Kalter Süden
Kriminalroman
"Marklund ist zweifellos eine Klasse für sich."
Henning Mankell
Als der Eishockey-Star Sebastian Söderstrom bei einem Giftgasanschlag getötet wird, reist Annika Bengtzon nach Marbella, um zu recherchieren. In der Welt...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Kalter Süden “
"Marklund ist zweifellos eine Klasse für sich."
Henning Mankell
Als der Eishockey-Star Sebastian Söderstrom bei einem Giftgasanschlag getötet wird, reist Annika Bengtzon nach Marbella, um zu recherchieren. In der Welt der Superreichen stößt sie jedoch auf Mauern des Schweigens. Während die spanische Polizei bald aufgeben muss, lässt sich Annika nicht so leicht abwimmeln.
"Liza Marklunds Kriminalromane sind atemberaubend und spannend, von der ersten bis zur letzten Seite."
Kathy Reichs
Klappentext zu „Kalter Süden “
'Der Tod des Eishockey-Stars Sebastian Söderström schlägt hohe Wellen. Er und seine Familie sind einem Giftgasanschlag zum Opfer gefallen. Annika Bengtzon fliegt nach Marbella und recherchiert in der Welt der Superreichen, die zurückgezogen hinter hohen Mauern und umgeben von den teuersten Alarmeinrichtungen ein Leben in scheinbarer Sicherheit führen. In diesem Kosmos der glatten Oberflächen und gekühlten Räume ist Schweigen Gold, und Geheimnisse werden über Generationen bewahrt. Die spanische Polizei gibt den Fall schon bald resigniert auf. Doch Annika Bengtzon lässt sich nicht so leicht abweisen.
Lese-Probe zu „Kalter Süden “
Kalter Süden von Liza MarklundMontag, 3. Januar
Annika Bengtzon steckte den Kopf durch die halboffene Glastür des Chefredakteurs und klopfte an den hölzernen Türrahmen.
Anders Schyman stand mit dem Rücken zu ihr und sortierte Stapel von losen Blättern, die über Schreibtisch und Fußboden verstreut lagen. Als es klopfte, drehte er sich um, sah ihren fragenden Gesichtsausdruck und deutete auf den Besucherstuhl.
»Machen Sie die Tür zu und setzen Sie sich«, sagte er, ging um den Schreibtisch herum und ließ sich auf seinen Stuhl fallen, der unheilverkündend knackte.
Sie zog die Schiebetür zu, warf einen misstrauischen Seitenblick auf die Blätter zu ihren Füßen und entdeckte etwas, das wie eine Planskizze der Redaktionsräume aussah.
»Sagen Sie nicht, dass hier schon wieder umgebaut werden soll.« Sie setzte sich.
»Ich möchte Sie etwas fragen«, sagte Schyman. »Wie sehen Sie Ihre Zukunft hier bei der Zeitung?«
Annika blickte hastig auf und begegnete dem Blick des Chefredakteurs.
»Wieso?«
»Um es auf den Punkt zu bringen: Wollen Sie die Redaktionsleitung übernehmen?«
Ihr Hals schnürte sich zusammen, sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder und blickte auf ihre Hände.
»Sie übernehmen die Verantwortung für das gesamte Nachrichtengeschehen eines Tages«, fuhr Schyman fort. »Sie arbeiten fünf Tage und haben fünf Tage frei. Sie koordinieren Sport und Unterhaltung mit Leitartikel, Kommentar und Nachrichten. Entscheiden anhand der Nachrichtenlage über den Aufmacher. Die Linie in den verschiedenen Ressorts legen Sie zusammen mit den anderen Ressortchefs fest. Keine Onlinegeschichten oder so ein Mist. Sie nehmen an den Vorstandssitzungen teil und haben die Budgetplanung und die Marketingstrategien in der Hand. Ich
... mehr
will, dass Sie so schnell wie möglich anfangen.«
Sie räusperte sich, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. Die Redaktionsleitung war eine große, schwere Aufgabe. Damit wäre sie die Nummer zwei in der Hierarchie der Zeitung, Schyman direkt unterstellt, Chefin über alle Unterabteilungen.
