Der Feuerthron / Kane-Chroniken Bd.2
Nach dem Sieg über den finsteren ägyptischen Gott Seth widmen sich Carter und Sadie Kane ganz der Ausbildung von Nachwuchs-Magiern. Doch dann erhebt sich die Chaos-Schlange Apophis und strebt nach der Weltherrschaft.
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Produktinformationen zu „Der Feuerthron / Kane-Chroniken Bd.2 “
Nach dem Sieg über den finsteren ägyptischen Gott Seth widmen sich Carter und Sadie Kane ganz der Ausbildung von Nachwuchs-Magiern. Doch dann erhebt sich die Chaos-Schlange Apophis und strebt nach der Weltherrschaft.
Klappentext zu „Der Feuerthron / Kane-Chroniken Bd.2 “
Der finstere ägyptische Gott Seth ist besiegt! Carter und Sadie Kane könnten sich also ganz ihrer neuen Aufgabe widmen: der Ausbildung von Nachwuchs-Magiern. Doch schon wieder kommt etwas dazwischen. Die Chaos-Schlange Apophis erhebt sich und strebt nach der Weltherrschaft. Der Einzige, der sie zurückschlagen könnte, ist der Sonnengott Re. Sadie und Carter müssen ihn unbedingt auf ihre Seite bringen. Allerdings wirkt der Gott etwas - nun ja - unmotiviert. Um ihn aus seiner Lethargie zu wecken, brauchen die Kane-Geschwister mehr als ihre magischen Kräfte. Die ganze Serie über die Kane-Geschwister:Die Kane-Chroniken - Die rote Pyramide (Band 1)
Die Kane-Chroniken - Der Feuerthron (Band 2)
Die Kane-Chroniken - Der Schatten der Schlange (Band 3)
Percy Jackson - Auf Monsterjagd mit den Geschwistern Kane (Sonderband)
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Die Kane-Chroniken: Der Feuerthron von RICK RIORDANCARTER
1. FEUERSPIELCHEN
Carter hier.
Also, wir haben keine Zeit für lange Erklärungen. Wenn ich diese Geschichte nicht schnell erzähle, überlebt das keiner von uns.
Falls ihr unsere erste Aufnahme nicht gehört habt, dann ... hier die Kurzfassung: Die ägyptischen Götter marodieren ungehindert durch die moderne Welt; ein Haufen Magier, der sich Lebenshaus nennt, versucht sie aufzuhalten; alle hassen Sadie und mich; und eine große Schlange wird jeden Moment die Sonne verschlucken und die Welt zerstören.
[Autsch! Wofür war das denn schon wieder?]
Sadie hat mich gerade geboxt. Sie meint, ich mache euch zu viel Angst. Ich solle weiter ausholen, mich wieder einkriegen und von Anfang an erzählen.
Von mir aus. Ich finde trotzdem, ihr habt allen Grund, Angst zu haben.
Wir machen diese Aufnahme, damit ihr erfahrt, was wirklich los ist und wie es dazu kam, dass einiges schiefgelaufen ist. Ein Haufen Leute wird euch dummes Zeug über uns erzählen, aber wir haben diese Todesfälle wirklich nicht verursacht. Und was die Schlange anbelangt, das war auch nicht unsere Schuld. Na ja ... jedenfalls nicht ausschließlich. Sämtliche Magier der Welt müssen sich vereinigen. Es ist unsere einzige Chance. Jetzt kommt also die Geschichte. Entscheidet selbst. Es fing damit an, dass wir Brooklyn angezündet haben.
... mehr
Eigentlich war die Aufgabe nicht besonders schwierig: ins Brooklyn Museum schleichen, ein bestimmtes ägyptisches Artefakt ausborgen und unerkannt verschwinden.
Nein, das hatte nichts mit Diebstahl zu tun. Wir hätten das Artefakt ja bei Gelegenheit wieder zurückgebracht. Aber vermutlich sahen wir verdächtig aus: vier Jugendliche in schwarzen Ninja-Klamotten auf dem Dach des Museums. Ach, und der Pavian, ebenfalls als Ninja ausstaffiert. Eindeutig verdächtig.
Als Erstes gaben wir unseren Auszubildenden Jaz und Walt den Auftrag, das Seitenfenster zu öffnen; in der Zwischenzeit inspizierten Cheops, Sadie und ich die große Glaskuppel in der Mitte des Dachs, durch die wir den Rückzug geplant hatten.
Unsere Rückzugsstrategie erwies sich allerdings als problematisch.
Es war lange nach Einbruch der Dunkelheit und das Museum hätte eigentlich geschlossen sein sollen. Stattdessen war die Glaskuppel hell erleuchtet. Im Museum, zwölf Meter unter uns, plauderten und tanzten Hunderte von Leuten in Fräcken und Abendkleidern in einem Ballsaal, der so groß wie ein Flugzeughangar war. Ein Orchester spielte, aber ich konnte die Musik nicht hören, weil mir der Wind in den Ohren heulte und meine Zähne klapperten. Mir war eiskalt in meinem Leinenschlafanzug.
Weil es die Zauberfähigkeiten nicht beeinträchtigt, sollen Magier Leinen tragen. Das mag ja in der ägyptischen Wüste, wo es so gut wie nie kalt ist oder regnet, eine lange Tradition haben. In Brooklyn, im März - ist das etwas anderes.
Meiner Schwester Sadie schien die Kälte nichts auszumachen. Sie öffnete die Verankerungen der Kuppel und summte dabei ein Lied von ihrem iPod mit. Also, mal ehrlich - wer bringt bei einem Museumseinbruch schon seine eigene Musik mit?
Ihre Kleider ähnelten meinen, allerdings trug sie Springerstiefel dazu. Sie hatte rote Strähnchen in ihren blonden Haaren - wirklich ausgesprochen dezent für eine geheime Mission. Mit ihren blauen Augen und der hellen Haut sieht sie mir überhaupt nicht ähnlich, worüber wir beide ganz froh sind. Schließlich ist es praktisch, wenn ich leugnen kann, dass das durchgeknallte Mädchen neben mir meine Schwester ist.
»Du hast behauptet, im Museum wäre niemand«, beschwerte ich mich.
Sadie hörte mich erst, als ich ihr die Ohrstöpsel herauszog und alles noch mal wiederholte.
»Na ja, eigentlich sollte auch niemand hier sein.« Sie wird es nicht gern hören, aber nach drei Monaten in den USA verliert sie allmählich ihren britischen Akzent. »Im Internet steht, dass das Museum um fünf schließt. Wie soll ich ahnen, dass hier eine Hochzeit stattfindet?«
Eine Hochzeit? Nach einem Blick in die Tiefe musste ich Sadie Recht geben. Ein paar der Damen trugen apricotfarbene Brautjungfernkleider und auf einem der Tische thronte eine gewaltige mehrstöckige weiße Torte. Zwei chaotische Gästegruppen hatten die Braut und den Bräutigam auf Stühle gesetzt und trugen sie unter dem Johlen und Klatschen ihrer Freunde durch den Saal. Die ganze Aktion sah aus, als müsse es jeden Moment zu einer Möbelkarambolage kommen.
Cheops klopfte gegen die Glaskuppel. Selbst in seinen schwarzen Kleidern war er mit seinem goldenen Fell in der Dunkelheit deutlich zu erkennen, von seiner regenbogenfarbenen Schnauze und dem Hinterteil ganz zu schweigen.
»Agh!«, grunzte er.
Da er ein Pavian ist, konnte das von »Hey, da unten gibt's was zu fressen« bis zu »Die Scheibe ist dreckig« bis zu »Mann, diese Leute ziehen echt eine bescheuerte Nummer mit den Stühlen ab« alles Mögliche heißen.
