Wir bauen ein Zukunftshaus
Ein Familiendrama in drei Akten
Vom Abenteuer, ein Zukunftshaus zu bauen
Die Zukunftsforscherfamilie Horx-Strathern hat am Rand von Wien ein Haus für die Zukunft gebaut: das »Future Evolution House«. Kurzweilig und mit viel Ironie schildert Oona Horx-Strathern das...
Die Zukunftsforscherfamilie Horx-Strathern hat am Rand von Wien ein Haus für die Zukunft gebaut: das »Future Evolution House«. Kurzweilig und mit viel Ironie schildert Oona Horx-Strathern das...
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Buch
19.99 €
Produktdetails
Produktinformationen zu „Wir bauen ein Zukunftshaus “
Vom Abenteuer, ein Zukunftshaus zu bauen
Die Zukunftsforscherfamilie Horx-Strathern hat am Rand von Wien ein Haus für die Zukunft gebaut: das »Future Evolution House«. Kurzweilig und mit viel Ironie schildert Oona Horx-Strathern das Drama seiner Entstehung. Sie erzählt, wie es zum Wunsch nach einem Eigenheim kam, welchen Anforderungen einer modernen Familie es genügen sollte, von sensiblen Architekten und noch sensibleren Nachbarn, den emotionalen Hochs und Tiefs während des Baus und wie Architektur heute den neuen Energietrends, innovativen Technologien, aber auch moderner Raumgestaltung Rechnung tragen kann. Nicht zuletzt ist das Buch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Frage, wie wir in absehbarer Zukunft wohnen und leben werden.
Die Zukunftsforscherfamilie Horx-Strathern hat am Rand von Wien ein Haus für die Zukunft gebaut: das »Future Evolution House«. Kurzweilig und mit viel Ironie schildert Oona Horx-Strathern das Drama seiner Entstehung. Sie erzählt, wie es zum Wunsch nach einem Eigenheim kam, welchen Anforderungen einer modernen Familie es genügen sollte, von sensiblen Architekten und noch sensibleren Nachbarn, den emotionalen Hochs und Tiefs während des Baus und wie Architektur heute den neuen Energietrends, innovativen Technologien, aber auch moderner Raumgestaltung Rechnung tragen kann. Nicht zuletzt ist das Buch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Frage, wie wir in absehbarer Zukunft wohnen und leben werden.
Klappentext zu „Wir bauen ein Zukunftshaus “
Vom Abenteuer, ein Zukunftshaus zu bauenDie Zukunftsforscherfamilie Horx-Strathern hat am Rand von Wien ein Haus für die Zukunft gebaut: das "Future Evolution House". Kurzweilig und mit viel Ironie schildert Oona Horx-Strathern das Drama seiner Entstehung. Sie erzählt, wie es zum Wunsch nach einem Eigenheim kam, welchen Anforderungen einer modernen Familie es genügen sollte, von sensiblen Architekten und noch sensibleren Nachbarn, den emotionalen Hochs und Tiefs während des Baus und wie Architektur heute den neuen Energietrends, innovativen Technologien, aber auch moderner Raumgestaltung Rechnung tragen kann. Nicht zuletzt ist das Buch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Frage, wie wir in absehbarer Zukunft wohnen und leben werden.
Lese-Probe zu „Wir bauen ein Zukunftshaus “
Wir bauen ein Zukunftshaus von Oona Horx-StrathernAus dem Englischen von Jörn Pinnow
Das Zuhause-Gefühl
»Jedes Mannes eigenes Wohnhaus und Heim ist das Theater seiner Gastfreundschaft, der Ort seiner Selbst-Verwirklichung, der komfortable Teil seines eigenen Lebens, das Edelste seiner Söhne Erbe, eine Art privates Fürstentum, nein, für die Besitzer ist es gar die Verkörperung der ganzen Welt.«
Sir Henry Wotton
»Ich möchte unsere Art und Weise zu leben gar nicht verändern, nur worin wir wohnen und wie wir darin wohnen.«
Frank Lloyd Wright
... mehr
Kurz nachdem unser erster Sohn Tristan 1993 geboren worden war, erstand mein Mann ein schmales und seriös wirkendes Buch über die Psychologie Neugeborener. Nachdem er zwei Tage intensiv darin gelesen hatte, zumeist mit dem schlafenden Tristan auf dem Schoß, fragte ich, was er gelernt habe. Nun, kündigte er an, unser Sohn befinde sich derzeit in einer Phase der Regression (heute ist er ein wunderbar normaler, »regressiver« Teenager). Eigentlich hätte ich mich damals nicht wundern dürfen, schließlich hatte mein Mann kurz nach unserer Hochzeit auch ein Buch über die Ökonomie der Ehe gekauft, das mathematische Formeln für das Gelingen einer Partnerschaft enthielt. So war es natürlich nur eine Frage der Zeit, bis Matthias, nachdem wir uns entschlossen hatten, ein Haus zu bauen, ein nicht besonders umfangreiches, trocken wirkendes Buch über die Psychologie des Hausbaus in Händen hielt. Der Band, den ich auf seinem Nachttisch entdeckte, trug den Titel: das Haus. Symbol für Leben und Tod, Freiheit und Abhängigkeit. Nach einer kurzen Zusammenfassung gefragt, erklärte mein geliebter Ehemann, dass wir jetzt eigentlich unserer Mausoleum bauen würden. Mein Mann ist ein notorischer Optimist, und so blieb er trotz meines Protests bei der Meinung, dass man den Bau eines Grabes auch positiv sehen könne. Aber nur, wie ich ausführte, wenn man nicht gerade tot sei. Dies war symbolisch der Anfang vom Ende, und die nachfolgenden Diskussionen darüber, ob wir wirklich ein eigenes Haus bauen sollten, liefen in etwa so ab:
Ich (weinerlich): »Ich halte es in dieser Mietswohnung nicht länger aus. Die Farbe blättert von der Wand, und die Kinder sind jetzt schon so groß, dass wir gar nicht mehr alle gleichzeitig in der Küche Platz haben.«
Um meinen Standpunkt deutlich zu machen, zeigte ich ihm das Bild einer schreienden Frau, die ihren Kiefer so weit aufgerissen hatte, dass sie aussah wie ein gereizter Gorilla. Es stammte aus einer cleveren Anzeigenkampagne des American Institute of Architecture und war mit dem Text versehen: »Mama hat schlechte Laune. Papa ist gereizt. Die Kinder sind mürrisch. Sie sind reif für eine Beratung. Die eines Architekten.«
Er (selbstgefällig): »Wie wär's, wenn wir einfach in ein nettes Design-Hotel ziehen?«
Ich (überrascht): »Wie, für immer?«
Er (noch selbstgefälliger): »Für das Geld, das wir für den Bau eines bescheidenen Einfamilienhauses ausgeben würden, könnten wir alle für die nächsten fünfzig Jahre in einem hübschen Hotel mit Wäscheservice wohnen.«
Ich (nachdenklich): »Und was ist mit der Katze? Hotels mögen keine Haustiere.«
Er (resigniert): »Okay, aber was, wenn wir uns nicht auf einen Entwurf und einen Architekten einigen können?«
Ich (jetzt selbst an der Reihe, selbstgefällig zu werden): »Aha, ich dachte mir schon, dass du das sagen würdest ...«
Statt mich weiter zu erklären, zeigte ich ihm ein Bild von Castle Ward in Nordirland, das im 18. Jahrhundert für Lady Anne Blight und ihren Mann Viscount Bangor gebaut worden war. Lady Blight war eine glühende Anhängerin der Gotik mit ihren spitzen Fenstern und Dachzinnen. Der Viscount dagegen bevorzugte den klassischen Stil mit Erkern, Säulen und palladischen Proportionen. Der Architekt, der dieses Stilproblem löste, war nicht nur ein Genie, sondern auch das, was man im wahrsten Sinne des Wortes einen Querdenker nennen könnte: Er teilte das Haus in zwei Hälften. Die Ansicht der Vorderseite entsprach dem Geschmack des Gentleman, die Rückseite (was irgendwie unfair ist) dem der Lady.
