Hundekuchen zum Frühstück
Jessica ist verzweifelt, denn mangels Kundschaft steht ihr Café kurz vor der Pleite. Der Grund: In ihrer hundeverrückten Stadt ist sie als "Hundehasserin Nummer Eins" verschrien. Nur der superattraktive Tierarzt Max kauft noch seinen Kaffee...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Hundekuchen zum Frühstück “
Jessica ist verzweifelt, denn mangels Kundschaft steht ihr Café kurz vor der Pleite. Der Grund: In ihrer hundeverrückten Stadt ist sie als "Hundehasserin Nummer Eins" verschrien. Nur der superattraktive Tierarzt Max kauft noch seinen Kaffee bei ihr. Im Versuch, der Stadt ihre Hundeliebe zu beweisen, rettet sie die vierbeinige Streunerdame Zoe vor einem Sturm. Doch prompt wird das ungleiche Paar vom Blitz getroffen - und als Jessica wieder zu sich kommt, hat sie vier Pfoten, eine feine Nase und zottiges Fell. Sie steckt mehr als fest in Zoes Hundekörper, und der süße Tierarzt Max steht vor der Tür.
"Alles, was ich an einem Buch liebe: Witzig, zärtlich, wunderbar geschrieben und ein absolut überraschendes Ende!"
Susan Wiggs
Klappentext zu „Hundekuchen zum Frühstück “
Jessica ist verzweifelt, denn mangels Kundschaft steht ihr Café vor der Pleite. Der Grund: In ihrer hundeverrückten Stadt ist sie als "Hundehasserin Nummer Eins" verschrien. Nur der attraktive Tierarzt Max kauft seinen Kaffee noch bei ihr, auch wenn sie sich nie traut, ihm in seine dunklen Augen zu blicken. Im Versuch, der Stadt ihre Hundeliebe zu beweisen, rettet sie in einer stürmischen Nacht einen Streuner. Doch prompt wird das ungleiche Paar vom Blitz getroffen – und als Jessica wieder zu sich kommt, hat sie vier Pfoten, eine feine Nase und zottiges Fell. Sie steckt fest im Hundekörper, und der Hund in dem ihren. Und er kann es kaum erwarten, dem Tierarzt seine Zuneigung zu zeigen …
Lese-Probe zu „Hundekuchen zum Frühstück “
Hundekuchen zum Frühstück von Elsa WatsonProlog
Zoe
... mehr
Ich folge meiner Nase und beschnuppere jeden Bordstein und jede Hausecke, doch nirgendwo riecht es wie zu Hause. Sehr beunruhigend. Zu Hause gibt es so viele Gerüche. Ich müsste doch wenigstens einen erkennen. Irgendwo. Aber diese Straße riecht fremd. Und die nächste auch. Hechelnd bleibe ich stehen und frage mich, wo ich hier bin.
Wo auch immer - jedenfalls nicht zu Hause.
Einen herrlichen Moment lang lenkt mich ein Eichhörnchen ab. Ich jage es den Gehweg entlang. Ich renne, dass meine Pfoten nur so fliegen, und fühle den Wind auf meinem Gesicht. Glück erfüllt mich bis in die Haarspitzen. Ich rase an Menschen, Türen und Autos vorüber. Ein rasendes Fellknäuel. Nichts kann mich aufhalten! Nichts! Dann ist das Eichhörnchen plötzlich fort, und ich sehe nur noch die Straße.
Da fällt mir wieder ein, dass ich die Straße gar nicht kenne. Ich habe Durst.
Der Wind zerzaust mein Fell, aber jetzt ist der Spaß vorbei. Ich sehe einen Mann, der zwei große Schachteln
trägt - und renne in die entgegengesetzte Richtung. Keine Ahnung, warum. Eigentlich mag ich Menschen. Auch Fremde. Aber nur, wenn alles so ist, wie es sein soll. Wenn ich zu Hause bin und mich sicher fühle. Aber hier, auf dieser windigen Straße, bin ich zu aufgeregt, um einem Fremden zu trauen. Ein Windstoß fährt in eine Plastiktüte, und ich schrecke zusammen und mache einen Satz zur Seite.
Als ich mich umsehe, merke ich, dass ich mich auf einem großen, quadratischen, gepflasterten Platz mit drei Bäumen in der Mitte befinde. Ich schnuppere an den Stämmen und pinkle an den mit den meisten Duftmarken. So. Jetzt kann meine Familie mich finden. Wenn sie mich riechen, finden sie mich auch. Das ist gut, denn ich glaube, dass ich mich verlaufen habe. Ich lasse meinen Schwanz sinken.
Da sehe ich den Hund. Er sitzt ganz still mitten auf dem Platz. Ich gehe zu ihm. Aber plötzlich bleibe ich stehen. Irgendetwas stimmt hier nicht. Ich kann den Hund nicht riechen, und er bewegt sich nicht. Sieht er mich vielleicht nicht? Ich nähere mich ihm mit aller Vorsicht und schnuppere erneut. Nichts. Welche Art Hund riecht denn nach gar nichts?
Er bewegt sich immer noch nicht. Mutig gehe ich ganz nahe an ihn heran. Meine Nase stößt beinahe gegen ihn. Er hat eine Hundehütte und einen Napf voll Wasser. Ich nehme einen langen Schluck.
Dann setze ich mich aufs Pflaster und denke an zu Hause.
1
Der Tag, an dem ich ein Hund wurde
Jessica
Es goss in Strömen. Ich versuchte, den Pfützen auszuweichen und wünschte, ich hätte etwas Vernünftigeres angezogen als hohe Absätze. Trotzdem beeilte ich mich, so gut ich konnte. Mein Vorhaben war einfach zu wichtig. Die Mitarbeiter unseres Cafés und Kerne, meine wunderbare Geschäftspartnerin, zählten auf mich - ich durfte sie nicht enttäuschen.