Sie würde das Kommando über die Nachrichtenchefs haben, über die Unterhaltungs- und Sportchefs und all die anderen Kleinkönige, die sich immer so gern wichtigmachten.
»Ich muss umstrukturieren«, sagte Anders Schyman leise, als sie nicht antwortete. »Ich brauche Leute direkt unter mir, auf die ich mich verlassen kann.«
Sie starrte immer noch auf ihre Hände. Seine Stimme ging über ihren Kopf hinweg, prallte von der Wand zurück und traf sie im Nacken.
»Sind Sie interessiert?«
»Nein«, erwiderte Annika.
»Ich verdopple Ihr Gehalt.«
Jetzt blickte sie auf.
»Das mit dem Geld habe ich schon mal ausprobiert«, sagte sie. »Es war bei weitem nicht so toll, wie alle behaupten.«
Der Chefredakteur erhob sich und stellte sich an die Glastür. Sein Büro war so klein, dass seine Waden beinahe Annikas Knie berührten.
»Vor einem Jahr um diese Zeit standen wir kurz vor dem Aus«, sagte er. »Wussten Sie das?«
Er warf einen Blick über die Schulter, um ihre Reaktion zu prüfen. Sie zeigte keine. Drehte nur an dem Smaragdring ihrer Großmutter auf dem linken Zeigefinger, an dem sie eine hässliche rote Narbe hatte. Sie pochte und schmerzte – besonders wenn es kalt war.
»Es ist uns gelungen, das Ruder herumzureißen«, sagte Schyman und blickte dabei ins Großraumbüro der Redaktion, das sich auf der anderen Seite der Glaswand erstreckte. »Ich glaube, dass es weitergeht, aber ich weiß nicht, wie lange ich noch bleibe.«
Er wandte sich um und sah sie an. Sie ließ den Blick an ihm vorbei in die Redaktion schweifen. »Ich will Ihren Job nicht«, sagte sie.
»Meinen Job biete ich Ihnen ja auch nicht an«, erwiderte er.
»Sondern den der Redaktionsleiterin.«
»Und Berit? Die würde das schaffen.«
»Wie kommen Sie darauf, dass sie den Job will?«
»Was ist mit Jansson? Oder Spiken?«
Er setzte sich an den Schreibtisch und seufzte.
»An Freiwilligen mangelt es nicht«, sagte er. »Aber ich brauche jemanden mit Verstand.«
Sie musste unwillkürlich lachen.
»Und da fragen Sie mich? Das sagt ja eine Menge über das Potential in dieser Redaktion.«
»Die Alternative wäre, dass Sie nach Dienstplan arbeiten. Am Schreibtisch sitzen, Zettel abtelefonieren und tun, was der Nachrichtenchef Ihnen sagt.«
Sie merkte plötzlich, wie unbequem der Stuhl war, und setzte sich anders hin, um keine Rückenschmerzen zu bekommen.
»Hat der MBL da nicht auch ein Wort mitzureden?«
»Die Gewerkschaft ist kein Problem«, versicherte er. »Glauben Sie mir.«
»Mich nach Dienstplan arbeiten zu lassen wäre doch völliger Unsinn«, wandte sie ein. »Sie wissen, dass ich viel bessere Sachen an Land ziehe, wenn ich freie Hand habe.«
Er beugte sich zu ihr vor, sie starrte auf seine Knie.
»Annika«, sagte er. »Die Personalkürzungen, die wir im Herbst ausgehandelt haben, sind umgesetzt. Wir haben keine Ressourcen mehr für Spezialreporter. Sie würden Patrik als unmittelbaren Vorgesetzten bekommen.«
Jetzt blickte sie zu ihm auf. »Sie machen Witze.« Er verschränkte die Arme.