Dieses Prinzip zieht sich durch das ganze Gebäude, das damit eines der großartigen und seltenen Beispiele dafür ist, wie ein Architekt zwei völlig unterschiedliche Geschmäcker befriedigen und damit eine Ehe retten kann.
Er (nachdenklich): »Wir sind Zukunftsforscher. Wir sollten ein Zukunftshaus bauen.«
Ich (muffelig): »Heißt das, es muss wie ein Raumschiff aussehen?«
Er (begeistert): »Wir könnten es das Future Evolution House nennen.«
Ich (weinerlich): »Ich möchte einfach nur einen Ort, den ich mein Zuhause nennen kann.«
Er (intellektuell die Stirn runzelnd): »Aber was ist das, ein Zuhause?«
Ich (seufzend): »Ich dachte mir schon, dass du das fragen würdest ...«
Je mehr wir darüber sprachen, desto konfuser wurde es. Wir fragten uns, wie wir je das perfekte Zuhause würden bauen können, wenn wir als Autoren noch nicht einmal in der Lage waren, es zu definieren? Ist es ein Ort oder ein Gefühl? Entspricht es dem englischen Sprichwort »My home is my castle« oder vielleicht eher dem Kokon eines Menschen nach der Trendforscherin Faith Popcorn? Oder ist es einfach dort, wo sich Ihr Herz und Ihr Herd befinden? Vielleicht ist es ja nur eine »Wohnmaschine«, wie der Architekt Le Corbusier einst die von ihm gestalteten Häuser nannte? Oder geht es, wie es der Autor und Fotograf Andrew Bush formulierte, beim Zuhause einfach »um das Familiäre, um die Anziehungskraft, um das in sich selbst Zurückfallen, nachdem man sich überall auf der Welt ver und ausgebreitet hat«? Und obwohl sich die Menschen aus den Höhlen hinaus in Hütten und jetzt Häuser entwickelt haben, haben wir doch nicht alle unsere nomadischen und SammlerJäger-Instinkte verloren. Wir streben noch immer danach, ein Dach über dem Kopf zu haben, einen Ort, an dem wir uns verkriechen können, einen Ort, an dem wir unsere Vorräte lagern, aber auch eine Basis, von der aus wir uns aufmachen können, die Welt zu entdecken. Ein Zuhause kann viele Formen annehmen, oder wie Alain de Botton es in Glück und Architektur beschreibt: »Um sich diese Bezeichnung zu verdienen, muss das Zuhause keineswegs der Platz sein, an dem wir uns dauerhaft aufhalten oder an dem wir unsere Kleider aufbewahren. [...] Zu Hause können wir uns folglich auch in einem Flughafen oder einer Bibliothek fühlen, in einem Garten oder einer Autobahnraststätte.«
Um die Sache noch zu verkomplizieren, bedeutete ein Zuhause für jeden von uns vier etwas völlig anderes. Zu dem Zeitpunkt, als wir über einen Umzug nachzudenken begannen, wohnten wir bereits acht Jahre in unserer »Übergangswohnung«. Als zweisprachige und mobile Familie hatten wir beschlossen, eigentlich überall auf dem europäischen Kontinent leben zu können, waren aber 1999 von Hamburg nach Wien gezogen. Wir verstanden diese Stadt als das zukünftige geografische Herz Europas. Historisch gesehen hatte Wien immer schon Fremden, Exilanten und Kreativen eine Heimat mit viel Lebensqualität geboten. Für meinen Mann Matthias bedeutete »Zuhause«, den bösen Geist seiner traumatisierenden Familiengeschichte zu besiegen. Seine Eltern waren Flüchtlinge und nach dem Krieg aus Ostdeutschland nach Kiel gezogen, wo sie so lange unglücklich als »Ausländer« lebten, bis sie nach Frankfurt gingen. Als junger Hippie zog Matthias quer durch Europa und verstand das Reisen als Gegenbewegung zu jenem Trauma, was ihn jedoch auch jahrelang daran hinderte, feste, stabile Wurzeln mit einer Familie auszubilden. Heute, als Unternehmensberater, Vortragsredner und Zukunftsforscher, belegen die gesammelten Flugmeilen seine Umtriebigkeit, zugleich aber braucht er ein Basislager, von dem aus er auf Beutefang für seine Familie gehen kann. Für mich bedeutete ein Zuhause zu haben vor allem, einen Ort zu finden, der nicht mit meiner Sehnsucht nach meiner Heimat England konkurrieren würde, sie aber ergänzen könnte und mir die Freiheit ließ, schnell durch Europa und zu meinem Vater nach London sowie zu meinen Freunden in Italien, Deutschland und Frankreich reisen zu können. Für unsere beiden Kinder ging es bei dem Umzug um ein merkwürdiges, neues Haus, das sie vermutlich eines Tages erben würden. Und für uns alle war es die Erschaffung eines Ortes, an dem man sich nicht erklären muss, an dem man einfach »sein« darf.
