In Mondnächten
Roman
Ein unwirtlicher Landstrich an der Küste von Nova Scotia zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Hier kommt Dora Rare zur Welt, nach fünf Generationen das erste Mädchen der Sippe. Sie wird mit einer Glückshaube geboren, und alle sagen, sie verfüge über besondere...
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Buch
Produktdetails
Produktinformationen zu „In Mondnächten “
Klappentext zu „In Mondnächten “
Ein unwirtlicher Landstrich an der Küste von Nova Scotia zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Hier kommt Dora Rare zur Welt, nach fünf Generationen das erste Mädchen der Sippe. Sie wird mit einer Glückshaube geboren, und alle sagen, sie verfüge über besondere Kräfte. Tatsächlich kennt Dora sich wie selbstverständlich aus mit Kräutern und Heilpflanzen und hat die fast magische Gabe, Menschen zu trösten und zu beruhigen. Es wundert keinen, als sie Hebamme wird. Dora hilft bei ausbleibender oder ungewollter Schwangerschaft, sie hat ein Kraut, das jähzornige Ehemänner besänftigt und eines, das die Liebe neu erweckt. Kein Wunder, dass sie von vielen verehrt wird und von nicht wenigen gefürchtet. So bleibt die junge Frau eine Außenseiterin in Scots Bay. Als auch noch die moderne Wissenschaft in Gestalt eines jungen, unerfahrenen Arztes Einzug hält ist Dora bald als Hexe verschrien und in höchster Gefahr. Sind die besonderen Gaben der jungen Frau nicht nur Geschenk, sondern auch Fluch? Wird Dora, die so vielen Kindern liebevoll auf die Welt geholfen hat, nie selbst Kinder gebären und ihr Glück finden?
Weibliches Wissen, Naturheilkunde und die Kenntnis alter Bräuche und Riten - ein historischer Roman um eine ungewöhnliche junge Frau, die in Zeiten des Umbruchs das Alte bewahren und mit dem Neuen versöhnen will.
Ein unwirtlicher Landstrich an der Küste von Nova Scotia zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Hier kommt Dora Rare zur Welt, nach fünf Generationen das erste Mädchen der Sippe. Sie wird mit einer Glückshaube geboren, und alle sagen, sie verfüge über besondere Kräfte. Tatsächlich kennt Dora sich wie selbstverständlich aus mit Kräutern und Heilpflanzen und hat die fast magische Gabe, Menschen zu trösten und zu beruhigen. Es wundert keinen, als sie Hebamme wird. Dora hilft bei ausbleibender oder ungewollter Schwangerschaft, sie hat ein Kraut, das jähzornige Ehemänner besänftigt und eines, das die Liebe neu erweckt. Kein Wunder, dass sie von vielen verehrt wird und von nicht wenigen gefürchtet. So bleibt die junge Frau eine Außenseiterin in Scots Bay. Als auch noch die moderne Wissenschaft in Gestalt eines jungen, unerfahrenen Arztes Einzug hält - ist Dora bald als Hexe verschrien und in höchster Gefahr. Sind die besonderen Gaben der jungen Frau nicht nur Geschenk, sondern auch Fluch? Wird Dora, die so vielen Kindern liebevoll auf die Welt geholfen hat, nie selbst Kinder gebären und ihr Glück finden?
"Ein Buch, das Ihnen das Herz brechen und den Atem nehmen wird."
Ottawa Cititzen
"Ein beeindruckendes Buch mit einer kraftvollen Sprache und ungeheurem Wissen."
The Observer
Ein unwirtlicher Landstrich an der Küste von Nova Scotia zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Hier kommt Dora Rare zur Welt, nach fünf Generationen das erste Mädchen der Sippe. Sie wird mit einer Glückshaube geboren, und alle sagen, sie verfüge über besondere Kräfte. Tatsächlich kennt Dora sich wie selbstverständlich aus mit Kräutern und Heilpflanzen und hat die fast magische Gabe, Menschen zu trösten und zu beruhigen. Es wundert keinen, als sie Hebamme wird. Dora hilft bei ausbleibender oder ungewollter Schwangerschaft, sie hat ein Kraut, das jähzornige Ehemänner besänftigt und eines, das die Liebe neu erweckt. Kein Wunder, dass sie von vielen verehrt wird und von nicht wenigen gefürchtet. So bleibt die junge Frau eine Außenseiterin in Scots Bay. Als auch noch die moderne Wissenschaft in Gestalt eines jungen, unerfahrenen Arztes Einzug hält - ist Dora bald als Hexe verschrien und in höchster Gefahr. Sind die besonderen Gaben der jungen Frau nicht nur Geschenk, sondern auch Fluch? Wird Dora, die so vielen Kindern liebevoll auf die Welt geholfen hat, nie selbst Kinder gebären und ihr Glück finden?
"Ein Buch, das Ihnen das Herz brechen und den Atem nehmen wird."
Ottawa Cititzen
"Ein beeindruckendes Buch mit einer kraftvollen Sprache und ungeheurem Wissen."
The Observer
Lese-Probe zu „In Mondnächten “
Mein Haus steht am Rande der Welt. Gemeinsam haben wir, das Haus und ich, den sch umenden Gezeiten von Fundy getrotzt. Zwei verwandte Seelen, unerschrocken bis ins Mark.Mein Vater, Judah Rare, hat das Farmhaus 1917 errichtet. Es war sein Hochzeitsgeschenk an mich. Ein starkes Haus f r eine der u erst seltenen Rare-Frauen, hatte er gesagt. Ich war damals achtzehn. Er und seine f nf Br der, die allesamt Schiffsbauer waren, haben es nach altehrw rdigem Brauch aus Holz erbaut, das auf dem Land ihrer V ter gewachsen war: Eiche f r Best ndigkeit und Sicherheit, Gelbbirke f r neues Leben und Wandel, Fichtenholz zum Schutz vor der Welt da drau en. Vater war ein findiger, erfahrener Zimmermann, der seine Arbeit wie eine heilige Handlung vollzog. Er war stolz auf seine kr ftig ge derten H nde, die mit Schwielen bers t waren. Sie speicherten die Ma e und wussten genau, worauf es ankam, wenn ein Haus dem Meer standhalten musste.
