In seiner Hand
Roman
Ein atemberaubender Thriller um Erniedrigung, Hilflosigkeit, Psychoterror und die kalte Zufälligkeit des Sterbens. Eine Frau wird entführt, gedemütigt und langsam um den Verstand gebracht. Sie weiß, dass am Ende des qualvollen Weges der Tod auf sie wartet....
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Produktdetails
Produktinformationen zu „In seiner Hand “
Ein atemberaubender Thriller um Erniedrigung, Hilflosigkeit, Psychoterror und die kalte Zufälligkeit des Sterbens. Eine Frau wird entführt, gedemütigt und langsam um den Verstand gebracht. Sie weiß, dass am Ende des qualvollen Weges der Tod auf sie wartet. Nur durch einen Zufall kann sie ihrem erbarmungslosen Peiniger entkommen. Doch nach ihrer Flucht will niemand ihre Geschichte glauben. Der wahre Albtraum hat für sie gerade erst begonnen... Ein erschütternd fesselndes
Leseerlebnis »wie eine Fahrt auf der Achterbahn« (Sunday Express) bis zum erlösenden Ende.
Leseerlebnis »wie eine Fahrt auf der Achterbahn« (Sunday Express) bis zum erlösenden Ende.
Lese-Probe zu „In seiner Hand “
Dunkelheit. Lange Zeit nichts als Dunkelheit. Augen auf und zu, auf und zu. Noch immer Dunkelheit, in mir und um mich herum.Ich hatte geträumt. Wurde umhergeworfen in einem tosenden, schwarzen Meer. Eingekreist auf einem nächtlichen Berg. Ein Tier, das ich nicht sehen konnte, schnüffelte um mich herum. Ich spürte eine feuchte Nase auf meiner Haut. Wenn einem bewusst wird, dass man träumt, wacht man auf. Manchmal gleitet man sofort weiter in den nächsten Traum, aber wenn man aufwacht und sich nichts ändert, dann muss es sich wohl um die Realität handeln.
Dunkelheit. Eine Dunkelheit, in der etwas lauerte. Schmerz. Erst noch weit von ihr entfernt, kam er näher, wurde ein Teil von ihr. Ein Teil von mir. Ich war erfüllt von einem stechenden, quälenden Schmerz. Trotz der Dunkelheit konnte ich den Schmerz sehen. Gelbe, rote und blaue Blitze, die lautlos hinter meinen Augen explodierten.
Ich begann nach etwas zu suchen, ohne wirklich zu wissen, wonach. Ich wusste nicht, wo es steckte oder was es eigentlich war. Nightingale. Farthingale. Es kostete mich große Anstrengung, als müsste ich ein schweres Paket aus einem tiefen dunklen See hieven. Plötzlich hatte ich es. Abigail. Das klang vertraut. Mein Name war Abigail. Abbie. Tabbie. Abbie the Tabbie. Der andere Name war schwieriger. In meinem Kopf fehlten ein paar Dinge, und mein Nachname schien verloren gegangen zu sein. Ich erinnerte mich an eine Klassenliste. Auster, Bishop, Brown, Byrne, Cassini, Cole, Daley, Devereaux, Eve, Finch, Fry. Nein, halt. Zurück. Finch. Nein. Devereaux. Ja, der war es. Ein Reim fiel mir ein. Ein Reim aus einer längst vergangenen Zeit. Nicht Deverox wie Box. Nicht Deveruh wie Schuh. Sondern Devereaux wie Show. Abbie Devereaux. Ich klammerte mich an den Namen wie eine Ertrinkende, als hätte mir jemand bei stürmischem Seegang einen Rettungsring zugeworfen. Dabei spielte sich der Seegang hauptsächlich in meinem Kopf ab: Eine Schmerzwelle nach der anderen rollte herein und klatschte gegen
... mehr
die Innenseite meines Schädels. Ich schloss die Augen erneut, ließ meinen Namen los.
Alles lief ineinander. Alles existierte gleichzeitig. Wie lange dauerte das an? Minuten. Stunden. Dann aber begannen sich die Dinge wieder zu trennen und wie Gestalten aus einem Nebel zu lösen. Ich hatte einen metallischen Geschmack im Mund und einen metallischen Geruch in der Nase, aber der Geruch bekam rasch eine modrige Note, die mich an Gartenschuppen, Tunnel und Keller denken ließ, an feuchte, schmutzige, vergessene Orte.
Ich lauschte. Nichts als das Geräusch meines eigenen Atems, unnatürlich laut. Ich hielt die Luft an. Stille. Nur noch mein Herzschlag. War das überhaupt ein Geräusch oder bloß das Blut, das durch meinen Körper gepumpt wurde und von innen gegen meine Ohren drängte?
