In einer zärtlichen Winternacht / Montana Creeds Bd.4
Ein Cowboy zum Verlieben; Hör auf die Stimme deines Herzens
Ein Cowboy zum Verlieben: Juliana bekommt einen überraschenden Heiratsantrag. Doch Lincoln sucht vor allem eine Mutter für seine Tochter.
Hör auf die Stimme deines Herzens: Nach Jahren trifft Meg ihre große Liebe wieder.
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Produktdetails
Produktinformationen zu „In einer zärtlichen Winternacht / Montana Creeds Bd.4 “
Ein Cowboy zum Verlieben: Juliana bekommt einen überraschenden Heiratsantrag. Doch Lincoln sucht vor allem eine Mutter für seine Tochter.
Hör auf die Stimme deines Herzens: Nach Jahren trifft Meg ihre große Liebe wieder.
Klappentext zu „In einer zärtlichen Winternacht / Montana Creeds Bd.4 “
Ein Cowboy zum VerliebenMontana, 1910: Als ihre kleine Schule geschlossen wird, steht Juliana praktisch auf der Straße. Dankbar folgt sie Lincoln Creeds Einladung, einige Tage auf seiner Ranch zu wohnen. Mit seinem überraschenden Heiratsantrag versetzt er ihr Herz in Aufruhr. Denn er macht keinen Hehl daraus, dass er vor allem eine Mutter für seine kleine Tochter sucht. Von Liebe kein Wort. Wie tief Juliana für ihn empfindet, ahnt er nicht
Hör auf die Stimme deines Herzens
Brad O Ballivan ist auf seine Ranch zurückgekehrt! Die Nachricht trifft Meg wie ein Schlag. Vor Jahren war sie mit ihm verlobt. Doch dann zog es ihn nach Nashville und er wurde als Countrysänger ein Star. Plötzlich steht Brad wieder vor ihr er scheint fast unverändert. Genau wie ihre Gefühle für ihn. Aber ihr McKettrick-Stolz ist größer als die Sehnsucht. Noch ist sie nicht bereit, ihm zu verzeihen
Lese-Probe zu „In einer zärtlichen Winternacht / Montana Creeds Bd.4 “
In einer zärtlichen Winternacht von Linda Lael MillerAus dem Englischen von Tess Martin
1. Kapitel
Stillwater Springs, Montana
20. Dezember 1910
Der Ladentresen von Willands Gemischtwarenladen, in dem es nach Sattelleder und Holzrauch duftete, schien zu schwanken, als Juliana Mitchell mit angehaltenem Atem davorstand.
Der Brief war endlich angekommen.
Der Brief, auf den Juliana gewartet, den sie sehnlichst erhofft und nach dem sie, ihren Stolz herunterschluckend, immer wieder gefragt hatte. Gleichzeitig hatte sie sich schrecklich vor ihm gefürchtet.
Ihr Herz machte einen schmerzhaften kleinen Satz, während sie den Umschlag aus Mr Willands ausgestreckter Hand nahm. Die Handschrift, ein geneigtes Gekrakel in schwarzer Tinte, gehörte definitiv ihrem Bruder Clay. Der Brief war in Denver abgestempelt worden.
In der Ferne kündigte der vom Schnee gedämpfte Pfiff die Ankunft des Zuges aus Missoula an, der nur einmal in der Woche unterwegs in Richtung Süden durch die Stadt fuhr.
Juliana spürte die Anwesenheit ihrer vier Schützlinge, die an der Ladentür warteten, weil sie wussten, dass sie hier nicht gern gesehen waren. Sie drehte sich vom Tresen und Mr Willands missbilligendem Blick weg, bevor sie das beindruckende rote Wachssiegel aufbrach.
Bitte, Gott, betete sie stumm, bitte!
Nachdem sie einmal tief Luft geholt und sie langsam wieder ausgestoßen hatte, biss Juliana sich auf die Lippe und nahm das gefaltete Papier aus dem Kuvert.
Ihr wurde schwer ums Herz, ihr Blick verschwamm.
... mehr
Das Geld, das sie so dringend brauchte und um das sie ihren Bruder gebeten hatte, war nicht in dem Umschlag. Geld, das von Rechts wegen ihr gehörte, ein Teil des Vermögens, das ihre Großmutter ihr hinterlassen hatte. Sie konnte also keine Zugtickets für sich und die vier Kinder kaufen. In das indianische Schulheim, in dem sie alle in den letzten zwei Jahren gelebt hatten, konnten sie auch nicht zurück, da es sich nicht mehr im Besitz des Staates befand. Das kleine, aber robuste Gebäude war an einen Bauern verkauft worden, der seine Kühe darin unterbringen wollte.