Doch so sehr wir uns auch bemühten, rational an die Sache heranzugehen, ein »Eigenheim« barg sehr viele Erwartungen in sich. An Ruhe und Erholung, an Erneuerung und Regeneration. Es sollte energiesparend sein und dabei aus bezahlbaren Materialien bestehen, aber doch auch komfortabel sein und uns glücklich machen. Physisch und mental. Jetzt und auf absehbare Zukunft. Heute müssen die eigenen vier Wände zunehmend auch als Arbeitsplatz herhalten. Wo die Technologie Einzug hält, folgt ihr die Arbeit, und jetzt, da der »Work-Life-Balance-Geist« einmal aus der Flasche gelassen ist, tut man gut daran, sich dem anzupassen und nicht gewaltsam zu versuchen, ihn zurück stopfen zu wollen. Genauso wie wir uns den neuen Gegebenheiten anpassen müssen, sollte auch ein Haus dazu in der Lage sein. Das lateinische Wort domus bezeichnete ursprünglich sowohl das Haus als auch dessen Bewohner, es bezieht sich also nicht nur auf das Gebäude, sondern auch auf die Menschen, die innerhalb seiner Mauern leben. Es impliziert damit eine Koexistenz oder Koevolution von beidem. In den Begriffen der Systemtheorie ist Wohnen ein komplexes adaptives System oder, wie Stewart Brand es formuliert: »Das Alter und die Möglichkeit, sich anzupassen, sind es, was ein Gebäude liebenswert machen kann. Das Haus lernt von seinen Bewohnern und sie lernen von ihm.« Früher, Jahrhunderte zurück, entsprachen die Häuser, die sich die Menschen bauten, automatisch viel besser ihren Bedürfnissen. Der Nachteil war der, dass man sie je nach Lust und Laune beziehungsweise den eigenen Fähigkeiten errichtete, was hinsichtlich der Sicherheit und des Komforts zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führte. Dafür ließen sie sich schnell an familiäre und berufliche Veränderungen anpassen. Als die Baumethoden immer ausgefeilter und zusehends professioneller wurden, lagerte man den Hausbau aus. Dadurch wurde das Bauen zwar sicherer, standardisierter und kostengünstiger, es bedeutete aber auch, dass sich die Menschen jetzt dem Haus anpassen müssen. Einen Preis, den man in Kauf nehmen kann - hat doch allein das letzte Jahrhundert ganz offensichtlich jede Menge verbesserter Materialien, Technologien und Bauweisen hervorgebracht. Die andere Seite der Medaille ist, dass heutzutage viele mit der Trägheit eines relativ unflexiblen Systems zu kämpfen haben. Ein Blick auf die Standardwohnungen mit ihren tiefen Decken, kleinen Fenstern und den »vorgeschriebenen« Zimmern in Einheitsgröße genügt. Dazu kommt der demografische und soziale Wandel, der dazu führt, dass die Bedürfnisse an ein Haus sich schneller ändern, als Architekten und Bauindustrie in der Lage sind, den Anforderungen nachzukommen. Immer mehr Frauen gehen einem Beruf nach, immer mehr Männer übernehmen Haushaltsaufgaben. Traditionelle Familienstrukturen verändern und öffnen sich, und ein Ende der Entwicklung, wer alles mit wem wie zusammenleben will, scheint nicht in Sicht. Viele Familien setzen sich enorm unter Druck, um für die unterschiedlichen Familienmitglieder einen Ort zu schaffen, an dem sie sich wirklich zu Hause fühlen, ohne dabei Kompromisse bei der Kommunikation oder Privatsphäre eingehen zu müssen. Und zu all dem bedeutet ein moderner Lebensstil, dass ein reges Kommen und Gehen herrscht. So wie sich die Veränderungen in der Gesellschaft und in den Geschlechterrollen auch zu Hause eine Bühne verschaffen mussten, bedarf es dort jetzt auch einer neuen Kulisse.
Rückblickend war das der einfache Teil - bei dem man weitschweifig über die Bedeutung eines Zuhauses philosophieren, die sozioökonomischen Faktoren analysieren, die Psychologie der Gesellschaft und der eigenen Familie studieren und dann abstrakt mit der Idee, ein Haus zu bauen, spielen kann. Wirklich schwierig wurde es, als es darum ging, einen Architekturstil zu finden, der all die Bedürfnisse, die man an ein Haus stellt, vereint und nebeneinander befriedigt. Es ist ein bisschen so, als hätte man fünfzehn Liebhaber parallel zueinander, um so den perfekten Partner zu bekommen. Oder um es in den Worten Alain de Bottons zu sagen: »Der Glaube an die Bedeutung der Architektur setzt nicht nur die Annahme voraus, dass wir - ob wir wollen oder nicht - an einem anderen Ort ein anderer Mensch sind, sondern auch die Überzeugung, dass es Aufgabe der Architektur ist, uns vor Augen zu halten, wer wir im Idealfall wären.« Das beantwortet noch nicht die Frage, ob gute Architektur uns auch zu guten Menschen macht.
Ein kurzer Blick in das Buch Zu Besuch bei Diktatoren würde uns oberflächlich bestätigen, dass es tatsächlich einen Zusammenhang gibt zwischen unglaublich schlechtem Geschmack und entsetzlich schlechtem Verhalten, auch wenn dies natürlich ein wenig umstritten sein dürfte. Imelda Marcos' vulgärer Pseudo-Hollywoodstil macht klar, dass die Philippinen ein reicheres Land gewesen wären, wäre Imelda Marcos nicht Präsidentin geworden. Tyrannenkitsch erleben wir auch in Mobutu Sese Sekos falschem französischem Schloss und in Saddam Husseins Louis-der-Soundsovielte-Retrostil seiner über hundert Paläste. Eines der bleibenden Bilder von Gaddafis zerbröckelndem Regime wird jenes Foto sein, auf dem Rebellen auf einem unglaublich hässlichen, goldenen Sofa posieren, das eine Meerjungfrau mit den Gesichtszügen von Gaddafis Tochter Aisha ziert. Wie damals ein Journalist des Guardian schrieb, ist eine solche Meerjungfrauencouch nur in Ländern denkbar, in denen Witze über die Armee tabu sind.