Kraft und Intuition waren Voraussetzung, wenn man in der Bucht berleben wollte. Jeden Morgen galt es, seine Gedanken auf die bevorstehenden Aufgaben zu richten und zu hoffen, dass man am Abend weiter gekommen sein w rde, als man am Morgen war. Unser kleines Dorf, das am Ansatz von "Gottes Finger" thront, wurde seit jeher von St rmen und Jahreszeiten beherrscht. Die M nner taten, was sie konnten, um sich durchzuschlagen. Nach Sonnenuntergang sa en sie in der K che um das Herdfeuer versammelt und scherzten miteinander, rauchten ihre Pfeifen, und f r gew hnlich holte jemand die Fiedel hervor ... Sie lachten und sangen im Chor, was auch kommen mag, wir sind dem gewachsen. In ihren Gesichtern spiegelten sich die Jahreszeiten wider. Wenn es an der Zeit war, den Maifisch und Hering und Kabeljau einzuholen, waren sie Fischer, deren Haut von dem ewigen Nass des Meeres dunkel gef rbt war. Sammelte sich das Wild am Berghang, wurden sie zu J gern und Waldbewohnern. Im Fr hjahr arbeiteten sie an der gr n-duftenden Erde und pflanzten Feldfr chte, die
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eingelagert werden konnten ... Kartoffeln, Kohl, Karotten und R ben. Im Sommer nutzten sie ihre verwitterten H nde, um damit Schiffe zu bauen und das Heu einzubringen, bei Sonnenunterg ngen, die sich wie ein leuchtendes Band ber den Meereshorizont zogen und den Himmel herausforderten, Nacht zu werden. Voller Stolz und Festlichkeiten waren die langen Tage, wenn die m chtigen Segelschiffe zu Wasser gelassen wurden. Die Lauretta, die Reward, die Nordica, die Bluebird, die Huntley. Mein Vater sagte, wenn es darauf ank me, w rde er zehn Hektar Wald durchforsten, um genau die richtigen B ume f r einen Dreimaster zu finden. Hohe Gelbbirken, die von den Winden aus Nordwest leicht gebeugt waren, standen hoch im Kurs. In der Neigung des Baumes und dem Schatten, den er warf, konnte er mit fachm nnischem Blick den Kiel ausmachen, und aus der Maserung des Holzes die Springfluten ablesen. M nner setzten ihr Leben f r die Ehre eines solchen Schiffes aufs Spiel. Jeden Morgen achteten sie auf die Zeichen. Morgenrot, Schlechtwetterbot. Jede Nacht sahen sie zu den Sternen hinauf und erkannten darin strahlende Kreaturen oder die Schwanzspitze eines Drachens. Sie sahen darin Gottes Versprechen, die eisigen Finger des Meeres, die sich ihnen entgegen reckten, im Zaum zu halten. Manchmal geschah es trotzdem, dass M nner umkamen. An diesen d steren Tagen r ckten die berlebenden enger zusammen und erz hlten sich beim Netzeflicken alle m glichen Geschichten, tiefgr ndige Wahrheiten ebenso wie Ammenm rchen. W hrend die M nner gegen die Elemente k mpften, k mmerten sich die Frauen um die h uslichen Belange. Sie betrieben untereinander Tauschgesch fte, um ihre Speisekammern zu f llen und die Kinder einzukleiden. Gro m tter, Tanten und Schwestern brachten sich gegenseitig bei, wie man kochte, n hte und spann. Am Sonntagmorgen knieten die M tter in den robusten Bankreihen der Unionskirche und beteten, dass es reichen m ge. Die Gebetsb cher an ihre Brust gedr ckt, versprachen sie dem Herrn, dass sie ewig an ihn glauben w rden, wenn nur ihre M nner heil wiederkehrten.
Sa en die Ehem nner, V ter und S hne l nger drau en im Nebel fest, als gut f r sie war, standen die Frauen mit Laternen in den Fenstern, und ein Chor von Mondges ngen erklang, der die Liebsten zur ck an Land locken sollte. W hrend sie warteten, brachten sie die Kinder ins Bett und lauschten der Stimme des Mondes in den sich brechenden Wellen. In der Stille der Nacht fl sterten M tter ihren T chtern zu, dass es der Mond war, der die Meere bezwang. Seine Stimme war es, die die M nner nach Hause rief, die den weiblichen Zyklus bestimmte, es war seine Stimme, die die Babys das Licht der Welt erblicken lie .
Mein Haus wurde zum "Geburtshaus" ... So nannte man das damals, und so wird es wohl immer hei en. Hochschwanger kamen die Frauen und klopften an die T r, das Fruchtwasser brach ihnen oft schon auf der Veranda. Es waren Frauen, die zum ersten Mal schwanger waren, junge M dchen in Schwierigkeiten, betagte Frauen, die zu Hause schon ihre Brut hatten. Diese Babys nannte ich "Zehchen", weil es mehr waren, als ihre Mutter an den Fingern abz hlen konnte. Alle kamen sie zu mir und brachten unter Jammern und Klagen hier ihre Kinder zur Welt. Ich k mmerte mich um sie, k hlte ihnen den Nacken mit feuchten T chern, f tterte sie mit Haferbrei und fl te Tee in ihre m den Leiber, holte sie wieder zur ck, wenn sie vor Schmerzen au er sich waren.