Die Hitze aus dem bollernden Ofen in der Mitte des Geschäfts, die sie nach der Kälte draußen noch als so angenehm empfunden hatte, raubte ihr jetzt die Luft zum Atmen.
Trotz allem spürte sie kurz eine verrückte Hoffnung in sich aufsteigen. Vielleicht war doch nicht alles verloren, vielleicht hatte Clay der Post nur nicht vertraut und das Geld telegrafisch angewiesen. Womöglich wartete es genau in diesem Augenblick im Telegrafenamt etwas weiter die Straße hinunter auf sie.
Als sie begriff, dass sie sich an einen Strohhalm klammerte, begannen ihre Augen zu brennen. Schnell blinzelte sie die Tränen weg und zwang sich zu lesen, was ihr älterer Bruder und Vormund geschrieben hatte.
Meine liebste Schwester,
ich hoffe, du bist wohlauf.
Nora, die Kinder und ich sind bei guter Gesundheit. Deine Nichte und dein Neffe fragen immerzu nach dir, so wie auch bestimmte andere Leute.
Ich bedauere, dass ich dir das Geld, um das du mich gebeten hast, nicht guten Gewissens zukommen lassen kann, aus Gründen, die dir wohlbekannt sein dürften ...
Juliana zerdrückte das teure Pergamentpapier in der Hand. Ihr wurde übel vor Enttäuschung und dieser frustrierenden Hilflosigkeit, die sie immer verspürte, wenn sie mit ihrem Bruder zu tun hatte.
„Geht es Ihnen gut, Miss?", hörte sie eine Männerstimme fragen, leise aber deutlich.
Erschrocken schaute Juliana auf. Direkt vor ihr stand ein großer Mann. Seine Haare und Augen waren dunkel, die runde Hutkrempe und die Schultern seines langen Mantels mit Schnee bestäubt.
Während er höflich auf ihre Antwort wartete, nahm er den Hut ab, hängte ihn an die Lehne eines Holzstuhls und lächelte.
„Mein Name ist Lincoln Creed", sagte er ein wenig ruppig, aber trotzdem freundlich. Er streckte ihr die Hand entgegen, nachdem er seinen Lederhandschuh abgestreift hatte.
Juliana zögerte, ergriff dann doch seine Hand. Schließlich wusste sie, wer er war. Die Creeds besaßen die größte Rinderfarm in diesem Teil des Staates und den Stillwater Springs Courier. Sie kannte seinen Bruder Weston, dem die Tageszeitung gehörte. Außerdem hatte sie die Witwe Creed ein paarmal getroffen, die Matriarchin der Familie. Lincoln selbst aber war sie bisher nie begegnet.
„Juliana Mitchell", erwiderte sie mit einer perfekten Mischung aus Bescheidenheit und Höflichkeit. Sie hatte immerhin eine gute Erziehung genossen. Schließlich war sie in einem der vornehmsten Häuser in Denver aufgewachsen, hatte importierte Seide und Samt sowie modische Hüte getragen und sich in Kutschen mit livrierten Fahrern und Lakaien fortbewegt.
Wenn sie nur daran dachte, errötete sie vor Scham.
So hatte sie gelebt, bevor sie in Ungnade gefallen war. Bevor Clay sie als Nachlasspflegerin des Vermögens ihrer Großmutter so gut wie enterbt hatte.
Lincolns Blick fiel auf den Brief. „Schlechte Nachrichten?" Mit den hohen Wangenknochen und dem rabenschwarzen Haar sah er aus, als würde indianisches Blut durch seine Adern fließen.
Der Zug pfiff noch einmal triumphierend. Er war pünktlich in den wackligen kleinen Bahnhof am Stadtrand eingefahren. Die Passagiere würden aus- und einsteigen. Post und Fracht würde auf- und abgeladen werden. Anschließend würde die Lok wieder aus dem Bahnhof tuckern, eine Reihe ratternder Waggons im Schlepptau.
Es dauerte eine volle Woche, ehe der nächste Zug kam.