Wenn sie uns schon nicht zu besseren Menschen machen kann, so erwarten wir von der Architektur doch zumindest, dass sie uns zu glücklichen Menschen macht, jetzt und in Zukunft. Und umgekehrt glauben wir, dass schlechte Architektur uns unglücklich macht. Ich war daher nur unter der Bedingung mit dem Bau eines Eigenheims einverstanden, dass wir es an dem Tag verkaufen werden, an dem wir morgens aufwachen und feststellen, dass wir darin untröstlich unglücklich (oder aber zu Tyrannen) geworden sind. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf machten wir uns auf die Suche nach Inspirationen für ein Haus, mit Platz für vier Personen, eine in die Jahre gekommene Katze und einem optimistischen Blick in die Zukunft.
Obwohl das menschliche Gehirn heute relativ weit entwickelt ist, leiden wir unter einem unglaublich kurzen und selektiven Gedächtnis, was die realistische Einschätzung von Architektur angeht. Genauso, wie Sie vermutlich nicht freiwillig zu einem Zahnarzt von vor hundert Jahren würden gehen wollen, würden Sie auch nicht im Haus eines Durchschnittsmenschen aus dieser Zeit leben wollen. »Waren die Häuser früher nicht alle schöner?«, seufzen die Menschen, wenn sie sehnsüchtig an die großen Gebäude der Aristokraten, die Villen, Gutshäuser und königlichen Paläste denken, mit denen Europa übersät ist. Auch ich ließ mich von Geschichten über große herrschaftliche Anwesen verführen, in denen den Gästen silberne Kästchen mit personalisiertem Konfetti überreicht wurden, mit dem sie ihren Weg durch die Korridore markieren konnten, um später wieder hinauszufinden - was sich insbesondere nach einem skandalösen nächtlichen Stelldichein als nützlich erwies. Oder ich hing romantischen Gedanken nach, wie es wohl zu Jane Austens Zeit gewesen sein musste, als es sich für junge Damen aus gutem Hause gehörte, einen eigenen Frühstücksraum zu haben. Und ich dachte an die Männer um 1900, die, wenn sie eine gewisse gesellschaftliche Stellung hatten, über ein eigenes Raucherzimmer verfügten.
Während Wohnungen heute grob anhand der (Schlaf-) Zimmer gemessen werden, war es früher üblich, dies durch die Größe der Dienstflügel und Tanzsäle zu tun. Wer wäre nicht einem Haus zugeneigt, das ein Extrazimmer fürs Bügeln der Zeitung, einen Raum ausschließlich für Kerzen oder Bettwäsche, Wasserkrüge oder sogar Bettpfannen vorweisen kann? Ganz zu schweigen von dem Wunsch nach einem großzügigen Eingangsbereich. Früher versprach ein repräsentatives Entrée mindestens einen Butler, der einem aus dem Mantel half, wohingegen heute der Flur zu einer unspektakulären und vollgestopften Ablage für matschige Schuhe, Taschen und Mäntel verkommen ist, die kaum noch in einem Grundriss auftaucht. Architektonische Ambitionen in Richtung dieser Relikte der Vergangenheit zu haben heißt, sie zu romantisieren und für ihre Architektur, ihre opulente Einrichtung und großen Gärten zu schwärmen, deren exotische Pflanzen von einer Armee an Gärtnern in Schuss gehalten wurden. Aber es heißt auch zu vergessen, wie der Rest der Bevölkerung wohnte. Dass Glas und Türen besteuert wurden, die Wohnungen ohne fließend Wasser oder Heizung waren, bedeutete für die meisten Menschen, in spartanisch möblierten, kalten, düsteren und beengten Verhältnissen zu leben. So wie Menschen nie behaupten, in einem früheren Leben ein einfacher Bauer gewesen zu sein, sondern immer nur Prinzessin oder Prinz waren, so vergessen wir auch allzu gerne, in welch elenden Umständen die durchschnittliche arbeitende Bevölkerung lebte. In der »guten alten Zeit« wurde man nicht nur deshalb krank und starb, weil man zu viel schuftete oder feuchte Wände hatte, sondern auch weil der Klebstoff der Tapeten einen langsam vergiftete, falls man denn zu den wenigen Glücklichen gehörte, die sich solche überhaupt leisten konnten.
König Ludwig II. von Bayern war jemand, der schlichtweg ignorierte, wie andere Menschen lebten. Er war ein Mann, für den der Spruch »my home is my castle« hätte erfunden werden müssen, und ihm gelang es, durch den Bau von ein, zwei, drei »Häusern« den Staat Bayern in spektakulärer Weise zu ruinieren. Sein Geschmack war reine Manieriertheit, seine Verwendung von Geldern fragwürdig, und dennoch war er durchaus ein Vorbild für unser Projekt, zumindest was seine mutigen Visionen und die beispielhafte Geduld und den Einfallsreichtum seiner Architekten und Baumeister angeht. Jeder Bauherr hat seine individuellen Ansprüche, und König Ludwig war da keine Ausnahme: ein Tisch, der wie ein Fahrstuhl direkt und gedeckt aus der Küche nach oben ins Speisezimmer gefahren werden kann, damit das Essen auf den langen, zugigen Wegen durch das Innere des Schlosses nicht kalt wird - was für eine wunderbare Idee, Sir. Eine künstliche Grotte mit See, auf dem man Sie nach Belieben herumrudern kann - nichts leichter als das, Majestät. Ein großer Ballsaal, dessen Wände mit den Szenen aus Ihren geliebten Wagner-Opern bemalt sind - nur ein Pinselstrich, Hoheit. Die einzige Sache, die er offensichtlich nicht umsetzen konnte, war eine Flugmaschine, die ihn zwischen seinen Prachtbauten hin und her bringen sollte, weil die Fahrt mit dem Schlitten im tief verschneiten Winter ihm zu langweilig war.