Ich fühlte mich unwohl. Mein Rücken schmerzte, ebenso mein Becken und meine Beine. Ich drehte mich um. Nein, ich drehte mich nicht um. Ich konnte mich gar nicht bewegen. Ich hob die Arme, als müsste ich etwas abwehren. Nein. Die Arme bewegten sich nicht. War ich gelähmt? Ich spürte meine Beine nicht. Meine Zehen. Ich konzentrierte mich ganz auf meine Zehen. Die linke große Zehe rieb an ihrer Nachbarzehe. Die rechte große Zehe tat es ihr nach. Kein Problem. Die Zehen ließen sich bewegen. Sie steckten in Socken. Ich trug keine Schuhe.
Meine Finger. Ich drückte sie nach unten. Die Fingerspitzen berührten etwas Raues. Zement oder Stein. War ich in einem Krankenhaus? Verletzt. Ein Unfall. Oder lag ich irgendwo und wartete darauf, gefunden zu werden? Ein Eisenbahnunglück. Das Wrack eines Zugs. Wrackteile auf mir. In einem Tunnel. Hilfe unterwegs. Ich versuchte mir den Zug ins Gedächtnis zu rufen, konnte mich aber nicht erinnern. Oder ein Flugzeug. Ein Auto. Spät nachts am Steuer eingeschlafen. Ich kannte das Gefühl, hatte mich oft genug selbst in den Arm gekniffen, um wach zu bleiben, das Fenster geöffnet, um kalte Luft hereinzulassen. Vielleicht hatte es diesmal nicht geklappt. Von der Straße abgekommen, eine Böschung hinuntergerast. Vielleicht hatte sich der Wagen überschlagen. Wann würde mich jemand als vermisst melden?
Ich durfte nicht warten, bis jemand kam und mich rettete. Womöglich würde ich vorher sterben, während ein paar Meter von mir entfernt die Leute zur Arbeit fuhren. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich aufzurappeln. Wenn ich bloß etwas sehen könnte. Kein Mond, keine Sterne. Vielleicht waren es bloß zwanzig Meter. Eine Böschung hinauf. Wenn ich meine Zehen spüren konnte, dann konnte ich mich auch bewegen. Als erstes musste ich mich umdrehen. Den Schmerz ignorieren. Ich versuchte es, aber diesmal spürte ich, dass mich etwas zurückhielt. Ich war festgebunden. An den Fußgelenken und auf Höhe der Oberschenkel. An den Unterarmen und knapp über den Ellbogen. Über der Brust. Zumindest konnte ich ein wenig den Kopf heben, wie beim kläglichen Versuch eines Sit-ups. Da war noch etwas anderes. Nicht nur Dunkelheit. Es war dunkel, aber nicht nur das. Mein Kopf war bedeckt.
Ich versuchte, klar zu denken. Es musste einen Grund dafür geben. Gefängnisinsassen wurden festgebunden. Manchmal auch Krankenhauspatienten, um sie vor weiterem Schaden zu bewahren. Beispielsweise, wenn sie auf einem Rollbett zu einer Operation gefahren wurden. Ich hatte einen Unfall gehabt. Einen Autounfall, das war am wahrscheinlichsten. Ernst, aber nicht lebensbedrohlich. Trotzdem konnte jede abrupte Bewegung gefährliche innere Blutungen zur Folge haben. Bestimmt wartete ich bloß auf die Schwester oder den Anästhesisten. Vielleicht hatte man mir das Narkosemittel schon verabreicht. Oder ein Mittel, das mich auf die Narkose vorbereitete. Daher die Lücken in meinem Gedächtnis. Seltsam, dass es so still war, aber man hört ja oft von Leuten, die im Krankenhaus stundenlang auf einem Rollbett herumliegen, bis ein Operationssaal frei wird.
Aber irgendetwas stimmte nicht. Ich schien nämlich nicht auf einem Rollbett zu liegen. Ganz zu schweigen von diesem Geruch nach Feuchtigkeit und Schimmel, nach alten, vor sich hin modernden Dingen. Meine Finger ertasteten nichts als Beton oder Stein. Mein Körper lag auf etwas Hartem. Ich versuchte nachzudenken. Nach großen Katastrophen wurden die Leichen oft in improvisierten Leichenhallen gelagert. In Sporthallen von Schulen. Gemeindesälen. Vielleicht war ich ein Katastrophenopfer. Vielleicht hatte man jeden freien Fleck genutzt, um die Verletzten unterzubringen - festgebunden, um sie vor weiteren Verletzungen zu bewahren. Aber zog man Katastrophenopfern Kapuzen über den Kopf? Chirurgen trugen kapuzenartige Kopfbedeckungen, jedoch nichts über den Augen. Vielleicht ging es darum, Infektionen zu vermeiden.
Ich hob erneut den Kopf. Mit dem Kinn erfühlte ich ein Shirt. Ich war bekleidet. Ja. Ich spürte Kleidung auf meiner Haut. Ein Shirt, eine Hose, Socken. Keine Schuhe.
Irgendwo in meinem Hinterkopf tauchten andere Gedanken auf. Grausame Gedanken. Gefesselt. Umgeben von Dunkelheit. Eine Kapuze über dem Kopf. Lächerlich. Konnte es sich um einen Scherz handeln? Würden gleich alle aus ihren Verstecken springen, mir die Binde von den Augen reißen und "April April!" schreien? Aber war überhaupt April? Ich konnte mich an kaltes Wetter erinnern. War der Sommer schon vorbei, oder stand er erst noch bevor? Eigentlich eine dumme Frage, denn natürlich gab es immer einen Sommer, der schon vergangen war, und einen neuen, der bevorstand.
