'Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort!'
200-mal am Tag lügt ein Mensch im Durchschnitt. Die Schlange im Paradies hat damit angefangen, und seitdem können wir nicht mehr aufhören. Die Lüge ist der Kitt der Weltgeschichte. Die Urkunden, die den Kirchenstaat begründet haben und Hamburg zur...
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200-mal am Tag lügt ein Mensch im Durchschnitt. Die Schlange im Paradies hat damit angefangen, und seitdem können wir nicht mehr aufhören. Die Lüge ist der Kitt der Weltgeschichte. Die Urkunden, die den Kirchenstaat begründet haben und Hamburg zur Hansestadt machten - gefälscht! Vielleicht ist ja sogar das halbe Mittelalter eine Erfindung ... Und dann das 19. Jahrhundert - die große Zeit der Hochstapler! Sie verkaufen den Eiffelturm, nichtexistentes Salatöl und die Stadt London in Einzelteilen. Nicht zu vergessen, dass dann im 20. Jahrhundert natürlich niemand vorhatte, in Berlin eine Mauer zu errichten, oder eine "sexual relation with that woman" hatte. Endlich die Wahrheit über die Lüge! Eine witzige, aberwitzige Tour de force bot das Programm, das Dieter Hildebrandt und Roger Willemsen auf der Kölner lit.COLOGNE 2007 vor begeistertem Publikum präsentierten: informativ, unterhaltsam, polemisch, grotesk. Dabei ist die vorliegende Buchfassung doppelt so materialreich wie das Bühnenprogramm, mit dem Hildebrandt/Willemsen ab Sommer 2007 auf Tournee gehen. "Wer, wenn nicht Dieter Hildebrandt hätte dieses Programm beglaubigen können - als Kampf um die Wahrheit, aber mit aller Freude am schönen Schwulst des Lügens, Täuschens, Fälschens und Hochstapelns."
Eine witzige, aberwitzige Tour de force bot das Programm, das Dieter Hildebrandt und Roger Willemsen auf der Kölner lit.COLOGNE 2007 vor begeistertem Publikum präsentierten: informativ, unterhaltsam, polemisch, grotesk. Dabei ist die vorliegende Buchfassung doppelt so materialreich wie das Bühnenprogramm, mit dem Hildebrandt/Willemsen ab Sommer 2007 auf Tournee gehen.
»Wer, wenn nicht Dieter Hildebrandt hätte dieses Programm beglaubigen können - als Kampf um die Wahrheit, aber mit aller Freude am schönen Schwulst des Lügens, Täuschens, Fälschens und Hochstapelns.« Roger Willemsen
"Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort!" von DieterHildebrandt und Roger Willemsen
LESEPROBE
Roger Willemsen Meine sehr verehrtenDamen und Herren . . .
Dieter Hildebrandt Lüge!
R. W. Ich freue mich sehr . . .
D. H. Lüge!
R. W. Gut, es ist mir ein Vergnügen. . .
D. H. Eine Heidenarbeit ist es! EineMaloche. Ich schwitze . . .
R. W. Jetzt hören Sie aber auf!
D. H. Das meinen Sie schon wiedernicht. (will gehen)
R. W. Bleiben Sie hier! Was ichmeine, ist: Ach, machen Sie
Ihre Begrüßung doch alleine . . .
D. H. Publikum! Hören Sie zu! Wirerzählen Ihnen das hier
nicht zweimal. Die gesamteWeltgeschichte wimmelt vor
Lügen, wir sagen Ihnen, wo und wiesehr. Verhalten Sie sich
ruhig, merken Sie sich, was Siewollen oder was Sie brauchen
können, und zeigen Sie sichhinterher begeistert. Am besten,
Sie sind es sogar tatsächlich.
R. W. Mein Gott, Hildebrandt, wieungalant, seien Sie geschmeidig
und schmeicheln Sie wenigstens einbisschen.
Wenn Sie wollen, lügen Sie sogar!
D. H. Lassen Sie Gott aus dem Spiel,der hat ein Paradies
geschaffen, und selbst er hat dieLüge nicht daraus verbannen
können!
R. W. Vielleicht gehört ja zu einemechten Paradies die Lüge
einfach dazu. Aber um der Wahrheitdie Ehre zu geben: Es
mag ja sein, dass die Höflichkeitlügt, sie ist eben so etwas
wie die Schminke auf dem Gesicht desRedners; es mag
sogar sein, dass wir die Lügenbrauchen wie Vokale, ohne
sie könnten wir kaum reden, aber ichbitte Sie, nicht Gott
hat gelogen . . .
D. H. . . . sondern es stehtgeschrieben: Die Schlange »sprach
zum Weibe: Gott weiß, an dem Tage,da ihr von dem Baum
in der Mitte des Gartens esset,werden eure Augen aufgetan,
und ihr werdet sein wie Gott«.