Ein kalter, nach Salz schmeckender Windstoß sagte mir, dass die Flut eingesetzt hatte. Einige Sekunden lang ließ ich meine Gedanken zum Strand vor der kleinen Stadt hin-unterwandern. Ich sah die Wellen heranrollen und darüber die grauen Möwen, die im Wind auf und nieder tanzten. Doch gleich darauf konzentrierte ich mich wieder auf die Aufgabe, die vor mir lag.
Das Büro von Northwest Electric lag unmittelbar neben dem Torbogen zum Midshipman's Square, dem größten Platz inmitten unseres Städtchens. EIN GLÜCKLICHER HUND MACHT DIE WELT LEBENSWERTER stand
in großen Lettern darüber. An den Pfosten zu beiden Seiten warben gelbe Plakate für das Wuffstock Festival, das am nächsten Tag begann.
Keuchend rettete ich mich aus dem stürmischen Wind ins Gebäude meines Stromanbieters und schlüpfte schnell aus meinem tropfnassen Regenmantel, um nicht irgendwelche Unterlagen zu gefährden. An den Wänden entlang reihte sich ein Büro ans andere, und neben jeder Tür prangte ein gelbes Poster mit einem grinsenden Hund und der Aufschrift »Wuffstock! Spiel und Spaß im Hundeparadies Madrona, Washington. Unsere Stadt ist stolz, auch in diesem Jahr die großen und kleinen Lieblinge zum großen Festival einzuladen.« Wie immer fand Wuffstock am ersten Wochenende im September statt - eine Tradition, auf die man sich verlassen konnte.
Ich atmete tief durch und trat ans Empfangspult. Auf der anderen Seite stand eine Frau von ungefähr fünfzig Jahren mit kurz geschnittenen blonden Haaren, die geräuschvoll ihren Kaugummi platzen ließ. Auf dem Namensschild stand MARGUERITE, und aus dem Halsausschnitt ihres Shirts lugte ein Delphin-Tattoo hervor.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie mich.
»Oh ja, bitte«, stotterte ich, als ich merkte, dass ich mir die nächsten Sätze noch gar nicht zurechtgelegt hatte. »Ich bin eine der Besitzerinnen des Glimmerglass Cafés auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes. Ich weiß, wir sind mit der Stromrechnung etwas im Verzug ... was ich wirklich sehr bedauere. Heute Morgen wurde uns jetzt plötzlich der Strom abgeschaltet. Doch wenn wir während des Wuffstock Festivals nicht öffnen können, kommen wir womöglich nie wieder auf die Beine. Ich bin ...« Ich biss mir auf die Unterlippe. »Ich fürchte, ich bin hergekommen, um um Ihre Nachsicht zu bitten.«
Marguerite nickte kurz, schnalzte wieder mit dem Kaugummi und wandte sich dann wortlos dem Bildschirm zu, um meine Angaben einzutippen. Ich mochte ihr lieber nicht beim Arbeiten zusehen und richtete den Blick stattdessen auf die Flyer des Festivals, die auf der Theke auslagen. Als ich die Liste der Aktivitäten überflog, bekam ich sofort Magenkrämpfe: ein Schönheitswettbewerb für Hund und Besitzer, diverse Geschicklichkeitsprüfungen, ein Hindernislauf, Gehorsamkeitstests und am letzten Tag die Schlussfeier auf der großen Wiese im Park. Im Rahmenprogramm des Festivals durften alle Cafés und Bistros der Stadt Stände betreiben, um Kostproben oder Gutscheine zu verteilen oder wie wir unsere beliebtesten Kaffees anzubieten. Doch ohne Strom im Café war jede Werbung sinnlos.
Marguerite sah vom Bildschirm auf. »Das Glimmerglass Café, sagten Sie? Sie schulden uns genau einhundertneunundvierzig Dollar und sechsunddreißig Cent. Bevor diese Summe nicht bezahlt ist, können wir den Strom leider nicht anschalten.«
Ich zog mein privates Scheckbuch aus der Tasche und begann zu schreiben. »Und wann schalten Sie ihn ein, wenn ich die Rechnung auf der Stelle bezahle?«
Marguerite zuckte die Achseln. »Allerspätestens morgen Nachmittag, denke ich.«
Mein Mund wurde trocken. »Morgen Nachmittag? Aber morgen beginnt das Festival! Können Sie sich vorstellen, welchen Verlust es für uns bedeutet, wenn wir nicht gleich am Morgen öffnen können?«
Erneutes Achselzucken. Ich atmete betont ruhig und rang um Fassung.
»Bitte! Sehen Sie denn gar keine Möglichkeit, die Sache zu beschleunigen? Mir ist natürlich klar, dass wir an unserer Lage selbst schuld sind. Doch das Café hat wirklich eine schwierige Zeit hinter sich ... Wenn wir an diesem Wochenende keinen Erfolg haben, müssen wir womöglich für immer schließen. Ich flehe Sie an! Können Sie uns nicht irgendwie helfen?«
Marguerite sah vom Bildschirm zu meinem Scheck. »Jessica Sheldon ... Das sind Sie, nicht wahr?«
»Ganz genau.« Mir stockte der Atem. Ich konnte förmlich hören, wie sie sich durch die letzten Artikel des Madrona Advocate klickte und fieberhaft überlegte, woher sie meinen Namen kannte. »Etwa die Hundehasserin?« Marguerite hob den Kopf und sah mich an. »Ja, natürlich, das Glimmerglass Cafe ... Sie waren das. Sie haben die kleinen Hundchen angebrüllt, nicht wahr?«
Ich schluckte, was mir angesichts ihres verächtlichen Blicks sehr schwerfiel. »Genau«, murmelte ich. »Das war ich.« Als ich den Blick senkte, sah ich, dass an ihrem Monitor ein kleines Magnetfoto von zwei Mini-Chihuahuas haftete. Mein Mut sank. Ich wartete. Doch statt mich anzuschreien oder mir eine vierzigminütige Predigt zu halten, runzelte Marguerite nur die Stirn.