Bei einem Bildungsbesuch auf Schloss Neuschwanstein, dem aufwendigsten und teuersten seiner Projekte, stand ich schwer beeindruckt vor den Früchten eines außergewöhnlichen Egos und einer wilden Vorstellungskraft. Plötzlich fragte ein Mann aus unserer Besuchergruppe den Reiseführer allen Ernstes: »Gibt es überhaupt einen Beweis dafür, dass König Ludwig verrückt war?« Tatsächlich war aber einer der Punkte, die die Psychiater seinerzeit gegen ihn verwandten, der, dass er Diener auf lange, kostspielige Reisen aussandte, damit sie im Ausland Erkundigungen über architektonische Details einholten. Für mich ist das eher ein Beweis seines gesunden Verstands als für seinen Wahnsinn (Ludwig selbst unternahm ausführliche Forschungsreisen nach Versailles und in die ländlichen Gegenden Englands, wo er Sakralbauten in Augenschein nahm). Während seine finanziellen und architektonischen Exzesse Grund genug gewesen wären, ihn hinter Gitter zu bringen, spielten Berichte über Picknicks im Mondschein mit nackten männlichen Tänzern eine wohl eher kleine, aber entscheidende Rolle bei seiner Entmündigung.
Nur wenige Monate bevor Ludwig 1886 unter mysteriösen Umständen starb, erblickte etwa 600 Kilometer entfernt, in Aachen, ein weiteres architektonisches Genie mit dem Namen Ludwig das Licht der Welt. Doch die beiden hätten unterschiedlicher nicht sein können.
Copyright © für die deutschsprachige Ausgabe 2012 Deutsche Verlags-Anstalt, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH Alle Rechte vorbehalten
Kurz nachdem unser erster Sohn Tristan 1993 geboren worden war, erstand mein Mann ein schmales und seriös wirkendes Buch über die Psychologie Neugeborener. Nachdem er zwei Tage intensiv darin gelesen hatte, zumeist mit dem schlafenden Tristan auf dem Schoß, fragte ich, was er gelernt habe. Nun, kündigte er an, unser Sohn befinde sich derzeit in einer Phase der Regression (heute ist er ein wunderbar normaler, »regressiver« Teenager). Eigentlich hätte ich mich damals nicht wundern dürfen, schließlich hatte mein Mann kurz nach unserer Hochzeit auch ein Buch über die Ökonomie der Ehe gekauft, das mathematische Formeln für das Gelingen einer Partnerschaft enthielt. So war es natürlich nur eine Frage der Zeit, bis Matthias, nachdem wir uns entschlossen hatten, ein Haus zu bauen, ein nicht besonders umfangreiches, trocken wirkendes Buch über die Psychologie des Hausbaus in Händen hielt. Der Band, den ich auf seinem Nachttisch entdeckte, trug den Titel: das Haus. Symbol für Leben und Tod, Freiheit und Abhängigkeit. Nach einer kurzen Zusammenfassung gefragt, erklärte mein geliebter Ehemann, dass wir jetzt eigentlich unserer Mausoleum bauen würden. Mein Mann ist ein notorischer Optimist, und so blieb er trotz meines Protests bei der Meinung, dass man den Bau eines Grabes auch positiv sehen könne. Aber nur, wie ich ausführte, wenn man nicht gerade tot sei. Dies war symbolisch der Anfang vom Ende, und die nachfolgenden Diskussionen darüber, ob wir wirklich ein eigenes Haus bauen sollten, liefen in etwa so ab:
Ich (weinerlich): »Ich halte es in dieser Mietswohnung nicht länger aus. Die Farbe blättert von der Wand, und die Kinder sind jetzt schon so groß, dass wir gar nicht mehr alle gleichzeitig in der Küche Platz haben.«
Um meinen Standpunkt deutlich zu machen, zeigte ich ihm das Bild einer schreienden Frau, die ihren Kiefer so weit aufgerissen hatte, dass sie aussah wie ein gereizter Gorilla. Es stammte aus einer cleveren Anzeigenkampagne des American Institute of Architecture und war mit dem Text versehen: »Mama hat schlechte Laune. Papa ist gereizt. Die Kinder sind mürrisch. Sie sind reif für eine Beratung. Die eines Architekten.«
Er (selbstgefällig): »Wie wär's, wenn wir einfach in ein nettes Design-Hotel ziehen?«
Ich (überrascht): »Wie, für immer?«
Er (noch selbstgefälliger): »Für das Geld, das wir für den Bau eines bescheidenen Einfamilienhauses ausgeben würden, könnten wir alle für die nächsten fünfzig Jahre in einem hübschen Hotel mit Wäscheservice wohnen.«
Ich (nachdenklich): »Und was ist mit der Katze? Hotels mögen keine Haustiere.«
Er (resigniert): »Okay, aber was, wenn wir uns nicht auf einen Entwurf und einen Architekten einigen können?«
Ich (jetzt selbst an der Reihe, selbstgefällig zu werden): »Aha, ich dachte mir schon, dass du das sagen würdest ...«
Statt mich weiter zu erklären, zeigte ich ihm ein Bild von Castle Ward in Nordirland, das im 18. Jahrhundert für Lady Anne Blight und ihren Mann Viscount Bangor gebaut worden war. Lady Blight war eine glühende Anhängerin der Gotik mit ihren spitzen Fenstern und Dachzinnen. Der Viscount dagegen bevorzugte den klassischen Stil mit Erkern, Säulen und palladischen Proportionen. Der Architekt, der dieses Stilproblem löste, war nicht nur ein Genie, sondern auch das, was man im wahrsten Sinne des Wortes einen Querdenker nennen könnte: Er teilte das Haus in zwei Hälften. Die Ansicht der Vorderseite entsprach dem Geschmack des Gentleman, die Rückseite (was irgendwie unfair ist) dem der Lady.
Dieses Prinzip zieht sich durch das ganze Gebäude, das damit eines der großartigen und seltenen Beispiele dafür ist, wie ein Architekt zwei völlig unterschiedliche Geschmäcker befriedigen und damit eine Ehe retten kann.