»Cheops hat Recht. Wir werden ein Problem haben, uns durch die Party hinauszuschleichen«, interpretierte Sadie sein Grunzen. »Vielleicht wenn wir so tun, als wären wir Techniker -«
»Klar doch«, unterbrach ich sie. »Entschuldigen Sie bitte. Vier Jugendliche schleppen gleich eine Drei-Tonnen-Statue hier raus. Sie lassen sie bloß mal eben durchs Dach davonschweben. Kein Anlass zur Sorge.«
Sadie verdrehte die Augen. Sie nahm ihr Zaubermesser - ein gebogenes Stück Elfenbein mit eingemeißelten Abbildungen von Ungeheuern - und deutete damit auf den Kuppelrand. Eine goldene Hieroglyphe leuchtete auf und das letzte Vorhängeschloss öffnete sich mit einem Klicken.
»Ach, wenn wir das gar nicht als Ausgang benutzen«, sagte sie, »wozu öffne ich das Schloss überhaupt? Können wir nicht einfach auf demselben Weg rausgehen, auf dem wir reingekommen sind - durch das Seitenfenster?«
»Das hab ich dir doch schon erklärt. Die Statue ist riesengroß. Sie passt nicht durch das Seitenfenster. Außerdem, die Fallen -«
»Und wenn wir es morgen Abend noch mal probieren?«, fragte sie.
Ich schüttelte den Kopf. »Morgen wird alles in Kisten verpackt und dann für eine andere Ausstellung verschifft.«
Sie musterte mich auf ihre übliche nervige Art mit hochgezogenen Augenbrauen. »Wenn uns jemand vielleicht mal früher Bescheid gesagt hätte, dass wir diese Statue klauen müssen -«
»Ja, ja, wenn.« Mir war klar, in welche Richtung sich diese Diskussion entwickeln würde, und es brachte nichts, wenn Sadie und ich uns die ganze Nacht auf dem Dach stritten. Sie hatte natürlich Recht. Es war wirklich kurzfristig gewesen. Aber, hallo - meine Quellen waren nicht gerade der Ausbund an Verlässlichkeit. Nachdem ich wochenlang um Hilfe gebettelt hatte, gab mir mein Kumpel, der Falkenkriegergott Horus, im Traum einen Tipp: Ach, übrigens, dieses Artefakt, hinter dem du her bist? Das möglicherweise den Schüssel zur Rettung der Welt enthält? Das steht seit dreißig Jahren die Straße runter in Brooklyn, aber morgen wird es nach Europa verschickt, also spute dich lieber! Du hast fünf Tage, um herauszufinden, wie du es einsetzen musst, oder wir sind alle dem Untergang geweiht. Viel Glück!
Am liebsten hätte ich ihn angebrüllt, warum er mir das nicht früher verraten hatte, allerdings hätte das nichts geändert, denn Götter reden nur, wenn ihnen danach ist. Das Zeitkonzept der Sterblichen ist nicht so ihr Ding. Nachdem Horus sich ein paar Monate meinen Kopf mit mir geteilt hatte, habe ich das kapiert. Ich hatte immer noch ein paar seiner asozialen Eigenschaften - zum Beispiel das gelegentliche Bedürfnis, kleine pelzige Nagetiere zu jagen oder Leute bis auf den Tod herauszufordern.
»Wir halten uns einfach an unseren Plan«, sagte Sadie. »Steigen durch das Seitenfenster ein, suchen die Statue und lassen sie durch den Ballsaal nach draußen schweben. Wenn wir so weit sind, fällt uns schon was für die Hochzeitsgesellschaft ein. Vielleicht denken wir uns ein kleines Ablenkungsmanöver aus.«
Ich runzelte die Stirn. »Ein Ablenkungsmanöver?«
»Carter, du machst dir zu viele Gedanken«, sagte sie. »Es wird genial. Oder hast du vielleicht eine andere Idee?«
Das Problem war - ich hatte keine.
Man sollte glauben, Zauberkräfte würden alles leichter machen. Aber im Gegenteil. Wenn man sie einsetzt, wird normalerweise alles nur noch komplizierter. Es gibt immer tausend Gründe, warum dieser oder jener Zauberspruch in bestimmten Situationen nicht funktioniert. Und ständig gibt es andere Zauber, die einem einen Strich durch die Rechnung machen - so wie der Schutzzauber, der auf diesem Museum lag.
Wir waren uns nicht sicher, wer es mit einem Bann belegt hatte. Vielleicht war einer der Museumsangestellten ein verdeckter Magier, das wäre ja nichts Ungewöhnliches. Unser Vater hatte seinen Doktortitel in Ägyptologie schließlich auch als Tarnung benutzt, um Zugang zu bestimmten Artefakten zu bekommen. Das Brooklyn Museum besaß außerdem die weltweit größte Sammlung ägyptischer Schriftrollen mit Zaubersprüchen. Ihretwegen hatte unser Onkel Amos sein Hauptquartier in Brooklyn aufgeschlagen. Ein Haufen Magier konnte Gründe haben, die Schätze des Museums zu bewachen oder mit Zaubern zu präparieren.
Was auch immer davon zutraf, jede einzelne Tür und jedes Fenster war mit einem ziemlich fiesen Fluch gesichert. Wir konnten weder ein magisches Portal öffnen, um in die Ausstellungsräume zu gelangen, noch unsere Such-Q089#.+-0& einsetzen - die magischen Tonstatuen, die uns in unserer Bibliothek bedienten -, um uns das benötigte Artefakt bringen zu lassen.
Sowohl hinein als hinaus blieb uns nur der direkte Weg, und falls uns ein Fehler unterlief, war nicht abzusehen, welche Art Fluch wir freisetzen würden: Wächter-Ungeheuer, Seuchen, Feuersbrünste, explodierende Esel (ohne Quatsch; die sind richtig mies).
Der einzige Ausgang ohne Falle war die Kuppel über dem Ballsaal. Anscheinend hatten sich die Museumsobersten keine Sorgen gemacht, dass Diebe Artefakte durch eine zwölf Meter hohe Öffnung hinausschweben lassen könnten. Aber vielleicht hatte die Kuppel ja auch einen Haken und wir hatten ihn bloß noch nicht entdeckt, weil er zu gut getarnt war.
So oder so, wir mussten es versuchen. Wir hatten nur diese Nacht, um das Artefakt zu stehlen - Pardon, auszuleihen. Danach blieben uns fünf Tage, um herauszufinden, wie wir es einsetzen mussten. Deadlines sind echt das Größte.
»Also, wir ziehen das wie geplant durch und improvisieren? «, wollte Sadie wissen.
Ich sah zu der Hochzeitsgesellschaft hinunter und hoffte, wir würden ihnen ihre große Nacht nicht verderben. »Bleibt uns wohl nichts anderes übrig.«
»Bezaubernd«, erwiderte Sadie. »Cheops, du wartest hier und hältst Wache. Wenn du uns kommen siehst, öffnest du die Kuppel, okay?«
»Agh!«, lautete die Antwort des Pavians.
Mir stellten sich die Nackenhaare hoch. Irgendwas sagte mir, dass dieser Raubzug kein Spaziergang würde.
»Los, komm«, befahl ich Sadie. »Mal schauen, wie es bei Jaz und Walt läuft.«
Wir ließen uns zum Fenstersims im dritten Stock herunter, dort war die Ägyptische Sammlung untergebracht.
Jaz und Walt hatten ihre Aufgabe vorbildlich erledigt und vier Statuen der Söhne des Horus mit Klebeband an den Fensterrahmen befestigt und Hieroglyphen auf die Scheiben gemalt, um den Flüchen und der Alarmanlage der Sterblichen entgegenzuwirken.
Als Sadie und ich neben ihnen auf dem Sims landeten, schienen sie in eine ernsthafte Unterhaltung vertieft zu sein. Jaz hielt Walts Hände. Das überraschte mich, Sadie allerdings noch mehr. Das Quieken, das sie von sich gab, klang, als wäre jemand auf eine Maus getreten.
[Und wie du gequiekt hast. Ich war schließlich dabei.]