»Wir haben das zwischen Weihnachten und Neujahr beschlossen. Als Redaktionsleiterin wären Sie seine Chefin. Sie würden ihm Anweisungen geben und ihm sagen, wo es langgeht. Wenn Sie jedoch als Reporterin nach Dienstplan arbeiten, müssen Sie tun, was er Ihnen sagt.«
»Aber ich habe ihn damals eingestellt«, protestierte Annika. »Ich kann ihn nicht als Chef über mir haben. Und wenn Sie auf Verstand Wert legen, ist Patrik wohl der Letzte, der …«
»Verstand und Urteilsvermögen müssen weiter oben in der Organisation angesiedelt sein. Auf Nachrichtenchef-Niveau brauche ich Patriks Enthusiasmus, jemanden, der immer sofort auf alles anspringt.«
Annika reckte den Hals und blickte hinüber zur geschrumpften Kriminalredaktion, wo Patrik sich die Nase am Bildschirm plattdrückte und mit abgespreizten Ellbogen etwas tippte. Sie erinnerte sich, wie es ihm gelungen war, den einzigen Kommentar des Ministerpräsidenten zu ergattern, an dem Tag, als der Wirtschaftsminister zurücktrat. Er war dem Auto des Staatsschutzes durch die ganze Stockholmer Innenstadt hinterhergelaufen und schließlich mit den Worten belohnt worden: »Haben Sie noch alle Tassen im Schrank, Sie Idiot?« Er war in die Redaktion zurückgekehrt und hatte den Vorfall wie einen Sieg dargestellt.
»Ja«, sagte sie. »Wenn Sie glühenden Eifer wollen, müssen Sie Patrik befördern.«
»Gut. Sie arbeiten also Tagschicht von Montag bis Freitag«, sagte Schyman und erhob sich. »Keine Überstunden und keine Erschwerniszuschläge. Da wir im ganzen Land die Lokalredaktionen dichtgemacht haben, können Sie jederzeit überall hingeschickt werden, auch ins Ausland. Patriks geplante Artikelserie über die Kokainküste werden Sie übernehmen, zum Beispiel. Sie können sich an den Newsdesk setzen, dann gibt Patrik Ihnen Ihre Aufgaben.«
»Dieses Schreibtischprodukt?«, sagte sie. »War das nicht nur ein Alibi, damit Patrik in den Badeurlaub fliegen kann?«
»Da irren Sie sich. Die Kokainküste ist eine exklusive Artikelserie, die Initiative geht von der Redaktionsleitung unserer Zeitung aus. Wir arbeiten mit der Polizei und mit dem Justizministerium zusammen und erhalten Zugang zu einzigartigen Informationen. Die Serie wird gemacht.«
»Was passiert mit dem Desk der Tagesreporter?«, fragte sie und blickte zu ihrem Arbeitsplatz mit Computer, Jacke, Tasche und den ganzen verstreuten Papieren.
»Wird Feature-Abteilung«, sagte Schyman und deutete auf die Planskizze zu seinen Füßen. »Wo jetzt das Polizeiressort ist, kommt die Redaktion der Kommentarseite hin.«
Sie stand auf und verließ das gläserne Büro des Chefredakteurs, ohne sich umzudrehen.
Ihr war vollkommen egal, auf welchem Stuhl sie saß oder welche Artikel sie schrieb. Ihr Mann hatte sie verlassen und die Kinder waren die Hälfte der Zeit bei ihm, ihr Haus war abgebrannt und die Versicherung wollte nicht zahlen. Sie wohnte in einem Haus der Polizeigewerkschaft, in einer Dreizimmerwohnung in der Agnegatan, die Kommissar Q auf höchst zweifelhaften Wegen organisiert hatte und aus der sie jederzeit wieder rausfliegen konnte.
Sie raffte ihre Siebensachen zusammen und balancierte alles hinüber zu einem der engen Plätze am Newsdesk. Auf dem Tisch war kaum Platz für den Laptop, also ließ sie Jacke und Tasche und alle Notizen einfach auf den Fußboden neben dem Bürostuhl fallen. Sie setzte sich, stellte den Stuhl höher, stöpselte den Laptop ans Netz und schickte eine Mail an Kommissar Q: »Ich bin in die Wohnung gezogen, hab aber noch keinen Mietvertrag gesehen. Zu Ihrer Info: Ich habe vor, die Auslieferung der Miezekatze unter die Lupe zu nehmen./A«
Jetzt hatte er was zum Nachdenken. Dann streckte sie die Hand nach einem der Telefone aus, wählte die Nummer des Ministeriums und bat, mit der Pressesprecherin des Justizministers verbunden zu werden. Die Frau meldete sich genervt, während der Wind in ihr Handy pfiff.
