicht gesehen, sie geht nämlich nicht mehr nach draußen, seit sie in den Schwanz gebissen worden ist, die arme Kleine. Das hat ihr ziemlich zugesetzt. Sie hatte schon als kleines Kätzchen schwache Nerven."
Bei den letzten Worte spähte sie über die Schulter ins Haus und sprach dabei so leise, als wolle sie sich vergewissern, dass die Betreffende dieses Urteil nicht gehört hatte, schwieg daraufhin feierlich einen Moment, als sei sie in Gedanken ganz bei dem komplizierten Seelenleben ihrer Katze, und sagte dann plötzlich: "Du bist die neue Haushaltshilfe, nicht wahr? Die jetzt für ihre Freundin kommt? Und wie heißt du, meine Liebe?"
"Kolfinna Karlsdottir."
"Also, dann komm doch bitte herein", sagte die alte Frau, die Listalin sein musste.
Während Kolfinna sich die Jacke auszog, bestellte sie Listalin Grüße von ihrer Freundin, die jetzt wegen der Schwangerschaft nicht mehr putzen gehen konnte, weder bei Listalin noch anderweitig, sie hätte so viel Wasser in den Beinen. Listalin sagte ach, als hätte sie gerade erst Ähnliches durchgemacht und fragte sie, ob sie auch Kinder habe?
Kolfinna erklärte, dass sie noch nicht verheiratet sei, keine Kinder habe und bei ihrer Mutter wohne. Sie spürte, wie kindisch das klang, und senkte ihre Stimme um eine Nuance, als sie hinzufügte, dass sie schon einige Jahre mit ihrem Freund zusammengelebt habe, die Beziehung jedoch im vergangenen Frühjahr in die Brüche gegangen sei.
"Wie kann es nur jemandem in den Sinn kommen, ein so hübsches Mädchen wie dich gehen zu lassen?", frage Listalin und sah sie von der Seite an.
Kolfinna bekam einen Hustenanfall.
Sie gingen durch den Flur mit einigen auf Hochglanz polierten Möbelstücken. Listalin zeigte ihr die Zimmer rechts und links und beendete den Rundgang in der Waschküche, wo sie vor einem Regal mit Eimern, Schrubbern und Putzlappen stehen blieb. Bestimmt und ohne das geringste Zögern sagte sie: "Zuerst holen wir uns ein Staubtuch und nehmen uns damit alle Möbel und Gegenstände in den beiden Wohnzimmern, den anderen Räumen und dem Flur vor, dann wischen wir mit einem feuchten Tuch über Tische, Küchenschränke, Türen und Fensterbänke, und wenn das erledigt ist, geben wir etwas Scheuerpulver auf einen Lappen und reinigen das Badezimmer und die Toilette tüchtig, dann holen wir uns Möbelpolitur und den richtigen Lappen dazu, polieren alles, was poliert werden muss, danach saugen wir in allen Räumen der Reihe nach Staub und schließlich wischen wir feucht das Schlafzimmer, das Gästezimmer, das Badezimmer, die Küche und den Eingang. Sag mal, findest du, dass hier ein komischer Geruch ist?"
Kolfinna schüttelte abwesend den Kopf, starrte wie gelähmt auf die Putzmittel und bedauerte, nicht einfach weiter arbeitslos geblieben zu sein.
"Kein Geruch? So ein Geruch nach alten Leuten?", flüsterte die alte Frau und verzog kurz das Gesicht.
Kolfinna verneinte wieder, was Listalin mit einem strahlenden Lächeln quittierte. Sie sagte, dass es wohl am besten wäre, wenn sie beide sich jetzt in die Arbeit stürzten, aber obwohl sie in der Mehrzahl sprach, machte sie keine Anstalten, Kolfinna zu helfen, sondern sagte nur, dass sie noch im Garten zu tun habe und ließ sie bei den Schrubbern zurück.
