Im Feuer der Smaragde
Schließlich findet er Arbeit auf der Farm von Major Ferrington, doch schon bald gerät er in einen dramatischen Konflikt: Denn Ferrington ist entschlossen, mit Jacks Hilfe reich zu werden, und zwingt ihn, die geheimen Goldfelder der Aborigines aufzuspüren.
Patricia Shaw wurde 2004 mit dem CORINE-Buchpreis ausgezeichnet.
Zuflucht suchte. Als er nun in die Zivilisation zurückkehrt, fällt es ihm schwer, sich in der Welt der Weißen zurecht zu finden. Schließlich findet er Arbeit auf der Farm von Major Ferrington, doch schon bald gerät er in einen dramatischen
Konflikt: Denn Ferrington ist entschlossen, mit Jacks Hilfe reich zu werden, und zwingt ihn, die geheimen Goldfelder der Aborigines aufzuspüren ...
Im Feuerder Smaragde von Patricia Shaw
LESEPROBE
Er lebte, schwankte aber am Rand des Abgrunds, zwischenden Welten. Sie wuschen Staub und Blut von seinem sonnengebräunten Körper, dereigenartig aussah mit den hellen Flecken unter den Armen, zwischen denSchenkeln und Zehen und im Nacken, den das filzige Haar vor der Sonne schützte.Doch sein Blut sah normal aus, wenngleich er so viel davon verloren hatte, dasssein Gesicht ganz grau wirkte. Ilkepala seufzte. Der Mann war in einembeängstigenden Zustand. Die Kugel hatte die rechte Schulter durchschlagen, unddie linke Seite seines Gesichts war schlimm verbrannt, ebenso die linkeSchulter und der Arm, die Hüfte und ein Teil des Beins. Wie am Spieß geröstet. Ilkepalafragte sich, ob es nicht gnädiger wäre, den Burschen friedlich sterben zulassen. Doch immerhin war er ein Medizinmann; und dies hier war eine guteGelegenheit, verschiedene Salben auszuprobieren. Zunächst musste er jedoch dieSchusswunden behandeln.
Er bedeckte sie mit Auflagen aus zerstoßenenKnollengewächsen und Kräutern, beruhigte den Mann, als er stöhnend zu sich kamund sich von den Händen befreien wollte, die ihn festhielten. Ilkepala legteeine schützende Haut aus Honig und verdünntem Pflanzensaft darüber und schickteMoorabi in den Busch, um weiteren Wildhonig zu suchen. Er würde einen gewissenVorrat benötigen, um alle Verbrennungen dieses hochgewachsenen Mannes zuversorgen. Dann griff er in seinen Beutel, holte ein Säckchen mit zerstoßenenPilzen heraus und streute etwas von dem Pulver in Jacks Mund. Es war einestarke Medizin; sie würde den Schmerz eine Zeit lang lindern.
Die blauen Augen öffneten sich unvermittelt, Jack spucktedas übel schmeckende Pulver aus und drehte ruckartig den Kopf weg.
»Wer bist du?«, stöhnte er.
»Ich bin Ilkepala.«
»O nein, du hast mir gerade noch gefehlt. Verschwinde undlass mich in Ruhe!«
Ilkepala war überrascht, dass sein Patient Englisch sprach,was er in den vergangenen Jahren nur selten getan hatte, doch er begriff, wasder Bursche sagen wollte, und hielt ihn noch fester, als er sich hin und herwarf. Immerhin hatte ihn der Weiße nur bei dem Corroboree gesehen und fürchtengelernt. Und seither dürfte er noch oft von Ilkepala gehört haben.
Natürlich verschlimmerte die Bewegung seine Schmerzen, undDrew wand sich und fing an zu schreien, sodass Ilkepala Jack erneut das Pulvergab und ihm den Mund zuhielt, bis es sich aufgelöst hatte.
»Sei ruhig. Je mehr du dich bewegst, desto mehr wirst duleiden.«
Jack schrie auf vor Wut. Wer tat ihm das an? Wer hattedieses Inferno in seinem Körper entfacht? Denn genau da war er, in der Hölle.»O Gott, verschone mich. Tu mir das nicht an.«
Eine Hand legte sich über seinen Mund, er biss hinein. Werwollte ihn ersticken? Könnte er nur aufstehen, dann würde er das Schwein mitbloßen Händen erledigen. Seine Zunge schwoll an. Sie fühlte sich an wie einTeigklumpen, der seinen ganzen Mund ausfüllte. Jack geriet in Panik; er packteeinen Arm, wollte um Hilfe bitten, er war stumm, hilflos, schien zu sterben,erstickte an seiner eigenen Zunge.