Ginny gebar zwei ...
Sadie Loomer brachte ein M dchen zur Welt.
Precious trug zweimal Zwillinge aus.
Celia hat sechs Jungen geboren, aber sie war ja auch mit meinem Bruder Albert verheiratet ... die Rare-M nner zeugten immer nur S hne.
Iris Rose hat hier Wrennie in die Welt gesetzt ...
Ich wollte sie immer alle nur beh ten und besch tzen.
Es war etwa 1760, als ein Schiff mit schottischen Einwanderern vor der K ste Schiffbruch erlitt. Das Schiff war verloren, aber die Passagiere und die Besatzung konnten sich hierher retten. Sie k mpften sich durch den Winter - viele von ihnen wurden krank, und die Frauen verloren ihre Kinder. Die M nner schafften irgendwie den schweren Weg ber den North Mountain in das dahinter liegende Tal und brachten s ckeweise Kartoffeln und andere Dingen zur ck in ihr vor bergehendes Zuhause, das inzwischen Scots Bay genannt wurde.
Im Fr hjahr, als alle, die in Scots Bay gestrandet waren, beschlossen, in besiedeltere Gefilde aufzubrechen, blieb Annie MacIssac, die Tochter des Kapit ns, zur ck. Sie hatte sich in einen Mikmaq verliebt, den sie "Silent Rare" nannte.
An einem Juniabend bei Vollmond legte Silent mit seinem Kanu ab, um die Maifische zu fangen, die um die Spitze von Cape Split herum laichten. Als es immer sp ter wurde, machte sich Annie Sorgen, dass ihrem Liebsten etwas zugesto en sein k nnte. Sie lie ihren Blick ber das Meer schweifen auf der Suche nach einem Anzeichen von ihm, aber sie konnte nichts entdecken. Sie lief zu der kleinen Bucht, wo sie sich das erste Mal getroffen hatten. Dort rief sie nach ihm und versprach ihm ihr Herz, ewige Treue und tausend S hne, die allesamt seinen Namen tragen sollten. Der Mond, der bemerkt hatte, wie traurig Annie war, begann zu singen und dirigierte damit die Wellen landeinw rts, m chtig und brausend, und sie trugen Silent sicher zu seiner Liebsten zur ck.
Seitdem war jedes Kind, das in der Rare-Familie geboren wurde, ein Junge, und selbst heute noch kann man bei Vollmond den Gesang vernehmen, die Stimme des Mondes, die die Seeleute nach Hause singt.
EINE RARE-FAMILIENGESCHICHTE, 1850
Soweit ich zur ckdenken kann, sind die Leute ber mich hergezogen. Einzige Tochter in f nf Generationen von Rares, die meisten denken, ich wurde von den Feen vertauscht und bin nicht das Kind meines Vaters. Mutter arbeitet und betet so viel, dass niemand au er den b sartigsten Zungen an ihrer Treue zu meinem Vater zweifelt. Wenn es f r etwas keine logische Erkl rung gibt, fallen den Leuten in der Bucht Meerjungfrauen ein und Wichtelkinder, punktum Hexerei. Lange nachdem das Erbgut der britischen Planters das Blut der Mikmaqs verdr ngt hatte, kam ich mit pechschwarzen Haaren, zimtfarbener Haut und einer Gl ckshaube ber dem Gesicht zur Welt. Eine Prophezeiung. Ein Zeichen. Eine Gabe, die es mir angeblich erm glicht, mit Tieren zu sprechen, vorauszusehen, wer wann stirbt, Geister zu h ren, eine Gabe, die mich vorm Ertrinken bewahrt.
Als allerdings eine von Laird Jessups Highland-K hen ein dreibeiniges Albinokalb warf, brach ein ziemliches Geschw tz los, und die Leute reimten sich alles M gliche zusammen, was wohl die Ursache f r die Geburt einer derartigen Kreatur gewesen sein konnte. Am Ende gaben die meisten mir die Schuld daran. Ich war dabei gewesen, als das Kalb unter viel Gemuhe geboren wurde. Ich bin zu den Jessups gerannt, um dem jungen Bauern zu berichten, was ich Seltsames beobachtet hatte. Dora redet mit Geistern und isst Fledermaussuppe. Dora schlitzt dem Teufel die Kehle auf und fliegt ber die H hnerstallkuppe. Meine Klassenkameraden riefen diese Sachen immer hinter dem Gartentor, zusammen mit all den anderen Ausdr cken, die ihnen ihre Eltern verboten hatten. Nat rlich kursierten auch jede Menge Schulhofgeschichten ber Miss B., die meisten davon endeten mit: Falls deine Katze oder dein Baby verschwindet, wei t du ja, wo du die Knochen findest. All das f hrte dazu, dass wir gute Freunde wurden. Miss B. sagt, sie sei froh ber den Ruf, der ihr anh ngt: "Es h lt die Leute fern von Orten, an denen sie nichts zu suchen haben."
Morgens nach dem Aufwachen bete ich. Ich bete und w nsche mir, es w rde etwas mit mir passieren. Ich bin Gott f r all die guten Dinge dankbar, aber ich w rde niemals mein Gebet an ihn richten, auch nicht an Jesus, noch nicht mal an Maria. Sie haben Wichtigeres zu tun, als sich um meine Angelegenheiten und Herzensw nsche zu k mmern. Nein, ich spreche mein Gebet mehr so in die Luft, in der Hoffnung, es m ge von einem Windhauch erfasst werden und an etwas h ngen bleiben, irgendetwas, das mir geh ren soll. Mutter meint, eine junge Dame sollte mit ihren W nschen lieber vorsichtig sein. Ich fange allm hlich an zu glauben, sie k nnte Recht haben.
