Solang die Welt noch schläft / Jahrhundertwind-Trilogie Bd.1
Roman
Berlin, 1890: Josefine hat für eine Frau ihrer Zeit eine ungewöhnliche und riskante Leidenschaft: das Radfahren. Sie will unbedingt bei einem Radrennen mitmachen. Dafür setzt sie alles aufs Spiel: ihre Familie, ihre Freundschaften und fast...
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Produktinformationen zu „Solang die Welt noch schläft / Jahrhundertwind-Trilogie Bd.1 “
Berlin, 1890: Josefine hat für eine Frau ihrer Zeit eine ungewöhnliche und riskante Leidenschaft: das Radfahren. Sie will unbedingt bei einem Radrennen mitmachen. Dafür setzt sie alles aufs Spiel: ihre Familie, ihre Freundschaften und fast sich selbst. Und schließlich ist es die Liebe eines Mannes, die sie ermutigt, für ihren Traum zu kämpfen.
Klappentext zu „Solang die Welt noch schläft / Jahrhundertwind-Trilogie Bd.1 “
Berlin, um 1890. Josefine, Tochter eines Berliner Hufschmieds, lernt auf einer Reise in den Schwarzwald die gefährliche, für Frauen geradezu skandalöse Leidenschaft des Radfahrens kennen. Zurück in Berlin, riskiert sie dafür alles. Und sie verliert alles - ihre Familie, ihre Freundinnen und fast sich selbst. Doch Josefines Kämpferherz ist groß! Und die Liebe eines Mannes ermutigt sie, ihren Lebenstraum zu verwirklichen. Bei einem strapaziösen Radrennen will sie beweisen, was in ihr steckt. Am Ende erkennt sie, dass nicht der Sieg zählt, sondern ganz andere Werte: Freundschaft, Vertrauen und Liebe.Lese-Probe zu „Solang die Welt noch schläft / Jahrhundertwind-Trilogie Bd.1 “
Solange die Welt noch schläft von Petra Durst-Benning1. KAPITEL
Berlin, November 1891, Königlich-Preußisches
Frauengefängnis Barnimstraße
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Beklommen schaute sich Josefine um. Ein Bett reihte sich ans andere, insgesamt waren es dreißig an der Zahl. Die Eisenstäbe schimmerten kalt unter dem Licht der einzelnen nackten Glühbirne, die in der Mitte des Raumes von der Decke baumelte. Der Blick aus dem vergitterten Fenster verhieß nichts Besseres - ein dünner, schmutziger Vorhang verhüllte nur notdürftig die Aussicht auf brachliegende Öde, die von einer hohen Mauer eingefasst wurde.
Weiter hinten im Schlafsaal war leises Schluchzen zu hören. Jo drehte sich um und erblickte die abgezehrte Rothaarige mit dem typisch spitzen Bauch einer Schwangeren, die zeitgleich mit ihr eingeliefert worden war. Sie kauerte wie ein Häufchen Elend auf einer Pritsche am Ausgang und weinte vor sich hin. Einen Moment lang war Josefine versucht, zu dem Mädchen zu gehen und es zu trösten, überlegte es sich dann aber anders.
Sie hatte seit über achtundvierzig Stunden nicht mehr geschlafen. Ihre Augen brannten und ihr Kopf schmerzte. Ihre rechte Schulter, die sie sich bei dem Unfall verletzt hatte, war angeschwollen und tat höllisch weh. Vorsichtig hob Jo das Gelenk ein wenig an. Bewegen konnte sie die Schulter, wenigstens war nichts gebrochen.
Zögerlich ging sie auf das Bett mit der Nummer vierzehn zu, das die Gefängnisvorsteherin ihr genannt hatte. Sie schob das dünne Tuch, das als Bettdecke dienen sollte, zur Seite. Die Matratze wies unzählige Flecken auf. Als sich Josefine setzte, sackte die dünne Matratze in der Mitte zusammen, schlaff geworden von den vielen Jungmädchenkörpern, die sich Nacht für Nacht darauf in den Schlaf geweint hatten. In dem Schlafsaal war es so kalt, dass Josefines Atem als kleines Wölkchen in der Luft stehen blieb.
Hier also sollte ihr der »Hochmut« ein für alle Mal ausgetrieben werden. Josefine kämpfte mit den Tränen. Erschöpft legte sie sich auf das Bett, zog die Beine an und schlang die Arme um sich in dem hilflosen Versuch, sich gegen die Kälte zu schützen. Mit geschlossenen Augen wartete sie auf gnädigen Schlaf, doch stattdessen kamen die Erinnerungen an die vergangene Nacht zurück ...
Am frühen Abend hatte sie noch kurz gezögert: Sollte sie aufbrechen oder doch lieber zu Hause bleiben? Den ganzen Tag über hatte richtiges Schmuddelwetter geherrscht, der Nieselregen und nasses Herbstlaub hatten die Straßen schlüpfrig gemacht, das hatte sie mit geübtem Blick erkannt. Der Wind trug eine erste winterliche Schärfe mit sich - nicht gerade die besten Bedingungen. Dennoch hatte sich Josefine für den Aufbruch entschieden. Ein Fehler, wie sich später herausstellte.