Lauter Sackgassen. Ich ging sie alle ab, ohne fündig zu werden. Irgendetwas war passiert, so viel wusste ich immerhin. Möglicherweise handelte es sich dabei um etwas Lustiges, auch wenn es sich nicht lustig anfühlte. Vielleicht hatte sich aber auch etwas Schlimmes ereignet, und von offizieller Seite wurden gerade geeignete Maßnahmen ergriffen. Die Kapuze - oder der Verband, ja, wahrscheinlich handelte es sich um einen Verband. Das war plausibel. Vielleicht hatte ich eine Kopfverletzung davongetragen, meine Augen oder Ohren hatten Schaden genommen, und mein gesamter Kopf war zu meinem eigenen Schutz mit Verbänden umwickelt. Sie würden bald entfernt werden. Es würde ein wenig brennen. Eine freundlich dreinblickende Krankenschwester würde sich über mich beugen. Keine Sorge, es besteht kein Grund zur Sorge, würde sie zu mir sagen.
Es waren noch andere Möglichkeiten denkbar. Furchtbare Möglichkeiten. Ich musste an den Steinboden unter meinen Fingern denken, an die feuchte Luft, wie in einer Höhle. Bis jetzt war da nur der Schmerz und das Chaos meiner Gedanken gewesen, aber plötzlich spürte ich noch etwas anderes. Angst sickerte wie Schlamm in meine Brust. Ich gab ein Geräusch von mir, ein leises Stöhnen. Offenbar war ich in der Lage zu sprechen. Obwohl ich nicht wusste, wen ich rufen oder was ich sagen sollte, versuchte ich es ein wenig lauter. Ich hoffte, das Echo oder die Schärfe des Geräusches würde mir etwas über meinen Aufenthaltsort verraten, aber mein Ruf wurde durch die Kapuze gedämpft. Ich rief erneut, diesmal so laut, dass mein Hals schmerzte.
Nicht weit von mir entfernt bewegte sich etwas. Neue Gerüche stiegen mir in die Nase. Schweiß und Rasierwasser. Ich hörte jemanden atmen, polternd auf mich zukommen. Plötzlich war mein Mund voller Stoff. Ich bekam kaum mehr Luft, nur noch durch die Nase. Irgendetwas wurde fest um mein Gesicht gebunden. Heißer Atem streifte meine Wange, dann drang aus der Dunkelheit eine Stimme an mein Ohr. Es war kaum mehr als ein Flüstern, heiser, gepresst und so undeutlich, dass ich mich anstrengen musste, um die Worte zu verstehen.
"Nein", sagte die Stimme. "Noch ein Mucks, und ich binde dir auch noch die Nase zu."
Ich musste würgen. Der Stoff füllte meinen ganzen Mund aus, rieb gegen meinen Gaumen. Mein Hals schmeckte plötzlich nach Fett und ranzigem Kohl. Ein Krampf durchzuckte mich, und Übelkeit stieg wie Feuchtigkeit in mir auf. Ich durfte mich nicht übergeben. Verzweifelt schnappte ich nach Luft, versuchte vergeblich, durch den Stoff zu atmen. Es ging nicht, mein Mund war völlig verstopft. Ich zerrte mit beiden Armen an den Fesseln und versuchte gleichzeitig Luft zu holen. Ich fühlte mich, als würde sich mein ganzer Körper auf dem rauen Steinboden zuckend aufbäumen, als wäre kein bisschen Luft mehr in mir, nur noch schmerzhaftes Vakuum und grelles Rot hinter meinen hervorquellenden Augen, und ein Herz, das hektisch durch meinen Hals nach oben drängte, während ein seltsam heiseres Geräusch aus meiner Kehle drang, wie ein Husten, der nicht zustande kommen wollte. Ich war ein sterbender Fisch. Ein Fisch, der sich auf dem harten Boden hin und her warf. Gefesselt hing ich am Haken, aber in meinem Inneren schien sich alles zu lösen, als würden meine gesamten Eingeweide zerrissen. Fühlt sich das so an? Wenn man stirbt? Wenn man lebendig begraben wird?
Ich musste atmen. Wie atmet man? Durch die Nase. Er hatte etwas von meiner Nase gesagt. Der Mann hatte gesagt, er werde mir als nächstes die Nase zubinden. Ich musste durch die Nase atmen. Jetzt. Es ging nicht, ich bekam auf diese Weise nicht genug Luft. Wieder versuchte ich, mich keuchend mit Luft voll zu saugen. Meine Zunge war zu groß, um in dem winzigen Raum Platz zu finden, der in meinem Mund noch übrig war. Sie stieß immer wieder gegen den Stoff des Knebels. Ich spürte, wie sich mein Körper erneut aufbäumte. Langsam atmen. Ganz ruhig. Ein und aus, ein und aus. Immer weiter, bis ich nichts anderes mehr fühlte. Nur so würde ich am Leben bleiben. Atme, befahl ich mir selbst. Dicke, modrige Luft strömte in meine Nasenlöcher, ölige Fäulnis lief meinen Rachen hinunter. Ich versuchte, nicht zu schlucken, aber dann ließ es sich nicht länger vermeiden, und wieder schwappte Ekel in mir hoch, füllte meinen Mund. Ich konnte es nicht ertragen. Doch, ich konnte. Ich konnte, ich konnte, ich konnte.