»Was genau ist damals eigentlich passiert? Ich meine, Sie hassen Hunde doch nicht wirklich, oder?«
Ich schüttelte den Kopf, obwohl ich nicht sicher war, ob sie mir das auch abnahm. Eigentlich konnte ich gar nicht genau sagen, wie es zu dem Desaster gekommen war. Die Sache hatte sich während des Wuffstock Festivals im vergangenen Jahr zugetragen, als meine Partnerin und ich vor lauter Arbeit nicht wussten, wo uns der Kopf stand. Kerrie begrüßte die Gäste und platzierte sie an den Tischen, so wie ein Dealer in Las Vegas die Chips auf dem Spieltisch hin und her schiebt. Die Serviermädchen rannten pausenlos von der Küche zu den Tischen und zurück und hatten kaum Zeit, sich umzusehen, bevor sie die Schwingtür aufstießen. Ich selbst musste mich um einen Notfall nach dem anderen kümmern. Kaum hatte ich die spuckende Espressomaschine gerichtet, als sich auch schon ein Kind an Tisch sechs übergab und zwei Serviermädchen in der Hetze zusammenstießen und die Tomaten-Basilikum-Suppe und einen Krabbendip über die Gäste an Tisch elf kippten.
Gleichzeitig näherte sich weiteres Unheil und lenkte die Blicke der Anwesenden zur Eingangstür. Eine ältere Dame mit pinkfarbenem Hut hatte in Begleitung von vier angeleinten Zwergspitzen und einer Deutschen Dogge das Cafe betreten.
An normalen Tagen galt im Glimmerglass dieselbe Regel wie in allen anderen Cafes und Bistros der Stadt: Solange wenig Betrieb herrschte und niemand Einspruch erhob, waren uns gut erzogene Hunde willkommen - und das
trotz aller Vorschriften und der Panik, die mich in ihrer Gegenwart regelmäßig ergriff. Bei Hochbetrieb dagegen mussten die Vierbeiner draußen warten, ganz egal, wie manierlich sie waren.
Meine Nerven waren also aufs Äußerste gespannt, als ich zur Tür eilte, um die Lady zu bitten, ihre Lieblinge wieder nach draußen zu bringen. Im selben Moment entglitten der Dame die Leinen, und die Hunde schossen davon, als würden sie aus dem Gefängnis ausbrechen. Einer schnupperte ausgiebig am Schoß einer Lady an Tisch neun herum, während der nächste auf Nimmerwiedersehen im Gewühl verschwand. Mir war sofort klar, dass das böse enden würde. In einem Blutbad. In einem furchtbaren Gemetzel. Mit Kindern ohne Finger und zerbissenen Waden unserer Gäste.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die Deutsche Dogge die Vorderpfoten auf einen Tisch stützte und die Suppe eines Kindes aus dem Teller schlabberte, während der Kleine vor Lachen nur so quietschte. Einer der Zwergspitze sauste mit einem Brötchen im Maul vorbei, doch als ich mich auf ihn stürzte, entkam er mir, weil ich vor lauter Angst nicht energisch genug zuzupacken wagte. In der nächsten Sekunde sprang ich plötzlich hoch in die Luft. Irgendetwas beleckte meinen Knöchel!
Ein bunter Film von Gesichtern wirbelte um mich herum. Manche lachten, doch andere starrten mich nur fassungslos an. Inzwischen thronte einer der Zwergspitze auf dem Schoß einer Lady. Ich rannte hin, um ihn zu verscheuchen und die Frau zu retten. Tatsächlich war ich wild entschlossen, dem Hund an die Gurgel zu gehen. Doch bevor ich die beiden erreichte, sprang die Dogge in Riesensätzen auf mich zu. Speichelfäden tropften von ihren Lefzen herunter - ein wahrer Menschenfresser.
Ich schrie wie am Spieß. So wie man in einem Horrorfilm schreit, wenn es einem vor Entsetzen eiskalt über den Rücken läuft. Jedermann im Café konnte mich hören, aber das war mir egal. Selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich nicht aufhören können. »Hinaus mit euch, ihr hinterhältigen Biester! Ich hasse euch! Ja, ich hasse euch!«
In diesem Augenblick flammte ein Blitzlicht auf, und zwar unmittelbar vor meiner Nase. Nachdem die Sternchen verflogen waren, blinzelte ich und sah mich dem jüngsten Reporter des Madrona Advocate gegenüber.
Am nächsten Morgen schlug ich die Zeitung auf und fand meine wildesten Befürchtungen bestätigt. Das Foto von mir war grauenhaft - das dunkle Haar stand mir wie Stacheln um den Kopf, und mein Mund war sperrangelweit aufgerissen. In der Hand hielt ich einen Löffel und zielte damit wie mit einem Schwert auf die Deutsche Dogge. Und darunter: Jessica Sheldon, die Inhaberin des Glimmerglass Cafés, beschimpft die Hunde von Mary Beth Osterhoudt, der Besitzerin von Oster Organic Dog and Cat Foods und Hauptsponsorin des Wuffstock Festivals. Mrs. Osterhoudt erwägt, dem größten Event unserer Stadt in Zukunft ihre Unterstützung zu versagen, die sich immerhin auf die stolze Summe von zehntausend Dollar im Jahr beläuft.
Das war der schwärzeste Augenblick in meinem Leben.