Gestern war ein pr chtiger Oktobersamstag - warm und windstill, mit einem strahlendblauen Himmel, den man hier auch narrenblau nennt, die Art von Himmel, die einen dazu verleitet, sich niederzulassen und nichts weiter zu tun, als ihn den ganzen lieben langen Tag zu bewundern. Wenn er einen erst einmal gefangen genommen hat, vergisst man v llig, was noch an Arbeit ansteht, und ehe man es sich versieht, ist der Tag vor ber, und man erf hrt am eigenen Leibe, was es bedeutet, die W sche und sich selbst nicht rechtzeitig vor der K lte in Sicherheit gebracht zu haben. Mutter hat das anscheinend kommen sehen ... Noch vor dem Fr hst ck hatte sie zwei K rbe W sche gewaschen und aufgeh ngt und einen Bottich mit R ben gef llt, den Charlie und ich Tante Fran bringen sollten. Auf dem Nachhauseweg kam pl tzlich ein Pferdewagen auf uns zugerast. Der Kutscher brachte die Pferde gerade noch rechtzeitig vor uns zum Stehen, Kieselsteine und Staub wirbelten nur so durch die Luft. Tom Ketch war der Kutscher, und Miss Babineau sa neben ihm auf dem Kutschbock. Sie rief mir zu: "Wir sind unterwegs nach Deer Glen, um ein Baby zu holen. Ich k nnte gut und gerne noch ein Paar H nde gebrauchen. Los, komm mit, Dorrie-M dchen."
Obwohl ich sie schon als kleines M dchen immer besucht hatte - ich unterhielt mich mit ihr, wenn ich vor berging und sie gerade im Garten arbeitete, oder ich brachte ihr P ckchen vom Postamt vorbei -, war ich dennoch erstaunt, als sie mich bat mitzukommen. Als meine j ngeren Br der geboren wurden und Miss B. zu uns nach Hause kam, bettelte ich immer, dabeibleiben zu d rfen, aber meine Eltern schickten mich jedes Mal zu Tante Fran. Von den W rfen der Hoftiere und der Hunde einmal abgesehen, hatte ich keine Ahnung vom Geb ren. Ich sch ttelte den Kopf und lehnte zweifelnd ab. "Sie sollten jemand anderes fragen. Ich war noch nie bei einer Geburt dabei ..."
Sie verzog das Gesicht. "Wie alt bist du jetzt, f nfzehn, sechzehn?"
"Siebzehn."
Sie lachte und hielt mir ihre faltige Hand hin. "Heilige Mutter Maria! Ich war halb so alt wie du, als ich zum ersten Mal bei einer Geburt geholfen habe. Seit du sprechen kannst, hast du mich ber Gott und die Welt ausgefragt. Du bist wie geschaffen daf r."
Marie Babineaus Stimme k ndete von zwei Welten: Sie hatte den Singsang ihrer Cajun-Vergangenheit in Louisiana, aber auch die ruhige, gelassene Art, mit der Menschen sprachen, die immer etwas zu tun haben, die Art derer, die in der Bucht leben. Manche nennen sie eine Hexe, andere sehen in ihr eher einen Engel. Wie auch immer, fast alle M dchen der Bucht, ich eingeschlossen, hei en mit zweitem Namen Marie.
Sie ist mit niemandem hier direkt verwandt, aber wir haben sie immer unterst tzt, wo es geht. Meine Br der hacken f r sie Holz und stapeln es f r den Winter, und mein Vater k mmert sich darum, dass die Fenster und das Dach ihrer H tte dicht sind. Immer wenn bei uns etwas Eingemachtes brig bleibt oder ein Laib Brot oder ein Korb voll pfel, schickt mich Mutter damit los zu Miss B. "Sie hat mir bei allen euren Geburten geholfen, und dir hat sie das Leben gerettet, Dora. Sie hat dein Fieber runtergekriegt, als ich am Ende meiner Weisheit war. Alles, was wir haben, geh rt auch ihr. Was immer sie von uns braucht, sie soll es haben."
Als ich mich hochhievte und mich neben ihr niederlie , rief sie Charlie zu: "Sag deiner Maman, sie soll sich keine Sorgen machen. Dorrie wird morgen zum Abendessen wieder da sein." Wir sa en zu dritt oben auf dem Kutschbock und klammerten uns fest, der klapprige Wagen ratterte hinter uns her.
Miss B. fing an, Tom mit ruhiger, sachlicher Stimme zu befragen. "Wie klingt deine Mama?"
"Sie st hnt viel, und hin und wieder h lt sie sich den Bauch und schreit wie ein abgestochenes Schwein."
"Wie lange geht das schon so?"
"Es hat ganz fr h heute Morgen angefangen. Sie ist herumgegeistert und hat gesagt, sie k nne sich nicht hinhocken, um die Ziege zu melken, die Schmerzen seien zu gro . Vater hat sie trotzdem dazu gezwungen und gesagt, sie sei faul ..., dann hat er sie auch noch den Stall ausmisten lassen."
"Blutet sie?"