Atme ein und aus, Abbie. Abbie. Ich bin Abbie. Abigail Devereaux. Ein und aus. Denk nicht nach. Atme. Du bist noch am Leben.
Der Schmerz in meinem Schädel wich ein Stück zurück. Ich hob den Kopf ein wenig an, der Schmerz strömte hinter meine Augen. Ich blinzelte ein paarmal. Dieselbe tiefe Dunkelheit, egal, ob ich die Augen offen oder geschlossen hatte. Meine Wimpern drückten gegen die Kapuze. Mir war kalt, so viel spürte ich inzwischen. Meine Füße fühlten sich in den Socken wie Eiszapfen an. Waren das meine eigenen Socken? Sie kamen mir so groß und rau vor, gar nicht vertraut. Meine linke Wade schmerzte. Ich versuchte die Beinmuskeln zu bewegen, um dieses Gefühl eines Krampfes loszuwerden. Plötzlich begann eine Stelle an meiner Wange unter der Kapuze zu jucken. Ein paar Sekunden lang lag ich reglos da, konzentrierte mich nur auf das Jucken, dann wandte ich den Kopf zur Seite und versuchte, die Stelle mit meiner hochgezogenen Schulter zu berühren. Ohne Erfolg. Ich verdrehte den Kopf, bis ich mein Gesicht über den Boden reiben konnte.
Außerdem war ich nass. Zwischen den Beinen und an den Oberschenkeln. Ich spürte die klamme Kälte unter meiner Hose. War das überhaupt meine Hose? Ich lag in meiner eigenen Pisse, umgeben von Dunkelheit, eine Kapuze über dem Kopf, gefesselt und geknebelt. Atme ein und aus, befahl ich mir selbst. Atme immer weiter, ein und aus. Versuch, die Gedanken langsam herauszulassen, einen nach dem anderen, damit du nicht darin ertrinkst. Ich spürte den Druck der in mir aufgestauten Angst, mein Körper fühlte sich wie eine zerbrechliche Muschelschale an, zum Bersten gefüllt mit tosenden Wassermassen. Ich zwang mich, nur an die Atemluft zu denken, die durch meine Nasenlöcher ein und aus strömte. Ein und aus.
Jemand - ein Mann, der Mann, der den Knebel in meinen Mund gerammt hatte, hatte mich an diesen Ort gebracht. Er hatte mich hier festgebunden, ich war seine Gefangene. Warum? Darüber konnte ich noch nicht nachdenken. Ich lauschte, ob irgendetwas zu hören war, abgesehen vom Pfeifen meines Atems, dem Schlagen meines Herzens und dem kratzenden Geräusch, das meine Hände und Füße auf dem rauen Boden verursachten, wenn ich mich bewegte. Vielleicht war er noch hier, kauerte irgendwo im Raum. Aber es war kein anderes Geräusch zu hören. Im Moment war ich allein. Ich lag da und lauschte meinem Herzen. Die Stille erdrückte mich.
Ein Bild flatterte durch meinen Kopf. Ein gelber Schmetterling, der sich mit zitternden Flügeln auf einem Blatt niederließ. Es kam mir vor, als wäre plötzlich ein Sonnenstrahl auf mich gefallen. War das etwas, woran ich mich erinnern konnte, ein Augenblick, den ich aus der Vergangenheit herübergerettet und bis jetzt irgendwo aufbewahrt hatte? Oder war dieses Bild bloß ein zufälliges Produkt meines Gehirns, eine Art Reflex oder Kurzschluss?
Ein Mann hatte mich an einem dunklen Ort festgebunden. Offenbar hatte er mich entführt und dann hierher gebracht. Doch ich konnte mich nicht daran erinnern. Ich zermarterte mir den Kopf, aber er war leer - ein leerer Raum, ein verlassenes Haus, kein Widerhall. Nichts. In meinem Hals kroch ein Schluchzen hoch. Ich darf nicht weinen, ermahnte ich mich. Ich muss nachdenken, aber vorsichtig, ohne die Angst nach oben zu lassen. Ich darf nicht in die Tiefe gehen. Ich muss an der Oberfläche bleiben. Nur über das nachdenken, was ich weiß. Fakten. Langsam werde ich mir ein Bild zusammensetzen, und dann werde ich auch in der Lage sein, es mir anzusehen.
