Im Schatten des Eukalyptus
Australien-Saga. Deutsche Erstausgabe
Endlich erfüllt sich für Jason und Brooke ein Lebenstraum, als sie von der Stadt ins Outback ziehen. Jasons Praxis läuft bestens und Brooke bereitet ihm und den Kindern ein herrliches Familienidyll. Doch dann trifft ein Schicksalsschlag die...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Im Schatten des Eukalyptus “
Endlich erfüllt sich für Jason und Brooke ein Lebenstraum, als sie von der Stadt ins Outback ziehen. Jasons Praxis läuft bestens und Brooke bereitet ihm und den Kindern ein herrliches Familienidyll. Doch dann trifft ein Schicksalsschlag die Familie, der alles zu zerstören scheint, was sie sich aufgebaut haben.
Klappentext zu „Im Schatten des Eukalyptus “
Rote Erde, weites Land...Für Jason und Brooke d Winters erfüllt sich ein Lebenstraum: Sie ziehen aus der Großstadt in das kleine Outback-Dorf Bindi Creek im Westen von New South Wales. Jasons Praxis floriert, und Brooke bereitet ihrem Mann und den drei Kindern ein lieblichländliches Familienidyll - bis ein Schicksalsschlag alles zu zerstören droht und nicht mehr klar ist, wer in der kleinen Dorfgemeinschaft Freund und wer Feind ist.
Intrigen und Missgunst, Aufrichtigkeit und Liebe - aus dem Sehnsuchtsland Australien!
Lese-Probe zu „Im Schatten des Eukalyptus “
Im Schatten des Eukalyptus von Lynne Wildung1
Brooke Hastings stieg aus dem Bus und sah auf ihre Uhr, während sie sich eilig auf den Weg machte. Sie wollte nicht gleich an ihrem ersten Tag zu spät kommen. Um sie herum hasteten Menschen ihren eigenen Zielen entgegen, gelegentlich streifte einer ihre Schulter. An das beschauliche Launceton gewöhnt, würde es eine Weile dauern, bis sie sich an das so andere Leben in Sydney, der größten Stadt Australiens, gewöhnt hätte. So viele Menschen und Autos, aber auch so viel Lärm und Luftverschmutzung.
Wenigstens hatte sie Arbeit gefunden. Zwei Wochen hatte sie gesucht, in denen Kautions- und Mietvorauszahlungen für ein maßlos überteuertes Studio in Chippendale sie fast um ihre gesamten dürftigen Ersparnisse gebracht hatten. Dass sie den Job als Arzthelferin am Erskineville Medical Centre bekommen hatte – hauptsächlich aufgrund der begeisterten Empfehlung ihrer vorherigen Arbeitgeberin, Dr. Janice Toombes –, bestätigte sie in ihrer Entscheidung, hierherzuziehen. Sie hoffte darauf, dass sich in Sydney mehr Möglichkeiten für sie auftun würden, als sie es in der tasmanischen Provinzstadt je hätte erwarten können.
Sie bog von der Hauptstraße in eine weniger geschäftige Straße ab, an der sich das medizinische Zentrum befand. In der Ferne ragten Regierungsgebäude hoch in den Himmel, und zu beiden Seiten der Straße standen schmale Reihenhäuser mit verschnörkelten schmiedeeisernen Balkonen. Kühne Bäume, die sich weigerten, aufzugeben, obwohl sie fast immer im Finstern standen und der sie umgebende Asphalt kaum Nährstoffe für sie bereithielt, warfen gelegentlich ihre Schatten auf den Fußweg und erzeugten so Muster aus Hell und Dunkel.
Das eiserne Tor quietschte beim Öffnen. Sie ging zum Vordereingang. Aus zwei
... mehr
Doppelhaushälften war ein modernes medizinisches Zentrum mit vielen Räumen entstanden, inklusive einer physiotherapeutischen und einer radiologischen Abteilung, die zeitweise besetzt waren. Bei ihrem Bewerbungsgespräch dort war sie von dem Zentrum sehr beeindruckt gewesen. Alles war auf einen modernen Stand gebracht worden: Die Wände in weichem Rosa, grauer Teppichboden, gedämpfte pastellfarbene Drucke an den Wänden. Das Ganze verströmte eine Atmosphäre von Betriebsamkeit, die ihr sehr gefiel. Ihr erstes Gespräch, mit dem sie sehr zufrieden war, führte sie mit der dienstältesten Arzthelferin, Meg Drobovski. Im Anschluss daran traf sie kurz die drei Ärzte. Zwei Tage später hatte Meg angerufen, um ihr mitzuteilen, dass sie den Job hatte.