Tom starrte vor sich hin auf den Weg. "Ich bin mir nicht sicher. Ich wei nur, dass sie gerade dabei war, Kartoffeln zu sch len, und pl tzlich hat sie sich zusammengekr mmt. Vater ist w tend geworden und hat gesagt, er h tte Hunger und sie solle gef lligst mit ihrer Arbeit weitermachen. Als sie sich nicht r hrte, hat er sie gesto en, dass sie auf den Boden gefallen ist. Danach ist sie nicht wieder auf die Beine gekommen, so sehr sie es auch versucht hat. Sie hat sich einfach zusammengerollt und geweint." Er pfiff einmal scharf, damit die Pferde in der Wagenspur blieben, und biss die Z hne zusammen, wie jemand, der darauf gefasst ist, dass man ihn in den Magen boxt. "Sie wollte nicht, dass ich Sie hole, und hat gesagt, dass sie es schon schaffen w rde, aber ich habe sie noch nie so gesehen. Ich bin, so schnell ich konnte, zu Ihnen gekommen, gleich nachdem er zu meinem Onkel aufgebrochen war."
"Wird er lange weg bleiben?"
"H chstwahrscheinlich die ganze Nacht. Besonders wenn sie anfangen zu trinken, was sie eigentlich immer tun."
Tom ist der lteste der Ketch-Kinder. Er ist f nfzehn, vielleicht sechzehn, sch tze ich. Ab und zu denke ich an Tom, wenn mir die Phantasien ber die feinen Herren in Jane Austens Romanen ausgehen. Er hat ein nettes Gesicht, selbst wenn es dreckig ist, und Mutter sagt immer, sie hofft, dass aus ihm einmal etwas Besseres wird als aus seinem Vater Brady. Ich habe schon gemerkt, dass es ihr lieber ist, wenn ich die Ketchs erst gar nicht erw hne. Ich glaube, sie f rchtet sich davor, dass nichts aus mir werden k nnte und ich wie Toms Mutter Experience ende.
Die Familie Ketch hat schon immer im Deer Glen gelebt. Das ist eine gewundene, enge Schlucht, die sich weiter hinten in der Bucht durch die Berge schl ngelt, bis hin zu den roten Klippen von Blomidon. Der Boden ist zu felsig und steil f r die Landwirtschaft und zu weit von der K ste entfernt, als dass die Ketchs als Fischer oder Schiffsbauer durchkommen k nnten. Sie halten sich mit dem Verkauf von selbstgebrautem Bier ber Wasser, das sie mit einem Destillierapparat irgendwo in den W ldern herstellen und indem sie die J ger ausnehmen, die von weit her gereist kommen. Es sind M nner, die sich erhoffen, die wei e Hirschkuh zu erlegen, von der berichtet wird, dass sie in dem Glen lebt. Zur Jagdsaison sperren die Ketchs die Stra e ab, Brady auf der einen, sein Bruder Garrett auf der anderen Seite. Sie stehen da, die Gewehre auf dem R cken, und warten darauf, die Troph enj ger aus Halifax, dem Valley und entlegeneren Orten wie New York und Boston zu begleiten. Die Ketch-Br der verlangen eine h bsche Stange Geld f r ihre Dienste, wenn man bedenkt, dass sie doch nur L gen verbreiten. Es stimmt zwar, dass eine wei e Damhirschkuh auf dem North Mountain gesichtet worden ist, aber die h lt sich nicht im Deer Glen auf. Sie wohnt im Wald hinter Miss B.s H tte und frisst ihr aus der Hand, wie ein Haustier. Ich habe sie selbst noch nie gesehen, aber ich habe Miss B. gelegentlich nach ihr rufen h ren. Sie ist zwischen den B umen hindurch gelaufen und hat Lait-Lait, Lune-Lune gesungen. Vater sagt, er h tte die Hirschkuh einmal ersp ht. Sie h tte die Farbe von s er Guernseysahne, und ein Teil ihres Rumpfes sei schwach gefleckt. An diesem Tag kam er ohne etwas nach Hause und sagte zu Mutter: "Es w re nicht richtig gewesen, sie zu t ten." Kurz darauf, bei einer Abstinenzlerversammlung, gelobten die M nner der Bucht, niemals die wei e Hirschkuh zu t ten. Sie waren sich alle einig, dass es S nde w re, etwas so Reinem das Leben zu nehmen.Es war fast dunkel, als wir beim Haus der Ketchs ankamen, die Holzschindeln hingen lose herunter und hatten einen Anstrich bitter n tig. Das Fliegengitter stand offen. Drinnen sah es nicht viel besser aus. Ein zerrupfter Laib Brot lag auf dem Tisch, daneben T pfe, Pfannen und leere Einweckgl ser, die allesamt gesp lt werden mussten. Man konnte erkennen, dass sich jemand bem ht hatte, das Haus sauber zu halten, aber jede Anstrengung in dieser Richtung war immer wieder zunichte gemacht worden.
Sa en die Ehem nner, V ter und S hne l nger drau en im Nebel fest, als gut f r sie war, standen die Frauen mit Laternen in den Fenstern, und ein Chor von Mondges ngen erklang, der die Liebsten zur ck an Land locken sollte. W hrend sie warteten, brachten sie die Kinder ins Bett und lauschten der Stimme des Mondes in den sich brechenden Wellen. In der Stille der Nacht fl sterten M tter ihren T chtern zu, dass es der Mond war, der die Meere bezwang. Seine Stimme war es, die die M nner nach Hause rief, die den weiblichen Zyklus bestimmte, es war seine Stimme, die die Babys das Licht der Welt erblicken lie .