Trotz des schlechten Wetters und obwohl es weit nach Mitternacht gewesen war, hatten Anwohner ihren Unfall beobachtet. Eilig rannten sie aus ihren Häusern in den Regen hinaus. Jemand legte eine Decke über Josefine, die andern starrten sie an wie eine fremdartige Spezies aus dem Berliner Tiergarten.
»Wat bist denn du für eene?«
»Nee, hat man so wat schon jesehen?«
»Lasst se doch liegen! Wat hat die hier verloren?«
»Die Bullen! Jemand muss die Bullen rufen!«
Die meisten waren äußerst feindselig gewesen. Nur ein alter Mann hatte zu ihr gesagt: »Da haste Jlück im Unjlück jehabt, Mädel. Hättste die janze Nacht auf der eiskalten Straße jelejen, wärste womöglich erfroren.« Er trug eine Schlafjacke und sah aus, als wäre er direkt aus dem Bett gekommen. Neben ihm stand eine ältere Frau mit einem schreienden Säugling auf dem Arm und einem sensationslüsternen Blick im Gesicht. Mit spitzen Krallen hatte sie an Jos Kittel gezupft.
»Junges Frollein - wat hamse um diese Nachtzeit hier überhaupt zu suchen? Und dann noch in diesem Aufzug! Det jeht doch nich mit rechten Dingen zu. « Ihre Stimme war schrill und anklagend. Sie war es auch, die loszog, um einen Wachtmeister herbeizuholen. Kaum eingetroffen, hatte er sie mit argwöhnischem Blick betrachtet und mit Fragen bombardiert. »Wie heißt du? « »Was ist passiert?« »Warum die Männerkleidung?«
Sie hatte ihm lediglich ihre Adresse genannt. Von irgendwoher kam ein Fuhrwerk angefahren, in der Mähne des Zugpferdes hing noch Stroh. Josefine wurde zu dem Kutscher auf den Bock gehoben. Der Wachtmeister quetschte sich neben sie. Mit letzter Kraft schaffte sie es, sich auf dem Bock zu halten und nicht hinunterzukippen. Erst da sah sie, dass die Haut an ihrer rechten Hand völlig abgeschürft war. An ihrer linken Hand hatte sie sich alle Knöchel blutig geschlagen, und das Blut hatte sich mit dem Schmutz der Straße vermischt. Vielleicht würde sie an einer Blutvergiftung sterben. Am besten jetzt gleich.
Zu Hause angekommen, donnerte der Polizist mit seiner Faust gegen die Tür. Es dauerte einen Moment, dann wurde im ersten Stock ein Fenster geöffnet und ihre Mutter streckte unwirsch den Kopf heraus.
Josefine war so schlecht vor lauter Angst, dass sie sich beinahe übergeben hätte. Am liebsten wäre sie tot umgefallen. Stattdessen ließ sie sich mit hängendem Kopf und pochender Schulter von dem Polizisten in die Stube führen.
»Meine Tochter hatte was? Einen Unfall mit solch neumodischem Kram? So was gibt's bei uns im Haus nicht, wir sind red liche Leute. Hufschmied bin ich, da werd ich einen Teufel tun und mir so etwas ins Haus holen!« Konsterniert hatte ihr Vater den Wachtmeister angestarrt, seine Augen quollen dabei fast aus ihren Höhlen. Der Blick, den der Hufschmied ihr, seiner Tochter, anschließend zuwarf, war voller Abscheu und Verachtung gewesen.
»Hier kann nur eine Verwechslung vorliegen. Es ist halb zwei Uhr in der Nacht, unsere Tochter treibt sich nicht herum«, hatte ihre Mutter barsch gesagt. Dann hatte Elsbeth Schmied ihren Morgenmantel über der Brust zusammengezogen und verkniffen ins Leere geschaut. Weder ihr Vater noch ihre Mutter hatten das Wort an sie gerichtet oder ihr gar eine Frage gestellt.
»Nun machen Sie mal kein Theater! Tatsache ist, dass Ihre Tochter auf der Landsberger Allee einen Unfall hatte«, hatte der Polizist ungeduldig erwidert. »Und verletzt ist sie auch, womöglich hat sie sich die Schulter gebrochen. Wollen Sie nicht einen Arzt rufen?« Elsbeth Schmied schaute den Mann aus biestigen Augen an. »Wenn wahr ist, was Sie sagen, können Sie das Luder gleich mitnehmen.«
Im Liegen rieb sich Josefine die lädierte Schulter, die nun, da sie zur Ruhe gekommen war, noch stärker zu schmerzen begann.
Ihre Eltern hatten keinen Arzt rufen wollen. Vielmehr hätten sie ihre Tochter dem Wachtmeister tatsächlich am liebsten sofort übergeben, doch der Mann ordnete an, dass Josefine bis zum Morgen im Haus bleiben und erst um elf Uhr in der Polizeiwache am Görlitzer Bahnhof eintreffen sollte.