Meg schaute auf, als sich die Tür öffnete, und lächelte. »Da sind Sie ja, Brooke. Und nicht eine Sekunde zu früh!«, sagte sie, während ihr Blick über das überfüllte Wartezimmer schweifte. »Na los, dann will ich Ihnen mal alles zeigen, als Erstes, wo Sie Ihre Tasche und Ihre Sachen unterbringen können. Dr. Smith und Dr. Groller sind im Haus. Dr. d’Winters ist spät dran. Er wurde bei seinen Hausbesuchen aufgehalten.« Sie sah Brookes Erstaunen und erklärte: »Ich weiß, die meisten medizinischen Zentren machen keine Hausbesuche mehr, wir aber schon, als Zusatzleistung für unsere Patienten, da die meisten schon älter sind.«
Brooke ließ sich von Meg am Empfangstresen und an Reihen von Aktenschränken vorbeischieben bis zum Pausenraum, in dem ihr ein abschließbarer Spind zugewiesen wurde. »Man kann in Erskinville nicht vorsichtig genug sein. Wir hatten schon Patienten hier, die vorgaben, einen Schluck Wasser trinken zu wollen, und dann versucht haben, unsere Portemonnaies zu klauen.« Meg rollte mit den Augen. »Schätze, im guten alten Launceton passiert so etwas nicht.«
»Nein«, bestätigte Brooke, »aber ich werde mich schon daran gewöhnen.«
»Das wäre gut«, lächelte Meg zustimmend. »Wenn Sie Ihre Sachen verstaut haben, werde ich Sie einweisen. Seit Jenny weg ist, bin ich mit den Berichten und der Ablage meilenweit im Rückstand.«
»Oh, zwei meiner Lieblingsarbeiten!« Brookes Lachen kam zögernd. Meg vermittelte ihr den Eindruck, dass dies eine sehr betriebsame Praxis sei, die weder Däumchendrehen noch das Betrachten des eigenen Bauchnabels zuließ. Gut. Was unter anderem ein Grund dafür gewesen war, dass sie die Praxis von Janice verlassen hatte. Das Tempo dort war ihr einfach zu, naja, entspannt gewesen. Sie brauchte Beschäftigung.
Sie schnalzte ungeduldig mit der Zunge, als sie sich bei diesem kurzen Ausrutscher erwischte. Sie hatte beschlossen, dass sie gerade dies nicht mehr tun würde: darüber nachdenken …
Sie atmete tief durch und ging zum Empfang zurück. Brooke Hastings lebte ihr neues Leben, das genau in dem Moment begonnen hatte, als sie die Maschine am Flughafen Kingsford Smith verlassen hatte. Nichts sonst zählte. Nicht die Vergangenheit, nur die Gegenwart, und wenn sie Glück hatte und hart daran arbeitete, eine annehmbare Zukunft.
Am Ende der ersten Woche konnte Brooke es kaum fassen, wie voll die Praxis ständig war. Morgens gab es meistens nur noch Stehplätze im Wartezimmer, und erst gegen Ende der Sprechzeiten wurden die Patienten weniger. Dr. Paul Groller war ein genialer jüdischer Arzt, dessen leichter Akzent seine osteuropäischen Wurzeln verriet. Wegen seiner leisen Art zu sprechen, seines eher gezierten Benehmens und seiner sanften Art, mit seinen Patienten umzugehen, vermutete sie, dass er homosexuell sei. Sie bekam sehr bald mit, dass die älteren Patienten ihn liebten. Die einzige Ärztin der Praxis, Christine Smith, war Ende dreißig. Meg erklärte, sie sei als Familienärztin sehr beliebt, da sie nicht nur ihren Teil der Praxisarbeit leistete, sondern außerdem alleinerziehende Mutter von vier Kindern war, die sie mit einer Kompetenz erzog, die jeden staunen ließ. Dass sie das alles schaffte, beeindruckte die meisten ihrer Patienten. Dr. Jason d’Winters, der Jüngste des Ärzte-Trios, war Anfang dreißig. Er war streng genommen nicht gutaussehend, wirkte aber sportlich und wie ein Mann, der viel Zeit an der frischen Luft verbringt, was jüngere – männliche wie weibliche – Patienten ansprach. Das spiegelte sich in seinem Terminkalender wider, der üblicherweise randvoll war. Und natürlich schadete es auch nicht, jung und unverheiratet zu sein, vor allem bei den alleinstehenden Patientinnen.
