Königin der Orks
Drei Romane in einem Band
Dar ist Sklavin im Söldnerheer von König Kregants. Als sie den Ork Kovok-mah kennenlernt, merkt sie, dass die Monster mehr Herz haben, als sie dachte. Dann hat Dar eines Tages eine düstere Vision und sie weiß: das Schicksal der Orks liegt in ihren Händen.
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Produktinformationen zu „Königin der Orks “
Dar ist Sklavin im Söldnerheer von König Kregants. Als sie den Ork Kovok-mah kennenlernt, merkt sie, dass die Monster mehr Herz haben, als sie dachte. Dann hat Dar eines Tages eine düstere Vision und sie weiß: das Schicksal der Orks liegt in ihren Händen.
Klappentext zu „Königin der Orks “
Von den Menschen verstoßen, von den Orks zur Königin gekürt...Die junge Dar fristet ihr Dasein als Sklavin im Söldnerheer König Kregants. Die Soldaten stellen ihr nach, die Orks flößen ihr Angst ein. Bis sie den Ork Kovok-mah kennenlernt und feststellt, dass die vermeintlichen Monster mehr Mitgefühl zeigen als die Menschen selbst. Als Dar eines Tages eine düstere Vision hat, liegt die Verantwortung für das Überleben aller Orks plötzlich in ihren Händen...
Lese-Probe zu „Königin der Orks “
Königin der Orks von Morgan Howell... mehr
UNTER EINER LADUNG BRENNHOLZ geduckt ging Dar allein einen Gebirgspfad hinab. Der Weg, dem sie folgte, schmiegte sich an steile, die Morgensonne verdeckende Felswände. Luft und Boden strahlten noch immer die Kälte der Nacht ab. Trotzdem war sie barfuß und nur mit einem zerlumpten ärmellosen Hemdkleid und einem Lappen als Schulterpolster bekleidet. Sie schritt schnell aus, damit sie nicht fror, doch ein in der Ferne ertönender Hufschlag ließ sie jäh innehalten. Keiner ihrer Nachbarn besaß ein Pferd. Dies galt auch für alle anderen Bewohner des Dörfchens hinter dem gegenüberliegenden Bergkamm. Nur Fremdlinge ritten auf Pferden - und brachten oft Ärger.
Dar lauschte. Als der Hufschlag verklang und nur der Wind noch in den kahlen Ästen hörbar war, setzte sie ihren Heimweg fort und erreichte eine von Bäumen freie Bodensenke. Man hatte den steinigen Grund für die Frühjahrsaat vorbereitet. Auf der anderen Seite der Senke stand ein einzelnes Gebäude - eine aus Steinen bestehende, mit Rasenstücken bedeckte primitive Hütte. Gleich daneben war ein Pferd angebunden. Dar fragte sich gerade, ob sie wieder gehen sollte, als die Frau ihres Vaters mit einem für sie seltenen Lächeln auf dem Gesicht ins Freie trat. »Du hast Besuch«, rief sie Dar zu.
Das Lächeln der älteren Frau machte Dar noch misstrauischer. »Wer kann das schon sein?«
Ihre Stiefmutter antwortete nicht. Ihr Lächeln wurde nur breiter. Sie trat zur Seite, und sechs bewaffnete Männer verließen die dunkle Hütte. Ihnen folgte der Hetman des Dorfes. Hinter ihm kam Dars Vater. Zuletzt traten Dars kleine Halbschwestern ins Freie. Sie wirkten ängstlich. Alle schauten zu, als Dar ihre Last zum Holzstapel hinübertrug. Sie legte sie nieder und fragte dann ihre Stiefmutter: »Wer sind diese Männer, Thess?«
»Soldaten des Königs«, erwiderte Thess.
»Was wollen sie hier?«
»Sie heben Leute fürs Militär aus«, sagte der Hetman. »Unser Dorf muss zwei Mann stellen.«
»Dann sind sie hier am falschen Ort«, sagte Dar. »Meine Brüder sind tot, und mein Vater ist zu alt.«
»Sie wollen gar keine Männer«, sagte Thess.
»Ich bin keine Kriegerin«, sagte Dar.
Thess lachte freudlos. »Dann hast du mich hinters Licht geführt.«
»Nicht alle, die dem König dienen, müssen kämpfen«, sagte der Hetman. Er wandte sich einem Söldner zu. »Das ist sie.«
»Was geht hier vor, Vater?«, fragte Dar, obwohl sie die Antwort schon ahnte.
Ihr Vater schaute weg.
»Es war seine Idee«, sagte der Hetman.
»Es ist zu deinem Besten«, sagte Dars Vater, der noch immer woanders hinschaute.