Bis dahin blieb Juliana und den Kindern nichts anderes übrig, als auf die Barmherzigkeit der Stadtbewohner zu hoffen. In einer größeren Stadt hätte sie sich vielleicht an die Kirche wenden können, aber Stillwater Springs hatte keine. Die Gläubigen trafen sich sporadisch in dem nur für Weiße zugelassenen Schulgebäude, wenn der Wanderprediger in der Stadt war.
Juliana schluckte. Am liebsten hätte sie geweint, doch sie war wild entschlossen, sich nicht gehen zu lassen. „Ich fürchte, es sind wirklich schlechte Nachrichten", gestand sie zögerlich.
Mr Creed umfasste sanft ihren Ellbogen, schob sie zu einem der leeren Holzstühle vor dem großen Ofen und drückte sie darauf. „Ist jemand gestorben?", fragte er.
Benommen schüttelte Juliana den Kopf.
Was sollte sie bloß tun? Ohne Geld konnte sie keine Zugfahrkarten für sich und die Kinder kaufen, geschweige denn eine Unterkunft bezahlen.
Mr Creed blickte zu den Kindern, die mit dem Rücken zu ihr aufgereiht vor dem Schaufenster mit dem dürren, trotzdem prächtig geschmückten Christbaum warteten. Sehnsüchtig betrachteten sie das hübsche Spielzeug, das an den Zweigen hing und unter dem Baum lag.
„Ich schätze, Sie sind die Lehrerin der indianischen Schule", mutmaßte er.
Mr Willand, der Besitzer des Gemischtwarenladens, räusperte sich laut.
Julianas Herz zog sich zusammen, während sie die Kinder betrachtete. Mr Willand ließ sie ebenfalls nicht aus den Augen. Wie so viele Menschen ging er davon aus, dass sie bei der erstbesten Gelegenheit etwas klauen würden - einfach weil sie Indianer waren. Inzwischen gelang es ihr, dieses diskriminierende Verhalten einigermaßen zu ignorieren.
„Ja", antwortete sie. „Oder zumindest war ich das. Doch die Schule ist jetzt geschlossen."
Lincoln Creed fixierte Mr Willand eindringlich, dann nickte er langsam. „Ich fand es schade, das zu hören."
„Seit du letzte Woche hier warst, Lincoln, ist kein Brief gekommen", meldete sich Willand geradezu hämisch zu Wort. Die Luft in dem überhitzten kleinen Laden schien vor gegenseitiger Abneigung zu knistern. „Schätze, du könntest noch hier warten, ob der Zug etwas gebracht hat, aber du hast mit den ganzen Zeitungsannoncen wohl einfach nur dein Geld zum Fenster rausgeworfen."
„Jedem tut es leid, Mr Creed", sagte Juliana leise, „dennoch ist offenbar niemand bereit zu helfen."
Abgelenkt von Mr Willands Kommentar, antwortete Lincoln nicht sofort.
Juliana stand auf. Doch als sie daran dachte, wie aussichtslos ihre Situation war, sank sie schwerfällig wieder auf den Stuhl. Alle Kraft war aus ihren Beinen gewichen. Vielleicht weil sie die zwei Meilen von der Schule in die Stadt mit all ihrer Habe in einer abgewetzten Tasche zu Fuß gegangen war. Die Kinder hatten ihre geschnürten Bündel unter den Arm geklemmt. Jetzt lagen sie zusammen mit ihrer Tasche auf dem Gehsteig vor dem Gemischtwarenladen.
„Es wird einen Sturm geben, Miss ... Mitchell", meinte Lincoln Creed. „Und es ist kalt und wird immer kälter, außerdem wird es bald dunkel. Da ich draußen kein Fahrzeug gesehen habe, gehe ich davon aus, dass Sie zu Fuß in die Stadt gekommen sind. Meine Kutsche steht vor der Tür. Es wäre mir eine Freude, wenn ich Sie und die Kinder irgendwohin bringen könnte."
Irgendwohin bringen? Wir können nirgendwohin.
In Stillwater Springs gab es ein Hotel und mehrere Pensionen, doch selbst wenn Juliana Geld gehabt hätte, um eine Unterkunft zu bezahlen, hätte niemand die Kinder aufgenommen.