Als nur noch zwei Patienten übrig waren, ließ die Anspannung von Meg und Brooke allmählich nach.
»Bist du sicher, dass es dir nichts ausmacht, am Samstagmorgen herzukommen?«, fragte Meg, während sie die Patientenkarten des Tages zu einem ordentlichen Haufen zusammenschob. »Deine Woche war ja schließlich auch ganz schön anstrengend.«
»Nein, nein, das geht in Ordnung. Ich habe gern Beschäftigung und nichts Besonderes geplant.« Was nicht so ganz stimmte. Sie hatte sich vorgenommen, Farbe zu kaufen und mit dem Streichen ihrer Wohnung zu beginnen, die dringend eine Renovierung benötigte.
Meg sah sie an. »Hey, du bist wohl ein wenig einsam hier in der Großstadt? Du hast keine Verwandten oder Freunde in Sydney, oder?«
»Nein, aber es dauert eben etwas, bis man sich eingelebt hat. Wenn’s mich mal überkommt, gibt es ja genug zu erleben in und um Sydney. Allerdings war ich schon immer eher eine Einzelgängerin.« Es lag keinerlei Selbstmitleid in Brookes Lächeln. Wenn es überhaupt etwas ausdrückte, dann Sachlichkeit. »Ich halte es in meiner eigenen Gesellschaft prima aus.« (Und das ist gut so, denn so viel andere Gesellschaft habe ich ja nicht.)
»Wir könnten ja mal ein Date zu viert ausmachen. Mein Freund Klaus kennt in der Baubranche eine Menge Jungs, die in Frage kommen könnten.«
Brooke schaffte es, sich ihren Abscheu nicht anmerken zu lassen. Ausgehen! Männer! Sie war nicht interessiert. Absolut nicht. Nicht seit Hamish McDonald – dem ach so anständigen Hamish –, der ihr gesagt hatte, er liebe sie, es aber nicht wirklich tat. Sie schüttelte leicht den Kopf. Wie dämlich von ihr, Hamish überhaupt durch ihren Schutzschild durchkommen zu lassen.
»Ja, vielleicht irgendwann mal …« Sie hoffte, vage genug zu klingen, so dass Meg merkte, dass sie nicht sonderlich an Verabredungen interessiert war.
Als die Samstagmorgensprechstunde zu Ende war, rief Dr. d’Winters Brooke in sein Zimmer. »Danke, dass Sie mir mit Mr. Stirling geholfen haben. Er ist bisweilen ein sturer alter Esel. Der Mann hasst es, Medikamente nehmen zu müssen, aber wenn er es nicht tut, wird ihn sein schwaches Herz in null Komma nix unter die Erde bringen.«
»Manchen Leuten fällt es schwer, an die regelmäßige Einnahme von Tabletten zu denken«, murmelte Brooke. Ihr Lächeln verschwand, als sie daran dachte, wie Sid Stir-ling geschimpft und getobt hatte, weil sein Blutdruck viel zu hoch war, als ob es die Schuld von Dr. d’Winters wäre. Man hatte ihn durch die ganze Praxis gehört.
»Gut, dass Sie sich diese Tabelle für seine täglichen Medikamente ausgedacht haben, Brooke. Jetzt weiß er, dass er jeden Tag zwei Häkchen machen muss, wenn er die Tabletten einnimmt. Ich hoffe, dass ihm die Tabelle eine Gedankenstütze ist.«
»Es ist für einige Menschen schwer, allein zu sein. Da ist niemand, der sie daran erinnert, ihre Tabletten zu nehmen. Er sagte, seine Frau hätte sich immer darum gekümmert, und das fehlt ihm.« Der alte Herr hatte ihr erzählt, dass seine Frau vor ein paar Jahren gestorben war. Aus seiner Stimme hatte sie nicht nur Trauer, sondern auch Einsamkeit herausgehört – ein Zustand, mit dem auch sie mittlerweile vertraut war. Sie wollte gerade gehen, als Dr. d’Winters sie zurückhielt.