Mein Haus wurde zum "Geburtshaus" ... So nannte man das damals, und so wird es wohl immer hei en. Hochschwanger kamen die Frauen und klopften an die T r, das Fruchtwasser brach ihnen oft schon auf der Veranda. Es waren Frauen, die zum ersten Mal schwanger waren, junge M dchen in Schwierigkeiten, betagte Frauen, die zu Hause schon ihre Brut hatten. Diese Babys nannte ich "Zehchen", weil es mehr waren, als ihre Mutter an den Fingern abz hlen konnte. Alle kamen sie zu mir und brachten unter Jammern und Klagen hier ihre Kinder zur Welt. Ich k mmerte mich um sie, k hlte ihnen den Nacken mit feuchten T chern, f tterte sie mit Haferbrei und fl te Tee in ihre m den Leiber, holte sie wieder zur ck, wenn sie vor Schmerzen au er sich waren.
Ginny gebar zwei ...
Sadie Loomer brachte ein M dchen zur Welt.
Precious trug zweimal Zwillinge aus.
Celia hat sechs Jungen geboren, aber sie war ja auch mit meinem Bruder Albert verheiratet ... die Rare-M nner zeugten immer nur S hne.
Iris Rose hat hier Wrennie in die Welt gesetzt ...
Ich wollte sie immer alle nur beh ten und besch tzen.
Es war etwa 1760, als ein Schiff mit schottischen Einwanderern vor der K ste Schiffbruch erlitt. Das Schiff war verloren, aber die Passagiere und die Besatzung konnten sich hierher retten. Sie k mpften sich durch den Winter - viele von ihnen wurden krank, und die Frauen verloren ihre Kinder. Die M nner schafften irgendwie den schweren Weg ber den North Mountain in das dahinter liegende Tal und brachten s ckeweise Kartoffeln und andere Dingen zur ck in ihr vor bergehendes Zuhause, das inzwischen Scots Bay genannt wurde.
Im Fr hjahr, als alle, die in Scots Bay gestrandet waren, beschlossen, in besiedeltere Gefilde aufzubrechen, blieb Annie MacIssac, die Tochter des Kapit ns, zur ck. Sie hatte sich in einen Mikmaq verliebt, den sie "Silent Rare" nannte.
An einem Juniabend bei Vollmond legte Silent mit seinem Kanu ab, um die Maifische zu fangen, die um die Spitze von Cape Split herum laichten. Als es immer sp ter wurde, machte sich Annie Sorgen, dass ihrem Liebsten etwas zugesto en sein k nnte. Sie lie ihren Blick ber das Meer schweifen auf der Suche nach einem Anzeichen von ihm, aber sie konnte nichts entdecken. Sie lief zu der kleinen Bucht, wo sie sich das erste Mal getroffen hatten. Dort rief sie nach ihm und versprach ihm ihr Herz, ewige Treue und tausend S hne, die allesamt seinen Namen tragen sollten. Der Mond, der bemerkt hatte, wie traurig Annie war, begann zu singen und dirigierte damit die Wellen landeinw rts, m chtig und brausend, und sie trugen Silent sicher zu seiner Liebsten zur ck.
Seitdem war jedes Kind, das in der Rare-Familie geboren wurde, ein Junge, und selbst heute noch kann man bei Vollmond den Gesang vernehmen, die Stimme des Mondes, die die Seeleute nach Hause singt.
EINE RARE-FAMILIENGESCHICHTE, 1850
Soweit ich zur ckdenken kann, sind die Leute ber mich hergezogen. Einzige Tochter in f nf Generationen von Rares, die meisten denken, ich wurde von den Feen vertauscht und bin nicht das Kind meines Vaters. Mutter arbeitet und betet so viel, dass niemand au er den b sartigsten Zungen an ihrer Treue zu meinem Vater zweifelt. Wenn es f r etwas keine logische Erkl rung gibt, fallen den Leuten in der Bucht Meerjungfrauen ein und Wichtelkinder, punktum Hexerei. Lange nachdem das Erbgut der britischen Planters das Blut der Mikmaqs verdr ngt hatte, kam ich mit pechschwarzen Haaren, zimtfarbener Haut und einer Gl ckshaube ber dem Gesicht zur Welt. Eine Prophezeiung. Ein Zeichen. Eine Gabe, die es mir angeblich erm glicht, mit Tieren zu sprechen, vorauszusehen, wer wann stirbt, Geister zu h ren, eine Gabe, die mich vorm Ertrinken bewahrt.
Als allerdings eine von Laird Jessups Highland-K hen ein dreibeiniges Albinokalb warf, brach ein ziemliches Geschw tz los, und die Leute reimten sich alles M gliche zusammen, was wohl die Ursache f r die Geburt einer derartigen Kreatur gewesen sein konnte. Am Ende gaben die meisten mir die Schuld daran. Ich war dabei gewesen, als das Kalb unter viel Gemuhe geboren wurde. Ich bin zu den Jessups gerannt, um dem jungen Bauern zu berichten, was ich Seltsames beobachtet hatte. Dora redet mit Geistern und isst Fledermaussuppe. Dora schlitzt dem Teufel die Kehle auf und fliegt ber die H hnerstallkuppe. Meine Klassenkameraden riefen diese Sachen immer hinter dem Gartentor, zusammen mit all den anderen Ausdr cken, die ihnen ihre Eltern verboten hatten. Nat rlich kursierten auch jede Menge Schulhofgeschichten ber Miss B., die meisten davon endeten mit: Falls deine Katze oder dein Baby verschwindet, wei t du ja, wo du die Knochen findest. All das f hrte dazu, dass wir gute Freunde wurden. Miss B. sagt, sie sei froh ber den Ruf, der ihr anh ngt: "Es h lt die Leute fern von Orten, an denen sie nichts zu suchen haben."