Warum reagierte Sadie so zickig? Na ja, kurz nach Neujahr, nachdem Sadie und ich unser Djed-Amulett als Signal ausgelegt hatten, um andere Jugendliche mit magischen Fähigkeiten in unsere Zentrale zu locken, waren Jaz und Walt die Ersten gewesen, die sich gemeldet hatten. Sie waren seit sieben Wochen bei uns im Training, länger als alle anderen Auszubildenden, deshalb kannten wir sie mittlerweile ganz gut.
Jaz war eine Cheerleaderin aus Nashville. Der Name ist eine Kurzform von Jasmin, aber falls ihr nicht in einen
RICK RIORDAN Die Kane-Chroniken: Der Feuerthron
Busch verwandelt werden wollt, nennt sie bloß nie so. Auf diese blonde Cheerleader-Art war sie ganz hübsch, allerdings nicht mein Typ - doch man musste sie einfach mögen, weil sie immer nett zu allen war und immer hilfsbereit. Sie hatte auch ein Talent für Heilmagie, deshalb war sie genau die Richtige, falls bei diesem Einsatz etwas schiefgehen sollte, und das ist bei Sadie und mir in neunundneunzig Prozent aller Fälle so.
In dieser Nacht hatte Jaz ihre Haare mit einem schwarzen Kopfuch bedeckt. Über ihre Schulter hing ihre Zaubertasche, auf der das Symbol der Löwengöttin Sachmet prangte.
Genau in dem Moment, als sie zu Walt sagte: »Uns fällt etwas ein«, landeten Sadie und ich neben ihnen.
Walt wirkte peinlich berührt.
Er war ... tja, wie soll ich Walt am besten beschreiben?
[Nein danke, Sadie. Ich werde ihn nicht als megaheiß bezeichnen. Warte, bis du dran bist.]
Walt ist vierzehn, genau wie ich, aber er ist groß genug, um für die Elitemannschaften am College ausgewählt zu werden. Er hatte den richtigen Körperbau dafür - schmal und muskulös - und die Füße von dem Kerl waren gigantisch. Seine Haut hatte das Braun von Kaffeebohnen, ein bisschen dunkler als meine, und seine Haare waren so raspelkurz geschnitten, dass sie eher wie ein Schatten auf seinem Kopf wirkten. Trotz der Kälte trug er ein schwarzes ärmelloses Shirt und Trainingshosen - nicht gerade die Standardaufmachung für einen Magier. Doch bei Walt gab es darüber keine Diskussionen. Er war der erste Auszubildende, der zu uns gekommen war - den ganzen Weg von Seattle -, und er war ein geborener 7(1 - so nannte man die
KINDERBUCH
Amulettmacher im alten Ägypten. Um seinen Hals hingen ein Haufen goldene Ketten mit magischen Amuletten, die er selbst angefertigt hatte.
Ich war mir jedenfalls ziemlich sicher, dass Sadie eifersüchtig auf Jaz war und Walt anhimmelte, auch wenn sie sich lieber die Zunge abbeißen würde, als das zuzugeben. Schließlich hatte sie die letzten paar Monate damit zugebracht, wegen eines anderen Typen, in den sie sich verknallt hatte - genaugenommen war es ein Gott -, vor sich hinzuschmachten.
[Ist ja gut, Sadie. Ich belass es erst mal dabei. Aber mir fällt auf, dass du es nicht leugnest.]
Als wir ihre Unterhaltung unterbrachen, ließ Walt blitzschnell die Hand von Jaz los und trat einen Schritt zurück. Sadies Blick wanderte zwischen den beiden hin und her, sie versuchte herauszufinden, was Sache war.
Walt räusperte sich. »Alles ist vorbereitet.«
»Super.« Sadie sah zu Jaz. »Was hast du damit gemeint: ›Uns fällt was ein‹?«
Jaz riss wie ein nach Luft schnappender Fisch den Mund auf.
Walt antwortete an ihrer Stelle: »Weißt du doch. Die Sonnenlitanei. Irgendwann fällt uns was dazu ein.«
»Genau!«, stimmte Jaz zu. »Die Sonnenlitanei.«
Es war offensichtlich, dass sie logen, aber wahrscheinlich ging es mich nichts an, wenn sie sich mochten. Wir hatten keine Zeit für irgendwelche Dramen.
»Okay«, sagte ich, bevor Sadie nachhaken konnte. »Der Spaß kann losgehen.«
Das Fenster ließ sich leicht öffnen. Keine magischen Explosionen. Keine Alarmglocke. Mit einem Seufzer der
RICK RIORDAN Die Kane-Chroniken: Der Feuerthron
Erleichterung kletterte ich in den Ägyptischen Flügel. Vielleicht hatten wir ja ausnahmsweise mal Glück?
Die ägyptischen Artefakte riefen alle möglichen Erinnerungen wach. Bis vor einem Jahr war ich die meiste Zeit meines Lebens mit Dad, der von Museum zu Museum zog und Vorträge über das alte Ägypten hielt, um die Welt gereist. Das war, bevor ich herausfand, dass er eigentlich ein Magier war - bevor er eine Horde Götter freisetzte und unsere Leben kompliziert wurden.
Nun konnte ich mir keine ägyptischen Kunstwerke mehr ansehen, ohne einen persönlichen Bezug dazu zu empfinden. Mich schauderte, als wir an einer Horusstatue vorbeigingen - das ist der falkenköpfige Gott, der mich letztes Weihnachten als Gastkörper benutzt hat. Wir liefen an einem Sarkophag vorbei und ich musste daran denken, wie der bösartige Gott Seth unseren Vater im British Museum in einen goldenen Sarg gesperrt hatte. Überall gab es Bilder von Osiris, dem Totengott mit der blauen Haut, und ich dachte daran, wie sich mein Vater geopfert hatte, um Osiris' neuer Gastkörper zu werden. Im Augenblick war unser Vater der König der Unterwelt, irgendwo in den magischen Gefilden der Duat. Ich kann überhaupt nicht beschreiben, was für ein komisches Gefühl es war, ein fünftausend Jahre altes Bild irgendeines blauen ägyptischen Gottes zu sehen und zu denken: »Ja, das ist mein Vater.«
Sämtliche Artefakte kamen mir wie Familienandenken vor: ein Zaubermesser, das dem von Sadie glich; ein Bild der Serpoparden, die uns einmal angegriffen hatten; eine Seite aus dem Totenbuch mit dem Bild von Dämonen, die wir schon mal getroffen hatten. Dann gab es noch die Q089#.+-0, magische Statuetten, die zum Leben erwachen sollen, wenn man sie herbeiruft. Vor ein paar Monaten hatte ich mich in ein Mädchen namens Zia Rashid verliebt, die sich als Uschebti entpuppte.
Sich das erste Mal zu verlieben, war hart genug gewesen. Doch wenn sich herausstellt, dass das Mädchen, in das du verknallt bist, aus Ton ist und vor deinen Augen in Stücke bricht - tja, dann gewinnt der Ausdruck »Das bricht mir das Herz« noch mal eine ganz neue Bedeutung.
Wir durchquerten den ersten Saal und gingen unter einem ägyptisch anmutenden Deckengemälde hindurch, das die Sternzeichen darstellte. Ich hörte die Feier im großen Ballsaal, der am Ende des Gangs rechts lag. Musik und Gelächter hallten durch das Gebäude. Im zweiten Ägyptischen Saal blieben wir vor einem Steinfries von der Größe eines Garagentors stehen. In den Stein war das Bild eines Ungeheuers gemeißelt, das auf ein paar Menschen herumtrampelte.
»Ist das ein Greif?«, fragte Jaz.