Schweren Schrittes und noch schwereren Herzens hatte sich Jo in die Waschküche geschleppt. Als sie sich in der Spiegelscherbe an der Wand betrachtete, erkannte sie sich im ersten Moment gar nicht - der Schmutz und das getrocknete Blut hatten ihr sonst so apartes Gesicht mit den hohen Wangenknochen zu einer hässlichen Fratze werden lassen. Ihre schönen blonden Locken hingen wie eine schmutzige, stumpfe Matte herunter. Hektisch versuchte sich Josefine mit dem kalten Wasser zu reinigen.
In ihrem Zimmer war sie endlich in Tränen ausgebrochen. Alles war aus und vorbei! Sie hatte ihre Eltern angelogen, immer und immer wieder. Sie hatte gestohlen und betrogen. Isabelle würde durch sie in große Schwierigkeiten kommen, vielleicht sogar Clara ebenfalls. Die lebenshungrige Isabelle mit dem aufbrausenden Charakter. Und die schöne, zarte Clara. Ihre besten Freundinnen! All die Jahre waren sie gemeinsam durch dick und dünn gegangen.
Und nun hatte sie sie derart hintergangen. Wie sollte sie zudem jemals für den von ihr verursachten Schaden aufkommen? Wahrscheinlich würde sie für den Rest ihres Lebens verschuldet sein. Oder würde ihr Vater ihre Zeche begleichen müssen?
Von tausend Fragen gequält, hatte Josefine auf das Ende der Nacht gewartet.
Ohne Frühstück und stumm hatte sie sich am Morgen, begleitet von ihrer Mutter, auf den Weg zur Polizei gemacht.
Josefine stöhnte leise auf. War das wirklich erst vor wenigen Stunden gewesen? Ihr kam es wie in einem anderen Leben vor.
»Brauchst dich hier gar nicht erst breitzumachen«, hatte einer der Polizisten auf der Wache gesagt, als sie sich mit steifen Gliedern auf die schmale Holzbank setzen wollte. »Mit euch jungen Verbrechern wird kurzer Prozess gemacht!« Dann hatte er sie und ihre Mutter zum zuständigen Amtsgericht in der Parkstraße gebracht, wo die Verhandlung noch am selben Tag stattfinden sollte.
Von da an hatte Josefine - übermüdet, wie sie war - alles nur noch wie durch einen Nebel wahrgenommen. Der Richter war blass und jung gewesen und sehr beschäftigt. Jedenfalls stapelten sich die Akten in riesigen Bergen auf seinem Schreibtisch, er schob einen davon von links nach rechts, um sie besser sehen zu können.
»Die Frage ist, ob man im Fall der Josefine Schmied von mangelnder Einsichtsfähigkeit sprechen kann oder nicht«, hatte er gesagt, nachdem er sich den Bericht des Wachtmeisters angehört hatte. »Dann wäre bei einer Minderjährigen ein Freispruch durchaus möglich ... «
Der Wachtmeister runzelte die Stirn. »Euer Ehren, die Angeklagte ist doch keine dreizehn oder vierzehn mehr, vielmehr erreicht sie in ein paar Monaten, mit achtzehn, die volle Strafmündigkeit! Und laut den Worten ihres Vaters - ein angesehener Hufschmied übrigens - war sie sich der Schwere ihres Vergehens durchaus bewusst.«
»Warum ist der Vater der Angeklagten eigentlich nicht mitgekommen, um uns seine Sicht der Dinge selbst zu schildern?«, hatte der Amtsrichter von Elsbeth Schmied wissen wollen.
»Mein Mann muss arbeiten«, antwortete sie spröde.
»Und wie kann es sein, dass Ihre Tochter nächtens das Haus verlässt und Sie das nicht merken? Noch ist Ihre Tochter minderjährig, Sie haben also eine gewisse Aufsichtspflicht.«
»Aufsichtspflicht, von wegen! Das Gör war schon immer eine Rumtreiberin! «, fuhr Josefines Mutter auf. »Um Verbote oder Anordnungen hat sich unsere Tochter noch nie geschert. Ihr eigenes Pläsier war ihr immer am wichtigsten«, fügte sie bitter hinzu. »Aber wie heißt es so schön - Hochmut kommt vor dem Fall. Nach allem, was geschehen ist, ist unsere Tochter für uns jedenfalls gestorben, das sage ich Ihnen.«
Josefine hatte krampfhaft nach Worten gesucht. Eine Entschuldigung, entlastende Worte - irgendetwas! Hatte sie nicht Tag für Tag bis zur völligen Erschöpfung geschuftet, um ihrem Vater die Arbeitslast zu erleichtern? Hatte sie ihrer Mutter nicht jede noch so beschwerliche Tätigkeit im Haus und ringsherum abgenommen? Aber sie wusste, dass all das nicht mehr zählte - noch nie gezählt hatte. So hatte sie geschwiegen.
Der Amtsrichter schob einen weiteren Aktenstapel über den Schreibtisch, dann richtete er sich auf. Wie auf ein geheimes Stichwort hin zückte seine Sekretärin ihren Stift, um die Urteilsverkündung schriftlich festzuhalten.