»Nächste Woche Samstag schmeiß ich eine Überraschungsparty zu Christines Geburtstag. Alle vom Zentrum kommen. Ich hoffe, Sie auch, wenn Sie nichts anderes vorhaben.«
»Danke, ich komme gern«, erwiderte Brooke spontan. Im nächsten Augenblick fragte sie sich, ob Jason d’Winters einfach nur aufmerksam war oder ob Meg diese Einladung angeregt hatte. Sie hatte festgestellt, dass die Arzthelferin eine unverbesserliche Plaudertasche war, die vielleicht erwähnt hatte, dass Brooke sich in Sydney einsam fühlte. Aber was machte das schon? Die Ärzte und alle anderen Angestellten waren nett. Die aufgeblähte Attitüde: »Ich bin ein besserer Mensch als du, weil ich Arzt bin«, schien gänzlich zu fehlen. Unter dieser Einstellung hatte sie in Hobart zu leiden gehabt, wo sie ihre Ausbildung absolviert hatte, nach deren Abschluss sie ihrer Freundin Dr. Janice Toombes als Arzthelferin nach Launceton gefolgt war. Also konnte sie seine Einladung auch einfach als nett gemeint annehmen, ohne großartig etwas hineinzuinterpretieren.
»Es wird ganz zwanglos«, versicherte Jason ihr. »Ich wohne in einer Doppelhaushälfte in der Fitzroy Street in Newton. Nummer 58. Gegenüber vom Hollis Park. Groß ist es nicht.« Er grinste sie an. »Eigentlich bekommt der Ausdruck »kompakt«, den der Makler dafür benutzte, durch das Haus eine völlig neue Bedeutung. Mit 15 Leuten in Küche und Wohnzimmer schrammen wir an den Wänden entlang.«
Sie erwiderte sein Lächeln, als sie ihm dabei zusah, wie er seinen Schreibtisch aufräumte – wie er es jeden Tag nach der Sprechstunde tat. Er hatte schöne Chirurgenhände, stellte sie fest, kräftig, mit langen, nach oben schmaler werdenden Fingern, obwohl man, wenn man seinen Beruf nicht kannte, eher vermuten würde, dass er Bauarbeiter sei. Er war breitschultrig, wirkte robust und war – obschon nicht sonderlich groß – eine auffällige Erscheinung. Sein fast schwarzes Haar hatte es eigentlich ständig nötig, geschnitten zu werden, und seine blauen Augen waren umrahmt von dicken schwarzen Wimpern, um die ihn die meisten Frauen beneidet hätten.
»Soll ich irgendetwas mitbringen, etwas zu essen vielleicht?
«
Er schüttelte den Kopf mit Nachdruck. »Nur sich selbst.«
»Okay. Wie spät?«
»So gegen halb sieben.«
Nachdem Brooke die Praxis verlassen hatte, saß Jason noch immer an seinem Schreibtisch und trommelte gedankenverloren mit den Fingern auf seiner Schreibtischunterlage. Irgendetwas an Brooke Hastings erweckte sein Interesse, aber er konnte nicht genau festmachen, was es war. Oh, sie war schon ein hübscher Anblick! Ehrlich gesagt, war sie auf eine knabenhafte Weise sogar sehr attraktiv mit ihrem kurzen hellbraunen Haar und den braunen, ein wenig schräg gestellten Augen. Allerdings war sie entsetzlich dünn, und er bevorzugte Frauen mit deutlich mehr Fleisch auf den Rippen. Also, fragte er sich, was war es, das seine Neugier geweckt hatte? Fühlte er sich von ihr angezogen? Ja und Nein.
Ja, weil er sie körperlich attraktiv fand. Sie hatte außerdem ein nettes Lächeln – wenn sie lächelte, was selten vorkam. Sie kleidete sich gut, wenn auch nicht teuer, ihrem Einkommen entsprechend. Und sie war intelligent – vielleicht zu intelligent, um sich auf Dauer mit der Arbeit einer Arzthelferin zufriedenzugeben. Soweit ihre Pluspunkte. Eine Woche hatte er sie beobachtet, und das einzig Negative, was er an ihr feststellen konnte, war, dass sie eine unbekannte Größe blieb. Er glaubte nicht, dass sie absichtlich geheimnisvoll tat, aber verdammt noch mal, was war mit ihr los? Sie hatte etwas Rätselhaftes, Distanziertes an sich. Als ob sie nicht wollte, dass irgendjemand die wahre Brooke Hastings kennenlernte. Abgesehen von den Angaben auf ihrem Bewerbungsformular wussten seine Partner und er kaum etwas über sie.