Ich nickte. »Die ägyptische Version davon, ja.«
Das Tier hatte den Körper eines Löwen und den Kopf eines Falken, doch die Flügel waren anders als bei den üblichen Greifendarstellungen. Statt Vogelflügeln hatte das Monster Flügel, die mitten auf dem Rücken saßen - lang, horizontal und borstig, wie ein paar auf den Kopf gestellte Stahlbürsten. Falls das Ungeheuer mit diesen Flügeln überhaupt fliegen konnte, mussten sie sich wie Schmetterlingsflügel bewegen. Der Fries war einmal farbig gewesen. Auf dem Fell der Kreatur waren noch rote und goldene Flecken zu erkennen; doch selbst ohne Farbe wirkte der Greif gespenstisch lebensecht. Seine Knopfaugen schienen mir zu folgen.
»Greife waren Beschützer«, sagte ich und erinnerte mich an etwas, das Dad mir einmal erzählt hatte. »Sie bewachten Schätze und so was.«
»Toll«, meinte Sadie. »Soll das heißen, sie griffen ... ähm, zum Beispiel Diebe an, die in Museen einbrachen und Artefakte klauten?«
»Es ist bloß ein Fries«, erwiderte ich. Aber ich bezweifle, dass sich nach dieser Erklärung irgendjemand besser fühlte. Die ganze ägyptische Magie dreht sich schließlich darum, dass Worte und Bilder sich in etwas Reales verwandeln.
»Da drüben.« Walt deutete in die Mitte des Saals.
Wir machten einen großen Bogen um den Greif und gingen auf die Statue zu, die dort stand.
Der Gott war ungefähr zweieinhalb Meter groß. Er war aus schwarzem Stein gemeißelt und typisch ägyptisch gekleidet: nackter Oberkörper, Schurz und Sandalen. Er hatte das Gesicht eines Widders und Hörner, von denen im Lauf der Jahrhunderte Stücke abgebrochen waren. Auf seinem Kopf saß eine frisbeeförmige Krone - eine Sonnenscheibe, aus Schlangen geflochten. Vor ihm stand eine wesentlich kleinere menschliche Figur. Die Gottheit hielt die Hände über den Kopf des kleinen Kerls, als wolle sie ihn segnen.
Sadie musterte mit zusammengekniffenen Augen die Hieroglypheninschrift. Seit sie der Gastkörper für den Geist von Isis, der Göttin der Magie, gewesen war, konnte Sadie verblüffenderweise Hieroglyphen entziffern.
»CNM«, las sie. »Das würde man vermutlich Chnum aussprechen. Reimt sich auf Ka-wumm?«
»Ja«, stimmte ich zu. »Das ist die Statue, die wir brauchen. Laut Horus birgt sie das Geheimnis, wie man die Sonnenlitanei findet.«
Leider hatte Horus das nicht genauer ausgeführt. Als wir so vor der Statue standen, war mir schleierhaft, wie sie uns helfen sollte. Ich betrachtete die Hieroglyphen und hoffte auf einen Hinweis.
»Wer ist der Knirps, der vor ihm steht?«, fragte Walt. »Ein Kind?«
Jaz schnipste mit den Fingern. »Nein, ich erinnere mich! Chnum erschuf auf der Töpferscheibe Menschen. Ich wette, genau das macht er hier - einen Menschen aus Ton formen.«
Sie sah nach Bestätigung heischend zu mir. Die Wahrheit war, ich konnte mich nicht an diese Geschichte erinnern. Sadie und ich sollten zwar die Lehrer sein, Jaz wusste jedoch oft mehr Einzelheiten als ich.
»Ja, stimmt«, erwiderte ich. »Menschen aus Ton. Genau.«
Sadie betrachtete stirnrunzelnd Chnums Widderkopf. »Sieht ein bisschen aus wie diese alte Comicfigur ... Bullwinkle, oder? Könnte der Elchgott sein.«
»Er ist nicht der Elchgott«, sagte ich.
»Aber wenn wir nach der Sonnenlitanei suchen«, fuhr sie fort, »und Re ist der Sonnengott, warum suchen wir dann nach einem Elch?«
Sadie kann einem echt auf die Nerven gehen.
»Chnum war eine der Erscheinungsformen des Sonnengottes «, erklärte ich. »Re hatte drei verschiedene Persönlichkeiten. Morgens war er Chepre, der Skarabäusgott; tagsüber Re; und bei Sonnenuntergang, wenn er in die Unterwelt eintauchte, war er Chnum, der widderköpfige Gott.«
»Ganz schön verwirrend«, sagte Jaz.
»Eigentlich nicht«, erwiderte Sadie. »Carter hat auch verschiedene Persönlichkeiten. Bei ihm reicht das Spektrum von morgens Zombie bis nachmittags fauler Sack bis zu -«
»Sadie«, unterbrach ich sie, »halt die Klappe.«
Walt kratzte sich am Kinn. »Ich finde, Sadie hat Recht. Es ist ein Elch.«
»Danke«, sagte Sadie.
Walt grinste sie widerwillig an, doch er wirkte immer noch abwesend, irgendetwas anderes schien ihn zu beschäftigen. Ich ertappte Jaz dabei, wie sie ihn mit besorgtem Gesichtsausdruck musterte, und fragte mich, worüber sie vorher geredet hatten.
»Schluss jetzt mit der Elchdiskussion«, erklärte ich. »Wir müssen diese Statue ins Brooklyn House schaffen. Sie enthält irgendeinen Hinweis -«
»Aber wie finden wir den?«, fragte Walt. »Du hast uns übrigens immer noch nicht erklärt, warum wir unbedingt diese Sonnenlitanei brauchen.«
Ich zögerte. Es gab eine Menge, was wir unseren Auszubildenden noch nicht erzählt hatten, nicht mal Walt und Jaz
- zum Beispiel, dass vielleicht in fünf Tagen die Welt unterging. So was lenkt nur von der Ausbildung ab. »Ich erkläre es euch, wenn wir wieder zu Hause sind«, versprach ich. »Jetzt sollten wir uns darum kümmern, diese Statue von hier wegzukriegen.«
Jaz runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht, dass sie in meine Handtasche passt.« »Ach, keine Angst«, erwiderte Sadie. »Wir belegen die Statue mit einem Schwebezauber. Wir zetteln irgendein Riesenablenkungsmanöver an, um den Ballsaal leer zu bekommen -«
»Warte mal.« Walt beugte sich vor und untersuchte die kleinere menschliche Gestalt. Der kleine Kerl lächelte, als wäre es ein Riesenspaß, aus Ton hergestellt zu werden. »Er trägt ein Amulett. Einen Skarabäus.«
»Das ist ein weitverbreitetes Symbol«, sagte ich.
»Schon klar ...« Walt tastete die Amulettsammlung um seinen Hals ab. »Aber der Skarabäus ist ein Symbol der Wiedergeburt Res, oder? Und diese Statue zeigt Chnum, wie er ein neues Leben erschafft. Vielleicht brauchen wir nicht die ganze Statue. Vielleicht ist der Hinweis -«
»Ah!« Sadie zog ihr Zaubermesser heraus. »Genial.«
Ich wollte noch rufen: »Sadie, nein!«, aber das wäre natürlich sinnlos gewesen. Sadie hört sowieso nie auf mich.
Sie berührte das Amulett des kleinen Typen. Chnums Hände leuchteten. Der Kopf der kleineren Statue klappte wie die Spitze eines Raketensilos auf, in seinem Hals steckte eine vergilbte Papyrusrolle.
»Voilà«, verkündete Sadie stolz.
Sie schob das Zaubermesser in ihre Tasche und schnappte sich die Rolle genau in dem Moment, als ich rief: »Vielleicht ist es eine Falle!«
Wie ich schon sagte, sie hört nie auf mich.
In dem Moment, in dem sie die Rolle aus der Statue zog, rumpelte der gesamte Raum. Auf den Glasvitrinen zeigten sich Risse.