»Gemäß Reichsstrafgesetzbuch, § 56 Absatz 1 sowie § 57 Absatz 1 und 2 ordne ich aufgrund der Schwere des Vergehens die sofortige Unterbringung im Frauengefängnis Barnimstraße an. Aufgrund des jugendlichen Alters der Verurteilten und der Tatsache, dass ich ihr eine gewisse Besserungsfähigkeit nicht abspreche, erfolgt die Unterbringung in der neu geschaffenen Jugendabteilung. Die Unterbringung ist verbunden mit täglichem Ar beitsdienst sowie täglichem Unterricht. Die Dauer wird auf dreieinhalb Jahre festgelegt.«
Mit strengem Blick hatte er über seinen Schreibtisch hinweg Josefine angeschaut. »Das Frauengefängnis Barnimstraße ist eine große Chance für junge Menschen, die wie du vom rechten Weg abgekommen sind. Ich hoffe, du entwickelst dort die geistige Reife, die nötig ist, um ein ehrenwertes Leben in Freiheit und Demut führen zu können.«
Als die zwei Wachtmeister Josefine abführten, hatte ihre Mutter nicht einmal mehr den Kopf nach ihr umgedreht.
Man hatte ihr die Kleidung abgenommen und ihr ein grobes Wollkleid gereicht. Einzig ihre Unterwäsche und die Schuhe hatte sie behalten dürfen. Dann hatte eine Wärterin sie in diesen Schlafsaal gebracht und gesagt, dass sie fürs Abendessen zu spät dran sei und sie sich am besten gleich für die Nacht einrichtete.
Josefine war alles gleichgültig gewesen.
Fußgetrappel näherte sich, dann ertönte plötzlich hinter ihr eine Stimme, rau wie Schmirgelpapier: »Sieh mal an, eine Neue. Bestimmt trägt sie noch ihre eigene Unterwäsche und nicht die dünnen Fetzen, wie wir sie anhaben.«
Ein eigentümlicher Geruch nach schlechtem Essen und Schweiß stieg in Josefines Nase - offenbar hatten sich die anderen um ihr Bett geschart. Stur hielt Jo ihren Blick auf die Wand gerichtet. Sie wollte niemanden kennenlernen.
»Was glotzt du so blöde vor dich hin? «, sagte eine zweite Stim me. Jemand pikte ihr einen spitzen Finger in den Rücken. Mehrstimmiges Lachen folgte.
»He, was soll das? « Josefine fuhr wütend herum und setzte sich auf die Bettkante. Beim Anblick der zerlumpten Gestalten erschrak sie. Mit ihnen sollte sie fortan ihr Leben teilen?
Zehn, zwölf junge Mädchen und Frauen waren es, teilweise in ihrem Alter, teilweise jünger - Kinder noch. Ihre Gesichter wirkten jedoch auf unnatürliche Art verlebt und feindselig. Tiefe Furchen hatten sich dort eingegraben, wo rosige Frische ein Zeichen von Jugend sein sollte. Alle waren krankhaft blass, ein Mädchen hatte einen dicken roten Striemen auf der Wange wie von einem Peitschenhieb, ein anderes ein schorfiges Kinn und eine verschorfte Stirn wie nach einer gerade abgeklungenen Pockenerkrankung. Die Haare waren struppig und ungepflegt, die Hände schmutzig, teilweise sogar blutig und mit ungepflegten Fingernägeln. Die Mädchen erinnerten Jo an die vielen Horden von Gassenkindern, die überall in der Stadt unterwegs waren und sich einen Spaß daraus gemacht hatten, sie mit Steinen zu bewerfen oder zu bespucken. Isabelle und sie hatten bei ihrem Anblick stets das Weite gesucht. Ein gruseliger Schauer lief Jo über den Rücken. Dass keines der Mädchen älter als achtzehn Jahre sein sollte, fiel ihr schwer zu glauben.
»Nummer vierzehn ist mein Bett, also steh auf! «, herrschte eine große Hagere sie an und versetzte ihr mit dem Fuß einen schmerzhaften Tritt gegen das Schienbein. Sie hatte raspelkurze Haare wie nach einer Lausschur, tiefliegende graue Augen, und ihre Wimpern und Brauen waren hell, fast durchscheinend. Im Gegensatz zu den dumpfen Gesichtern der anderen wirkte ihr Mienenspiel intelligent. Und eiskalt. Das Mädchen sah aus, als hätte es sein dreißigstes Lebensjahr längst hinter sich.
»Aber die Aufseherin meinte -«, hob Josefine an.
»Das interessiert niemanden. Ich bin diejenige, die hier das Sagen hat! Und ich, Adele, sage, dieses Bett gehört mir«, stellte die Wortführerin kühl fest. Sie nickte zwei Mädchen zu, woraufhin diese sich links und rechts von Josefine platzierten. Doch bevor die beiden sie an den Armen packen konnten, stand Josefine freiwillig auf. Ein Streit war das Letzte, wonach ihr der Sinn stand.
»Und wo soll ich dann schlafen?«, fragte sie gereizt.
»Das schert mich überhaupt nicht«, erwiderte die Hagere.