Mein Name ist Abigail. Abbie. Ich bin fünfundzwanzig Jahre alt, und ich lebe mit meinem Freund Terry, Terence Wilmott, in einer winzigen Wohnung in der Westcott Road. Das ist es: Terry. Terry wird sich Sorgen machen. Er wird die Polizei anrufen, mich als vermisst melden. Sie werden mit Blaulicht und heulenden Sirenen herfahren und die Tür einschlagen. Licht und Luft werden hereinfluten. Nein, nur Fakten. Ich arbeite für Jay & Joiner, entwerfe Büroeinrichtungen. Ich habe einen Schreibtisch mit einem weißblauen Laptop, einem kleinen grauen Telefon, einem Stapel Papier, einem ovalen Aschenbecher voller Büroklammern und Gummibänder.
Wann war ich das letzte Mal dort? Das alles erschien mir unglaublich weit weg, wie ein Traum, der einem entgleitet, sobald man versucht, ihn zu fassen zu bekommen. Wie das Leben eines anderen Menschen. Ich konnte mich nicht erinnern. Wie lange lag ich schon hier? Eine Stunde, einen Tag, eine Woche? Es war Januar, das wusste ich inzwischen - zumindest glaubte ich es zu wissen. Draußen war es kalt, und die Tage waren kurz. Vielleicht hatte es geschneit. Nein, ich durfte nicht an Dinge wie Schnee denken, Sonnenlicht auf weißen Flächen. Ich musste mich auf das konzentrieren, was ich wusste: Januar, aber ob Tag oder Nacht konnte ich nicht sagen. Vielleicht war inzwischen schon Februar. Ich versuchte an den letzten Tag zu denken, an den ich mich klar erinnern konnte, doch das war, als würde ich in einen dichten Nebel blicken, in dem sich lediglich undeutliche Schatten abzeichneten.
Copyright © in der Verlagsgruppe Random House
Alles lief ineinander. Alles existierte gleichzeitig. Wie lange dauerte das an? Minuten. Stunden. Dann aber begannen sich die Dinge wieder zu trennen und wie Gestalten aus einem Nebel zu lösen. Ich hatte einen metallischen Geschmack im Mund und einen metallischen Geruch in der Nase, aber der Geruch bekam rasch eine modrige Note, die mich an Gartenschuppen, Tunnel und Keller denken ließ, an feuchte, schmutzige, vergessene Orte.
Ich lauschte. Nichts als das Geräusch meines eigenen Atems, unnatürlich laut. Ich hielt die Luft an. Stille. Nur noch mein Herzschlag. War das überhaupt ein Geräusch oder bloß das Blut, das durch meinen Körper gepumpt wurde und von innen gegen meine Ohren drängte?
Ich fühlte mich unwohl. Mein Rücken schmerzte, ebenso mein Becken und meine Beine. Ich drehte mich um. Nein, ich drehte mich nicht um. Ich konnte mich gar nicht bewegen. Ich hob die Arme, als müsste ich etwas abwehren. Nein. Die Arme bewegten sich nicht. War ich gelähmt? Ich spürte meine Beine nicht. Meine Zehen. Ich konzentrierte mich ganz auf meine Zehen. Die linke große Zehe rieb an ihrer Nachbarzehe. Die rechte große Zehe tat es ihr nach. Kein Problem. Die Zehen ließen sich bewegen. Sie steckten in Socken. Ich trug keine Schuhe.
Meine Finger. Ich drückte sie nach unten. Die Fingerspitzen berührten etwas Raues. Zement oder Stein. War ich in einem Krankenhaus? Verletzt. Ein Unfall. Oder lag ich irgendwo und wartete darauf, gefunden zu werden? Ein Eisenbahnunglück. Das Wrack eines Zugs. Wrackteile auf mir. In einem Tunnel. Hilfe unterwegs. Ich versuchte mir den Zug ins Gedächtnis zu rufen, konnte mich aber nicht erinnern. Oder ein Flugzeug. Ein Auto. Spät nachts am Steuer eingeschlafen. Ich kannte das Gefühl, hatte mich oft genug selbst in den Arm gekniffen, um wach zu bleiben, das Fenster geöffnet, um kalte Luft hereinzulassen. Vielleicht hatte es diesmal nicht geklappt. Von der Straße abgekommen, eine Böschung hinuntergerast. Vielleicht hatte sich der Wagen überschlagen. Wann würde mich jemand als vermisst melden?
Ich durfte nicht warten, bis jemand kam und mich rettete. Womöglich würde ich vorher sterben, während ein paar Meter von mir entfernt die Leute zur Arbeit fuhren. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich aufzurappeln. Wenn ich bloß etwas sehen könnte. Kein Mond, keine Sterne. Vielleicht waren es bloß zwanzig Meter. Eine Böschung hinauf. Wenn ich meine Zehen spüren konnte, dann konnte ich mich auch bewegen. Als erstes musste ich mich umdrehen. Den Schmerz ignorieren. Ich versuchte es, aber diesmal spürte ich, dass mich etwas zurückhielt. Ich war festgebunden. An den Fußgelenken und auf Höhe der Oberschenkel. An den Unterarmen und knapp über den Ellbogen. Über der Brust. Zumindest konnte ich ein wenig den Kopf heben, wie beim kläglichen Versuch eines Sit-ups. Da war noch etwas anderes. Nicht nur Dunkelheit. Es war dunkel, aber nicht nur das. Mein Kopf war bedeckt.