Er rieb sein Kinn und fühlte die Stoppeln an seinen Fingern, während seine Gedanken weiterwanderten. Fand er sie deshalb so geheimnisvoll? Weil sie nicht ständig über sich und ihre Probleme tratschte, so wie Meg und die ein oder andere frühere Arzthelferin? Als er Paul und Christine gegenüber dieses Geheimnisvolle um Brooke erwähnte, beschuldigten sie ihn lachend, er habe zu viel Fantasie. Über dieses Urteil konnte er nur die Schultern zucken. Vielleicht stimmte es ja auch. Nicht dass er sich selbst so beschrieben hätte, ganz und gar nicht. Er war durch und durch bodenständig: Praktisch veranlagt, nicht sonderlich romantisch, wie einige seiner Exfreundinnen sofort bestätigen würden, und manchmal überkam ihn in Sydney eine Rastlosigkeit, obwohl er schon viele Jahre hier wohnte. Nein, sicher nicht der übermäßig fantasievolle Typ. Er sah auf die Uhr: 12.35 Uhr. Verdammt! Er verbannte seine Gedanken über Brooke und wandte sich wichtigeren Dingen zu – dem heutigen Cricketspiel –, sprang von seinem Stuhl auf und griff sich seine Sporttasche. Er würde seine Inliner brauchen, um noch pünktlich zum Stadium in Castlerag zu kommen.
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2009
by Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Übersetzung: Anne Döbel
Meg schaute auf, als sich die Tür öffnete, und lächelte. »Da sind Sie ja, Brooke. Und nicht eine Sekunde zu früh!«, sagte sie, während ihr Blick über das überfüllte Wartezimmer schweifte. »Na los, dann will ich Ihnen mal alles zeigen, als Erstes, wo Sie Ihre Tasche und Ihre Sachen unterbringen können. Dr. Smith und Dr. Groller sind im Haus. Dr. d’Winters ist spät dran. Er wurde bei seinen Hausbesuchen aufgehalten.« Sie sah Brookes Erstaunen und erklärte: »Ich weiß, die meisten medizinischen Zentren machen keine Hausbesuche mehr, wir aber schon, als Zusatzleistung für unsere Patienten, da die meisten schon älter sind.«
Brooke ließ sich von Meg am Empfangstresen und an Reihen von Aktenschränken vorbeischieben bis zum Pausenraum, in dem ihr ein abschließbarer Spind zugewiesen wurde. »Man kann in Erskinville nicht vorsichtig genug sein. Wir hatten schon Patienten hier, die vorgaben, einen Schluck Wasser trinken zu wollen, und dann versucht haben, unsere Portemonnaies zu klauen.« Meg rollte mit den Augen. »Schätze, im guten alten Launceton passiert so etwas nicht.«
»Nein«, bestätigte Brooke, »aber ich werde mich schon daran gewöhnen.«
»Das wäre gut«, lächelte Meg zustimmend. »Wenn Sie Ihre Sachen verstaut haben, werde ich Sie einweisen. Seit Jenny weg ist, bin ich mit den Berichten und der Ablage meilenweit im Rückstand.«
»Oh, zwei meiner Lieblingsarbeiten!« Brookes Lachen kam zögernd. Meg vermittelte ihr den Eindruck, dass dies eine sehr betriebsame Praxis sei, die weder Däumchendrehen noch das Betrachten des eigenen Bauchnabels zuließ. Gut. Was unter anderem ein Grund dafür gewesen war, dass sie die Praxis von Janice verlassen hatte. Das Tempo dort war ihr einfach zu, naja, entspannt gewesen. Sie brauchte Beschäftigung.
Sie schnalzte ungeduldig mit der Zunge, als sie sich bei diesem kurzen Ausrutscher erwischte. Sie hatte beschlossen, dass sie gerade dies nicht mehr tun würde: darüber nachdenken …
Sie atmete tief durch und ging zum Empfang zurück. Brooke Hastings lebte ihr neues Leben, das genau in dem Moment begonnen hatte, als sie die Maschine am Flughafen Kingsford Smith verlassen hatte. Nichts sonst zählte. Nicht die Vergangenheit, nur die Gegenwart, und wenn sie Glück hatte und hart daran arbeitete, eine annehmbare Zukunft.