Vor den kleinen Wohnzimmerfenstern hingen Spitzengardinen, durch die das Tageslicht leicht schlüpfen konnte, und das Zimmer war vollgestopft mit einem Sammelsurium von Gegenständen, die die Wärme vergangener Zeiten ausstrahlten und dem Zimmer den Charakter eines Heimatmuseums verliehen. Kolfinna sah sich verwirrt um, knüllte das Staubtuch zwischen den Fingern und wusste nicht recht, wo sie anfangen sollte. Schließlich nahm sie das Tuch und staubte das Porzellan auf dem Büfett ab, die Blumenbilder und Familienfotos, kleine Trachtenpuppen, Kutter und Schiffe in Flaschen, Schmuckdöschen aus Glas oder Metall, einen ausgestopften Falken, Kartenspiele und Katzenfigürchen.
Weil das Staubwischen im Wohnzimmer über eine Stunde in Anspruch nahm, hatte sie einen Bammel vor dem Schlafzimmer, das sie sich ähnlich vorstellte wie das Wohnzimmer, bis obenhin vollgestopft mit all dem Krimskrams und Nippes, den alte Frauen sammelten. Deshalb fuhr ihr der Schreck in die Glieder, als sie die Tür öffnete.
Das Zimmer war dunkel, unpersönlich und kalt. Die Wand war mit sprödem braunen Holz getäfelt, und die Schränke und das schmale Bett mit dem hohen Kopfende in der Mitte des Raumes waren in demselben Holz gehalten. Nur die weiße Tagesdecke und die langen weißen Gardinen zeigten, dass der Raum bewohnt war, ansonsten gab es keinen Blickfang außer einer einfachen Holzlampe auf dem Nachttisch und einem kleinen Holzkreuz über dem Bett.
Sie sah das Katzenvieh an, dem das völlig egal zu sein schien. Es erhob sich langsam und strich sanft an ihren Beinen entlang.
"Die Tochter ist ganz anders", fügte die alte Frau hinzu. "Die schwarze mit den weißen Höschen. Du hast sie noch nicht gesehen, sie geht nämlich nicht mehr nach draußen, seit sie in den Schwanz gebissen worden ist, die arme Kleine. Das hat ihr ziemlich zugesetzt. Sie hatte schon als kleines Kätzchen schwache Nerven."
Bei den letzten Worte spähte sie über die Schulter ins Haus und sprach dabei so leise, als wolle sie sich vergewissern, dass die Betreffende dieses Urteil nicht gehört hatte, schwieg daraufhin feierlich einen Moment, als sei sie in Gedanken ganz bei dem komplizierten Seelenleben ihrer Katze, und sagte dann plötzlich: "Du bist die neue Haushaltshilfe, nicht wahr? Die jetzt für ihre Freundin kommt? Und wie heißt du, meine Liebe?"
"Kolfinna Karlsdottir."
"Also, dann komm doch bitte herein", sagte die alte Frau, die Listalin sein musste.
Während Kolfinna sich die Jacke auszog, bestellte sie Listalin Grüße von ihrer Freundin, die jetzt wegen der Schwangerschaft nicht mehr putzen gehen konnte, weder bei Listalin noch anderweitig, sie hätte so viel Wasser in den Beinen. Listalin sagte ach, als hätte sie gerade erst Ähnliches durchgemacht und fragte sie, ob sie auch Kinder habe?
Kolfinna erklärte, dass sie noch nicht verheiratet sei, keine Kinder habe und bei ihrer Mutter wohne. Sie spürte, wie kindisch das klang, und senkte ihre Stimme um eine Nuance, als sie hinzufügte, dass sie schon einige Jahre mit ihrem Freund zusammengelebt habe, die Beziehung jedoch im vergangenen Frühjahr in die Brüche gegangen sei.
"Wie kann es nur jemandem in den Sinn kommen, ein so hübsches Mädchen wie dich gehen zu lassen?", frage Listalin und sah sie von der Seite an.
Kolfinna bekam einen Hustenanfall.