Annika sagte, wer sie war und wo sie arbeitete.
»Ich hätte gern einen Kommentar des Ministers zur Auslieferung einer amerikanischen Auftragsmörderin, die unter dem Namen ›das Kätzchen‹ bekannt ist«, sagte sie.
»Einer was?«, fragte die Pressesprecherin.
»Ich weiß, dass sie an die USA ausgeliefert wurde. Im Gegenzug hat Schweden den verurteilten Polizistenmörder Viktor Gabrielsson aus dem Gefängnis in New Jersey bekommen. Ich würde gern den Grund und die näheren Umstände erfahren.«
»Der Minister gibt keine Kommentare zu Fragen, die die Sicherheit des Staates betreffen.« Die Pressesprecherin versuchte, mechanisch und desinteressiert zu klingen.
»Wer hat denn was von Sicherheit des Staates gesagt?«, entgegnete Annika. »Ich möchte nur wissen, was Sie mit dem Kätzchen gemacht haben.«
»Kann ich Sie zurückrufen?«
Annika ratterte ihre Handynummer und ihre Durchwahl herunter. Als würde das Ministerium jemals zurückrufen. Vielen Dank auch. Als Nächstes wählte sie die Mobilnummer ihrer Kollegin Berit Hamrin, die sofort abnahm.
»Bist du auch degradiert worden?«, fragte Annika.
»Mit Patrik als Chef«, bestätigte Berit. Im Hintergrund war Verkehrslärm zu hören.
»Wo bist du jetzt?«
»Eben auf die E18 gefahren.«
Annika sah Patrik mit einem Stapel Zettel in der Hand auf den Newsdesk zugerauscht kommen und hielt sich den Hörer dichter an den Mund.
»Der Boss ist im Anmarsch«, flüsterte sie. »Jetzt wird’s interessant.«
...
Sie räusperte sich, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. Die Redaktionsleitung war eine große, schwere Aufgabe. Damit wäre sie die Nummer zwei in der Hierarchie der Zeitung, Schyman direkt unterstellt, Chefin über alle Unterabteilungen.
Sie würde das Kommando über die Nachrichtenchefs haben, über die Unterhaltungs- und Sportchefs und all die anderen Kleinkönige, die sich immer so gern wichtigmachten.
»Ich muss umstrukturieren«, sagte Anders Schyman leise, als sie nicht antwortete. »Ich brauche Leute direkt unter mir, auf die ich mich verlassen kann.«
Sie starrte immer noch auf ihre Hände. Seine Stimme ging über ihren Kopf hinweg, prallte von der Wand zurück und traf sie im Nacken.
»Sind Sie interessiert?«
»Nein«, erwiderte Annika.
»Ich verdopple Ihr Gehalt.«
Jetzt blickte sie auf.
»Das mit dem Geld habe ich schon mal ausprobiert«, sagte sie. »Es war bei weitem nicht so toll, wie alle behaupten.«
Der Chefredakteur erhob sich und stellte sich an die Glastür. Sein Büro war so klein, dass seine Waden beinahe Annikas Knie berührten.
»Vor einem Jahr um diese Zeit standen wir kurz vor dem Aus«, sagte er. »Wussten Sie das?«
Er warf einen Blick über die Schulter, um ihre Reaktion zu prüfen. Sie zeigte keine. Drehte nur an dem Smaragdring ihrer Großmutter auf dem linken Zeigefinger, an dem sie eine hässliche rote Narbe hatte. Sie pochte und schmerzte – besonders wenn es kalt war.
»Es ist uns gelungen, das Ruder herumzureißen«, sagte Schyman und blickte dabei ins Großraumbüro der Redaktion, das sich auf der anderen Seite der Glaswand erstreckte. »Ich glaube, dass es weitergeht, aber ich weiß nicht, wie lange ich noch bleibe.«
Er wandte sich um und sah sie an. Sie ließ den Blick an ihm vorbei in die Redaktion schweifen. »Ich will Ihren Job nicht«, sagte sie.