Und ich war ganz allein daran schuld. Ein Hund war
doch nur ein Hund, wie Kerrie immer so schön sagte. Die Verrückte war in diesem Fall ich. Ich allein. Ich hatte die Katastrophe verursacht. Ich ... und meine Paranoia - meine panische Angst vor Hunden.
Unserer kleinen Stadt zu schaden, war das Letzte, was ich wollte. Doch genau das hatte ich getan - und Madrona verübelte mir den Auftritt gründlich. Das Reservierungstelefon im Café verstummte, die Leute zogen die Hunde zur Seite, wenn sie mich nur kommen sahen, die Kaufleute fürchteten um ihre Umsätze, und der Stadtrat sorgte sich um den guten Ruf Madronas. Und Kerrie und ich fürchteten, das Glimmerglass vielleicht für immer schließen zu müssen. Wer würde da noch immer behaupten, dass es keine schlechte Reklame gibt? Es gibt sie wohl.
Der Gedanke, das Café zu verlieren, war mir unerträglich - das Glimmerglass war der einzige Ort, an dem ich mich zu Hause fühlte. Dass ich das alles aufs Spiel gesetzt hatte, brachte mich fast um den Verstand. Zum Glück tat Kerrie das Richtige. Sie drückte mich kurzerhand auf den nächstbesten Stuhl und beratschlagte mit mir bei einer Tasse Tee, wie sich die Sache vielleicht wieder aus der Welt schaffen ließ. Voll Eifer machte ich mich sofort an die Verwirklichung unseres Plans.
Zerknirscht sprach ich beim Stadtrat vor und bat in aller Form um Entschuldigung. Dann stand ich eine Woche lang neben der bronzenen Nachbildung des Dobermanns Spitz und seiner Hundehütte auf dem großen Platz und verschenkte kleine Hundekuchen. Seit er vor ungefähr zwanzig Jahren zwei kleine Mädchen vor dem Ertrinken gerettet hatte, war Spitz der Held unserer Stadt. Zum Dank hatte ihm der Stadtrat im Herzen von Madrona, wo alle Welt sich traf, dieses Denkmal errichtet - einen besseren Ort für meine Buße gab es nicht.
Als weiteren Beweis meiner Reue versprach ich obendrein, beim kommenden Festival das Komitee der Geschäftsinhaber zu leiten, sprich, durch die Geschäfte der Stadt zu pilgern und so viele Spenden und Preisgelder wie möglich einzusammeln. Von der Rede bei der großen Schlussfeier im Park ganz zu schweigen.
Und nun war es so weit.
Das Wuffstock-Wochenende stand mir bevor wie eine Folter. Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht, wie ich sie überstehen sollte, ohne mich zuvor zu klonen. Abgesehen von der Rede musste ich mich auch noch um unseren Kaffeestand auf der Wiese kümmern und während der Wettkämpfe möglichst viele Gutscheine und Werbecoupons unter den Zuschauern verteilen. Wie Kerrie so nett sagte, war es mein Job, »mich unter die Leute zu mischen und neue Kunden für das Café zu werben«. Ohne Strom war allerdings kein großes Geschäft zu erwarten. Und selbst wenn Marguerite ein Wunder bewirkte und uns half, war meine Angst vor Hunden deshalb nicht verschwunden, und ich würde sogar ein ganzes Wochenende auf engstem Raum mit ihnen zubringen müssen.
»Ich hasse Hunde nicht wirklich«, erklärte ich Marguerite. »Ich habe einfach nur Angst vor ihnen. Ich verstehe sie nicht ... und werde sofort nervös, wenn ich in ihrer Nähe bin. Als die kleinen Hunde mich damals eingekreist hatten, wollte ich sie doch nur ... Ich fürchte, ich bin einfach in Panik geraten.«
Marguerite schwieg einige Zeit. Dann sah sie mich an. »Leben Sie eigentlich gern in Madrona?«
Ich war überrascht. »Aber ja. Natürlich.«
»Dann, fürchte ich, müssen Sie Ihre Phobie ablegen. Und zwar sofort. Von dieser Sekunde an. Falls Ihnen das nicht möglich ist, sollten Sie lieber wegziehen. Im Landkreis Kittias gibt es schließlich noch andere schöne Orte ... Irgendwie scheinen Sie nicht so richtig nach Madrona zu passen.«
Ich legte die Hände flach auf den Tresen und wartete, dass mein hämmerndes Herz zur Ruhe kam. Ich liebte diese Stadt. Ich konnte stundenlang zusehen, wie die Möwen auf dem Wind über den Himmel glitten und wie sich bei einer Regatta zahllose Segel auf dem Meer blähten. Außerdem gehörte meine beste Freundin hierher. Und ebenso das Glimmerglass, das wir vor vier Jahren eröffnet hatten. Kerrie und das Glimmerglass waren meine Heimat. Meine Zuflucht. Aus diesem Grund war es so wichtig, dass ich hier und heute Erfolg hatte und wir uns und dem Cafe noch eine letzte Chance geben konnten.
Ganz nebenbei war Madrona mit den alten Backsteinhäusern unter weit verzweigten Ahornbäumen eine ausgesprochen hübsche Stadt. Wenn im Frühling die Rhododendren blühten, schien sich ein Regenbogen über die ganze Stadt zu spannen. Als ich vor sechs Jahren meine Freundin in Madrona besuchte, verliebte ich mich sofort in diesen Ort. Ich war damals zweiundzwanzig und hatte soeben mein Studium an der University of Washington abgeschlossen. Madrona war genau die vertraute, heimelige Umgebung, nach der ich mich immer gesehnt hatte. Auf keinen Fall wollte ich von hier wegziehen.