Sie hatten sich sehr beeilt, um Stillwater Springs noch vor der Abfahrt des Zugs zu erreichen. Und die ganze Zeit über hatte Juliana verzweifelt und wider besseres Wissen an das Geld von Clay geglaubt. Auf dem Weg in die Stadt waren sie immer wieder aufgehalten worden: Little Daisy war gestürzt und hatte sich dabei ein Knie aufgeschlagen. Eine riesige Schafsherde hatte die Straße überquert und ihnen den Weg versperrt. Außerdem hinkte Theresa wegen ihres kaputten Fußes.
„Miss Mitchell?", unterbrach Lincoln ihre Gedanken.
Mr Willand knallte irgendetwas so laut auf den Tresen, dass Juliana zusammenfuhr. „Rühr bloß nichts an!", schrie er dabei.
Joseph, mit vierzehn der älteste von Julianas Schülern, zog sofort die Hand zurück, die er sehnsüchtig ausgestreckt hatte.
„Verdammtes diebisches Indianerpack ...", fluchte Mr Willand.
Der arme Joseph war ganz bleich geworden. Seine Schwester Theresa begann zu zittern, während die beiden kleinsten Kinder, der vierjährige Billy-Moses und die ein Jahre jüngere Daisy, zu Juliana stürzten und sich furchtsam an ihren Rock klammerten.
„Der Junge hat überhaupt nichts getan, Fred", sagte Lincoln ruhig. „Kein Grund, die Stimme zu erheben oder ihn gar zu beschuldigen."
Mr Willand wurde puterrot. „Hast du eine Lebensmittelbestellung aufzugeben?", fragte er finster.
Lincoln schüttelte den Kopf. „Ich bin nur vorbeigekommen, um zu sehen, ob Post für mich da ist. Hab's nicht früher geschafft bei dem Wetter." Er hielt inne, dann wandte er sich an Juliana. „Am besten bringe ich Sie jetzt da hin, wo Sie hinwollen."
„Wir können nirgendwohin, Mister", erklärte Joseph, der noch immer in der Nähe des Schaufensters stand, nun jedoch darauf bedacht war, die Hände sichtbar an den Seiten zu halten. Da er selten sprach, vor allem zu Fremden, erschrak Juliana beinahe über die unvermutete Äußerung des Jungen.
Verwirrt runzelte Lincoln die Stirn. „Wie bitte?"
„Vielleicht kommen wir im Diamond Buckle Saloon unter", schlug Theresa vor, wobei sie entschlossen ihr Kinn vorreckte. „Wenn wir für unseren Unterhalt arbeiten."
„Diamond Buckle?", wiederholte Lincoln fassungslos.
Juliana befürchtete, in Tränen auszubrechen, wenn sie etwas sagte, und das konnte sie sich nicht leisten. Wenn sie nicht stark blieb, würden die Kinder auch noch den letzten Rest Hoffnung verlieren.
„Mr Weston Creed hat doch gesagt, er würde mir zeigen, wie man Lettern setzt", wandte sich Joseph an Juliana. „Bestimmt könnte ich in einem Hinterzimmer der Redaktion schlafen, und zu essen brauche ich nicht viel. Dann müssten Sie sich um mich keine Sorgen mehr machen, Miss Mitchell." Dabei warf er einen besorgten Blick auf seine Schwester und schluckte schwer. Im Gegensatz zu Theresa war er alt genug, um zu wissen, welche Gefahren in einem Etablissement wie dem Diamond Buckle auf ein junges Mädchen lauerten.
Mit erhobenen Händen bat Lincoln um Ruhe.
Nun starrte jeder ihn an, auch Juliana, die inzwischen die kleine Daisy auf ihren Schoß gezogen hatte.
„Ihr alle", rief er den Kindern zu, „sammelt jetzt ein, was euch gehört, und bringt es in meine Kutsche. Dort findet ihr auch Decken. Wickelt euch warm ein, denn es sind drei Meilen bis zur Ranch, und aus Nordwesten bläst ein eisiger Wind."
Juliana schob Daisy sanft vom Schoß, um aufzustehen, hielt das Mädchen aber dicht an ihrer Seite. „Mr Creed, wir können keinesfalls ..." Ihre Stimme brach.
„Wie mir scheint, haben Sie keine große Wahl. Ich biete Ihnen und den Kindern einen Platz zum Bleiben an, Miss Mitchell. Nur so lange, bis Sie wissen, was Sie als Nächstes tun sollen."
„Willst du wirklich, dass diese Wilden unter demselben Dach wohnen wie deine kleine Gracie?", stieß Mr Willand entsetzt aus. Er durchquerte den leeren Laden und schubste Joseph zur Seite, um sich persönlich davon zu überzeugen, dass in der Schaufensterauslage nichts fehlte.