Morgens nach dem Aufwachen bete ich. Ich bete und w nsche mir, es w rde etwas mit mir passieren. Ich bin Gott f r all die guten Dinge dankbar, aber ich w rde niemals mein Gebet an ihn richten, auch nicht an Jesus, noch nicht mal an Maria. Sie haben Wichtigeres zu tun, als sich um meine Angelegenheiten und Herzensw nsche zu k mmern. Nein, ich spreche mein Gebet mehr so in die Luft, in der Hoffnung, es m ge von einem Windhauch erfasst werden und an etwas h ngen bleiben, irgendetwas, das mir geh ren soll. Mutter meint, eine junge Dame sollte mit ihren W nschen lieber vorsichtig sein. Ich fange allm hlich an zu glauben, sie k nnte Recht haben.
Gestern war ein pr chtiger Oktobersamstag - warm und windstill, mit einem strahlendblauen Himmel, den man hier auch narrenblau nennt, die Art von Himmel, die einen dazu verleitet, sich niederzulassen und nichts weiter zu tun, als ihn den ganzen lieben langen Tag zu bewundern. Wenn er einen erst einmal gefangen genommen hat, vergisst man v llig, was noch an Arbeit ansteht, und ehe man es sich versieht, ist der Tag vor ber, und man erf hrt am eigenen Leibe, was es bedeutet, die W sche und sich selbst nicht rechtzeitig vor der K lte in Sicherheit gebracht zu haben. Mutter hat das anscheinend kommen sehen ... Noch vor dem Fr hst ck hatte sie zwei K rbe W sche gewaschen und aufgeh ngt und einen Bottich mit R ben gef llt, den Charlie und ich Tante Fran bringen sollten. Auf dem Nachhauseweg kam pl tzlich ein Pferdewagen auf uns zugerast. Der Kutscher brachte die Pferde gerade noch rechtzeitig vor uns zum Stehen, Kieselsteine und Staub wirbelten nur so durch die Luft. Tom Ketch war der Kutscher, und Miss Babineau sa neben ihm auf dem Kutschbock. Sie rief mir zu: "Wir sind unterwegs nach Deer Glen, um ein Baby zu holen. Ich k nnte gut und gerne noch ein Paar H nde gebrauchen. Los, komm mit, Dorrie-M dchen."
Obwohl ich sie schon als kleines M dchen immer besucht hatte - ich unterhielt mich mit ihr, wenn ich vor berging und sie gerade im Garten arbeitete, oder ich brachte ihr P ckchen vom Postamt vorbei -, war ich dennoch erstaunt, als sie mich bat mitzukommen. Als meine j ngeren Br der geboren wurden und Miss B. zu uns nach Hause kam, bettelte ich immer, dabeibleiben zu d rfen, aber meine Eltern schickten mich jedes Mal zu Tante Fran. Von den W rfen der Hoftiere und der Hunde einmal abgesehen, hatte ich keine Ahnung vom Geb ren. Ich sch ttelte den Kopf und lehnte zweifelnd ab. "Sie sollten jemand anderes fragen. Ich war noch nie bei einer Geburt dabei ..."
Sie verzog das Gesicht. "Wie alt bist du jetzt, f nfzehn, sechzehn?"
"Siebzehn."
Sie lachte und hielt mir ihre faltige Hand hin. "Heilige Mutter Maria! Ich war halb so alt wie du, als ich zum ersten Mal bei einer Geburt geholfen habe. Seit du sprechen kannst, hast du mich ber Gott und die Welt ausgefragt. Du bist wie geschaffen daf r."
Marie Babineaus Stimme k ndete von zwei Welten: Sie hatte den Singsang ihrer Cajun-Vergangenheit in Louisiana, aber auch die ruhige, gelassene Art, mit der Menschen sprachen, die immer etwas zu tun haben, die Art derer, die in der Bucht leben. Manche nennen sie eine Hexe, andere sehen in ihr eher einen Engel. Wie auch immer, fast alle M dchen der Bucht, ich eingeschlossen, hei en mit zweitem Namen Marie.
Sie ist mit niemandem hier direkt verwandt, aber wir haben sie immer unterst tzt, wo es geht. Meine Br der hacken f r sie Holz und stapeln es f r den Winter, und mein Vater k mmert sich darum, dass die Fenster und das Dach ihrer H tte dicht sind. Immer wenn bei uns etwas Eingemachtes brig bleibt oder ein Laib Brot oder ein Korb voll pfel, schickt mich Mutter damit los zu Miss B. "Sie hat mir bei allen euren Geburten geholfen, und dir hat sie das Leben gerettet, Dora. Sie hat dein Fieber runtergekriegt, als ich am Ende meiner Weisheit war. Alles, was wir haben, geh rt auch ihr. Was immer sie von uns braucht, sie soll es haben."
Als ich mich hochhievte und mich neben ihr niederlie , rief sie Charlie zu: "Sag deiner Maman, sie soll sich keine Sorgen machen. Dorrie wird morgen zum Abendessen wieder da sein." Wir sa en zu dritt oben auf dem Kutschbock und klammerten uns fest, der klapprige Wagen ratterte hinter uns her.
Miss B. fing an, Tom mit ruhiger, sachlicher Stimme zu befragen. "Wie klingt deine Mama?"
"Sie st hnt viel, und hin und wieder h lt sie sich den Bauch und schreit wie ein abgestochenes Schwein."
"Wie lange geht das schon so?"
"Es hat ganz fr h heute Morgen angefangen. Sie ist herumgegeistert und hat gesagt, sie k nne sich nicht hinhocken, um die Ziege zu melken, die Schmerzen seien zu gro . Vater hat sie trotzdem dazu gezwungen und gesagt, sie sei faul ..., dann hat er sie auch noch den Stall ausmisten lassen."
"Blutet sie?"