»Sei still«, sagte eine Stimme, drückte ihn nach hinten,beruhigte ihn, und die Panik ebbte ab, nahm die große Last mit sich, die ertrug. Jack war so erleichtert, dass er vor Dankbarkeit weinte und sich fragte,wer ihn gerettet haben mochte. Ein Freund wohl, aber wer? Er hatte auf diesemSchiff keine Freunde. Er hockte hier unten mit hundert stinkenden Verbrechern,von denen keiner einen Pfifferling wert war, und konnte sich kaum bewegen. KeinWunder, dass sie sagten, er solle ruhig sein, sonst werde er noch mehr leiden.Das durfte er nicht vergessen. In dieser Hölle kämpfte jeder für sich allein,und Jack hielt sich an diese Regel. Bei Gott, das tat er. Wer klug war, gingBlack Jack aus dem Weg.
Jetzt konnte er sie in einer fremden Sprache reden hören.Wer waren sie nur? Vielleicht hatte das Schiff in der Bucht von Sydneygeankert, dem seltsamen neuen Land, und dies war die Landessprache. Sie warengelandet und würden in Gefängnisse gesperrt, aus denen es kein Entkommen gab.Wirklich nicht? Er pfiff vor sich hin. Bei erster Gelegenheit wäre er weg.
»Geht es ihm besser?«, fragte Moorabi. »Sieht so aus.«
»Nein.« Es ging schon seit fünf Tagen so. Das Pulver wirkte,daher zog sich Ilkepala zu den kühlen Quellen über den Wasserfällen zurück. Siekonnten nicht ewig hier bleiben; Moorabi und sein Bruder mussten einen Teilihres Clans in neue, sichere Gebiete führen, und ihm selbst stand dieschwierige Reise ins Grenzgebirge bevor, wo er die Ältesten des mächtigenKalkadoon-Volkes treffen sollte. Er hatte mit diesen schwierigen, gefährlichenMännern, die nie über das Kriegerdasein hinauswuchsen, ernsthafte Dinge zubesprechen. Die meisten hatten noch nie einen Weißen gesehen und machten sichlustig über die Bedrohung durch die Invasoren, weil sie auf ihre eigene Machtund Magie vertrauten.
Ilkepala würde dafür sorgen müssen, dass sie auf seineWarnung hörten, und - bei diesem Gedanken holte er tief Luft - offiziell darumersuchen, dass die Kamilaroi und Tingum ihr Land betreten durften, wo siewenigstens einige Jahre lang sicher sein würden.
Während er grübelte, wie die Kalkadoon auf einen sounerhörten Vorschlag reagieren würden, der nicht einmal Handelsvorteileversprach, da seinen Leuten nicht viel geblieben war, fertigte er kurzeNachrichtenstöcke an, die er Moorabi mitgeben würde. Die Stöcke wurden auf dieGröße seines Mittelfingers zurechtgeschnitten, mit einer Markierung versehenund mit weißer Farbe bestrichen. Sie stammten unverkennbar von dem großen Mann,und kaum jemand würde es wagen, sich der Anweisung zu widersetzen, demReisenden Hilfe zu leisten.
Als er fertig war, kehrte er in die Höhle zurück, woMoorabi, ein guter, freundlicher Mann, mit einem Fächer aus Blättern geduldigdie hartnäckigen Fliegen von dem Patienten fern hielt.
»Ist er wach?«, fragte Ilkepala. Moorabi nickte.
»Wir müssen bald gehen. Noch zwei Tage. Länger können wiruns nicht aufhalten.«
»Ja.«
Schließlich war die Zeit gekommen. Moorabi wartete auf seineAnweisungen.
»Hole ein Kanu«, sagte Ilkepala bedächtig und schmiedeteeinen Plan, während er sprach. »Wir können ihn nicht tragen und auch nicht hierlassen. Der Fluss dort unten mündet in den großen Strom. Ich will, dass ihrbeide ihn in das Kanu legt und so weit wie möglich von hier wegbringt. Er darfauf keinen Fall mit diesem Überfall in Verbindung gebracht werden, sonst tötensie ihn. Falls er überhaupt überlebt.«
»Verdammt, ich werde überleben«, flüsterte der Engländer,und Ilkepala wollte dies nicht bestreiten, widerspenstig genug war erjedenfalls. Verwundet, verbrannt, kaum fähig zu atmen, geschweige denn, fürsich selbst zu sorgen, besaß Jack Drew dennoch die Stirn, seinen Worten einendrohenden Klang zu geben. Als wäre Ilkepala schuld an seinem Dilemma.