Ich versuchte, klar zu denken. Es musste einen Grund dafür geben. Gefängnisinsassen wurden festgebunden. Manchmal auch Krankenhauspatienten, um sie vor weiterem Schaden zu bewahren. Beispielsweise, wenn sie auf einem Rollbett zu einer Operation gefahren wurden. Ich hatte einen Unfall gehabt. Einen Autounfall, das war am wahrscheinlichsten. Ernst, aber nicht lebensbedrohlich. Trotzdem konnte jede abrupte Bewegung gefährliche innere Blutungen zur Folge haben. Bestimmt wartete ich bloß auf die Schwester oder den Anästhesisten. Vielleicht hatte man mir das Narkosemittel schon verabreicht. Oder ein Mittel, das mich auf die Narkose vorbereitete. Daher die Lücken in meinem Gedächtnis. Seltsam, dass es so still war, aber man hört ja oft von Leuten, die im Krankenhaus stundenlang auf einem Rollbett herumliegen, bis ein Operationssaal frei wird.
Aber irgendetwas stimmte nicht. Ich schien nämlich nicht auf einem Rollbett zu liegen. Ganz zu schweigen von diesem Geruch nach Feuchtigkeit und Schimmel, nach alten, vor sich hin modernden Dingen. Meine Finger ertasteten nichts als Beton oder Stein. Mein Körper lag auf etwas Hartem. Ich versuchte nachzudenken. Nach großen Katastrophen wurden die Leichen oft in improvisierten Leichenhallen gelagert. In Sporthallen von Schulen. Gemeindesälen. Vielleicht war ich ein Katastrophenopfer. Vielleicht hatte man jeden freien Fleck genutzt, um die Verletzten unterzubringen - festgebunden, um sie vor weiteren Verletzungen zu bewahren. Aber zog man Katastrophenopfern Kapuzen über den Kopf? Chirurgen trugen kapuzenartige Kopfbedeckungen, jedoch nichts über den Augen. Vielleicht ging es darum, Infektionen zu vermeiden.
Ich hob erneut den Kopf. Mit dem Kinn erfühlte ich ein Shirt. Ich war bekleidet. Ja. Ich spürte Kleidung auf meiner Haut. Ein Shirt, eine Hose, Socken. Keine Schuhe.
Irgendwo in meinem Hinterkopf tauchten andere Gedanken auf. Grausame Gedanken. Gefesselt. Umgeben von Dunkelheit. Eine Kapuze über dem Kopf. Lächerlich. Konnte es sich um einen Scherz handeln? Würden gleich alle aus ihren Verstecken springen, mir die Binde von den Augen reißen und "April April!" schreien? Aber war überhaupt April? Ich konnte mich an kaltes Wetter erinnern. War der Sommer schon vorbei, oder stand er erst noch bevor? Eigentlich eine dumme Frage, denn natürlich gab es immer einen Sommer, der schon vergangen war, und einen neuen, der bevorstand.
Lauter Sackgassen. Ich ging sie alle ab, ohne fündig zu werden. Irgendetwas war passiert, so viel wusste ich immerhin. Möglicherweise handelte es sich dabei um etwas Lustiges, auch wenn es sich nicht lustig anfühlte. Vielleicht hatte sich aber auch etwas Schlimmes ereignet, und von offizieller Seite wurden gerade geeignete Maßnahmen ergriffen. Die Kapuze - oder der Verband, ja, wahrscheinlich handelte es sich um einen Verband. Das war plausibel. Vielleicht hatte ich eine Kopfverletzung davongetragen, meine Augen oder Ohren hatten Schaden genommen, und mein gesamter Kopf war zu meinem eigenen Schutz mit Verbänden umwickelt. Sie würden bald entfernt werden. Es würde ein wenig brennen. Eine freundlich dreinblickende Krankenschwester würde sich über mich beugen. Keine Sorge, es besteht kein Grund zur Sorge, würde sie zu mir sagen.
Es waren noch andere Möglichkeiten denkbar. Furchtbare Möglichkeiten. Ich musste an den Steinboden unter meinen Fingern denken, an die feuchte Luft, wie in einer Höhle. Bis jetzt war da nur der Schmerz und das Chaos meiner Gedanken gewesen, aber plötzlich spürte ich noch etwas anderes. Angst sickerte wie Schlamm in meine Brust. Ich gab ein Geräusch von mir, ein leises Stöhnen. Offenbar war ich in der Lage zu sprechen. Obwohl ich nicht wusste, wen ich rufen oder was ich sagen sollte, versuchte ich es ein wenig lauter. Ich hoffte, das Echo oder die Schärfe des Geräusches würde mir etwas über meinen Aufenthaltsort verraten, aber mein Ruf wurde durch die Kapuze gedämpft. Ich rief erneut, diesmal so laut, dass mein Hals schmerzte.