Missmutig schaute sich Josefine in dem Schlafsaal um. Sie war müde, wollte sich nur hinlegen und die Augen schließen ... Ihr Blick fiel erneut auf die Rothaarige, die am Ende des Schlafsaals kauerte und so tat, als wäre sie gar nicht da. Allem Anschein nach waren dort noch Betten frei.
Josefine hatte den Gang schon zur Hälfte durchquert, als sie merkte, dass Adele ihr folgte. Ruckartig drehte sich Jo um. »Was ist denn noch?«
Grinsend verstellte die Anführerin ihr den Weg. »Ich bin noch nicht fertig mit dir. Gib mir deinen Unterrock, bestimmt kann ich ihn gebrauchen.«
Beklommen schaute sich Josefine um. Ein Bett reihte sich ans andere, insgesamt waren es dreißig an der Zahl. Die Eisenstäbe schimmerten kalt unter dem Licht der einzelnen nackten Glühbirne, die in der Mitte des Raumes von der Decke baumelte. Der Blick aus dem vergitterten Fenster verhieß nichts Besseres - ein dünner, schmutziger Vorhang verhüllte nur notdürftig die Aussicht auf brachliegende Öde, die von einer hohen Mauer eingefasst wurde.
Weiter hinten im Schlafsaal war leises Schluchzen zu hören. Jo drehte sich um und erblickte die abgezehrte Rothaarige mit dem typisch spitzen Bauch einer Schwangeren, die zeitgleich mit ihr eingeliefert worden war. Sie kauerte wie ein Häufchen Elend auf einer Pritsche am Ausgang und weinte vor sich hin. Einen Moment lang war Josefine versucht, zu dem Mädchen zu gehen und es zu trösten, überlegte es sich dann aber anders.
Sie hatte seit über achtundvierzig Stunden nicht mehr geschlafen. Ihre Augen brannten und ihr Kopf schmerzte. Ihre rechte Schulter, die sie sich bei dem Unfall verletzt hatte, war angeschwollen und tat höllisch weh. Vorsichtig hob Jo das Gelenk ein wenig an. Bewegen konnte sie die Schulter, wenigstens war nichts gebrochen.
Zögerlich ging sie auf das Bett mit der Nummer vierzehn zu, das die Gefängnisvorsteherin ihr genannt hatte. Sie schob das dünne Tuch, das als Bettdecke dienen sollte, zur Seite. Die Matratze wies unzählige Flecken auf. Als sich Josefine setzte, sackte die dünne Matratze in der Mitte zusammen, schlaff geworden von den vielen Jungmädchenkörpern, die sich Nacht für Nacht darauf in den Schlaf geweint hatten. In dem Schlafsaal war es so kalt, dass Josefines Atem als kleines Wölkchen in der Luft stehen blieb.
Hier also sollte ihr der »Hochmut« ein für alle Mal ausgetrieben werden. Josefine kämpfte mit den Tränen. Erschöpft legte sie sich auf das Bett, zog die Beine an und schlang die Arme um sich in dem hilflosen Versuch, sich gegen die Kälte zu schützen. Mit geschlossenen Augen wartete sie auf gnädigen Schlaf, doch stattdessen kamen die Erinnerungen an die vergangene Nacht zurück ...
Am frühen Abend hatte sie noch kurz gezögert: Sollte sie aufbrechen oder doch lieber zu Hause bleiben? Den ganzen Tag über hatte richtiges Schmuddelwetter geherrscht, der Nieselregen und nasses Herbstlaub hatten die Straßen schlüpfrig gemacht, das hatte sie mit geübtem Blick erkannt. Der Wind trug eine erste winterliche Schärfe mit sich - nicht gerade die besten Bedingungen. Dennoch hatte sich Josefine für den Aufbruch entschieden. Ein Fehler, wie sich später herausstellte.
Trotz des schlechten Wetters und obwohl es weit nach Mitternacht gewesen war, hatten Anwohner ihren Unfall beobachtet. Eilig rannten sie aus ihren Häusern in den Regen hinaus. Jemand legte eine Decke über Josefine, die andern starrten sie an wie eine fremdartige Spezies aus dem Berliner Tiergarten.
»Wat bist denn du für eene?«
»Nee, hat man so wat schon jesehen?«
»Lasst se doch liegen! Wat hat die hier verloren?«
»Die Bullen! Jemand muss die Bullen rufen!«
Die meisten waren äußerst feindselig gewesen. Nur ein alter Mann hatte zu ihr gesagt: »Da haste Jlück im Unjlück jehabt, Mädel. Hättste die janze Nacht auf der eiskalten Straße jelejen, wärste womöglich erfroren.« Er trug eine Schlafjacke und sah aus, als wäre er direkt aus dem Bett gekommen. Neben ihm stand eine ältere Frau mit einem schreienden Säugling auf dem Arm und einem sensationslüsternen Blick im Gesicht. Mit spitzen Krallen hatte sie an Jos Kittel gezupft.