Am Ende der ersten Woche konnte Brooke es kaum fassen, wie voll die Praxis ständig war. Morgens gab es meistens nur noch Stehplätze im Wartezimmer, und erst gegen Ende der Sprechzeiten wurden die Patienten weniger. Dr. Paul Groller war ein genialer jüdischer Arzt, dessen leichter Akzent seine osteuropäischen Wurzeln verriet. Wegen seiner leisen Art zu sprechen, seines eher gezierten Benehmens und seiner sanften Art, mit seinen Patienten umzugehen, vermutete sie, dass er homosexuell sei. Sie bekam sehr bald mit, dass die älteren Patienten ihn liebten. Die einzige Ärztin der Praxis, Christine Smith, war Ende dreißig. Meg erklärte, sie sei als Familienärztin sehr beliebt, da sie nicht nur ihren Teil der Praxisarbeit leistete, sondern außerdem alleinerziehende Mutter von vier Kindern war, die sie mit einer Kompetenz erzog, die jeden staunen ließ. Dass sie das alles schaffte, beeindruckte die meisten ihrer Patienten. Dr. Jason d’Winters, der Jüngste des Ärzte-Trios, war Anfang dreißig. Er war streng genommen nicht gutaussehend, wirkte aber sportlich und wie ein Mann, der viel Zeit an der frischen Luft verbringt, was jüngere – männliche wie weibliche – Patienten ansprach. Das spiegelte sich in seinem Terminkalender wider, der üblicherweise randvoll war. Und natürlich schadete es auch nicht, jung und unverheiratet zu sein, vor allem bei den alleinstehenden Patientinnen.
Als nur noch zwei Patienten übrig waren, ließ die Anspannung von Meg und Brooke allmählich nach.
»Bist du sicher, dass es dir nichts ausmacht, am Samstagmorgen herzukommen?«, fragte Meg, während sie die Patientenkarten des Tages zu einem ordentlichen Haufen zusammenschob. »Deine Woche war ja schließlich auch ganz schön anstrengend.«
»Nein, nein, das geht in Ordnung. Ich habe gern Beschäftigung und nichts Besonderes geplant.« Was nicht so ganz stimmte. Sie hatte sich vorgenommen, Farbe zu kaufen und mit dem Streichen ihrer Wohnung zu beginnen, die dringend eine Renovierung benötigte.
Meg sah sie an. »Hey, du bist wohl ein wenig einsam hier in der Großstadt? Du hast keine Verwandten oder Freunde in Sydney, oder?«
»Nein, aber es dauert eben etwas, bis man sich eingelebt hat. Wenn’s mich mal überkommt, gibt es ja genug zu erleben in und um Sydney. Allerdings war ich schon immer eher eine Einzelgängerin.« Es lag keinerlei Selbstmitleid in Brookes Lächeln. Wenn es überhaupt etwas ausdrückte, dann Sachlichkeit. »Ich halte es in meiner eigenen Gesellschaft prima aus.« (Und das ist gut so, denn so viel andere Gesellschaft habe ich ja nicht.)
»Wir könnten ja mal ein Date zu viert ausmachen. Mein Freund Klaus kennt in der Baubranche eine Menge Jungs, die in Frage kommen könnten.«
Brooke schaffte es, sich ihren Abscheu nicht anmerken zu lassen. Ausgehen! Männer! Sie war nicht interessiert. Absolut nicht. Nicht seit Hamish McDonald – dem ach so anständigen Hamish –, der ihr gesagt hatte, er liebe sie, es aber nicht wirklich tat. Sie schüttelte leicht den Kopf. Wie dämlich von ihr, Hamish überhaupt durch ihren Schutzschild durchkommen zu lassen.
»Ja, vielleicht irgendwann mal …« Sie hoffte, vage genug zu klingen, so dass Meg merkte, dass sie nicht sonderlich an Verabredungen interessiert war.