Nicht weit von mir entfernt bewegte sich etwas. Neue Gerüche stiegen mir in die Nase. Schweiß und Rasierwasser. Ich hörte jemanden atmen, polternd auf mich zukommen. Plötzlich war mein Mund voller Stoff. Ich bekam kaum mehr Luft, nur noch durch die Nase. Irgendetwas wurde fest um mein Gesicht gebunden. Heißer Atem streifte meine Wange, dann drang aus der Dunkelheit eine Stimme an mein Ohr. Es war kaum mehr als ein Flüstern, heiser, gepresst und so undeutlich, dass ich mich anstrengen musste, um die Worte zu verstehen.
"Nein", sagte die Stimme. "Noch ein Mucks, und ich binde dir auch noch die Nase zu."
Ich musste würgen. Der Stoff füllte meinen ganzen Mund aus, rieb gegen meinen Gaumen. Mein Hals schmeckte plötzlich nach Fett und ranzigem Kohl. Ein Krampf durchzuckte mich, und Übelkeit stieg wie Feuchtigkeit in mir auf. Ich durfte mich nicht übergeben. Verzweifelt schnappte ich nach Luft, versuchte vergeblich, durch den Stoff zu atmen. Es ging nicht, mein Mund war völlig verstopft. Ich zerrte mit beiden Armen an den Fesseln und versuchte gleichzeitig Luft zu holen. Ich fühlte mich, als würde sich mein ganzer Körper auf dem rauen Steinboden zuckend aufbäumen, als wäre kein bisschen Luft mehr in mir, nur noch schmerzhaftes Vakuum und grelles Rot hinter meinen hervorquellenden Augen, und ein Herz, das hektisch durch meinen Hals nach oben drängte, während ein seltsam heiseres Geräusch aus meiner Kehle drang, wie ein Husten, der nicht zustande kommen wollte. Ich war ein sterbender Fisch. Ein Fisch, der sich auf dem harten Boden hin und her warf. Gefesselt hing ich am Haken, aber in meinem Inneren schien sich alles zu lösen, als würden meine gesamten Eingeweide zerrissen. Fühlt sich das so an? Wenn man stirbt? Wenn man lebendig begraben wird?
Ich musste atmen. Wie atmet man? Durch die Nase. Er hatte etwas von meiner Nase gesagt. Der Mann hatte gesagt, er werde mir als nächstes die Nase zubinden. Ich musste durch die Nase atmen. Jetzt. Es ging nicht, ich bekam auf diese Weise nicht genug Luft. Wieder versuchte ich, mich keuchend mit Luft voll zu saugen. Meine Zunge war zu groß, um in dem winzigen Raum Platz zu finden, der in meinem Mund noch übrig war. Sie stieß immer wieder gegen den Stoff des Knebels. Ich spürte, wie sich mein Körper erneut aufbäumte. Langsam atmen. Ganz ruhig. Ein und aus, ein und aus. Immer weiter, bis ich nichts anderes mehr fühlte. Nur so würde ich am Leben bleiben. Atme, befahl ich mir selbst. Dicke, modrige Luft strömte in meine Nasenlöcher, ölige Fäulnis lief meinen Rachen hinunter. Ich versuchte, nicht zu schlucken, aber dann ließ es sich nicht länger vermeiden, und wieder schwappte Ekel in mir hoch, füllte meinen Mund. Ich konnte es nicht ertragen. Doch, ich konnte. Ich konnte, ich konnte, ich konnte.
Atme ein und aus, Abbie. Abbie. Ich bin Abbie. Abigail Devereaux. Ein und aus. Denk nicht nach. Atme. Du bist noch am Leben.
Der Schmerz in meinem Schädel wich ein Stück zurück. Ich hob den Kopf ein wenig an, der Schmerz strömte hinter meine Augen. Ich blinzelte ein paarmal. Dieselbe tiefe Dunkelheit, egal, ob ich die Augen offen oder geschlossen hatte. Meine Wimpern drückten gegen die Kapuze. Mir war kalt, so viel spürte ich inzwischen. Meine Füße fühlten sich in den Socken wie Eiszapfen an. Waren das meine eigenen Socken? Sie kamen mir so groß und rau vor, gar nicht vertraut. Meine linke Wade schmerzte. Ich versuchte die Beinmuskeln zu bewegen, um dieses Gefühl eines Krampfes loszuwerden. Plötzlich begann eine Stelle an meiner Wange unter der Kapuze zu jucken. Ein paar Sekunden lang lag ich reglos da, konzentrierte mich nur auf das Jucken, dann wandte ich den Kopf zur Seite und versuchte, die Stelle mit meiner hochgezogenen Schulter zu berühren. Ohne Erfolg. Ich verdrehte den Kopf, bis ich mein Gesicht über den Boden reiben konnte.