Er (nachdenklich): »Wir sind Zukunftsforscher. Wir sollten ein Zukunftshaus bauen.«
Ich (muffelig): »Heißt das, es muss wie ein Raumschiff aussehen?«
Er (begeistert): »Wir könnten es das Future Evolution House nennen.«
Ich (weinerlich): »Ich möchte einfach nur einen Ort, den ich mein Zuhause nennen kann.«
Er (intellektuell die Stirn runzelnd): »Aber was ist das, ein Zuhause?«
Ich (seufzend): »Ich dachte mir schon, dass du das fragen würdest ...«
Je mehr wir darüber sprachen, desto konfuser wurde es. Wir fragten uns, wie wir je das perfekte Zuhause würden bauen können, wenn wir als Autoren noch nicht einmal in der Lage waren, es zu definieren? Ist es ein Ort oder ein Gefühl? Entspricht es dem englischen Sprichwort »My home is my castle« oder vielleicht eher dem Kokon eines Menschen nach der Trendforscherin Faith Popcorn? Oder ist es einfach dort, wo sich Ihr Herz und Ihr Herd befinden? Vielleicht ist es ja nur eine »Wohnmaschine«, wie der Architekt Le Corbusier einst die von ihm gestalteten Häuser nannte? Oder geht es, wie es der Autor und Fotograf Andrew Bush formulierte, beim Zuhause einfach »um das Familiäre, um die Anziehungskraft, um das in sich selbst Zurückfallen, nachdem man sich überall auf der Welt ver und ausgebreitet hat«? Und obwohl sich die Menschen aus den Höhlen hinaus in Hütten und jetzt Häuser entwickelt haben, haben wir doch nicht alle unsere nomadischen und SammlerJäger-Instinkte verloren. Wir streben noch immer danach, ein Dach über dem Kopf zu haben, einen Ort, an dem wir uns verkriechen können, einen Ort, an dem wir unsere Vorräte lagern, aber auch eine Basis, von der aus wir uns aufmachen können, die Welt zu entdecken. Ein Zuhause kann viele Formen annehmen, oder wie Alain de Botton es in Glück und Architektur beschreibt: »Um sich diese Bezeichnung zu verdienen, muss das Zuhause keineswegs der Platz sein, an dem wir uns dauerhaft aufhalten oder an dem wir unsere Kleider aufbewahren. [...] Zu Hause können wir uns folglich auch in einem Flughafen oder einer Bibliothek fühlen, in einem Garten oder einer Autobahnraststätte.«
Um die Sache noch zu verkomplizieren, bedeutete ein Zuhause für jeden von uns vier etwas völlig anderes. Zu dem Zeitpunkt, als wir über einen Umzug nachzudenken begannen, wohnten wir bereits acht Jahre in unserer »Übergangswohnung«. Als zweisprachige und mobile Familie hatten wir beschlossen, eigentlich überall auf dem europäischen Kontinent leben zu können, waren aber 1999 von Hamburg nach Wien gezogen. Wir verstanden diese Stadt als das zukünftige geografische Herz Europas. Historisch gesehen hatte Wien immer schon Fremden, Exilanten und Kreativen eine Heimat mit viel Lebensqualität geboten. Für meinen Mann Matthias bedeutete »Zuhause«, den bösen Geist seiner traumatisierenden Familiengeschichte zu besiegen. Seine Eltern waren Flüchtlinge und nach dem Krieg aus Ostdeutschland nach Kiel gezogen, wo sie so lange unglücklich als »Ausländer« lebten, bis sie nach Frankfurt gingen. Als junger Hippie zog Matthias quer durch Europa und verstand das Reisen als Gegenbewegung zu jenem Trauma, was ihn jedoch auch jahrelang daran hinderte, feste, stabile Wurzeln mit einer Familie auszubilden. Heute, als Unternehmensberater, Vortragsredner und Zukunftsforscher, belegen die gesammelten Flugmeilen seine Umtriebigkeit, zugleich aber braucht er ein Basislager, von dem aus er auf Beutefang für seine Familie gehen kann. Für mich bedeutete ein Zuhause zu haben vor allem, einen Ort zu finden, der nicht mit meiner Sehnsucht nach meiner Heimat England konkurrieren würde, sie aber ergänzen könnte und mir die Freiheit ließ, schnell durch Europa und zu meinem Vater nach London sowie zu meinen Freunden in Italien, Deutschland und Frankreich reisen zu können. Für unsere beiden Kinder ging es bei dem Umzug um ein merkwürdiges, neues Haus, das sie vermutlich eines Tages erben würden. Und für uns alle war es die Erschaffung eines Ortes, an dem man sich nicht erklären muss, an dem man einfach »sein« darf.
Doch so sehr wir uns auch bemühten, rational an die Sache heranzugehen, ein »Eigenheim« barg sehr viele Erwartungen in sich. An Ruhe und Erholung, an Erneuerung und Regeneration. Es sollte energiesparend sein und dabei aus bezahlbaren Materialien bestehen, aber doch auch komfortabel sein und uns glücklich machen. Physisch und mental. Jetzt und auf absehbare Zukunft. Heute müssen die eigenen vier Wände zunehmend auch als Arbeitsplatz herhalten. Wo die Technologie Einzug hält, folgt ihr die Arbeit, und jetzt, da der »Work-Life-Balance-Geist« einmal aus der Flasche gelassen ist, tut man gut daran, sich dem anzupassen und nicht gewaltsam zu versuchen, ihn zurück stopfen zu wollen. Genauso wie wir uns den neuen Gegebenheiten anpassen müssen, sollte auch ein Haus dazu in der Lage sein. Das lateinische Wort domus bezeichnete ursprünglich sowohl das Haus als auch dessen Bewohner, es bezieht sich also nicht nur auf das Gebäude, sondern auch auf die Menschen, die innerhalb seiner Mauern leben. Es impliziert damit eine Koexistenz oder Koevolution von beidem. In den Begriffen der Systemtheorie ist Wohnen ein komplexes adaptives System oder, wie Stewart Brand es formuliert: »Das Alter und die Möglichkeit, sich anzupassen, sind es, was ein Gebäude liebenswert machen kann. Das Haus lernt von seinen Bewohnern und sie lernen von ihm.« Früher, Jahrhunderte zurück, entsprachen die Häuser, die sich die Menschen bauten, automatisch viel besser ihren Bedürfnissen. Der Nachteil war der, dass man sie je nach Lust und Laune beziehungsweise den eigenen Fähigkeiten errichtete, was hinsichtlich der Sicherheit und des Komforts zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führte. Dafür ließen sie sich schnell an familiäre und berufliche Veränderungen anpassen. Als die Baumethoden immer ausgefeilter und zusehends professioneller wurden, lagerte man den Hausbau aus. Dadurch wurde das Bauen zwar sicherer, standardisierter und kostengünstiger, es bedeutete aber auch, dass sich die Menschen jetzt dem Haus anpassen müssen. Einen Preis, den man in Kauf nehmen kann - hat doch allein das letzte Jahrhundert ganz offensichtlich jede Menge verbesserter Materialien, Technologien und Bauweisen hervorgebracht. Die andere Seite der Medaille ist, dass heutzutage viele mit der Trägheit eines relativ unflexiblen Systems zu kämpfen haben. Ein Blick auf die Standardwohnungen mit ihren tiefen Decken, kleinen Fenstern und den »vorgeschriebenen« Zimmern in Einheitsgröße genügt. Dazu kommt der demografische und soziale Wandel, der dazu führt, dass die Bedürfnisse an ein Haus sich schneller ändern, als Architekten und Bauindustrie in der Lage sind, den Anforderungen nachzukommen. Immer mehr Frauen gehen einem Beruf nach, immer mehr Männer übernehmen Haushaltsaufgaben. Traditionelle Familienstrukturen verändern und öffnen sich, und ein Ende der Entwicklung, wer alles mit wem wie zusammenleben will, scheint nicht in Sicht. Viele Familien setzen sich enorm unter Druck, um für die unterschiedlichen Familienmitglieder einen Ort zu schaffen, an dem sie sich wirklich zu Hause fühlen, ohne dabei Kompromisse bei der Kommunikation oder Privatsphäre eingehen zu müssen. Und zu all dem bedeutet ein moderner Lebensstil, dass ein reges Kommen und Gehen herrscht. So wie sich die Veränderungen in der Gesellschaft und in den Geschlechterrollen auch zu Hause eine Bühne verschaffen mussten, bedarf es dort jetzt auch einer neuen Kulisse.