Doch ich musste mich der Wahrheit stellen: Jeder Bürger dieser Stadt vergötterte seine Hunde - und ich hatte Angst vor ihnen. Die Bewohner des übrigen Landkreises hielten ihre Nachbarn in Madrona für übergeschnappt, und das trotz des Erfolgs des Wuffstock Festival. Als der Stadtrat den Hunden per Abstimmung Zutritt zu Geschäften und Bistros gestattete, drehte die Tierschutzbehörde des Landkreises Kittias durch. Doch der Beschluss war unumstößlich. Madrona hatte sich entschieden - und zwar zugunsten der feuchten Hundenasen.
»Ich liebe diese Stadt«, sagte ich leise, »und ich will nie wieder von hier weg.«
Marguerite verschränkte die Arme. »Dann gibt es nur einen Weg: Sie müssen sich Ihrem Problem stellen und von heute an daran arbeiten. Wenn Sie Ihre Angst leugnen, verengt sie Ihr Leben mehr und mehr, bis es zuletzt nicht mehr lebenswert ist.«
...
Übersetzung: Monika Koch
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Ich folge meiner Nase und beschnuppere jeden Bordstein und jede Hausecke, doch nirgendwo riecht es wie zu Hause. Sehr beunruhigend. Zu Hause gibt es so viele Gerüche. Ich müsste doch wenigstens einen erkennen. Irgendwo. Aber diese Straße riecht fremd. Und die nächste auch. Hechelnd bleibe ich stehen und frage mich, wo ich hier bin.
Wo auch immer - jedenfalls nicht zu Hause.
Einen herrlichen Moment lang lenkt mich ein Eichhörnchen ab. Ich jage es den Gehweg entlang. Ich renne, dass meine Pfoten nur so fliegen, und fühle den Wind auf meinem Gesicht. Glück erfüllt mich bis in die Haarspitzen. Ich rase an Menschen, Türen und Autos vorüber. Ein rasendes Fellknäuel. Nichts kann mich aufhalten! Nichts! Dann ist das Eichhörnchen plötzlich fort, und ich sehe nur noch die Straße.
Da fällt mir wieder ein, dass ich die Straße gar nicht kenne. Ich habe Durst.
Der Wind zerzaust mein Fell, aber jetzt ist der Spaß vorbei. Ich sehe einen Mann, der zwei große Schachteln
trägt - und renne in die entgegengesetzte Richtung. Keine Ahnung, warum. Eigentlich mag ich Menschen. Auch Fremde. Aber nur, wenn alles so ist, wie es sein soll. Wenn ich zu Hause bin und mich sicher fühle. Aber hier, auf dieser windigen Straße, bin ich zu aufgeregt, um einem Fremden zu trauen. Ein Windstoß fährt in eine Plastiktüte, und ich schrecke zusammen und mache einen Satz zur Seite.
Als ich mich umsehe, merke ich, dass ich mich auf einem großen, quadratischen, gepflasterten Platz mit drei Bäumen in der Mitte befinde. Ich schnuppere an den Stämmen und pinkle an den mit den meisten Duftmarken. So. Jetzt kann meine Familie mich finden. Wenn sie mich riechen, finden sie mich auch. Das ist gut, denn ich glaube, dass ich mich verlaufen habe. Ich lasse meinen Schwanz sinken.
Da sehe ich den Hund. Er sitzt ganz still mitten auf dem Platz. Ich gehe zu ihm. Aber plötzlich bleibe ich stehen. Irgendetwas stimmt hier nicht. Ich kann den Hund nicht riechen, und er bewegt sich nicht. Sieht er mich vielleicht nicht? Ich nähere mich ihm mit aller Vorsicht und schnuppere erneut. Nichts. Welche Art Hund riecht denn nach gar nichts?
Er bewegt sich immer noch nicht. Mutig gehe ich ganz nahe an ihn heran. Meine Nase stößt beinahe gegen ihn. Er hat eine Hundehütte und einen Napf voll Wasser. Ich nehme einen langen Schluck.
Dann setze ich mich aufs Pflaster und denke an zu Hause.
1
Der Tag, an dem ich ein Hund wurde
Jessica
Es goss in Strömen. Ich versuchte, den Pfützen auszuweichen und wünschte, ich hätte etwas Vernünftigeres angezogen als hohe Absätze. Trotzdem beeilte ich mich, so gut ich konnte. Mein Vorhaben war einfach zu wichtig. Die Mitarbeiter unseres Cafés und Kerne, meine wunderbare Geschäftspartnerin, zählten auf mich - ich durfte sie nicht enttäuschen.
Ein kalter, nach Salz schmeckender Windstoß sagte mir, dass die Flut eingesetzt hatte. Einige Sekunden lang ließ ich meine Gedanken zum Strand vor der kleinen Stadt hin-unterwandern. Ich sah die Wellen heranrollen und darüber die grauen Möwen, die im Wind auf und nieder tanzten. Doch gleich darauf konzentrierte ich mich wieder auf die Aufgabe, die vor mir lag.
Das Büro von Northwest Electric lag unmittelbar neben dem Torbogen zum Midshipman's Square, dem größten Platz inmitten unseres Städtchens. EIN GLÜCKLICHER HUND MACHT DIE WELT LEBENSWERTER stand
in großen Lettern darüber. An den Pfosten zu beiden Seiten warben gelbe Plakate für das Wuffstock Festival, das am nächsten Tag begann.
Keuchend rettete ich mich aus dem stürmischen Wind ins Gebäude meines Stromanbieters und schlüpfte schnell aus meinem tropfnassen Regenmantel, um nicht irgendwelche Unterlagen zu gefährden. An den Wänden entlang reihte sich ein Büro ans andere, und neben jeder Tür prangte ein gelbes Poster mit einem grinsenden Hund und der Aufschrift »Wuffstock! Spiel und Spaß im Hundeparadies Madrona, Washington. Unsere Stadt ist stolz, auch in diesem Jahr die großen und kleinen Lieblinge zum großen Festival einzuladen.« Wie immer fand Wuffstock am ersten Wochenende im September statt - eine Tradition, auf die man sich verlassen konnte.