»Meinen Job biete ich Ihnen ja auch nicht an«, erwiderte er.
»Sondern den der Redaktionsleiterin.«
»Und Berit? Die würde das schaffen.«
»Wie kommen Sie darauf, dass sie den Job will?«
»Was ist mit Jansson? Oder Spiken?«
Er setzte sich an den Schreibtisch und seufzte.
»An Freiwilligen mangelt es nicht«, sagte er. »Aber ich brauche jemanden mit Verstand.«
Sie musste unwillkürlich lachen.
»Und da fragen Sie mich? Das sagt ja eine Menge über das Potential in dieser Redaktion.«
»Die Alternative wäre, dass Sie nach Dienstplan arbeiten. Am Schreibtisch sitzen, Zettel abtelefonieren und tun, was der Nachrichtenchef Ihnen sagt.«
Sie merkte plötzlich, wie unbequem der Stuhl war, und setzte sich anders hin, um keine Rückenschmerzen zu bekommen.
»Hat der MBL da nicht auch ein Wort mitzureden?«
»Die Gewerkschaft ist kein Problem«, versicherte er. »Glauben Sie mir.«
»Mich nach Dienstplan arbeiten zu lassen wäre doch völliger Unsinn«, wandte sie ein. »Sie wissen, dass ich viel bessere Sachen an Land ziehe, wenn ich freie Hand habe.«
Er beugte sich zu ihr vor, sie starrte auf seine Knie.
»Annika«, sagte er. »Die Personalkürzungen, die wir im Herbst ausgehandelt haben, sind umgesetzt. Wir haben keine Ressourcen mehr für Spezialreporter. Sie würden Patrik als unmittelbaren Vorgesetzten bekommen.«
Jetzt blickte sie zu ihm auf. »Sie machen Witze.« Er verschränkte die Arme.
»Wir haben das zwischen Weihnachten und Neujahr beschlossen. Als Redaktionsleiterin wären Sie seine Chefin. Sie würden ihm Anweisungen geben und ihm sagen, wo es langgeht. Wenn Sie jedoch als Reporterin nach Dienstplan arbeiten, müssen Sie tun, was er Ihnen sagt.«
»Aber ich habe ihn damals eingestellt«, protestierte Annika. »Ich kann ihn nicht als Chef über mir haben. Und wenn Sie auf Verstand Wert legen, ist Patrik wohl der Letzte, der …«
»Verstand und Urteilsvermögen müssen weiter oben in der Organisation angesiedelt sein. Auf Nachrichtenchef-Niveau brauche ich Patriks Enthusiasmus, jemanden, der immer sofort auf alles anspringt.«
Annika reckte den Hals und blickte hinüber zur geschrumpften Kriminalredaktion, wo Patrik sich die Nase am Bildschirm plattdrückte und mit abgespreizten Ellbogen etwas tippte. Sie erinnerte sich, wie es ihm gelungen war, den einzigen Kommentar des Ministerpräsidenten zu ergattern, an dem Tag, als der Wirtschaftsminister zurücktrat. Er war dem Auto des Staatsschutzes durch die ganze Stockholmer Innenstadt hinterhergelaufen und schließlich mit den Worten belohnt worden: »Haben Sie noch alle Tassen im Schrank, Sie Idiot?« Er war in die Redaktion zurückgekehrt und hatte den Vorfall wie einen Sieg dargestellt.