Rückblickend war das der einfache Teil - bei dem man weitschweifig über die Bedeutung eines Zuhauses philosophieren, die sozioökonomischen Faktoren analysieren, die Psychologie der Gesellschaft und der eigenen Familie studieren und dann abstrakt mit der Idee, ein Haus zu bauen, spielen kann. Wirklich schwierig wurde es, als es darum ging, einen Architekturstil zu finden, der all die Bedürfnisse, die man an ein Haus stellt, vereint und nebeneinander befriedigt. Es ist ein bisschen so, als hätte man fünfzehn Liebhaber parallel zueinander, um so den perfekten Partner zu bekommen. Oder um es in den Worten Alain de Bottons zu sagen: »Der Glaube an die Bedeutung der Architektur setzt nicht nur die Annahme voraus, dass wir - ob wir wollen oder nicht - an einem anderen Ort ein anderer Mensch sind, sondern auch die Überzeugung, dass es Aufgabe der Architektur ist, uns vor Augen zu halten, wer wir im Idealfall wären.« Das beantwortet noch nicht die Frage, ob gute Architektur uns auch zu guten Menschen macht.
Ein kurzer Blick in das Buch Zu Besuch bei Diktatoren würde uns oberflächlich bestätigen, dass es tatsächlich einen Zusammenhang gibt zwischen unglaublich schlechtem Geschmack und entsetzlich schlechtem Verhalten, auch wenn dies natürlich ein wenig umstritten sein dürfte. Imelda Marcos' vulgärer Pseudo-Hollywoodstil macht klar, dass die Philippinen ein reicheres Land gewesen wären, wäre Imelda Marcos nicht Präsidentin geworden. Tyrannenkitsch erleben wir auch in Mobutu Sese Sekos falschem französischem Schloss und in Saddam Husseins Louis-der-Soundsovielte-Retrostil seiner über hundert Paläste. Eines der bleibenden Bilder von Gaddafis zerbröckelndem Regime wird jenes Foto sein, auf dem Rebellen auf einem unglaublich hässlichen, goldenen Sofa posieren, das eine Meerjungfrau mit den Gesichtszügen von Gaddafis Tochter Aisha ziert. Wie damals ein Journalist des Guardian schrieb, ist eine solche Meerjungfrauencouch nur in Ländern denkbar, in denen Witze über die Armee tabu sind.
Wenn sie uns schon nicht zu besseren Menschen machen kann, so erwarten wir von der Architektur doch zumindest, dass sie uns zu glücklichen Menschen macht, jetzt und in Zukunft. Und umgekehrt glauben wir, dass schlechte Architektur uns unglücklich macht. Ich war daher nur unter der Bedingung mit dem Bau eines Eigenheims einverstanden, dass wir es an dem Tag verkaufen werden, an dem wir morgens aufwachen und feststellen, dass wir darin untröstlich unglücklich (oder aber zu Tyrannen) geworden sind. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf machten wir uns auf die Suche nach Inspirationen für ein Haus, mit Platz für vier Personen, eine in die Jahre gekommene Katze und einem optimistischen Blick in die Zukunft.
Obwohl das menschliche Gehirn heute relativ weit entwickelt ist, leiden wir unter einem unglaublich kurzen und selektiven Gedächtnis, was die realistische Einschätzung von Architektur angeht. Genauso, wie Sie vermutlich nicht freiwillig zu einem Zahnarzt von vor hundert Jahren würden gehen wollen, würden Sie auch nicht im Haus eines Durchschnittsmenschen aus dieser Zeit leben wollen. »Waren die Häuser früher nicht alle schöner?«, seufzen die Menschen, wenn sie sehnsüchtig an die großen Gebäude der Aristokraten, die Villen, Gutshäuser und königlichen Paläste denken, mit denen Europa übersät ist. Auch ich ließ mich von Geschichten über große herrschaftliche Anwesen verführen, in denen den Gästen silberne Kästchen mit personalisiertem Konfetti überreicht wurden, mit dem sie ihren Weg durch die Korridore markieren konnten, um später wieder hinauszufinden - was sich insbesondere nach einem skandalösen nächtlichen Stelldichein als nützlich erwies. Oder ich hing romantischen Gedanken nach, wie es wohl zu Jane Austens Zeit gewesen sein musste, als es sich für junge Damen aus gutem Hause gehörte, einen eigenen Frühstücksraum zu haben. Und ich dachte an die Männer um 1900, die, wenn sie eine gewisse gesellschaftliche Stellung hatten, über ein eigenes Raucherzimmer verfügten.