Als sich die Schriftrolle in ihrer Hand entzündete, schrie Sadie auf. Die Flammen verbrannten allerdings weder den Papyrus noch verletzten sie Sadie; doch als sie versuchte, das Feuer abzuschütteln, sprangen geisterhafte weiße Flammen auf die nächste Vitrine über und rasten durch den Raum, als folgten sie einer Benzinspur. Das Feuer kroch über die Fenster, auf denen sich weiße Hieroglyphen entzündeten, die möglicherweise Tausende von Schutzwächtern und -zaubern herbeiriefen. Anschließend züngelte das Geisterfeuer über den großen Fries am Eingang des Saals. Die Steinplatte erbebte heftig. Ich konnte die eingemeißelten Bilder auf der Rückseite zwar nicht sehen, aber ich hörte ein lautes Krächzen - es klang wie ein richtig großer, richtig wütender Papagei.
Walt ergriff seinen Zauberstab, der ihm über den Rücken hing. Sadie fuchtelte mit der brennenden Rolle herum, als klebe sie an ihrer Hand fest. »Befreit mich von diesem Ding! Das ist definitiv nicht meine Schuld!«
»Ähm ...« Jaz zog ihr Zaubermesser heraus. »Was war das für ein Geräusch?«
Mich verließ der Mut.
»Ich vermute«, sagte ich, »Sadie hat gerade ihr Riesenablenkungsmanöver gefunden.«
Aus dem Englischen von Claudia Max
© CARLSEN
Eigentlich war die Aufgabe nicht besonders schwierig: ins Brooklyn Museum schleichen, ein bestimmtes ägyptisches Artefakt ausborgen und unerkannt verschwinden.
Nein, das hatte nichts mit Diebstahl zu tun. Wir hätten das Artefakt ja bei Gelegenheit wieder zurückgebracht. Aber vermutlich sahen wir verdächtig aus: vier Jugendliche in schwarzen Ninja-Klamotten auf dem Dach des Museums. Ach, und der Pavian, ebenfalls als Ninja ausstaffiert. Eindeutig verdächtig.
Als Erstes gaben wir unseren Auszubildenden Jaz und Walt den Auftrag, das Seitenfenster zu öffnen; in der Zwischenzeit inspizierten Cheops, Sadie und ich die große Glaskuppel in der Mitte des Dachs, durch die wir den Rückzug geplant hatten.
Unsere Rückzugsstrategie erwies sich allerdings als problematisch.
Es war lange nach Einbruch der Dunkelheit und das Museum hätte eigentlich geschlossen sein sollen. Stattdessen war die Glaskuppel hell erleuchtet. Im Museum, zwölf Meter unter uns, plauderten und tanzten Hunderte von Leuten in Fräcken und Abendkleidern in einem Ballsaal, der so groß wie ein Flugzeughangar war. Ein Orchester spielte, aber ich konnte die Musik nicht hören, weil mir der Wind in den Ohren heulte und meine Zähne klapperten. Mir war eiskalt in meinem Leinenschlafanzug.
Weil es die Zauberfähigkeiten nicht beeinträchtigt, sollen Magier Leinen tragen. Das mag ja in der ägyptischen Wüste, wo es so gut wie nie kalt ist oder regnet, eine lange Tradition haben. In Brooklyn, im März - ist das etwas anderes.
Meiner Schwester Sadie schien die Kälte nichts auszumachen. Sie öffnete die Verankerungen der Kuppel und summte dabei ein Lied von ihrem iPod mit. Also, mal ehrlich - wer bringt bei einem Museumseinbruch schon seine eigene Musik mit?
Ihre Kleider ähnelten meinen, allerdings trug sie Springerstiefel dazu. Sie hatte rote Strähnchen in ihren blonden Haaren - wirklich ausgesprochen dezent für eine geheime Mission. Mit ihren blauen Augen und der hellen Haut sieht sie mir überhaupt nicht ähnlich, worüber wir beide ganz froh sind. Schließlich ist es praktisch, wenn ich leugnen kann, dass das durchgeknallte Mädchen neben mir meine Schwester ist.
»Du hast behauptet, im Museum wäre niemand«, beschwerte ich mich.
Sadie hörte mich erst, als ich ihr die Ohrstöpsel herauszog und alles noch mal wiederholte.
»Na ja, eigentlich sollte auch niemand hier sein.« Sie wird es nicht gern hören, aber nach drei Monaten in den USA verliert sie allmählich ihren britischen Akzent. »Im Internet steht, dass das Museum um fünf schließt. Wie soll ich ahnen, dass hier eine Hochzeit stattfindet?«
Eine Hochzeit? Nach einem Blick in die Tiefe musste ich Sadie Recht geben. Ein paar der Damen trugen apricotfarbene Brautjungfernkleider und auf einem der Tische thronte eine gewaltige mehrstöckige weiße Torte. Zwei chaotische Gästegruppen hatten die Braut und den Bräutigam auf Stühle gesetzt und trugen sie unter dem Johlen und Klatschen ihrer Freunde durch den Saal. Die ganze Aktion sah aus, als müsse es jeden Moment zu einer Möbelkarambolage kommen.
Cheops klopfte gegen die Glaskuppel. Selbst in seinen schwarzen Kleidern war er mit seinem goldenen Fell in der Dunkelheit deutlich zu erkennen, von seiner regenbogenfarbenen Schnauze und dem Hinterteil ganz zu schweigen.
»Agh!«, grunzte er.
Da er ein Pavian ist, konnte das von »Hey, da unten gibt's was zu fressen« bis zu »Die Scheibe ist dreckig« bis zu »Mann, diese Leute ziehen echt eine bescheuerte Nummer mit den Stühlen ab« alles Mögliche heißen.
»Cheops hat Recht. Wir werden ein Problem haben, uns durch die Party hinauszuschleichen«, interpretierte Sadie sein Grunzen. »Vielleicht wenn wir so tun, als wären wir Techniker -«
»Klar doch«, unterbrach ich sie. »Entschuldigen Sie bitte. Vier Jugendliche schleppen gleich eine Drei-Tonnen-Statue hier raus. Sie lassen sie bloß mal eben durchs Dach davonschweben. Kein Anlass zur Sorge.«
Sadie verdrehte die Augen. Sie nahm ihr Zaubermesser - ein gebogenes Stück Elfenbein mit eingemeißelten Abbildungen von Ungeheuern - und deutete damit auf den Kuppelrand. Eine goldene Hieroglyphe leuchtete auf und das letzte Vorhängeschloss öffnete sich mit einem Klicken.
»Ach, wenn wir das gar nicht als Ausgang benutzen«, sagte sie, »wozu öffne ich das Schloss überhaupt? Können wir nicht einfach auf demselben Weg rausgehen, auf dem wir reingekommen sind - durch das Seitenfenster?«
»Das hab ich dir doch schon erklärt. Die Statue ist riesengroß. Sie passt nicht durch das Seitenfenster. Außerdem, die Fallen -«
»Und wenn wir es morgen Abend noch mal probieren?«, fragte sie.
Ich schüttelte den Kopf. »Morgen wird alles in Kisten verpackt und dann für eine andere Ausstellung verschifft.«
Sie musterte mich auf ihre übliche nervige Art mit hochgezogenen Augenbrauen. »Wenn uns jemand vielleicht mal früher Bescheid gesagt hätte, dass wir diese Statue klauen müssen -«
»Ja, ja, wenn.« Mir war klar, in welche Richtung sich diese Diskussion entwickeln würde, und es brachte nichts, wenn Sadie und ich uns die ganze Nacht auf dem Dach stritten. Sie hatte natürlich Recht. Es war wirklich kurzfristig gewesen. Aber, hallo - meine Quellen waren nicht gerade der Ausbund an Verlässlichkeit. Nachdem ich wochenlang um Hilfe gebettelt hatte, gab mir mein Kumpel, der Falkenkriegergott Horus, im Traum einen Tipp: Ach, übrigens, dieses Artefakt, hinter dem du her bist? Das möglicherweise den Schüssel zur Rettung der Welt enthält? Das steht seit dreißig Jahren die Straße runter in Brooklyn, aber morgen wird es nach Europa verschickt, also spute dich lieber! Du hast fünf Tage, um herauszufinden, wie du es einsetzen musst, oder wir sind alle dem Untergang geweiht. Viel Glück!