R. W. Und was sind sie geworden?Heino und Hannelore.
D. H. Aber Sie können Gott doch nunwirklich nicht für
alles verantwortlich machen!
R. W. Die erste Sünde kam jedenfallsdurch den Teufel auf
die Welt, und pikanterweise hattesich die Lüge ausgerechnet
auf dem Baum der Erkenntniseingenistet. Also geht die
Erbsünde eigentlich auf eineErb-Lüge zurück?
D. H. Stimmt, das Lügen haben wirsynchron zum Sündigen
geerbt.
R. W. Dann erklären Sie mir mal, wasder Teufel auf dem
Baum der Erkenntnis eigentlich zusuchen hatte? Schließlich
gehört das Paradies doch Gott!
D. H. Ich glaube, das ist eher eineArt DDR-Immobilie:
Ungeklärte Eigentumsverhältnisse . ..
R. W. . . . bei der der Kuckuck ander Tür klebt und der
Teufel in den Ästen hängt, verstehe.Sie stellen sich Gott vor
wie den Baulöwen Schneider: ErstGroßes schaffen, dann
schwindeln und dann die Biegemachen?
D. H. Und wer ist verlogener - derden Apfel aufhängt oder
der davon isst?
R. W. Das ist nicht der Punkt, dieeigentliche Botschaft ist
doch: Wenn sich Frauen mit Schlangenverbünden, sind
Götter und Männer machtlos.
D. H. Aha, bei Ihnen gehören alsoGötter und Männer in
dieselbe Gattung?
R. W. Keine Sorge, vor diesem Irrtumbewahren Sie mich
schon ganz allein. Zugunsten Gottessei hier aber doch einmal
daran erinnert, er, nicht derTeufel, hat uns das achte
Gebot - nach anderer Zählung dasneunte - vermacht: »Du
sollst kein falsch Zeugnis redenwider deinen Nächsten!«
Das gilt auch für Sie!
D. H. Lieber Willemsen . . .
R. W. Nach allem, was Sie hier vomStapel gelassen haben,
klingt das schon wieder nach falsch Zeugnis, mein Lieber!
D. H. Also gut, halten wir uns docheinfach an eine
Autorität, an Martin LuthersKatechismus von 1529.
R. W. Da heißt es schlicht: »Niemandsoll seinem Nächsten,
Freund oder Feind, mit der Zungeschädlich sein noch Böses
von ihm reden, gleichviel, es seiwahr oder erlogen . . .«
D. H. Aber Achtung, jetzt kommts: ». . . sofern es nicht aus
Befehl oder zur Besserung geschieht.« Ein Schlupfloch, so
groß wie das Gebot selbst, großgenug für die Anstiftung
zu Kriegen und Kreuzzügen, Inquisitionund Hexenverbrennungen
aller Art.
R. W. Mit denen Luther nun wirklichnichts zu tun hat.
D. H. Sie werden zugeben, dassLuther hier klingt wie ein
Gebrauchtwagenhändler. Ein bisschenviel Kleingedrucktes.
R. W. Eine Konzession an unsAllzumenschliche. Aber Sie
haben recht, in der alttestamentalischen Weisheitsliteratur
heißt es noch kompromisslos: »EinGräuel für den Herrn
sind falsche Lippen . . .«
D. H. Sie weisen auch noch Collagenim Alten Testament nach!
R. W. Und Doppelherz bei Augustinus.Ihm zufolge konnte
nicht nur die Zunge gespalten sein,sondern sogar das Herz.
Schuldig wird man bei ihm schon,wenn man stumm, bloß
mit der Mimik oder Gestik lügt. Ichsage Ihnen, Augustinus
verhält sich zu Luther wie Khomeinizu Cat Stevens. Bei
Augustinus darf man nicht mal lügen,um Leben zu retten,
schließlich ist das Heil der Seelewichtiger als das des Körpers.
D. H. Da steht er nicht allein.Immanuel Kant verfasst 1797
eine Schrift Ȇber ein vermeintlichesRecht, aus Menschenliebe
zu lügen«, und dort führt erbeispielhaft tatsächlich an: Wenn
ein Mörder uns fragt, ob einfliehender Freund in unser Haus
geflohen sei, müssen wir dem Mörderdie Wahrheit sagen,
auch wenns das Leben des Freundeskosten sollte.
R. W. Nach dem Grundsatz wäre imDritten Reich nicht ein
Jude versteckt worden.
D. H. Ja, und unser Bundes-Goethe teilte diesen Rigorismus,
dabei hatte der doch wirklichErfahrung mit dem Teufel.
© S.Fischer Verlag
- Autoren: Dieter Hildebrandt , Traudl Bünger , Roger Willemsen
- 2007, 6. Aufl., 224 Seiten, Maße: 13,4 x 21,1 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: S. Fischer Verlag GmbH
- ISBN-10: 3100301404
- ISBN-13: 9783100301406
- Erscheinungsdatum: 24.08.2007
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