Wieder schien die Luft zu knistern.
Lincoln machte einen Schritt auf den Ladenbesitzer zu.
Instinktiv griff Juliana nach seinem Arm, um ihn aufzuhalten. Selbst durch den schweren Stoff seines Mantels spürte sie die stählerne Härte seiner Muskeln - offenbar versuchte er mit aller Macht, seine Wut in Schach zu halten.
„Die Kinder sind an solche Bemerkungen gewöhnt", sagte sie sanft. „Sie wissen, dass sie keine Wilden sind."
„Geht schon mal zur Kutsche", erwiderte Lincoln. Er befreite sich nicht aus Julianas Griff, starrte allerdings weiter in Willands tiefrotes Gesicht. „Alle."
Die vier Kinder warfen Juliana einen Blick zu, die dunklen glänzenden Augen voller Fragen.
Sie nickte.
Als sie zur Tür rannten und sie aufrissen, erklang das fröhliche Bimmeln der kleinen Glocke.Selbst Daisy, die ihre Finger eben noch in ihren Rock gekrallt hatte, sauste hinter den anderen her. Nachdem sie ihren Mantel fester zusammengezogen und die Kapuze aufgesetzt hatte, folgte Juliana ihnen nach draußen.
MIRA Taschenbuch Band 25625 © 2009 by Linda Lael Miller
Das Geld, das sie so dringend brauchte und um das sie ihren Bruder gebeten hatte, war nicht in dem Umschlag. Geld, das von Rechts wegen ihr gehörte, ein Teil des Vermögens, das ihre Großmutter ihr hinterlassen hatte. Sie konnte also keine Zugtickets für sich und die vier Kinder kaufen. In das indianische Schulheim, in dem sie alle in den letzten zwei Jahren gelebt hatten, konnten sie auch nicht zurück, da es sich nicht mehr im Besitz des Staates befand. Das kleine, aber robuste Gebäude war an einen Bauern verkauft worden, der seine Kühe darin unterbringen wollte.
Die Hitze aus dem bollernden Ofen in der Mitte des Geschäfts, die sie nach der Kälte draußen noch als so angenehm empfunden hatte, raubte ihr jetzt die Luft zum Atmen.
Trotz allem spürte sie kurz eine verrückte Hoffnung in sich aufsteigen. Vielleicht war doch nicht alles verloren, vielleicht hatte Clay der Post nur nicht vertraut und das Geld telegrafisch angewiesen. Womöglich wartete es genau in diesem Augenblick im Telegrafenamt etwas weiter die Straße hinunter auf sie.
Als sie begriff, dass sie sich an einen Strohhalm klammerte, begannen ihre Augen zu brennen. Schnell blinzelte sie die Tränen weg und zwang sich zu lesen, was ihr älterer Bruder und Vormund geschrieben hatte.
Meine liebste Schwester,
ich hoffe, du bist wohlauf.
Nora, die Kinder und ich sind bei guter Gesundheit. Deine Nichte und dein Neffe fragen immerzu nach dir, so wie auch bestimmte andere Leute.
Ich bedauere, dass ich dir das Geld, um das du mich gebeten hast, nicht guten Gewissens zukommen lassen kann, aus Gründen, die dir wohlbekannt sein dürften ...
Juliana zerdrückte das teure Pergamentpapier in der Hand. Ihr wurde übel vor Enttäuschung und dieser frustrierenden Hilflosigkeit, die sie immer verspürte, wenn sie mit ihrem Bruder zu tun hatte.
„Geht es Ihnen gut, Miss?", hörte sie eine Männerstimme fragen, leise aber deutlich.
Erschrocken schaute Juliana auf. Direkt vor ihr stand ein großer Mann. Seine Haare und Augen waren dunkel, die runde Hutkrempe und die Schultern seines langen Mantels mit Schnee bestäubt.
Während er höflich auf ihre Antwort wartete, nahm er den Hut ab, hängte ihn an die Lehne eines Holzstuhls und lächelte.
„Mein Name ist Lincoln Creed", sagte er ein wenig ruppig, aber trotzdem freundlich. Er streckte ihr die Hand entgegen, nachdem er seinen Lederhandschuh abgestreift hatte.