Ich atmete tief durch und trat ans Empfangspult. Auf der anderen Seite stand eine Frau von ungefähr fünfzig Jahren mit kurz geschnittenen blonden Haaren, die geräuschvoll ihren Kaugummi platzen ließ. Auf dem Namensschild stand MARGUERITE, und aus dem Halsausschnitt ihres Shirts lugte ein Delphin-Tattoo hervor.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie mich.
»Oh ja, bitte«, stotterte ich, als ich merkte, dass ich mir die nächsten Sätze noch gar nicht zurechtgelegt hatte. »Ich bin eine der Besitzerinnen des Glimmerglass Cafés auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes. Ich weiß, wir sind mit der Stromrechnung etwas im Verzug ... was ich wirklich sehr bedauere. Heute Morgen wurde uns jetzt plötzlich der Strom abgeschaltet. Doch wenn wir während des Wuffstock Festivals nicht öffnen können, kommen wir womöglich nie wieder auf die Beine. Ich bin ...« Ich biss mir auf die Unterlippe. »Ich fürchte, ich bin hergekommen, um um Ihre Nachsicht zu bitten.«
Marguerite nickte kurz, schnalzte wieder mit dem Kaugummi und wandte sich dann wortlos dem Bildschirm zu, um meine Angaben einzutippen. Ich mochte ihr lieber nicht beim Arbeiten zusehen und richtete den Blick stattdessen auf die Flyer des Festivals, die auf der Theke auslagen. Als ich die Liste der Aktivitäten überflog, bekam ich sofort Magenkrämpfe: ein Schönheitswettbewerb für Hund und Besitzer, diverse Geschicklichkeitsprüfungen, ein Hindernislauf, Gehorsamkeitstests und am letzten Tag die Schlussfeier auf der großen Wiese im Park. Im Rahmenprogramm des Festivals durften alle Cafés und Bistros der Stadt Stände betreiben, um Kostproben oder Gutscheine zu verteilen oder wie wir unsere beliebtesten Kaffees anzubieten. Doch ohne Strom im Café war jede Werbung sinnlos.
Marguerite sah vom Bildschirm auf. »Das Glimmerglass Café, sagten Sie? Sie schulden uns genau einhundertneunundvierzig Dollar und sechsunddreißig Cent. Bevor diese Summe nicht bezahlt ist, können wir den Strom leider nicht anschalten.«
Ich zog mein privates Scheckbuch aus der Tasche und begann zu schreiben. »Und wann schalten Sie ihn ein, wenn ich die Rechnung auf der Stelle bezahle?«
Marguerite zuckte die Achseln. »Allerspätestens morgen Nachmittag, denke ich.«
Mein Mund wurde trocken. »Morgen Nachmittag? Aber morgen beginnt das Festival! Können Sie sich vorstellen, welchen Verlust es für uns bedeutet, wenn wir nicht gleich am Morgen öffnen können?«
Erneutes Achselzucken. Ich atmete betont ruhig und rang um Fassung.
»Bitte! Sehen Sie denn gar keine Möglichkeit, die Sache zu beschleunigen? Mir ist natürlich klar, dass wir an unserer Lage selbst schuld sind. Doch das Café hat wirklich eine schwierige Zeit hinter sich ... Wenn wir an diesem Wochenende keinen Erfolg haben, müssen wir womöglich für immer schließen. Ich flehe Sie an! Können Sie uns nicht irgendwie helfen?«
Marguerite sah vom Bildschirm zu meinem Scheck. »Jessica Sheldon ... Das sind Sie, nicht wahr?«
»Ganz genau.« Mir stockte der Atem. Ich konnte förmlich hören, wie sie sich durch die letzten Artikel des Madrona Advocate klickte und fieberhaft überlegte, woher sie meinen Namen kannte. »Etwa die Hundehasserin?« Marguerite hob den Kopf und sah mich an. »Ja, natürlich, das Glimmerglass Cafe ... Sie waren das. Sie haben die kleinen Hundchen angebrüllt, nicht wahr?«
Ich schluckte, was mir angesichts ihres verächtlichen Blicks sehr schwerfiel. »Genau«, murmelte ich. »Das war ich.« Als ich den Blick senkte, sah ich, dass an ihrem Monitor ein kleines Magnetfoto von zwei Mini-Chihuahuas haftete. Mein Mut sank. Ich wartete. Doch statt mich anzuschreien oder mir eine vierzigminütige Predigt zu halten, runzelte Marguerite nur die Stirn.
»Was genau ist damals eigentlich passiert? Ich meine, Sie hassen Hunde doch nicht wirklich, oder?«
Ich schüttelte den Kopf, obwohl ich nicht sicher war, ob sie mir das auch abnahm. Eigentlich konnte ich gar nicht genau sagen, wie es zu dem Desaster gekommen war. Die Sache hatte sich während des Wuffstock Festivals im vergangenen Jahr zugetragen, als meine Partnerin und ich vor lauter Arbeit nicht wussten, wo uns der Kopf stand. Kerrie begrüßte die Gäste und platzierte sie an den Tischen, so wie ein Dealer in Las Vegas die Chips auf dem Spieltisch hin und her schiebt. Die Serviermädchen rannten pausenlos von der Küche zu den Tischen und zurück und hatten kaum Zeit, sich umzusehen, bevor sie die Schwingtür aufstießen. Ich selbst musste mich um einen Notfall nach dem anderen kümmern. Kaum hatte ich die spuckende Espressomaschine gerichtet, als sich auch schon ein Kind an Tisch sechs übergab und zwei Serviermädchen in der Hetze zusammenstießen und die Tomaten-Basilikum-Suppe und einen Krabbendip über die Gäste an Tisch elf kippten.