»Junges Frollein - wat hamse um diese Nachtzeit hier überhaupt zu suchen? Und dann noch in diesem Aufzug! Det jeht doch nich mit rechten Dingen zu. « Ihre Stimme war schrill und anklagend. Sie war es auch, die loszog, um einen Wachtmeister herbeizuholen. Kaum eingetroffen, hatte er sie mit argwöhnischem Blick betrachtet und mit Fragen bombardiert. »Wie heißt du? « »Was ist passiert?« »Warum die Männerkleidung?«
Sie hatte ihm lediglich ihre Adresse genannt. Von irgendwoher kam ein Fuhrwerk angefahren, in der Mähne des Zugpferdes hing noch Stroh. Josefine wurde zu dem Kutscher auf den Bock gehoben. Der Wachtmeister quetschte sich neben sie. Mit letzter Kraft schaffte sie es, sich auf dem Bock zu halten und nicht hinunterzukippen. Erst da sah sie, dass die Haut an ihrer rechten Hand völlig abgeschürft war. An ihrer linken Hand hatte sie sich alle Knöchel blutig geschlagen, und das Blut hatte sich mit dem Schmutz der Straße vermischt. Vielleicht würde sie an einer Blutvergiftung sterben. Am besten jetzt gleich.
Zu Hause angekommen, donnerte der Polizist mit seiner Faust gegen die Tür. Es dauerte einen Moment, dann wurde im ersten Stock ein Fenster geöffnet und ihre Mutter streckte unwirsch den Kopf heraus.
Josefine war so schlecht vor lauter Angst, dass sie sich beinahe übergeben hätte. Am liebsten wäre sie tot umgefallen. Stattdessen ließ sie sich mit hängendem Kopf und pochender Schulter von dem Polizisten in die Stube führen.
»Meine Tochter hatte was? Einen Unfall mit solch neumodischem Kram? So was gibt's bei uns im Haus nicht, wir sind red liche Leute. Hufschmied bin ich, da werd ich einen Teufel tun und mir so etwas ins Haus holen!« Konsterniert hatte ihr Vater den Wachtmeister angestarrt, seine Augen quollen dabei fast aus ihren Höhlen. Der Blick, den der Hufschmied ihr, seiner Tochter, anschließend zuwarf, war voller Abscheu und Verachtung gewesen.
»Hier kann nur eine Verwechslung vorliegen. Es ist halb zwei Uhr in der Nacht, unsere Tochter treibt sich nicht herum«, hatte ihre Mutter barsch gesagt. Dann hatte Elsbeth Schmied ihren Morgenmantel über der Brust zusammengezogen und verkniffen ins Leere geschaut. Weder ihr Vater noch ihre Mutter hatten das Wort an sie gerichtet oder ihr gar eine Frage gestellt.
»Nun machen Sie mal kein Theater! Tatsache ist, dass Ihre Tochter auf der Landsberger Allee einen Unfall hatte«, hatte der Polizist ungeduldig erwidert. »Und verletzt ist sie auch, womöglich hat sie sich die Schulter gebrochen. Wollen Sie nicht einen Arzt rufen?« Elsbeth Schmied schaute den Mann aus biestigen Augen an. »Wenn wahr ist, was Sie sagen, können Sie das Luder gleich mitnehmen.«
Im Liegen rieb sich Josefine die lädierte Schulter, die nun, da sie zur Ruhe gekommen war, noch stärker zu schmerzen begann.
Ihre Eltern hatten keinen Arzt rufen wollen. Vielmehr hätten sie ihre Tochter dem Wachtmeister tatsächlich am liebsten sofort übergeben, doch der Mann ordnete an, dass Josefine bis zum Morgen im Haus bleiben und erst um elf Uhr in der Polizeiwache am Görlitzer Bahnhof eintreffen sollte.
Schweren Schrittes und noch schwereren Herzens hatte sich Jo in die Waschküche geschleppt. Als sie sich in der Spiegelscherbe an der Wand betrachtete, erkannte sie sich im ersten Moment gar nicht - der Schmutz und das getrocknete Blut hatten ihr sonst so apartes Gesicht mit den hohen Wangenknochen zu einer hässlichen Fratze werden lassen. Ihre schönen blonden Locken hingen wie eine schmutzige, stumpfe Matte herunter. Hektisch versuchte sich Josefine mit dem kalten Wasser zu reinigen.
In ihrem Zimmer war sie endlich in Tränen ausgebrochen. Alles war aus und vorbei! Sie hatte ihre Eltern angelogen, immer und immer wieder. Sie hatte gestohlen und betrogen. Isabelle würde durch sie in große Schwierigkeiten kommen, vielleicht sogar Clara ebenfalls. Die lebenshungrige Isabelle mit dem aufbrausenden Charakter. Und die schöne, zarte Clara. Ihre besten Freundinnen! All die Jahre waren sie gemeinsam durch dick und dünn gegangen.
Und nun hatte sie sie derart hintergangen. Wie sollte sie zudem jemals für den von ihr verursachten Schaden aufkommen? Wahrscheinlich würde sie für den Rest ihres Lebens verschuldet sein. Oder würde ihr Vater ihre Zeche begleichen müssen?
Von tausend Fragen gequält, hatte Josefine auf das Ende der Nacht gewartet.