Juliana zögerte, ergriff dann doch seine Hand. Schließlich wusste sie, wer er war. Die Creeds besaßen die größte Rinderfarm in diesem Teil des Staates und den Stillwater Springs Courier. Sie kannte seinen Bruder Weston, dem die Tageszeitung gehörte. Außerdem hatte sie die Witwe Creed ein paarmal getroffen, die Matriarchin der Familie. Lincoln selbst aber war sie bisher nie begegnet.
„Juliana Mitchell", erwiderte sie mit einer perfekten Mischung aus Bescheidenheit und Höflichkeit. Sie hatte immerhin eine gute Erziehung genossen. Schließlich war sie in einem der vornehmsten Häuser in Denver aufgewachsen, hatte importierte Seide und Samt sowie modische Hüte getragen und sich in Kutschen mit livrierten Fahrern und Lakaien fortbewegt.
Wenn sie nur daran dachte, errötete sie vor Scham.
So hatte sie gelebt, bevor sie in Ungnade gefallen war. Bevor Clay sie als Nachlasspflegerin des Vermögens ihrer Großmutter so gut wie enterbt hatte.
Lincolns Blick fiel auf den Brief. „Schlechte Nachrichten?" Mit den hohen Wangenknochen und dem rabenschwarzen Haar sah er aus, als würde indianisches Blut durch seine Adern fließen.
Der Zug pfiff noch einmal triumphierend. Er war pünktlich in den wackligen kleinen Bahnhof am Stadtrand eingefahren. Die Passagiere würden aus- und einsteigen. Post und Fracht würde auf- und abgeladen werden. Anschließend würde die Lok wieder aus dem Bahnhof tuckern, eine Reihe ratternder Waggons im Schlepptau.
Es dauerte eine volle Woche, ehe der nächste Zug kam.
Bis dahin blieb Juliana und den Kindern nichts anderes übrig, als auf die Barmherzigkeit der Stadtbewohner zu hoffen. In einer größeren Stadt hätte sie sich vielleicht an die Kirche wenden können, aber Stillwater Springs hatte keine. Die Gläubigen trafen sich sporadisch in dem nur für Weiße zugelassenen Schulgebäude, wenn der Wanderprediger in der Stadt war.
Juliana schluckte. Am liebsten hätte sie geweint, doch sie war wild entschlossen, sich nicht gehen zu lassen. „Ich fürchte, es sind wirklich schlechte Nachrichten", gestand sie zögerlich.
Mr Creed umfasste sanft ihren Ellbogen, schob sie zu einem der leeren Holzstühle vor dem großen Ofen und drückte sie darauf. „Ist jemand gestorben?", fragte er.
Benommen schüttelte Juliana den Kopf.
Was sollte sie bloß tun? Ohne Geld konnte sie keine Zugfahrkarten für sich und die Kinder kaufen, geschweige denn eine Unterkunft bezahlen.
Mr Creed blickte zu den Kindern, die mit dem Rücken zu ihr aufgereiht vor dem Schaufenster mit dem dürren, trotzdem prächtig geschmückten Christbaum warteten. Sehnsüchtig betrachteten sie das hübsche Spielzeug, das an den Zweigen hing und unter dem Baum lag.
„Ich schätze, Sie sind die Lehrerin der indianischen Schule", mutmaßte er.
Mr Willand, der Besitzer des Gemischtwarenladens, räusperte sich laut.
Julianas Herz zog sich zusammen, während sie die Kinder betrachtete. Mr Willand ließ sie ebenfalls nicht aus den Augen. Wie so viele Menschen ging er davon aus, dass sie bei der erstbesten Gelegenheit etwas klauen würden - einfach weil sie Indianer waren. Inzwischen gelang es ihr, dieses diskriminierende Verhalten einigermaßen zu ignorieren.
„Ja", antwortete sie. „Oder zumindest war ich das. Doch die Schule ist jetzt geschlossen."
Lincoln Creed fixierte Mr Willand eindringlich, dann nickte er langsam. „Ich fand es schade, das zu hören."
„Seit du letzte Woche hier warst, Lincoln, ist kein Brief gekommen", meldete sich Willand geradezu hämisch zu Wort. Die Luft in dem überhitzten kleinen Laden schien vor gegenseitiger Abneigung zu knistern. „Schätze, du könntest noch hier warten, ob der Zug etwas gebracht hat, aber du hast mit den ganzen Zeitungsannoncen wohl einfach nur dein Geld zum Fenster rausgeworfen."