Tom starrte vor sich hin auf den Weg. "Ich bin mir nicht sicher. Ich wei nur, dass sie gerade dabei war, Kartoffeln zu sch len, und pl tzlich hat sie sich zusammengekr mmt. Vater ist w tend geworden und hat gesagt, er h tte Hunger und sie solle gef lligst mit ihrer Arbeit weitermachen. Als sie sich nicht r hrte, hat er sie gesto en, dass sie auf den Boden gefallen ist. Danach ist sie nicht wieder auf die Beine gekommen, so sehr sie es auch versucht hat. Sie hat sich einfach zusammengerollt und geweint." Er pfiff einmal scharf, damit die Pferde in der Wagenspur blieben, und biss die Z hne zusammen, wie jemand, der darauf gefasst ist, dass man ihn in den Magen boxt. "Sie wollte nicht, dass ich Sie hole, und hat gesagt, dass sie es schon schaffen w rde, aber ich habe sie noch nie so gesehen. Ich bin, so schnell ich konnte, zu Ihnen gekommen, gleich nachdem er zu meinem Onkel aufgebrochen war."
"Wird er lange weg bleiben?"
"H chstwahrscheinlich die ganze Nacht. Besonders wenn sie anfangen zu trinken, was sie eigentlich immer tun."
Tom ist der lteste der Ketch-Kinder. Er ist f nfzehn, vielleicht sechzehn, sch tze ich. Ab und zu denke ich an Tom, wenn mir die Phantasien ber die feinen Herren in Jane Austens Romanen ausgehen. Er hat ein nettes Gesicht, selbst wenn es dreckig ist, und Mutter sagt immer, sie hofft, dass aus ihm einmal etwas Besseres wird als aus seinem Vater Brady. Ich habe schon gemerkt, dass es ihr lieber ist, wenn ich die Ketchs erst gar nicht erw hne. Ich glaube, sie f rchtet sich davor, dass nichts aus mir werden k nnte und ich wie Toms Mutter Experience ende.
Die Familie Ketch hat schon immer im Deer Glen gelebt. Das ist eine gewundene, enge Schlucht, die sich weiter hinten in der Bucht durch die Berge schl ngelt, bis hin zu den roten Klippen von Blomidon. Der Boden ist zu felsig und steil f r die Landwirtschaft und zu weit von der K ste entfernt, als dass die Ketchs als Fischer oder Schiffsbauer durchkommen k nnten. Sie halten sich mit dem Verkauf von selbstgebrautem Bier ber Wasser, das sie mit einem Destillierapparat irgendwo in den W ldern herstellen und indem sie die J ger ausnehmen, die von weit her gereist kommen. Es sind M nner, die sich erhoffen, die wei e Hirschkuh zu erlegen, von der berichtet wird, dass sie in dem Glen lebt. Zur Jagdsaison sperren die Ketchs die Stra e ab, Brady auf der einen, sein Bruder Garrett auf der anderen Seite. Sie stehen da, die Gewehre auf dem R cken, und warten darauf, die Troph enj ger aus Halifax, dem Valley und entlegeneren Orten wie New York und Boston zu begleiten. Die Ketch-Br der verlangen eine h bsche Stange Geld f r ihre Dienste, wenn man bedenkt, dass sie doch nur L gen verbreiten. Es stimmt zwar, dass eine wei e Damhirschkuh auf dem North Mountain gesichtet worden ist, aber die h lt sich nicht im Deer Glen auf. Sie wohnt im Wald hinter Miss B.s H tte und frisst ihr aus der Hand, wie ein Haustier. Ich habe sie selbst noch nie gesehen, aber ich habe Miss B. gelegentlich nach ihr rufen h ren. Sie ist zwischen den B umen hindurch gelaufen und hat Lait-Lait, Lune-Lune gesungen. Vater sagt, er h tte die Hirschkuh einmal ersp ht. Sie h tte die Farbe von s er Guernseysahne, und ein Teil ihres Rumpfes sei schwach gefleckt. An diesem Tag kam er ohne etwas nach Hause und sagte zu Mutter: "Es w re nicht richtig gewesen, sie zu t ten." Kurz darauf, bei einer Abstinenzlerversammlung, gelobten die M nner der Bucht, niemals die wei e Hirschkuh zu t ten. Sie waren sich alle einig, dass es S nde w re, etwas so Reinem das Leben zu nehmen.Es war fast dunkel, als wir beim Haus der Ketchs ankamen, die Holzschindeln hingen lose herunter und hatten einen Anstrich bitter n tig. Das Fliegengitter stand offen. Drinnen sah es nicht viel besser aus. Ein zerrupfter Laib Brot lag auf dem Tisch, daneben T pfe, Pfannen und leere Einweckgl ser, die allesamt gesp lt werden mussten. Man konnte erkennen, dass sich jemand bem ht hatte, das Haus sauber zu halten, aber jede Anstrengung in dieser Richtung war immer wieder zunichte gemacht worden.
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Autoren-Porträt von Ami McKay
Ami McKay, geb. im amerikanischen Bundesstaat Indiana, hat Musikwissenschaft und Musikerziehung studiert und einige Zeit als Lehrerin in Chicago gelebt, bevor sie im Jahr 2000 nach Kanada zog. Ami McKay arbeitet als freie Journalistin, verfasst und produziert Radiodokumentationen. Ihr erster Roman 'In Mondnächten' stand wochenlang auf Platz eins der kanadischen Bestsellerlisten. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen in der Fundy Bucht an der Küste von Nova Scotia.
Bibliographische Angaben
- Autor: Ami McKay
- 2007, 412 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 14 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Zuber, Mo
- Verlag: BTB
- ISBN-10: 3442751802
- ISBN-13: 9783442751808
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