Als die Samstagmorgensprechstunde zu Ende war, rief Dr. d’Winters Brooke in sein Zimmer. »Danke, dass Sie mir mit Mr. Stirling geholfen haben. Er ist bisweilen ein sturer alter Esel. Der Mann hasst es, Medikamente nehmen zu müssen, aber wenn er es nicht tut, wird ihn sein schwaches Herz in null Komma nix unter die Erde bringen.«
»Manchen Leuten fällt es schwer, an die regelmäßige Einnahme von Tabletten zu denken«, murmelte Brooke. Ihr Lächeln verschwand, als sie daran dachte, wie Sid Stir-ling geschimpft und getobt hatte, weil sein Blutdruck viel zu hoch war, als ob es die Schuld von Dr. d’Winters wäre. Man hatte ihn durch die ganze Praxis gehört.
»Gut, dass Sie sich diese Tabelle für seine täglichen Medikamente ausgedacht haben, Brooke. Jetzt weiß er, dass er jeden Tag zwei Häkchen machen muss, wenn er die Tabletten einnimmt. Ich hoffe, dass ihm die Tabelle eine Gedankenstütze ist.«
»Es ist für einige Menschen schwer, allein zu sein. Da ist niemand, der sie daran erinnert, ihre Tabletten zu nehmen. Er sagte, seine Frau hätte sich immer darum gekümmert, und das fehlt ihm.« Der alte Herr hatte ihr erzählt, dass seine Frau vor ein paar Jahren gestorben war. Aus seiner Stimme hatte sie nicht nur Trauer, sondern auch Einsamkeit herausgehört – ein Zustand, mit dem auch sie mittlerweile vertraut war. Sie wollte gerade gehen, als Dr. d’Winters sie zurückhielt.
»Nächste Woche Samstag schmeiß ich eine Überraschungsparty zu Christines Geburtstag. Alle vom Zentrum kommen. Ich hoffe, Sie auch, wenn Sie nichts anderes vorhaben.«
»Danke, ich komme gern«, erwiderte Brooke spontan. Im nächsten Augenblick fragte sie sich, ob Jason d’Winters einfach nur aufmerksam war oder ob Meg diese Einladung angeregt hatte. Sie hatte festgestellt, dass die Arzthelferin eine unverbesserliche Plaudertasche war, die vielleicht erwähnt hatte, dass Brooke sich in Sydney einsam fühlte. Aber was machte das schon? Die Ärzte und alle anderen Angestellten waren nett. Die aufgeblähte Attitüde: »Ich bin ein besserer Mensch als du, weil ich Arzt bin«, schien gänzlich zu fehlen. Unter dieser Einstellung hatte sie in Hobart zu leiden gehabt, wo sie ihre Ausbildung absolviert hatte, nach deren Abschluss sie ihrer Freundin Dr. Janice Toombes als Arzthelferin nach Launceton gefolgt war. Also konnte sie seine Einladung auch einfach als nett gemeint annehmen, ohne großartig etwas hineinzuinterpretieren.
»Es wird ganz zwanglos«, versicherte Jason ihr. »Ich wohne in einer Doppelhaushälfte in der Fitzroy Street in Newton. Nummer 58. Gegenüber vom Hollis Park. Groß ist es nicht.« Er grinste sie an. »Eigentlich bekommt der Ausdruck »kompakt«, den der Makler dafür benutzte, durch das Haus eine völlig neue Bedeutung. Mit 15 Leuten in Küche und Wohnzimmer schrammen wir an den Wänden entlang.«
Sie erwiderte sein Lächeln, als sie ihm dabei zusah, wie er seinen Schreibtisch aufräumte – wie er es jeden Tag nach der Sprechstunde tat. Er hatte schöne Chirurgenhände, stellte sie fest, kräftig, mit langen, nach oben schmaler werdenden Fingern, obwohl man, wenn man seinen Beruf nicht kannte, eher vermuten würde, dass er Bauarbeiter sei. Er war breitschultrig, wirkte robust und war – obschon nicht sonderlich groß – eine auffällige Erscheinung. Sein fast schwarzes Haar hatte es eigentlich ständig nötig, geschnitten zu werden, und seine blauen Augen waren umrahmt von dicken schwarzen Wimpern, um die ihn die meisten Frauen beneidet hätten.
»Soll ich irgendetwas mitbringen, etwas zu essen vielleicht?