Ohne Frühstück und stumm hatte sie sich am Morgen, begleitet von ihrer Mutter, auf den Weg zur Polizei gemacht.
Josefine stöhnte leise auf. War das wirklich erst vor wenigen Stunden gewesen? Ihr kam es wie in einem anderen Leben vor.
»Brauchst dich hier gar nicht erst breitzumachen«, hatte einer der Polizisten auf der Wache gesagt, als sie sich mit steifen Gliedern auf die schmale Holzbank setzen wollte. »Mit euch jungen Verbrechern wird kurzer Prozess gemacht!« Dann hatte er sie und ihre Mutter zum zuständigen Amtsgericht in der Parkstraße gebracht, wo die Verhandlung noch am selben Tag stattfinden sollte.
Von da an hatte Josefine - übermüdet, wie sie war - alles nur noch wie durch einen Nebel wahrgenommen. Der Richter war blass und jung gewesen und sehr beschäftigt. Jedenfalls stapelten sich die Akten in riesigen Bergen auf seinem Schreibtisch, er schob einen davon von links nach rechts, um sie besser sehen zu können.
»Die Frage ist, ob man im Fall der Josefine Schmied von mangelnder Einsichtsfähigkeit sprechen kann oder nicht«, hatte er gesagt, nachdem er sich den Bericht des Wachtmeisters angehört hatte. »Dann wäre bei einer Minderjährigen ein Freispruch durchaus möglich ... «
Der Wachtmeister runzelte die Stirn. »Euer Ehren, die Angeklagte ist doch keine dreizehn oder vierzehn mehr, vielmehr erreicht sie in ein paar Monaten, mit achtzehn, die volle Strafmündigkeit! Und laut den Worten ihres Vaters - ein angesehener Hufschmied übrigens - war sie sich der Schwere ihres Vergehens durchaus bewusst.«
»Warum ist der Vater der Angeklagten eigentlich nicht mitgekommen, um uns seine Sicht der Dinge selbst zu schildern?«, hatte der Amtsrichter von Elsbeth Schmied wissen wollen.
»Mein Mann muss arbeiten«, antwortete sie spröde.
»Und wie kann es sein, dass Ihre Tochter nächtens das Haus verlässt und Sie das nicht merken? Noch ist Ihre Tochter minderjährig, Sie haben also eine gewisse Aufsichtspflicht.«
»Aufsichtspflicht, von wegen! Das Gör war schon immer eine Rumtreiberin! «, fuhr Josefines Mutter auf. »Um Verbote oder Anordnungen hat sich unsere Tochter noch nie geschert. Ihr eigenes Pläsier war ihr immer am wichtigsten«, fügte sie bitter hinzu. »Aber wie heißt es so schön - Hochmut kommt vor dem Fall. Nach allem, was geschehen ist, ist unsere Tochter für uns jedenfalls gestorben, das sage ich Ihnen.«
Josefine hatte krampfhaft nach Worten gesucht. Eine Entschuldigung, entlastende Worte - irgendetwas! Hatte sie nicht Tag für Tag bis zur völligen Erschöpfung geschuftet, um ihrem Vater die Arbeitslast zu erleichtern? Hatte sie ihrer Mutter nicht jede noch so beschwerliche Tätigkeit im Haus und ringsherum abgenommen? Aber sie wusste, dass all das nicht mehr zählte - noch nie gezählt hatte. So hatte sie geschwiegen.
Der Amtsrichter schob einen weiteren Aktenstapel über den Schreibtisch, dann richtete er sich auf. Wie auf ein geheimes Stichwort hin zückte seine Sekretärin ihren Stift, um die Urteilsverkündung schriftlich festzuhalten.
»Gemäß Reichsstrafgesetzbuch, § 56 Absatz 1 sowie § 57 Absatz 1 und 2 ordne ich aufgrund der Schwere des Vergehens die sofortige Unterbringung im Frauengefängnis Barnimstraße an. Aufgrund des jugendlichen Alters der Verurteilten und der Tatsache, dass ich ihr eine gewisse Besserungsfähigkeit nicht abspreche, erfolgt die Unterbringung in der neu geschaffenen Jugendabteilung. Die Unterbringung ist verbunden mit täglichem Ar beitsdienst sowie täglichem Unterricht. Die Dauer wird auf dreieinhalb Jahre festgelegt.«
Mit strengem Blick hatte er über seinen Schreibtisch hinweg Josefine angeschaut. »Das Frauengefängnis Barnimstraße ist eine große Chance für junge Menschen, die wie du vom rechten Weg abgekommen sind. Ich hoffe, du entwickelst dort die geistige Reife, die nötig ist, um ein ehrenwertes Leben in Freiheit und Demut führen zu können.«
Als die zwei Wachtmeister Josefine abführten, hatte ihre Mutter nicht einmal mehr den Kopf nach ihr umgedreht.
Man hatte ihr die Kleidung abgenommen und ihr ein grobes Wollkleid gereicht. Einzig ihre Unterwäsche und die Schuhe hatte sie behalten dürfen. Dann hatte eine Wärterin sie in diesen Schlafsaal gebracht und gesagt, dass sie fürs Abendessen zu spät dran sei und sie sich am besten gleich für die Nacht einrichtete.