„Jedem tut es leid, Mr Creed", sagte Juliana leise, „dennoch ist offenbar niemand bereit zu helfen."
Abgelenkt von Mr Willands Kommentar, antwortete Lincoln nicht sofort.
Juliana stand auf. Doch als sie daran dachte, wie aussichtslos ihre Situation war, sank sie schwerfällig wieder auf den Stuhl. Alle Kraft war aus ihren Beinen gewichen. Vielleicht weil sie die zwei Meilen von der Schule in die Stadt mit all ihrer Habe in einer abgewetzten Tasche zu Fuß gegangen war. Die Kinder hatten ihre geschnürten Bündel unter den Arm geklemmt. Jetzt lagen sie zusammen mit ihrer Tasche auf dem Gehsteig vor dem Gemischtwarenladen.
„Es wird einen Sturm geben, Miss ... Mitchell", meinte Lincoln Creed. „Und es ist kalt und wird immer kälter, außerdem wird es bald dunkel. Da ich draußen kein Fahrzeug gesehen habe, gehe ich davon aus, dass Sie zu Fuß in die Stadt gekommen sind. Meine Kutsche steht vor der Tür. Es wäre mir eine Freude, wenn ich Sie und die Kinder irgendwohin bringen könnte."
Irgendwohin bringen? Wir können nirgendwohin.
In Stillwater Springs gab es ein Hotel und mehrere Pensionen, doch selbst wenn Juliana Geld gehabt hätte, um eine Unterkunft zu bezahlen, hätte niemand die Kinder aufgenommen.
Sie hatten sich sehr beeilt, um Stillwater Springs noch vor der Abfahrt des Zugs zu erreichen. Und die ganze Zeit über hatte Juliana verzweifelt und wider besseres Wissen an das Geld von Clay geglaubt. Auf dem Weg in die Stadt waren sie immer wieder aufgehalten worden: Little Daisy war gestürzt und hatte sich dabei ein Knie aufgeschlagen. Eine riesige Schafsherde hatte die Straße überquert und ihnen den Weg versperrt. Außerdem hinkte Theresa wegen ihres kaputten Fußes.
„Miss Mitchell?", unterbrach Lincoln ihre Gedanken.
Mr Willand knallte irgendetwas so laut auf den Tresen, dass Juliana zusammenfuhr. „Rühr bloß nichts an!", schrie er dabei.
Joseph, mit vierzehn der älteste von Julianas Schülern, zog sofort die Hand zurück, die er sehnsüchtig ausgestreckt hatte.
„Verdammtes diebisches Indianerpack ...", fluchte Mr Willand.
Der arme Joseph war ganz bleich geworden. Seine Schwester Theresa begann zu zittern, während die beiden kleinsten Kinder, der vierjährige Billy-Moses und die ein Jahre jüngere Daisy, zu Juliana stürzten und sich furchtsam an ihren Rock klammerten.
„Der Junge hat überhaupt nichts getan, Fred", sagte Lincoln ruhig. „Kein Grund, die Stimme zu erheben oder ihn gar zu beschuldigen."
Mr Willand wurde puterrot. „Hast du eine Lebensmittelbestellung aufzugeben?", fragte er finster.
Lincoln schüttelte den Kopf. „Ich bin nur vorbeigekommen, um zu sehen, ob Post für mich da ist. Hab's nicht früher geschafft bei dem Wetter." Er hielt inne, dann wandte er sich an Juliana. „Am besten bringe ich Sie jetzt da hin, wo Sie hinwollen."
„Wir können nirgendwohin, Mister", erklärte Joseph, der noch immer in der Nähe des Schaufensters stand, nun jedoch darauf bedacht war, die Hände sichtbar an den Seiten zu halten. Da er selten sprach, vor allem zu Fremden, erschrak Juliana beinahe über die unvermutete Äußerung des Jungen.
Verwirrt runzelte Lincoln die Stirn. „Wie bitte?"
„Vielleicht kommen wir im Diamond Buckle Saloon unter", schlug Theresa vor, wobei sie entschlossen ihr Kinn vorreckte. „Wenn wir für unseren Unterhalt arbeiten."
„Diamond Buckle?", wiederholte Lincoln fassungslos.
Juliana befürchtete, in Tränen auszubrechen, wenn sie etwas sagte, und das konnte sie sich nicht leisten. Wenn sie nicht stark blieb, würden die Kinder auch noch den letzten Rest Hoffnung verlieren.