»Ja«, sagte sie. »Wenn Sie glühenden Eifer wollen, müssen Sie Patrik befördern.«
»Gut. Sie arbeiten also Tagschicht von Montag bis Freitag«, sagte Schyman und erhob sich. »Keine Überstunden und keine Erschwerniszuschläge. Da wir im ganzen Land die Lokalredaktionen dichtgemacht haben, können Sie jederzeit überall hingeschickt werden, auch ins Ausland. Patriks geplante Artikelserie über die Kokainküste werden Sie übernehmen, zum Beispiel. Sie können sich an den Newsdesk setzen, dann gibt Patrik Ihnen Ihre Aufgaben.«
»Dieses Schreibtischprodukt?«, sagte sie. »War das nicht nur ein Alibi, damit Patrik in den Badeurlaub fliegen kann?«
»Da irren Sie sich. Die Kokainküste ist eine exklusive Artikelserie, die Initiative geht von der Redaktionsleitung unserer Zeitung aus. Wir arbeiten mit der Polizei und mit dem Justizministerium zusammen und erhalten Zugang zu einzigartigen Informationen. Die Serie wird gemacht.«
»Was passiert mit dem Desk der Tagesreporter?«, fragte sie und blickte zu ihrem Arbeitsplatz mit Computer, Jacke, Tasche und den ganzen verstreuten Papieren.
»Wird Feature-Abteilung«, sagte Schyman und deutete auf die Planskizze zu seinen Füßen. »Wo jetzt das Polizeiressort ist, kommt die Redaktion der Kommentarseite hin.«
Sie stand auf und verließ das gläserne Büro des Chefredakteurs, ohne sich umzudrehen.
Ihr war vollkommen egal, auf welchem Stuhl sie saß oder welche Artikel sie schrieb. Ihr Mann hatte sie verlassen und die Kinder waren die Hälfte der Zeit bei ihm, ihr Haus war abgebrannt und die Versicherung wollte nicht zahlen. Sie wohnte in einem Haus der Polizeigewerkschaft, in einer Dreizimmerwohnung in der Agnegatan, die Kommissar Q auf höchst zweifelhaften Wegen organisiert hatte und aus der sie jederzeit wieder rausfliegen konnte.
Sie raffte ihre Siebensachen zusammen und balancierte alles hinüber zu einem der engen Plätze am Newsdesk. Auf dem Tisch war kaum Platz für den Laptop, also ließ sie Jacke und Tasche und alle Notizen einfach auf den Fußboden neben dem Bürostuhl fallen. Sie setzte sich, stellte den Stuhl höher, stöpselte den Laptop ans Netz und schickte eine Mail an Kommissar Q: »Ich bin in die Wohnung gezogen, hab aber noch keinen Mietvertrag gesehen. Zu Ihrer Info: Ich habe vor, die Auslieferung der Miezekatze unter die Lupe zu nehmen./A«
Jetzt hatte er was zum Nachdenken. Dann streckte sie die Hand nach einem der Telefone aus, wählte die Nummer des Ministeriums und bat, mit der Pressesprecherin des Justizministers verbunden zu werden. Die Frau meldete sich genervt, während der Wind in ihr Handy pfiff.
Annika sagte, wer sie war und wo sie arbeitete.
»Ich hätte gern einen Kommentar des Ministers zur Auslieferung einer amerikanischen Auftragsmörderin, die unter dem Namen ›das Kätzchen‹ bekannt ist«, sagte sie.
»Einer was?«, fragte die Pressesprecherin.
»Ich weiß, dass sie an die USA ausgeliefert wurde. Im Gegenzug hat Schweden den verurteilten Polizistenmörder Viktor Gabrielsson aus dem Gefängnis in New Jersey bekommen. Ich würde gern den Grund und die näheren Umstände erfahren.«
»Der Minister gibt keine Kommentare zu Fragen, die die Sicherheit des Staates betreffen.« Die Pressesprecherin versuchte, mechanisch und desinteressiert zu klingen.
»Wer hat denn was von Sicherheit des Staates gesagt?«, entgegnete Annika. »Ich möchte nur wissen, was Sie mit dem Kätzchen gemacht haben.«
»Kann ich Sie zurückrufen?«
Annika ratterte ihre Handynummer und ihre Durchwahl herunter. Als würde das Ministerium jemals zurückrufen. Vielen Dank auch. Als Nächstes wählte sie die Mobilnummer ihrer Kollegin Berit Hamrin, die sofort abnahm.
»Bist du auch degradiert worden?«, fragte Annika.
»Mit Patrik als Chef«, bestätigte Berit. Im Hintergrund war Verkehrslärm zu hören.