Gleichzeitig näherte sich weiteres Unheil und lenkte die Blicke der Anwesenden zur Eingangstür. Eine ältere Dame mit pinkfarbenem Hut hatte in Begleitung von vier angeleinten Zwergspitzen und einer Deutschen Dogge das Cafe betreten.
An normalen Tagen galt im Glimmerglass dieselbe Regel wie in allen anderen Cafes und Bistros der Stadt: Solange wenig Betrieb herrschte und niemand Einspruch erhob, waren uns gut erzogene Hunde willkommen - und das
trotz aller Vorschriften und der Panik, die mich in ihrer Gegenwart regelmäßig ergriff. Bei Hochbetrieb dagegen mussten die Vierbeiner draußen warten, ganz egal, wie manierlich sie waren.
Meine Nerven waren also aufs Äußerste gespannt, als ich zur Tür eilte, um die Lady zu bitten, ihre Lieblinge wieder nach draußen zu bringen. Im selben Moment entglitten der Dame die Leinen, und die Hunde schossen davon, als würden sie aus dem Gefängnis ausbrechen. Einer schnupperte ausgiebig am Schoß einer Lady an Tisch neun herum, während der nächste auf Nimmerwiedersehen im Gewühl verschwand. Mir war sofort klar, dass das böse enden würde. In einem Blutbad. In einem furchtbaren Gemetzel. Mit Kindern ohne Finger und zerbissenen Waden unserer Gäste.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die Deutsche Dogge die Vorderpfoten auf einen Tisch stützte und die Suppe eines Kindes aus dem Teller schlabberte, während der Kleine vor Lachen nur so quietschte. Einer der Zwergspitze sauste mit einem Brötchen im Maul vorbei, doch als ich mich auf ihn stürzte, entkam er mir, weil ich vor lauter Angst nicht energisch genug zuzupacken wagte. In der nächsten Sekunde sprang ich plötzlich hoch in die Luft. Irgendetwas beleckte meinen Knöchel!
Ein bunter Film von Gesichtern wirbelte um mich herum. Manche lachten, doch andere starrten mich nur fassungslos an. Inzwischen thronte einer der Zwergspitze auf dem Schoß einer Lady. Ich rannte hin, um ihn zu verscheuchen und die Frau zu retten. Tatsächlich war ich wild entschlossen, dem Hund an die Gurgel zu gehen. Doch bevor ich die beiden erreichte, sprang die Dogge in Riesensätzen auf mich zu. Speichelfäden tropften von ihren Lefzen herunter - ein wahrer Menschenfresser.
Ich schrie wie am Spieß. So wie man in einem Horrorfilm schreit, wenn es einem vor Entsetzen eiskalt über den Rücken läuft. Jedermann im Café konnte mich hören, aber das war mir egal. Selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich nicht aufhören können. »Hinaus mit euch, ihr hinterhältigen Biester! Ich hasse euch! Ja, ich hasse euch!«
In diesem Augenblick flammte ein Blitzlicht auf, und zwar unmittelbar vor meiner Nase. Nachdem die Sternchen verflogen waren, blinzelte ich und sah mich dem jüngsten Reporter des Madrona Advocate gegenüber.
Am nächsten Morgen schlug ich die Zeitung auf und fand meine wildesten Befürchtungen bestätigt. Das Foto von mir war grauenhaft - das dunkle Haar stand mir wie Stacheln um den Kopf, und mein Mund war sperrangelweit aufgerissen. In der Hand hielt ich einen Löffel und zielte damit wie mit einem Schwert auf die Deutsche Dogge. Und darunter: Jessica Sheldon, die Inhaberin des Glimmerglass Cafés, beschimpft die Hunde von Mary Beth Osterhoudt, der Besitzerin von Oster Organic Dog and Cat Foods und Hauptsponsorin des Wuffstock Festivals. Mrs. Osterhoudt erwägt, dem größten Event unserer Stadt in Zukunft ihre Unterstützung zu versagen, die sich immerhin auf die stolze Summe von zehntausend Dollar im Jahr beläuft.
Das war der schwärzeste Augenblick in meinem Leben.
Und ich war ganz allein daran schuld. Ein Hund war
doch nur ein Hund, wie Kerrie immer so schön sagte. Die Verrückte war in diesem Fall ich. Ich allein. Ich hatte die Katastrophe verursacht. Ich ... und meine Paranoia - meine panische Angst vor Hunden.
Unserer kleinen Stadt zu schaden, war das Letzte, was ich wollte. Doch genau das hatte ich getan - und Madrona verübelte mir den Auftritt gründlich. Das Reservierungstelefon im Café verstummte, die Leute zogen die Hunde zur Seite, wenn sie mich nur kommen sahen, die Kaufleute fürchteten um ihre Umsätze, und der Stadtrat sorgte sich um den guten Ruf Madronas. Und Kerrie und ich fürchteten, das Glimmerglass vielleicht für immer schließen zu müssen. Wer würde da noch immer behaupten, dass es keine schlechte Reklame gibt? Es gibt sie wohl.
Der Gedanke, das Café zu verlieren, war mir unerträglich - das Glimmerglass war der einzige Ort, an dem ich mich zu Hause fühlte. Dass ich das alles aufs Spiel gesetzt hatte, brachte mich fast um den Verstand. Zum Glück tat Kerrie das Richtige. Sie drückte mich kurzerhand auf den nächstbesten Stuhl und beratschlagte mit mir bei einer Tasse Tee, wie sich die Sache vielleicht wieder aus der Welt schaffen ließ. Voll Eifer machte ich mich sofort an die Verwirklichung unseres Plans.