«
Er schüttelte den Kopf mit Nachdruck. »Nur sich selbst.«
»Okay. Wie spät?«
»So gegen halb sieben.«
Nachdem Brooke die Praxis verlassen hatte, saß Jason noch immer an seinem Schreibtisch und trommelte gedankenverloren mit den Fingern auf seiner Schreibtischunterlage. Irgendetwas an Brooke Hastings erweckte sein Interesse, aber er konnte nicht genau festmachen, was es war. Oh, sie war schon ein hübscher Anblick! Ehrlich gesagt, war sie auf eine knabenhafte Weise sogar sehr attraktiv mit ihrem kurzen hellbraunen Haar und den braunen, ein wenig schräg gestellten Augen. Allerdings war sie entsetzlich dünn, und er bevorzugte Frauen mit deutlich mehr Fleisch auf den Rippen. Also, fragte er sich, was war es, das seine Neugier geweckt hatte? Fühlte er sich von ihr angezogen? Ja und Nein.
Ja, weil er sie körperlich attraktiv fand. Sie hatte außerdem ein nettes Lächeln – wenn sie lächelte, was selten vorkam. Sie kleidete sich gut, wenn auch nicht teuer, ihrem Einkommen entsprechend. Und sie war intelligent – vielleicht zu intelligent, um sich auf Dauer mit der Arbeit einer Arzthelferin zufriedenzugeben. Soweit ihre Pluspunkte. Eine Woche hatte er sie beobachtet, und das einzig Negative, was er an ihr feststellen konnte, war, dass sie eine unbekannte Größe blieb. Er glaubte nicht, dass sie absichtlich geheimnisvoll tat, aber verdammt noch mal, was war mit ihr los? Sie hatte etwas Rätselhaftes, Distanziertes an sich. Als ob sie nicht wollte, dass irgendjemand die wahre Brooke Hastings kennenlernte. Abgesehen von den Angaben auf ihrem Bewerbungsformular wussten seine Partner und er kaum etwas über sie.
Er rieb sein Kinn und fühlte die Stoppeln an seinen Fingern, während seine Gedanken weiterwanderten. Fand er sie deshalb so geheimnisvoll? Weil sie nicht ständig über sich und ihre Probleme tratschte, so wie Meg und die ein oder andere frühere Arzthelferin? Als er Paul und Christine gegenüber dieses Geheimnisvolle um Brooke erwähnte, beschuldigten sie ihn lachend, er habe zu viel Fantasie. Über dieses Urteil konnte er nur die Schultern zucken. Vielleicht stimmte es ja auch. Nicht dass er sich selbst so beschrieben hätte, ganz und gar nicht. Er war durch und durch bodenständig: Praktisch veranlagt, nicht sonderlich romantisch, wie einige seiner Exfreundinnen sofort bestätigen würden, und manchmal überkam ihn in Sydney eine Rastlosigkeit, obwohl er schon viele Jahre hier wohnte. Nein, sicher nicht der übermäßig fantasievolle Typ. Er sah auf die Uhr: 12.35 Uhr. Verdammt! Er verbannte seine Gedanken über Brooke und wandte sich wichtigeren Dingen zu – dem heutigen Cricketspiel –, sprang von seinem Stuhl auf und griff sich seine Sporttasche. Er würde seine Inliner brauchen, um noch pünktlich zum Stadium in Castlerag zu kommen.
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2009
by Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Übersetzung: Anne Döbel
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Autoren-Porträt von Lynne Wilding
Lynne Wilding, geb. in Sydney, hielt sich erst mit den unterschiedlichsten Jobs über Wasser u.a. war sie unter dem Namen Linda Gaye als Cabaret-Sängerin erfolgreich, bis sie in den Achtzigerjahren ihr Talent fürs Schreiben entdeckte. Seither veröffentlichte sie einen Bestseller nach dem anderen, wird in Australien als die Königin der großen Sagas gefeiert und für ihre Romane immer wieder ausgezeichnet. Die Gründungspräsidentin und treibende Kraft der 'Romance Writers of Australia' verstarb im Juni 2007.
Bibliographische Angaben
- Autor: Lynne Wilding
- 2009, 476 Seiten, Maße: 11,5 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Döbel, Anne
- Übersetzer: Anne Döbel
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442371686
- ISBN-13: 9783442371686
Rezension zu „Im Schatten des Eukalyptus “
"Herzergreifender Lesestoff für kalte Wintertage"
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