Josefine war alles gleichgültig gewesen.
Fußgetrappel näherte sich, dann ertönte plötzlich hinter ihr eine Stimme, rau wie Schmirgelpapier: »Sieh mal an, eine Neue. Bestimmt trägt sie noch ihre eigene Unterwäsche und nicht die dünnen Fetzen, wie wir sie anhaben.«
Ein eigentümlicher Geruch nach schlechtem Essen und Schweiß stieg in Josefines Nase - offenbar hatten sich die anderen um ihr Bett geschart. Stur hielt Jo ihren Blick auf die Wand gerichtet. Sie wollte niemanden kennenlernen.
»Was glotzt du so blöde vor dich hin? «, sagte eine zweite Stim me. Jemand pikte ihr einen spitzen Finger in den Rücken. Mehrstimmiges Lachen folgte.
»He, was soll das? « Josefine fuhr wütend herum und setzte sich auf die Bettkante. Beim Anblick der zerlumpten Gestalten erschrak sie. Mit ihnen sollte sie fortan ihr Leben teilen?
Zehn, zwölf junge Mädchen und Frauen waren es, teilweise in ihrem Alter, teilweise jünger - Kinder noch. Ihre Gesichter wirkten jedoch auf unnatürliche Art verlebt und feindselig. Tiefe Furchen hatten sich dort eingegraben, wo rosige Frische ein Zeichen von Jugend sein sollte. Alle waren krankhaft blass, ein Mädchen hatte einen dicken roten Striemen auf der Wange wie von einem Peitschenhieb, ein anderes ein schorfiges Kinn und eine verschorfte Stirn wie nach einer gerade abgeklungenen Pockenerkrankung. Die Haare waren struppig und ungepflegt, die Hände schmutzig, teilweise sogar blutig und mit ungepflegten Fingernägeln. Die Mädchen erinnerten Jo an die vielen Horden von Gassenkindern, die überall in der Stadt unterwegs waren und sich einen Spaß daraus gemacht hatten, sie mit Steinen zu bewerfen oder zu bespucken. Isabelle und sie hatten bei ihrem Anblick stets das Weite gesucht. Ein gruseliger Schauer lief Jo über den Rücken. Dass keines der Mädchen älter als achtzehn Jahre sein sollte, fiel ihr schwer zu glauben.
»Nummer vierzehn ist mein Bett, also steh auf! «, herrschte eine große Hagere sie an und versetzte ihr mit dem Fuß einen schmerzhaften Tritt gegen das Schienbein. Sie hatte raspelkurze Haare wie nach einer Lausschur, tiefliegende graue Augen, und ihre Wimpern und Brauen waren hell, fast durchscheinend. Im Gegensatz zu den dumpfen Gesichtern der anderen wirkte ihr Mienenspiel intelligent. Und eiskalt. Das Mädchen sah aus, als hätte es sein dreißigstes Lebensjahr längst hinter sich.
»Aber die Aufseherin meinte -«, hob Josefine an.
»Das interessiert niemanden. Ich bin diejenige, die hier das Sagen hat! Und ich, Adele, sage, dieses Bett gehört mir«, stellte die Wortführerin kühl fest. Sie nickte zwei Mädchen zu, woraufhin diese sich links und rechts von Josefine platzierten. Doch bevor die beiden sie an den Armen packen konnten, stand Josefine freiwillig auf. Ein Streit war das Letzte, wonach ihr der Sinn stand.
»Und wo soll ich dann schlafen?«, fragte sie gereizt.
»Das schert mich überhaupt nicht«, erwiderte die Hagere.
Missmutig schaute sich Josefine in dem Schlafsaal um. Sie war müde, wollte sich nur hinlegen und die Augen schließen ... Ihr Blick fiel erneut auf die Rothaarige, die am Ende des Schlafsaals kauerte und so tat, als wäre sie gar nicht da. Allem Anschein nach waren dort noch Betten frei.
Josefine hatte den Gang schon zur Hälfte durchquert, als sie merkte, dass Adele ihr folgte. Ruckartig drehte sich Jo um. »Was ist denn noch?«
Grinsend verstellte die Anführerin ihr den Weg. »Ich bin noch nicht fertig mit dir. Gib mir deinen Unterrock, bestimmt kann ich ihn gebrauchen.«
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Autoren-Porträt von Petra Durst-Benning
Petra Durst-Benning ist eine internationale Bestsellerautorin. Seit ihrem Debütroman begeistern ihre mutigen Frauenfiguren die Leserinnen und laden sie zu großen Abenteuern ein. Viele ihrer Romane werden verfilmt. Petra Durst-Benning lebt bei Stuttgart.
Bibliographische Angaben
- Autor: Petra Durst-Benning
- 2012, 1. Auflage, 496 Seiten, Maße: 14,5 x 21,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: List
- ISBN-10: 3471350578
- ISBN-13: 9783471350577
- Erscheinungsdatum: 07.03.2012
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