Außerdem war ich nass. Zwischen den Beinen und an den Oberschenkeln. Ich spürte die klamme Kälte unter meiner Hose. War das überhaupt meine Hose? Ich lag in meiner eigenen Pisse, umgeben von Dunkelheit, eine Kapuze über dem Kopf, gefesselt und geknebelt. Atme ein und aus, befahl ich mir selbst. Atme immer weiter, ein und aus. Versuch, die Gedanken langsam herauszulassen, einen nach dem anderen, damit du nicht darin ertrinkst. Ich spürte den Druck der in mir aufgestauten Angst, mein Körper fühlte sich wie eine zerbrechliche Muschelschale an, zum Bersten gefüllt mit tosenden Wassermassen. Ich zwang mich, nur an die Atemluft zu denken, die durch meine Nasenlöcher ein und aus strömte. Ein und aus.
Jemand - ein Mann, der Mann, der den Knebel in meinen Mund gerammt hatte, hatte mich an diesen Ort gebracht. Er hatte mich hier festgebunden, ich war seine Gefangene. Warum? Darüber konnte ich noch nicht nachdenken. Ich lauschte, ob irgendetwas zu hören war, abgesehen vom Pfeifen meines Atems, dem Schlagen meines Herzens und dem kratzenden Geräusch, das meine Hände und Füße auf dem rauen Boden verursachten, wenn ich mich bewegte. Vielleicht war er noch hier, kauerte irgendwo im Raum. Aber es war kein anderes Geräusch zu hören. Im Moment war ich allein. Ich lag da und lauschte meinem Herzen. Die Stille erdrückte mich.
Ein Bild flatterte durch meinen Kopf. Ein gelber Schmetterling, der sich mit zitternden Flügeln auf einem Blatt niederließ. Es kam mir vor, als wäre plötzlich ein Sonnenstrahl auf mich gefallen. War das etwas, woran ich mich erinnern konnte, ein Augenblick, den ich aus der Vergangenheit herübergerettet und bis jetzt irgendwo aufbewahrt hatte? Oder war dieses Bild bloß ein zufälliges Produkt meines Gehirns, eine Art Reflex oder Kurzschluss?
Ein Mann hatte mich an einem dunklen Ort festgebunden. Offenbar hatte er mich entführt und dann hierher gebracht. Doch ich konnte mich nicht daran erinnern. Ich zermarterte mir den Kopf, aber er war leer - ein leerer Raum, ein verlassenes Haus, kein Widerhall. Nichts. In meinem Hals kroch ein Schluchzen hoch. Ich darf nicht weinen, ermahnte ich mich. Ich muss nachdenken, aber vorsichtig, ohne die Angst nach oben zu lassen. Ich darf nicht in die Tiefe gehen. Ich muss an der Oberfläche bleiben. Nur über das nachdenken, was ich weiß. Fakten. Langsam werde ich mir ein Bild zusammensetzen, und dann werde ich auch in der Lage sein, es mir anzusehen.
Mein Name ist Abigail. Abbie. Ich bin fünfundzwanzig Jahre alt, und ich lebe mit meinem Freund Terry, Terence Wilmott, in einer winzigen Wohnung in der Westcott Road. Das ist es: Terry. Terry wird sich Sorgen machen. Er wird die Polizei anrufen, mich als vermisst melden. Sie werden mit Blaulicht und heulenden Sirenen herfahren und die Tür einschlagen. Licht und Luft werden hereinfluten. Nein, nur Fakten. Ich arbeite für Jay & Joiner, entwerfe Büroeinrichtungen. Ich habe einen Schreibtisch mit einem weißblauen Laptop, einem kleinen grauen Telefon, einem Stapel Papier, einem ovalen Aschenbecher voller Büroklammern und Gummibänder.
Wann war ich das letzte Mal dort? Das alles erschien mir unglaublich weit weg, wie ein Traum, der einem entgleitet, sobald man versucht, ihn zu fassen zu bekommen. Wie das Leben eines anderen Menschen. Ich konnte mich nicht erinnern. Wie lange lag ich schon hier? Eine Stunde, einen Tag, eine Woche? Es war Januar, das wusste ich inzwischen - zumindest glaubte ich es zu wissen. Draußen war es kalt, und die Tage waren kurz. Vielleicht hatte es geschneit. Nein, ich durfte nicht an Dinge wie Schnee denken, Sonnenlicht auf weißen Flächen. Ich musste mich auf das konzentrieren, was ich wusste: Januar, aber ob Tag oder Nacht konnte ich nicht sagen. Vielleicht war inzwischen schon Februar. Ich versuchte an den letzten Tag zu denken, an den ich mich klar erinnern konnte, doch das war, als würde ich in einen dichten Nebel blicken, in dem sich lediglich undeutliche Schatten abzeichneten.
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Autoren-Porträt von Nicci French
Autoren-Porträtvon Nicci French
Hinter dem Namen Nicci French verbirgt sich das EhepaarNicci Gerrard und Sean French. Seit langem sorgen sie mit ihrenSpannungsromanen für Furore. Sie leben mit ihren Kindern in der Nähe vonLondon.
Bibliographische Angaben
- Autor: Nicci French
- 2003, 412 Seiten, Maße: 14,4 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Moosmüller, Birgit
- Verlag: C. Bertelsmann
- ISBN-10: 3570005941
- ISBN-13: 9783570005941
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