Während Wohnungen heute grob anhand der (Schlaf-) Zimmer gemessen werden, war es früher üblich, dies durch die Größe der Dienstflügel und Tanzsäle zu tun. Wer wäre nicht einem Haus zugeneigt, das ein Extrazimmer fürs Bügeln der Zeitung, einen Raum ausschließlich für Kerzen oder Bettwäsche, Wasserkrüge oder sogar Bettpfannen vorweisen kann? Ganz zu schweigen von dem Wunsch nach einem großzügigen Eingangsbereich. Früher versprach ein repräsentatives Entrée mindestens einen Butler, der einem aus dem Mantel half, wohingegen heute der Flur zu einer unspektakulären und vollgestopften Ablage für matschige Schuhe, Taschen und Mäntel verkommen ist, die kaum noch in einem Grundriss auftaucht. Architektonische Ambitionen in Richtung dieser Relikte der Vergangenheit zu haben heißt, sie zu romantisieren und für ihre Architektur, ihre opulente Einrichtung und großen Gärten zu schwärmen, deren exotische Pflanzen von einer Armee an Gärtnern in Schuss gehalten wurden. Aber es heißt auch zu vergessen, wie der Rest der Bevölkerung wohnte. Dass Glas und Türen besteuert wurden, die Wohnungen ohne fließend Wasser oder Heizung waren, bedeutete für die meisten Menschen, in spartanisch möblierten, kalten, düsteren und beengten Verhältnissen zu leben. So wie Menschen nie behaupten, in einem früheren Leben ein einfacher Bauer gewesen zu sein, sondern immer nur Prinzessin oder Prinz waren, so vergessen wir auch allzu gerne, in welch elenden Umständen die durchschnittliche arbeitende Bevölkerung lebte. In der »guten alten Zeit« wurde man nicht nur deshalb krank und starb, weil man zu viel schuftete oder feuchte Wände hatte, sondern auch weil der Klebstoff der Tapeten einen langsam vergiftete, falls man denn zu den wenigen Glücklichen gehörte, die sich solche überhaupt leisten konnten.
König Ludwig II. von Bayern war jemand, der schlichtweg ignorierte, wie andere Menschen lebten. Er war ein Mann, für den der Spruch »my home is my castle« hätte erfunden werden müssen, und ihm gelang es, durch den Bau von ein, zwei, drei »Häusern« den Staat Bayern in spektakulärer Weise zu ruinieren. Sein Geschmack war reine Manieriertheit, seine Verwendung von Geldern fragwürdig, und dennoch war er durchaus ein Vorbild für unser Projekt, zumindest was seine mutigen Visionen und die beispielhafte Geduld und den Einfallsreichtum seiner Architekten und Baumeister angeht. Jeder Bauherr hat seine individuellen Ansprüche, und König Ludwig war da keine Ausnahme: ein Tisch, der wie ein Fahrstuhl direkt und gedeckt aus der Küche nach oben ins Speisezimmer gefahren werden kann, damit das Essen auf den langen, zugigen Wegen durch das Innere des Schlosses nicht kalt wird - was für eine wunderbare Idee, Sir. Eine künstliche Grotte mit See, auf dem man Sie nach Belieben herumrudern kann - nichts leichter als das, Majestät. Ein großer Ballsaal, dessen Wände mit den Szenen aus Ihren geliebten Wagner-Opern bemalt sind - nur ein Pinselstrich, Hoheit. Die einzige Sache, die er offensichtlich nicht umsetzen konnte, war eine Flugmaschine, die ihn zwischen seinen Prachtbauten hin und her bringen sollte, weil die Fahrt mit dem Schlitten im tief verschneiten Winter ihm zu langweilig war.
Bei einem Bildungsbesuch auf Schloss Neuschwanstein, dem aufwendigsten und teuersten seiner Projekte, stand ich schwer beeindruckt vor den Früchten eines außergewöhnlichen Egos und einer wilden Vorstellungskraft. Plötzlich fragte ein Mann aus unserer Besuchergruppe den Reiseführer allen Ernstes: »Gibt es überhaupt einen Beweis dafür, dass König Ludwig verrückt war?« Tatsächlich war aber einer der Punkte, die die Psychiater seinerzeit gegen ihn verwandten, der, dass er Diener auf lange, kostspielige Reisen aussandte, damit sie im Ausland Erkundigungen über architektonische Details einholten. Für mich ist das eher ein Beweis seines gesunden Verstands als für seinen Wahnsinn (Ludwig selbst unternahm ausführliche Forschungsreisen nach Versailles und in die ländlichen Gegenden Englands, wo er Sakralbauten in Augenschein nahm). Während seine finanziellen und architektonischen Exzesse Grund genug gewesen wären, ihn hinter Gitter zu bringen, spielten Berichte über Picknicks im Mondschein mit nackten männlichen Tänzern eine wohl eher kleine, aber entscheidende Rolle bei seiner Entmündigung.
Nur wenige Monate bevor Ludwig 1886 unter mysteriösen Umständen starb, erblickte etwa 600 Kilometer entfernt, in Aachen, ein weiteres architektonisches Genie mit dem Namen Ludwig das Licht der Welt. Doch die beiden hätten unterschiedlicher nicht sein können.
Copyright © für die deutschsprachige Ausgabe 2012 Deutsche Verlags-Anstalt, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH Alle Rechte vorbehalten
... weniger
Autoren-Porträt von Ooana Horx-Strathern
Oona Strathern, geboren 1963 in Dublin, ist Journalistin, Autorin und Zukunftsberaterin. 1999 gründete sie zusammen mit ihrem Mann Matthias Horx das renommierte Zukunftsinstitut , einen Prognose-Think-Tank, der zahlreiche europäische Unternehmen in allen Wirtschaftsbereichen berät. Oona Strathern lebt mit ihrer Familie in Wien.
Bibliographische Angaben
- Autor: Ooana Horx-Strathern
- 2012, 238 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 13,5 x 22,1 cm, Gebunden, Deutsch
- Aus d. Engl. v. Jörn Pinnow
- Übersetzer: Jörn Pinnow
- Verlag: DVA
- ISBN-10: 3421044503
- ISBN-13: 9783421044501
- Erscheinungsdatum: 01.10.2012
Rezension zu „Wir bauen ein Zukunftshaus “
»Ausnehmend guter, nämlich unterhaltsamer und geistreicher Lesestoff, der gerne auch Leser erreichen darf, die sich nicht mit einem Bauvorhaben tragen.«
Kommentar zu "Wir bauen ein Zukunftshaus"
0 Gebrauchte Artikel zu „Wir bauen ein Zukunftshaus“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Wir bauen ein Zukunftshaus".
Kommentar verfassen