»Wo bist du jetzt?«
»Eben auf die E18 gefahren.«
Annika sah Patrik mit einem Stapel Zettel in der Hand auf den Newsdesk zugerauscht kommen und hielt sich den Hörer dichter an den Mund.
»Der Boss ist im Anmarsch«, flüsterte sie. »Jetzt wird’s interessant.«
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Autoren-Porträt von Liza Marklund
Die Bestsellerautorin Liza Marklund, Jahrgang 1962, stammt aus Nordschweden. Bevor sie die Schriftstellerei zum Beruf machte, hat sie als Journalistin für verschiedene Zeitungen und Fernsehsender gearbeitet. Ihre preisgekrönten Romane machten sie innerhalb kürzester Zeit zum gefeierten Star. Liza Marklund lebt mit ihrer Familie in Stockholm.Dagmar Lendt ist Skandinavistin und übersetzt aus dem Norwegischen, Schwedischen und Dänischen. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Liza Marklund
- 2009, 517 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Anne Bubenzer, Dagmar Lendt
- Verlag: Ullstein HC
- ISBN-10: 3550087519
- ISBN-13: 9783550087516
Rezension zu „Kalter Süden “
»Ich gehöre definitiv zu ihrer stetig größer werdenden Fangemeinde.« Karin Slaughter »Liza Marklunds Kriminalromane sind exzellent komponiert und geschrieben, atemberaubend und spannend, von der ersten bis zur letzten Seite.« Kathy Reichs »Mit der Journalistin Annika Bengtzon hat Marklund eine originelle, sympathische und überaus irdische Heldin geschaffen.« Der Spiegel Interview mit Liza Marklund in Brigitte Woman »Konsequente, schnörkellose Spannung.« Kurier, 12.07.09, Peter Pisa »Wieder einmal ist Liza Marklund in Kalter Süden ein spannender Krimi und gleichzeitig in bester schwedischer Krimiautoren-Tradition auch eine interessante Milieuschilderung gelungen.« Oberhessische Presse, 07.08.09, Manfred Hitzeroth »Im achten Bengtzon-Krimi zeigt Liza Marklunf, dass ihr Mankells Fußstapfen nicht zu groß sind.« TV Spielfilm, 2009/17 »Marklund ist ein Profi der Recherchekunst. Ihre trickreich erzählten Ereignisse basieren stets auf reichem Faktenmaterial. Zusammen mit einer Vielzahl fiktionaler Elemente konstruiert sie im Roman Kalten Süden so erneut ein spannungsreiches Erzählgebäude.« Deutschlandradio, 13.08.09, Carola Wiemers »Auch diesmal hat Marklund füer ihre spannende Story aufwändig recherchiert. Für viele ist das einstige Fräuleinwunder der schwedischen Krimszene ohnehin legitime Erbin von Henning Mankell. Denn auch ihre Krimis leuchten knallhart die Abgründe der besseren Gesellschaft aus.« HR1, 05.08.09, Stefan Spang »Wieder ein guter, spannender und illusionsloser Roman« Berliner Morgenpost, 14.08.09, Kerstin Strecker »Solider Krimistoff, der auch etwas anspruchsvollere Leser zufriedenstellt.« dpa, 07.08.09 »Sie sorgt mit der komplexen Geschichte für zahlreiche Aha-Effekte, hält die Leser geschickt bei der Stange und lässt die verschiedenen Stränge souverän zusammenlaufen.« Oberhessische Presse, 07.08.09, Brigitte E. Hengels »Eine spannende
... mehr
Geschichte voller Überraschungen und jäher Wendungen, die den Leser in Atem halten und seine Kombinationsgabe fordern. Aufschlussreich, nah an der Realität, mit plastischen Figuren und einer verletzlichen, sturen, intelligenten und sehr glaubwürdigen Heldin.« Leipziger Volkszeitung, 14.08.09, Bernd Locker »Marklund in guter Form« Neue Presse, 01.09.09 »Beste Krimiunterhaltung« Westfalenpost, 31.08.09, Andreas Thiemann »Packender Thriller« SonntagsZeitung, 11.10.09
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Kommentar zu "Kalter Süden"
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