„Mr Weston Creed hat doch gesagt, er würde mir zeigen, wie man Lettern setzt", wandte sich Joseph an Juliana. „Bestimmt könnte ich in einem Hinterzimmer der Redaktion schlafen, und zu essen brauche ich nicht viel. Dann müssten Sie sich um mich keine Sorgen mehr machen, Miss Mitchell." Dabei warf er einen besorgten Blick auf seine Schwester und schluckte schwer. Im Gegensatz zu Theresa war er alt genug, um zu wissen, welche Gefahren in einem Etablissement wie dem Diamond Buckle auf ein junges Mädchen lauerten.
Mit erhobenen Händen bat Lincoln um Ruhe.
Nun starrte jeder ihn an, auch Juliana, die inzwischen die kleine Daisy auf ihren Schoß gezogen hatte.
„Ihr alle", rief er den Kindern zu, „sammelt jetzt ein, was euch gehört, und bringt es in meine Kutsche. Dort findet ihr auch Decken. Wickelt euch warm ein, denn es sind drei Meilen bis zur Ranch, und aus Nordwesten bläst ein eisiger Wind."
Juliana schob Daisy sanft vom Schoß, um aufzustehen, hielt das Mädchen aber dicht an ihrer Seite. „Mr Creed, wir können keinesfalls ..." Ihre Stimme brach.
„Wie mir scheint, haben Sie keine große Wahl. Ich biete Ihnen und den Kindern einen Platz zum Bleiben an, Miss Mitchell. Nur so lange, bis Sie wissen, was Sie als Nächstes tun sollen."
„Willst du wirklich, dass diese Wilden unter demselben Dach wohnen wie deine kleine Gracie?", stieß Mr Willand entsetzt aus. Er durchquerte den leeren Laden und schubste Joseph zur Seite, um sich persönlich davon zu überzeugen, dass in der Schaufensterauslage nichts fehlte.
Wieder schien die Luft zu knistern.
Lincoln machte einen Schritt auf den Ladenbesitzer zu.
Instinktiv griff Juliana nach seinem Arm, um ihn aufzuhalten. Selbst durch den schweren Stoff seines Mantels spürte sie die stählerne Härte seiner Muskeln - offenbar versuchte er mit aller Macht, seine Wut in Schach zu halten.
„Die Kinder sind an solche Bemerkungen gewöhnt", sagte sie sanft. „Sie wissen, dass sie keine Wilden sind."
„Geht schon mal zur Kutsche", erwiderte Lincoln. Er befreite sich nicht aus Julianas Griff, starrte allerdings weiter in Willands tiefrotes Gesicht. „Alle."
Die vier Kinder warfen Juliana einen Blick zu, die dunklen glänzenden Augen voller Fragen.
Sie nickte.
Als sie zur Tür rannten und sie aufrissen, erklang das fröhliche Bimmeln der kleinen Glocke.Selbst Daisy, die ihre Finger eben noch in ihren Rock gekrallt hatte, sauste hinter den anderen her. Nachdem sie ihren Mantel fester zusammengezogen und die Kapuze aufgesetzt hatte, folgte Juliana ihnen nach draußen.
MIRA Taschenbuch Band 25625 © 2009 by Linda Lael Miller
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Autoren-Porträt von Linda Lael Miller
Linda Lael Miller wuchs in Washington, dem nordwestlichsten Bundesstaat der USA, auf. Ihre Karriere als Autorin, die 1983 begann, ermöglichte ihr, in England und Italien zu leben, bevor sie wieder in den weiten Westen zurückkehrte, dem bevorzugten Schauplatz ihrer Romane. Linda Lael Miller engagiert sich für den Tierschutz und ist Gründerin einer Stiftung zur Förderung von Frauenbildung.
Bibliographische Angaben
- Autor: Linda Lael Miller
- 2012, 1. Aufl., 316 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Tess Martin, Patrick Hansen
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 386278472X
- ISBN-13: 9783862784721
- Erscheinungsdatum: 15.10.2012
Rezension zu „In einer zärtlichen Winternacht / Montana Creeds Bd.4 “
Gefährlich sexy - ein Muss für Romantic-Thriller-Fans!"RT Bookclub"Linda Lael Miller schafft lebendige Charaktere und Geschichten, die man einfach nicht vergessen kann."New York Times-Bestsellerautorin Debbie Macomber
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