Am liebsten hätte ich ihn angebrüllt, warum er mir das nicht früher verraten hatte, allerdings hätte das nichts geändert, denn Götter reden nur, wenn ihnen danach ist. Das Zeitkonzept der Sterblichen ist nicht so ihr Ding. Nachdem Horus sich ein paar Monate meinen Kopf mit mir geteilt hatte, habe ich das kapiert. Ich hatte immer noch ein paar seiner asozialen Eigenschaften - zum Beispiel das gelegentliche Bedürfnis, kleine pelzige Nagetiere zu jagen oder Leute bis auf den Tod herauszufordern.
»Wir halten uns einfach an unseren Plan«, sagte Sadie. »Steigen durch das Seitenfenster ein, suchen die Statue und lassen sie durch den Ballsaal nach draußen schweben. Wenn wir so weit sind, fällt uns schon was für die Hochzeitsgesellschaft ein. Vielleicht denken wir uns ein kleines Ablenkungsmanöver aus.«
Ich runzelte die Stirn. »Ein Ablenkungsmanöver?«
»Carter, du machst dir zu viele Gedanken«, sagte sie. »Es wird genial. Oder hast du vielleicht eine andere Idee?«
Das Problem war - ich hatte keine.
Man sollte glauben, Zauberkräfte würden alles leichter machen. Aber im Gegenteil. Wenn man sie einsetzt, wird normalerweise alles nur noch komplizierter. Es gibt immer tausend Gründe, warum dieser oder jener Zauberspruch in bestimmten Situationen nicht funktioniert. Und ständig gibt es andere Zauber, die einem einen Strich durch die Rechnung machen - so wie der Schutzzauber, der auf diesem Museum lag.
Wir waren uns nicht sicher, wer es mit einem Bann belegt hatte. Vielleicht war einer der Museumsangestellten ein verdeckter Magier, das wäre ja nichts Ungewöhnliches. Unser Vater hatte seinen Doktortitel in Ägyptologie schließlich auch als Tarnung benutzt, um Zugang zu bestimmten Artefakten zu bekommen. Das Brooklyn Museum besaß außerdem die weltweit größte Sammlung ägyptischer Schriftrollen mit Zaubersprüchen. Ihretwegen hatte unser Onkel Amos sein Hauptquartier in Brooklyn aufgeschlagen. Ein Haufen Magier konnte Gründe haben, die Schätze des Museums zu bewachen oder mit Zaubern zu präparieren.
Was auch immer davon zutraf, jede einzelne Tür und jedes Fenster war mit einem ziemlich fiesen Fluch gesichert. Wir konnten weder ein magisches Portal öffnen, um in die Ausstellungsräume zu gelangen, noch unsere Such-Q089#.+-0& einsetzen - die magischen Tonstatuen, die uns in unserer Bibliothek bedienten -, um uns das benötigte Artefakt bringen zu lassen.
Sowohl hinein als hinaus blieb uns nur der direkte Weg, und falls uns ein Fehler unterlief, war nicht abzusehen, welche Art Fluch wir freisetzen würden: Wächter-Ungeheuer, Seuchen, Feuersbrünste, explodierende Esel (ohne Quatsch; die sind richtig mies).
Der einzige Ausgang ohne Falle war die Kuppel über dem Ballsaal. Anscheinend hatten sich die Museumsobersten keine Sorgen gemacht, dass Diebe Artefakte durch eine zwölf Meter hohe Öffnung hinausschweben lassen könnten. Aber vielleicht hatte die Kuppel ja auch einen Haken und wir hatten ihn bloß noch nicht entdeckt, weil er zu gut getarnt war.
So oder so, wir mussten es versuchen. Wir hatten nur diese Nacht, um das Artefakt zu stehlen - Pardon, auszuleihen. Danach blieben uns fünf Tage, um herauszufinden, wie wir es einsetzen mussten. Deadlines sind echt das Größte.
»Also, wir ziehen das wie geplant durch und improvisieren? «, wollte Sadie wissen.
Ich sah zu der Hochzeitsgesellschaft hinunter und hoffte, wir würden ihnen ihre große Nacht nicht verderben. »Bleibt uns wohl nichts anderes übrig.«
»Bezaubernd«, erwiderte Sadie. »Cheops, du wartest hier und hältst Wache. Wenn du uns kommen siehst, öffnest du die Kuppel, okay?«
»Agh!«, lautete die Antwort des Pavians.
Mir stellten sich die Nackenhaare hoch. Irgendwas sagte mir, dass dieser Raubzug kein Spaziergang würde.
»Los, komm«, befahl ich Sadie. »Mal schauen, wie es bei Jaz und Walt läuft.«
Wir ließen uns zum Fenstersims im dritten Stock herunter, dort war die Ägyptische Sammlung untergebracht.
Jaz und Walt hatten ihre Aufgabe vorbildlich erledigt und vier Statuen der Söhne des Horus mit Klebeband an den Fensterrahmen befestigt und Hieroglyphen auf die Scheiben gemalt, um den Flüchen und der Alarmanlage der Sterblichen entgegenzuwirken.
Als Sadie und ich neben ihnen auf dem Sims landeten, schienen sie in eine ernsthafte Unterhaltung vertieft zu sein. Jaz hielt Walts Hände. Das überraschte mich, Sadie allerdings noch mehr. Das Quieken, das sie von sich gab, klang, als wäre jemand auf eine Maus getreten.
[Und wie du gequiekt hast. Ich war schließlich dabei.]
Warum reagierte Sadie so zickig? Na ja, kurz nach Neujahr, nachdem Sadie und ich unser Djed-Amulett als Signal ausgelegt hatten, um andere Jugendliche mit magischen Fähigkeiten in unsere Zentrale zu locken, waren Jaz und Walt die Ersten gewesen, die sich gemeldet hatten. Sie waren seit sieben Wochen bei uns im Training, länger als alle anderen Auszubildenden, deshalb kannten wir sie mittlerweile ganz gut.
Jaz war eine Cheerleaderin aus Nashville. Der Name ist eine Kurzform von Jasmin, aber falls ihr nicht in einen
RICK RIORDAN Die Kane-Chroniken: Der Feuerthron
Busch verwandelt werden wollt, nennt sie bloß nie so. Auf diese blonde Cheerleader-Art war sie ganz hübsch, allerdings nicht mein Typ - doch man musste sie einfach mögen, weil sie immer nett zu allen war und immer hilfsbereit. Sie hatte auch ein Talent für Heilmagie, deshalb war sie genau die Richtige, falls bei diesem Einsatz etwas schiefgehen sollte, und das ist bei Sadie und mir in neunundneunzig Prozent aller Fälle so.
In dieser Nacht hatte Jaz ihre Haare mit einem schwarzen Kopfuch bedeckt. Über ihre Schulter hing ihre Zaubertasche, auf der das Symbol der Löwengöttin Sachmet prangte.
Genau in dem Moment, als sie zu Walt sagte: »Uns fällt etwas ein«, landeten Sadie und ich neben ihnen.
Walt wirkte peinlich berührt.
Er war ... tja, wie soll ich Walt am besten beschreiben?
[Nein danke, Sadie. Ich werde ihn nicht als megaheiß bezeichnen. Warte, bis du dran bist.]
Walt ist vierzehn, genau wie ich, aber er ist groß genug, um für die Elitemannschaften am College ausgewählt zu werden. Er hatte den richtigen Körperbau dafür - schmal und muskulös - und die Füße von dem Kerl waren gigantisch. Seine Haut hatte das Braun von Kaffeebohnen, ein bisschen dunkler als meine, und seine Haare waren so raspelkurz geschnitten, dass sie eher wie ein Schatten auf seinem Kopf wirkten. Trotz der Kälte trug er ein schwarzes ärmelloses Shirt und Trainingshosen - nicht gerade die Standardaufmachung für einen Magier. Doch bei Walt gab es darüber keine Diskussionen. Er war der erste Auszubildende, der zu uns gekommen war - den ganzen Weg von Seattle -, und er war ein geborener 7(1 - so nannte man die
KINDERBUCH
Amulettmacher im alten Ägypten. Um seinen Hals hingen ein Haufen goldene Ketten mit magischen Amuletten, die er selbst angefertigt hatte.