Der Magier nahm Moorabi beiseite. »Er braucht Ruheunterwegs, daher werde ich ihm einen starken Schlaftrunk geben, wenn ihraufbrecht. Ich möchte, dass ihr still den Fluss hinunter bis in die Nähe dergroßen Siedlung fahrt und ihn dort ans Flussufer legt, wo man ihn finden kann.Dann ist er in den Händen seiner eigenen Geister. Sie können ihm helfen, fallssie ihn nicht vergessen haben.«
Er reinigte noch einmal die Wunden und bestrich sie miteiner Salbe aus den Stängeln von Mondwinden, die betäubend und schmerzstillendwirkte. Er hatte gehofft, die Maden noch länger in der Wunde lassen zu können,damit sie dort ihre reinigende Arbeit verrichten, doch blieb keine Zeit mehrdafür. Er musste die Wunden zunähen und das Beste hoffen.
Er suchte in seinem Beutel nach Zwirn und feinenBambussplittern und begann zu nähen. Zuerst verschloss er die Brustwunde, dann,nachdem Moorabi den Patienten umgedreht hatte, das Loch im Rücken. Danachbedeckte er die Wunden mit Lehm und Rinde, um die Blutung zu stillen und dieStellen vor weiteren Verletzungen zu schützen. Bald darauf war der Lehm hartgeworden. Dann kümmerte er sich um die Brandwunden. Sie heilten recht gut, dieHonigmischung war fest geworden und ermöglichte es der Haut, zu trocknen undnachzuwachsen.
Der Patient war wieder in sein Murmeln, Streiten, Fluchenversunken, und als Moorabi ihm Wasser in den Mund träufelte, rutschte Jack Drewrastlos hin und her und griff sich an die Brust, doch Ilkepala zog seine Händeenergisch weg. »Es wäre vielleicht ratsam, die Hände festzubinden, damit er dieWunden nicht beim Heilen stört«, sagte er zu Moorabi.
Als die frühen Morgennebel über die Mangrovensümpfe zogen,sah er seinen Begleitern nach, die Jack Drew zum Kanu trugen und ihn auf einKängurufell legten, das den schmalen Boden des Bootes bedeckte. Sie stellteneinen Sonnenschutz aus Rinde auf, hockten sich vor und hinter ihn und tauchtenihre Ruder in den Schlamm. Ilkepala versetzte dem Kanu einen Stoß, und es glittin die Strömung hinaus.
Sie alle mussten jetzt Zeit gutmachen, nicht zuletzt JackDrew. Er hatte zehn Jahre seines Lebens als Weißer verloren; falls erüberlebte, würde es ihm schwer fallen, wieder in seine Welt hineinzufinden.Doch er musste zu seinen Leuten zurückkehren, da seine schwarzen Familien aufimmer verschwunden waren. Sie waren in eine neue, seltsame Welt gezogen.
© Lübbe Verlag
Übersetzung: Susanne Goga-Klinkenberg
Die australische Bestsellerautorin wurde in Melbourne geboren und ist dort aufgewachsen. Sie war Lehrerin, Journalistin, Assistentin des Gouverneurs von Queensland und Leiterin der Abteilung für „Oral History“ in der Parlamentsbibliothek. Aus Interviews zur australischen Geschichte, die sie im Rahmen dieser Tätigkeit mit Zeitzeugen führte, entstand die Idee, historische Romane zu schreiben. Heute gilt sie als die Chronistin Australiens. In ihren Romanen verarbeitet sie auf spannende Weise Themen wie die Besiedlung des Kontinents durch die Engländer oder den Goldrausch im 19. Jahrhundert. Sie selbst ist eine passionierte Leserin, neben Barbara Wood und Ken Follett schätzt sie auch Autoren wie Patrick White und DBC Pierre.
Patricia Shaw lebt in Queensland. Ihre Romane sind internationale Bestseller und verkauften sich bis heute viele Millionen Mal. Ihr Buch „Wind des Südens“ wurde mit dem „Corine – Internationaler Buchpreis“ in der Sparte „Weltbild Leserpreis“ ausgezeichnet.
- Autor: Patricia Shaw
- 2005, 605 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Goga-Klinkenberg, Susanne
- Übersetzer: Susanne Goga-Klinkenberg
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404153677
- ISBN-13: 9783404153671
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