»Am besten für sie.« Dar schaute ihre Stiefmutter verärgert an. »Sie freut sich doch am meisten, mich los zu sein.«
»Ich werde mich freuen, wenn hier endlich Friede einzieht«, gab Thess zurück. »Immer musst du die Stolze spielen.«
»Stolz stünde gewissen Frauen gut an; jenen zum Beispiel, die mit jedem Mann bocken, um einen Platz an seinem Feuer zu kriegen.«
»Wärst du nicht so eigensinnig, könntest du auch eine Ehefrau sein.«
»Sie ist am besten fürs Militär geeignet«, sagte der Hetman.
»Das bestimme noch immer ich«, sagte der Anführer der Söldner. Er war zwar der Jüngste, doch sein Helm und seine Waffen waren von bester Qualität. Sein Harnisch bestand aus Metall, nicht aus Leder. »Schau nach, ob das Mädchen geeignet ist, Murdant.«
Der Murdant, er war etwa eineinhalbmal so alt wie der Offizier, umkreiste Dar langsam und begutachtete ihre robuste Anmut. Er hielt sie für alt genug, um verheiratet zu sein. Sie war etwa zwei Dutzend Winter alt. Trotz ihres zerzausten Haars hatte sie ein anziehendes Gesicht - große dunkle Augen, ein zierliches Näschen, rotbraunes Haar und volle Lippen. Vermutlich hatte ihr Charakter bisher eine Eheschließung verhindert. Und als wolle sie seine Annahme bestätigen, stand sie mit trotzigem Gesichtsausdruck da und ballte die Hände zu Fäusten.
»Zeig mir deine Zähne«, sagte der Murdant.
Obwohl Dar wusste, dass der Mann sich bestimmt nicht vergraulen lassen würde, indem sie ihm ihre schlechte Laune zeigte, presste sie die Zähne fest aufeinander. Der Murdant grinste nur, dann drückte er mit Daumen und Zeigefinger grob in ihre Wangen und zwang sie so, den Mund zu öffnen. Er warf einen raschen Blick in ihre Kehle, und sie holte zu einer Ohrfeige aus, die er mit leichter Hand abwehrte.
»Sie hat noch alle Zähne, und der Rest sieht auch gesund aus.«
»Das reicht uns«, sagte der Offizier.
Der Hetman verbeugte sich. »Für den König erfüllen wir unsere Pflicht immer, Tolum.«
Der Offizier maß den Hetman mit einem herablassenden Blick. »Diese alte Jungfer ist doch kein großer Verlust für euch.«
Thess ging in die Hütte zurück und kam mit einem kleinen Bündel wieder hervor. Es war in einen fadenscheinigen Umhang gewickelt. »Ich habe deine Sachen zusammengepackt«, sagte sie und reichte sie Dar.
Der Tolum bestieg sein Pferd. »Bringt sie zum Lager, aber schnell. Ich werde dort warten.« Er ritt los.
Der Murdant wandte sich an die anderen Söldner. »Ihr habt gehört, was der Tolum gesagt hat. Vorwärts, marsch!« Er wandte sich zu Dar um, die ihr Bündel mit fassungsloser Miene umklammert hielt. Er kannte diesen Gesichtsausdruck. Ihre Familie hat sie verkauft, dachte er. Jetzt weiß sie nicht, was sie tun soll. Dennoch bezweifelte er, dass sie ihren Trotz ablegen würde. »Willst du uns etwa Ärger machen?«
Dar schüttelte den Kopf.
»Dann komm mit. Sonst holen wir das Pferd nie ein.«
Dar drehte sich um. Sie wollte sich verabschieden, doch ihre Familie war schon in der Hütte verschwunden.
Anfangs unterbrach nur das Stampfen der Soldatenstiefel die Stille. Dar schritt mit ausdrucksloser Miene zwischen den Männern aus und überlegte, was sie tun sollte. Um Zeit zu gewinnen und in der Hoffnung, das Tempo zu verlangsamen, bewegte sie sich, als täten ihr die Füße weh. Sie wusste, dass der Pfad an einem steilen, mit losem Gestein bedeckten Hang vorbeiführte. Sie rechnen bestimmt nicht damit, dass ich barfuß einen Hang hinauflaufen kann. Sie war sicher, dass sie den Söldnern entwischen und ins Hochland entkommen konnte: Die Harnische würden die Männer behindern.
Dar versuchte sich auszumalen, was sie anschließend tun würde. Nach Hause zurück kann ich nicht mehr. Der Hetman würde sie als Gesetzlose einstufen. Bestimmt würde kein Nachbar es riskieren, ihr Unterschlupf zu gewähren. Sie würde weit fortgehen müssen. Und das war ihr Dilemma: Im Hochland hatten Frauen ohne Blutsverwandte weder Rechte noch genossen sie Schutz. Um im Hochland zu wohnen, musste sie einen Mann um Erlaubnis bitten. Dar machte sich keine Illusionen über den Preis, den er dafür verlangen würde. Schon die Vorstellung ließ sie schaudern.