Ich war mir jedenfalls ziemlich sicher, dass Sadie eifersüchtig auf Jaz war und Walt anhimmelte, auch wenn sie sich lieber die Zunge abbeißen würde, als das zuzugeben. Schließlich hatte sie die letzten paar Monate damit zugebracht, wegen eines anderen Typen, in den sie sich verknallt hatte - genaugenommen war es ein Gott -, vor sich hinzuschmachten.
[Ist ja gut, Sadie. Ich belass es erst mal dabei. Aber mir fällt auf, dass du es nicht leugnest.]
Als wir ihre Unterhaltung unterbrachen, ließ Walt blitzschnell die Hand von Jaz los und trat einen Schritt zurück. Sadies Blick wanderte zwischen den beiden hin und her, sie versuchte herauszufinden, was Sache war.
Walt räusperte sich. »Alles ist vorbereitet.«
»Super.« Sadie sah zu Jaz. »Was hast du damit gemeint: ›Uns fällt was ein‹?«
Jaz riss wie ein nach Luft schnappender Fisch den Mund auf.
Walt antwortete an ihrer Stelle: »Weißt du doch. Die Sonnenlitanei. Irgendwann fällt uns was dazu ein.«
»Genau!«, stimmte Jaz zu. »Die Sonnenlitanei.«
Es war offensichtlich, dass sie logen, aber wahrscheinlich ging es mich nichts an, wenn sie sich mochten. Wir hatten keine Zeit für irgendwelche Dramen.
»Okay«, sagte ich, bevor Sadie nachhaken konnte. »Der Spaß kann losgehen.«
Das Fenster ließ sich leicht öffnen. Keine magischen Explosionen. Keine Alarmglocke. Mit einem Seufzer der
RICK RIORDAN Die Kane-Chroniken: Der Feuerthron
Erleichterung kletterte ich in den Ägyptischen Flügel. Vielleicht hatten wir ja ausnahmsweise mal Glück?
Die ägyptischen Artefakte riefen alle möglichen Erinnerungen wach. Bis vor einem Jahr war ich die meiste Zeit meines Lebens mit Dad, der von Museum zu Museum zog und Vorträge über das alte Ägypten hielt, um die Welt gereist. Das war, bevor ich herausfand, dass er eigentlich ein Magier war - bevor er eine Horde Götter freisetzte und unsere Leben kompliziert wurden.
Nun konnte ich mir keine ägyptischen Kunstwerke mehr ansehen, ohne einen persönlichen Bezug dazu zu empfinden. Mich schauderte, als wir an einer Horusstatue vorbeigingen - das ist der falkenköpfige Gott, der mich letztes Weihnachten als Gastkörper benutzt hat. Wir liefen an einem Sarkophag vorbei und ich musste daran denken, wie der bösartige Gott Seth unseren Vater im British Museum in einen goldenen Sarg gesperrt hatte. Überall gab es Bilder von Osiris, dem Totengott mit der blauen Haut, und ich dachte daran, wie sich mein Vater geopfert hatte, um Osiris' neuer Gastkörper zu werden. Im Augenblick war unser Vater der König der Unterwelt, irgendwo in den magischen Gefilden der Duat. Ich kann überhaupt nicht beschreiben, was für ein komisches Gefühl es war, ein fünftausend Jahre altes Bild irgendeines blauen ägyptischen Gottes zu sehen und zu denken: »Ja, das ist mein Vater.«
Sämtliche Artefakte kamen mir wie Familienandenken vor: ein Zaubermesser, das dem von Sadie glich; ein Bild der Serpoparden, die uns einmal angegriffen hatten; eine Seite aus dem Totenbuch mit dem Bild von Dämonen, die wir schon mal getroffen hatten. Dann gab es noch die Q089#.+-0, magische Statuetten, die zum Leben erwachen sollen, wenn man sie herbeiruft. Vor ein paar Monaten hatte ich mich in ein Mädchen namens Zia Rashid verliebt, die sich als Uschebti entpuppte.
Sich das erste Mal zu verlieben, war hart genug gewesen. Doch wenn sich herausstellt, dass das Mädchen, in das du verknallt bist, aus Ton ist und vor deinen Augen in Stücke bricht - tja, dann gewinnt der Ausdruck »Das bricht mir das Herz« noch mal eine ganz neue Bedeutung.
Wir durchquerten den ersten Saal und gingen unter einem ägyptisch anmutenden Deckengemälde hindurch, das die Sternzeichen darstellte. Ich hörte die Feier im großen Ballsaal, der am Ende des Gangs rechts lag. Musik und Gelächter hallten durch das Gebäude. Im zweiten Ägyptischen Saal blieben wir vor einem Steinfries von der Größe eines Garagentors stehen. In den Stein war das Bild eines Ungeheuers gemeißelt, das auf ein paar Menschen herumtrampelte.
»Ist das ein Greif?«, fragte Jaz.
Ich nickte. »Die ägyptische Version davon, ja.«
Das Tier hatte den Körper eines Löwen und den Kopf eines Falken, doch die Flügel waren anders als bei den üblichen Greifendarstellungen. Statt Vogelflügeln hatte das Monster Flügel, die mitten auf dem Rücken saßen - lang, horizontal und borstig, wie ein paar auf den Kopf gestellte Stahlbürsten. Falls das Ungeheuer mit diesen Flügeln überhaupt fliegen konnte, mussten sie sich wie Schmetterlingsflügel bewegen. Der Fries war einmal farbig gewesen. Auf dem Fell der Kreatur waren noch rote und goldene Flecken zu erkennen; doch selbst ohne Farbe wirkte der Greif gespenstisch lebensecht. Seine Knopfaugen schienen mir zu folgen.
»Greife waren Beschützer«, sagte ich und erinnerte mich an etwas, das Dad mir einmal erzählt hatte. »Sie bewachten Schätze und so was.«
»Toll«, meinte Sadie. »Soll das heißen, sie griffen ... ähm, zum Beispiel Diebe an, die in Museen einbrachen und Artefakte klauten?«
»Es ist bloß ein Fries«, erwiderte ich. Aber ich bezweifle, dass sich nach dieser Erklärung irgendjemand besser fühlte. Die ganze ägyptische Magie dreht sich schließlich darum, dass Worte und Bilder sich in etwas Reales verwandeln.
»Da drüben.« Walt deutete in die Mitte des Saals.
Wir machten einen großen Bogen um den Greif und gingen auf die Statue zu, die dort stand.
Der Gott war ungefähr zweieinhalb Meter groß. Er war aus schwarzem Stein gemeißelt und typisch ägyptisch gekleidet: nackter Oberkörper, Schurz und Sandalen. Er hatte das Gesicht eines Widders und Hörner, von denen im Lauf der Jahrhunderte Stücke abgebrochen waren. Auf seinem Kopf saß eine frisbeeförmige Krone - eine Sonnenscheibe, aus Schlangen geflochten. Vor ihm stand eine wesentlich kleinere menschliche Figur. Die Gottheit hielt die Hände über den Kopf des kleinen Kerls, als wolle sie ihn segnen.
Sadie musterte mit zusammengekniffenen Augen die Hieroglypheninschrift. Seit sie der Gastkörper für den Geist von Isis, der Göttin der Magie, gewesen war, konnte Sadie verblüffenderweise Hieroglyphen entziffern.