Sie gingen durch den Flur mit einigen auf Hochglanz polierten Möbelstücken. Listalin zeigte ihr die Zimmer rechts und links und beendete den Rundgang in der Waschküche, wo sie vor einem Regal mit Eimern, Schrubbern und Putzlappen stehen blieb. Bestimmt und ohne das geringste Zögern sagte sie: "Zuerst holen wir uns ein Staubtuch und nehmen uns damit alle Möbel und Gegenstände in den beiden Wohnzimmern, den anderen Räumen und dem Flur vor, dann wischen wir mit einem feuchten Tuch über Tische, Küchenschränke, Türen und Fensterbänke, und wenn das erledigt ist, geben wir etwas Scheuerpulver auf einen Lappen und reinigen das Badezimmer und die Toilette tüchtig, dann holen wir uns Möbelpolitur und den richtigen Lappen dazu, polieren alles, was poliert werden muss, danach saugen wir in allen Räumen der Reihe nach Staub und schließlich wischen wir feucht das Schlafzimmer, das Gästezimmer, das Badezimmer, die Küche und den Eingang. Sag mal, findest du, dass hier ein komischer Geruch ist?"
Kolfinna schüttelte abwesend den Kopf, starrte wie gelähmt auf die Putzmittel und bedauerte, nicht einfach weiter arbeitslos geblieben zu sein.
"Kein Geruch? So ein Geruch nach alten Leuten?", flüsterte die alte Frau und verzog kurz das Gesicht.
Kolfinna verneinte wieder, was Listalin mit einem strahlenden Lächeln quittierte. Sie sagte, dass es wohl am besten wäre, wenn sie beide sich jetzt in die Arbeit stürzten, aber obwohl sie in der Mehrzahl sprach, machte sie keine Anstalten, Kolfinna zu helfen, sondern sagte nur, dass sie noch im Garten zu tun habe und ließ sie bei den Schrubbern zurück.
Vor den kleinen Wohnzimmerfenstern hingen Spitzengardinen, durch die das Tageslicht leicht schlüpfen konnte, und das Zimmer war vollgestopft mit einem Sammelsurium von Gegenständen, die die Wärme vergangener Zeiten ausstrahlten und dem Zimmer den Charakter eines Heimatmuseums verliehen. Kolfinna sah sich verwirrt um, knüllte das Staubtuch zwischen den Fingern und wusste nicht recht, wo sie anfangen sollte. Schließlich nahm sie das Tuch und staubte das Porzellan auf dem Büfett ab, die Blumenbilder und Familienfotos, kleine Trachtenpuppen, Kutter und Schiffe in Flaschen, Schmuckdöschen aus Glas oder Metall, einen ausgestopften Falken, Kartenspiele und Katzenfigürchen.
Weil das Staubwischen im Wohnzimmer über eine Stunde in Anspruch nahm, hatte sie einen Bammel vor dem Schlafzimmer, das sie sich ähnlich vorstellte wie das Wohnzimmer, bis obenhin vollgestopft mit all dem Krimskrams und Nippes, den alte Frauen sammelten. Deshalb fuhr ihr der Schreck in die Glieder, als sie die Tür öffnete.
Das Zimmer war dunkel, unpersönlich und kalt. Die Wand war mit sprödem braunen Holz getäfelt, und die Schränke und das schmale Bett mit dem hohen Kopfende in der Mitte des Raumes waren in demselben Holz gehalten. Nur die weiße Tagesdecke und die langen weißen Gardinen zeigten, dass der Raum bewohnt war, ansonsten gab es keinen Blickfang außer einer einfachen Holzlampe auf dem Nachttisch und einem kleinen Holzkreuz über dem Bett.
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Autoren-Porträt von Kristín Marja Baldursdóttir
Die Autorin Kristín Marja Baldursdóttir, 1949 geboren, ist eine der bekanntesten Schriftstellerinnen Islands und lebt in Reykjavík.Coletta Bürling ist die langjährige ehemalige Leiterin des Goethe-Instituts Reykjavik. Seit dessen Schließung übersetzte sie bereits zahlreiche Werke aus dem Isländischen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Kristín Marja Baldursdóttir
- 2004, 317 Seiten, Maße: 14,8 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Bürling, Coletta; Bürling, Kerstin
- Verlag: FISCHER Krüger
- ISBN-10: 3810502545
- ISBN-13: 9783810502544
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