Zerknirscht sprach ich beim Stadtrat vor und bat in aller Form um Entschuldigung. Dann stand ich eine Woche lang neben der bronzenen Nachbildung des Dobermanns Spitz und seiner Hundehütte auf dem großen Platz und verschenkte kleine Hundekuchen. Seit er vor ungefähr zwanzig Jahren zwei kleine Mädchen vor dem Ertrinken gerettet hatte, war Spitz der Held unserer Stadt. Zum Dank hatte ihm der Stadtrat im Herzen von Madrona, wo alle Welt sich traf, dieses Denkmal errichtet - einen besseren Ort für meine Buße gab es nicht.
Als weiteren Beweis meiner Reue versprach ich obendrein, beim kommenden Festival das Komitee der Geschäftsinhaber zu leiten, sprich, durch die Geschäfte der Stadt zu pilgern und so viele Spenden und Preisgelder wie möglich einzusammeln. Von der Rede bei der großen Schlussfeier im Park ganz zu schweigen.
Und nun war es so weit.
Das Wuffstock-Wochenende stand mir bevor wie eine Folter. Um ehrlich zu sein, wusste ich nicht, wie ich sie überstehen sollte, ohne mich zuvor zu klonen. Abgesehen von der Rede musste ich mich auch noch um unseren Kaffeestand auf der Wiese kümmern und während der Wettkämpfe möglichst viele Gutscheine und Werbecoupons unter den Zuschauern verteilen. Wie Kerrie so nett sagte, war es mein Job, »mich unter die Leute zu mischen und neue Kunden für das Café zu werben«. Ohne Strom war allerdings kein großes Geschäft zu erwarten. Und selbst wenn Marguerite ein Wunder bewirkte und uns half, war meine Angst vor Hunden deshalb nicht verschwunden, und ich würde sogar ein ganzes Wochenende auf engstem Raum mit ihnen zubringen müssen.
»Ich hasse Hunde nicht wirklich«, erklärte ich Marguerite. »Ich habe einfach nur Angst vor ihnen. Ich verstehe sie nicht ... und werde sofort nervös, wenn ich in ihrer Nähe bin. Als die kleinen Hunde mich damals eingekreist hatten, wollte ich sie doch nur ... Ich fürchte, ich bin einfach in Panik geraten.«
Marguerite schwieg einige Zeit. Dann sah sie mich an. »Leben Sie eigentlich gern in Madrona?«
Ich war überrascht. »Aber ja. Natürlich.«
»Dann, fürchte ich, müssen Sie Ihre Phobie ablegen. Und zwar sofort. Von dieser Sekunde an. Falls Ihnen das nicht möglich ist, sollten Sie lieber wegziehen. Im Landkreis Kittias gibt es schließlich noch andere schöne Orte ... Irgendwie scheinen Sie nicht so richtig nach Madrona zu passen.«
Ich legte die Hände flach auf den Tresen und wartete, dass mein hämmerndes Herz zur Ruhe kam. Ich liebte diese Stadt. Ich konnte stundenlang zusehen, wie die Möwen auf dem Wind über den Himmel glitten und wie sich bei einer Regatta zahllose Segel auf dem Meer blähten. Außerdem gehörte meine beste Freundin hierher. Und ebenso das Glimmerglass, das wir vor vier Jahren eröffnet hatten. Kerrie und das Glimmerglass waren meine Heimat. Meine Zuflucht. Aus diesem Grund war es so wichtig, dass ich hier und heute Erfolg hatte und wir uns und dem Cafe noch eine letzte Chance geben konnten.
Ganz nebenbei war Madrona mit den alten Backsteinhäusern unter weit verzweigten Ahornbäumen eine ausgesprochen hübsche Stadt. Wenn im Frühling die Rhododendren blühten, schien sich ein Regenbogen über die ganze Stadt zu spannen. Als ich vor sechs Jahren meine Freundin in Madrona besuchte, verliebte ich mich sofort in diesen Ort. Ich war damals zweiundzwanzig und hatte soeben mein Studium an der University of Washington abgeschlossen. Madrona war genau die vertraute, heimelige Umgebung, nach der ich mich immer gesehnt hatte. Auf keinen Fall wollte ich von hier wegziehen.
Doch ich musste mich der Wahrheit stellen: Jeder Bürger dieser Stadt vergötterte seine Hunde - und ich hatte Angst vor ihnen. Die Bewohner des übrigen Landkreises hielten ihre Nachbarn in Madrona für übergeschnappt, und das trotz des Erfolgs des Wuffstock Festival. Als der Stadtrat den Hunden per Abstimmung Zutritt zu Geschäften und Bistros gestattete, drehte die Tierschutzbehörde des Landkreises Kittias durch. Doch der Beschluss war unumstößlich. Madrona hatte sich entschieden - und zwar zugunsten der feuchten Hundenasen.
»Ich liebe diese Stadt«, sagte ich leise, »und ich will nie wieder von hier weg.«
Marguerite verschränkte die Arme. »Dann gibt es nur einen Weg: Sie müssen sich Ihrem Problem stellen und von heute an daran arbeiten. Wenn Sie Ihre Angst leugnen, verengt sie Ihr Leben mehr und mehr, bis es zuletzt nicht mehr lebenswert ist.«
...
Übersetzung: Monika Koch
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
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Autoren-Porträt von Elsa Watson
Elsa Watson lebt mit ihrem Mann, zwei Hunden und einer Katze auf einer Insel im Staat Washington (USA). Ihr Lebensmotto ist: "Jeder Tag, an dem man einen Hund streichelt, ist ein guter Tag!" Elsa Watson hat bereits einen historischen Roman und Kurzgeschichten veröffentlicht. Hundekuchen zum Frühstück ist ihr erster Roman, der in Deutschland erscheint.
Bibliographische Angaben
- Autor: Elsa Watson
- 352 Seiten, Maße: 13,5 x 21,5 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3863650883
- ISBN-13: 9783863650889
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