»CNM«, las sie. »Das würde man vermutlich Chnum aussprechen. Reimt sich auf Ka-wumm?«
»Ja«, stimmte ich zu. »Das ist die Statue, die wir brauchen. Laut Horus birgt sie das Geheimnis, wie man die Sonnenlitanei findet.«
Leider hatte Horus das nicht genauer ausgeführt. Als wir so vor der Statue standen, war mir schleierhaft, wie sie uns helfen sollte. Ich betrachtete die Hieroglyphen und hoffte auf einen Hinweis.
»Wer ist der Knirps, der vor ihm steht?«, fragte Walt. »Ein Kind?«
Jaz schnipste mit den Fingern. »Nein, ich erinnere mich! Chnum erschuf auf der Töpferscheibe Menschen. Ich wette, genau das macht er hier - einen Menschen aus Ton formen.«
Sie sah nach Bestätigung heischend zu mir. Die Wahrheit war, ich konnte mich nicht an diese Geschichte erinnern. Sadie und ich sollten zwar die Lehrer sein, Jaz wusste jedoch oft mehr Einzelheiten als ich.
»Ja, stimmt«, erwiderte ich. »Menschen aus Ton. Genau.«
Sadie betrachtete stirnrunzelnd Chnums Widderkopf. »Sieht ein bisschen aus wie diese alte Comicfigur ... Bullwinkle, oder? Könnte der Elchgott sein.«
»Er ist nicht der Elchgott«, sagte ich.
»Aber wenn wir nach der Sonnenlitanei suchen«, fuhr sie fort, »und Re ist der Sonnengott, warum suchen wir dann nach einem Elch?«
Sadie kann einem echt auf die Nerven gehen.
»Chnum war eine der Erscheinungsformen des Sonnengottes «, erklärte ich. »Re hatte drei verschiedene Persönlichkeiten. Morgens war er Chepre, der Skarabäusgott; tagsüber Re; und bei Sonnenuntergang, wenn er in die Unterwelt eintauchte, war er Chnum, der widderköpfige Gott.«
»Ganz schön verwirrend«, sagte Jaz.
»Eigentlich nicht«, erwiderte Sadie. »Carter hat auch verschiedene Persönlichkeiten. Bei ihm reicht das Spektrum von morgens Zombie bis nachmittags fauler Sack bis zu -«
»Sadie«, unterbrach ich sie, »halt die Klappe.«
Walt kratzte sich am Kinn. »Ich finde, Sadie hat Recht. Es ist ein Elch.«
»Danke«, sagte Sadie.
Walt grinste sie widerwillig an, doch er wirkte immer noch abwesend, irgendetwas anderes schien ihn zu beschäftigen. Ich ertappte Jaz dabei, wie sie ihn mit besorgtem Gesichtsausdruck musterte, und fragte mich, worüber sie vorher geredet hatten.
»Schluss jetzt mit der Elchdiskussion«, erklärte ich. »Wir müssen diese Statue ins Brooklyn House schaffen. Sie enthält irgendeinen Hinweis -«
»Aber wie finden wir den?«, fragte Walt. »Du hast uns übrigens immer noch nicht erklärt, warum wir unbedingt diese Sonnenlitanei brauchen.«
Ich zögerte. Es gab eine Menge, was wir unseren Auszubildenden noch nicht erzählt hatten, nicht mal Walt und Jaz
- zum Beispiel, dass vielleicht in fünf Tagen die Welt unterging. So was lenkt nur von der Ausbildung ab. »Ich erkläre es euch, wenn wir wieder zu Hause sind«, versprach ich. »Jetzt sollten wir uns darum kümmern, diese Statue von hier wegzukriegen.«
Jaz runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht, dass sie in meine Handtasche passt.« »Ach, keine Angst«, erwiderte Sadie. »Wir belegen die Statue mit einem Schwebezauber. Wir zetteln irgendein Riesenablenkungsmanöver an, um den Ballsaal leer zu bekommen -«
»Warte mal.« Walt beugte sich vor und untersuchte die kleinere menschliche Gestalt. Der kleine Kerl lächelte, als wäre es ein Riesenspaß, aus Ton hergestellt zu werden. »Er trägt ein Amulett. Einen Skarabäus.«
»Das ist ein weitverbreitetes Symbol«, sagte ich.
»Schon klar ...« Walt tastete die Amulettsammlung um seinen Hals ab. »Aber der Skarabäus ist ein Symbol der Wiedergeburt Res, oder? Und diese Statue zeigt Chnum, wie er ein neues Leben erschafft. Vielleicht brauchen wir nicht die ganze Statue. Vielleicht ist der Hinweis -«
»Ah!« Sadie zog ihr Zaubermesser heraus. »Genial.«
Ich wollte noch rufen: »Sadie, nein!«, aber das wäre natürlich sinnlos gewesen. Sadie hört sowieso nie auf mich.
Sie berührte das Amulett des kleinen Typen. Chnums Hände leuchteten. Der Kopf der kleineren Statue klappte wie die Spitze eines Raketensilos auf, in seinem Hals steckte eine vergilbte Papyrusrolle.
»Voilà«, verkündete Sadie stolz.
Sie schob das Zaubermesser in ihre Tasche und schnappte sich die Rolle genau in dem Moment, als ich rief: »Vielleicht ist es eine Falle!«
Wie ich schon sagte, sie hört nie auf mich.
In dem Moment, in dem sie die Rolle aus der Statue zog, rumpelte der gesamte Raum. Auf den Glasvitrinen zeigten sich Risse.
Als sich die Schriftrolle in ihrer Hand entzündete, schrie Sadie auf. Die Flammen verbrannten allerdings weder den Papyrus noch verletzten sie Sadie; doch als sie versuchte, das Feuer abzuschütteln, sprangen geisterhafte weiße Flammen auf die nächste Vitrine über und rasten durch den Raum, als folgten sie einer Benzinspur. Das Feuer kroch über die Fenster, auf denen sich weiße Hieroglyphen entzündeten, die möglicherweise Tausende von Schutzwächtern und -zaubern herbeiriefen. Anschließend züngelte das Geisterfeuer über den großen Fries am Eingang des Saals. Die Steinplatte erbebte heftig. Ich konnte die eingemeißelten Bilder auf der Rückseite zwar nicht sehen, aber ich hörte ein lautes Krächzen - es klang wie ein richtig großer, richtig wütender Papagei.
Walt ergriff seinen Zauberstab, der ihm über den Rücken hing. Sadie fuchtelte mit der brennenden Rolle herum, als klebe sie an ihrer Hand fest. »Befreit mich von diesem Ding! Das ist definitiv nicht meine Schuld!«
»Ähm ...« Jaz zog ihr Zaubermesser heraus. »Was war das für ein Geräusch?«
Mich verließ der Mut.
»Ich vermute«, sagte ich, »Sadie hat gerade ihr Riesenablenkungsmanöver gefunden.«
Aus dem Englischen von Claudia Max
© CARLSEN
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Autoren-Porträt von Rick Riordan
Riordan, RickRick Riordan war viele Jahre lang Lehrer für Englisch und Geschichte. Er lebt mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen in Boston und widmet sich inzwischen ausschließlich dem Schreiben. Seine Percy-Jackson-Serie hat den Buchmarkt im Sturm erobert und ist in 40 Ländern erschienen. Auch seine nachfolgenden Serien, »Die Kane-Chroniken«, »Helden des Olymp«, »Percy Jackson erzählt«, »Magnus Chase« und »Die Abenteuer des Apollo«, schafften auf Anhieb den Sprung auf die internationalen Bestsellerlisten.Max, Claudia
Claudia Max studierte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Literaturübersetzen mit dem Schwerpunkt Anglistik/Amerikanistik. Sie lebt als freiberufliche Übersetzerin in Berlin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Rick Riordan
- 2013, 528 Seiten, Maße: 15,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung:Max, Claudia
- Übersetzer: Claudia Max
- Verlag: Carlsen
- ISBN-10: 3551555893
- ISBN-13: 9783551555892
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