Als die Söldner an dem von Gestein bedeckten Abhang vorbeimarschierten, unternahm sie keinen Fluchtversuch. Nach dem Abwägen ihrer Möglichkeiten wählte sie das, was sie für das geringere Übel hielt - ein ungewisses Schicksal beim Militär.
Der Pfad führte in ein Tal. Als Dar ihrem neuen Leben entgegentrottete, dachte sie an das, das sie zurückließ. Ihre Halbschwestern würden ihr fehlen, aber das war auch alles. Die Beziehung zu ihrem Vater war seit dem Tod ihrer Mutter angespannt gewesen. Der heutige Verrat war nur sein letzter. Ihr Leben in der Steinhütte hatte nur aus Plackerei, unerwünschten Freiern und dem Genörgel einer gehässigen Stiefmutter bestanden. Sie versuchte sich mit dem Gedanken aufzuheitern, dass diese Leiden nun ausgestanden waren, doch sie vermutete, dass andere sie bald ersetzen würden.
So wie der Marsch die Söldner erwärmte, löste er auch ihre Zunge. »Glaubst du, der Tolum verirrt sich?«, fragte ein Mann mit einem Akzent, den Dar noch nie gehört hatte.
»Selbst er kann Hufspuren verfolgen«, sagte einer seiner Gefährten.
»Außerdem ist sein Pferd schlau«, meinte ein anderer Mann. »Vielleicht ist es sogar schlauer als er.«
»Wenigstens hat er heute auf den Murdanten gehört«, sagte der erste Söldner. »Die da ist ja gleich mitgekommen.«
»Weil sie so ist wie du«, sagte ein grinsender Soldat. »Zu nichts zu gebrauchen.«
Sein Gefährte schaute Dar an. »Bist du zu nichts zu gebrauchen?«
Dar errötete. Der Söldner setzte eine lüsterne Miene auf und gab sich die Antwortet selbst. »Na, für eins kann man dich bestimmt gebrauchen.«
»Im Gegensatz zu dir, Tham«, sagte der Murdant. Die anderen Männer lachten.
»Meine Mutter hat wenigstens geweint, als ich gegangen bin«, sagte Tham. »Heute hab ich keine Tränen gesehen.«
»Im Gegensatz zu gestern.«
»Ja«, sagte der Murdant. »Ich hab zum Tolum gesagt, wir sollen uns jemanden holen, den niemand vermisst. - He, Schätzchen, werden deine Leute dir fehlen?«
Dar schwieg.
»Vielleicht ist sie froh, dass sie von dem Misthaufen weg ist«, sagte einer der Männer.
»Klar«, sagte ein anderer. »Ist doch schön, Soldat zu sein.«
Ein Söldner lachte. »Besonders für eine Frau.«
»Ich hab gar nicht gehört, dass Krieg ist«, sagte Dar. »Wann hat er angefangen?«
Der Murdant grinste. »Ihr wohnt ja wirklich am Ende der Welt. Kregant führt Krieg seit dem Tag seiner Krönung. Für Söldner gibt's eine Menge zu tun.«
»Worum kämpft der König?«
»Um alles, was er will. Ich führe nur Befehle aus.«
»Und was tu ich dabei?«, fragte Dar.
»Du kochst.«
»Ihr seid den ganzen Weg marschiert, um euch eine Köchin zu besorgen?«
»Der Kommandeur des Tolum verlangt nach Frauen aus den Bergen. Er sagt, sie sind zäh.«
Dar musterte den Murdanten und die anderen. Sie wirkten wie Männer, die ein entbehrungsreiches Leben führten. Eine Frau, die mit ihnen zusammenarbeiten will, muss schon stark sein, dachte sie. Doch ein Flackern in den Augen des Murdanten sagte ihr, dass sie noch nicht die ganze Wahrheit kannte.
»Wie lange wird mein Dienst dauern?«, fragte sie.
»Nicht lange«, sagte der Murdant, den Blick in die Ferne gerichtet.
Für eine Weile war Dar der Weg vertraut. Es ging durch das Tal, dann den gegenüberliegenden Hügel hinauf bis zum Kamm. Gegen Mittag ließen sie den Kamm hinter sich und stiegen in ein gewundenes Tal hinab, in dem sie noch nie gewesen war. In den niedrigeren Gefilden hatten die Bäume ihre Blätter schon abgeworfen. An einem Bach legten die Marschierer eine kurze Rast ein und aßen etwas. Dann ging es weiter. Am frühen Nachmittag erreichten sie ein Lager. Der Tolum kam über die Lichtung, auf der sein Pferd graste. Mehrere Söldner hielten sich in der Nähe auf. Einer kümmerte sich um das Feuer. Ein Stück entfernt saß eine blonde Frau mit dem Rücken an einen Baumstamm gelehnt. Sie schaute Dar nicht an.
»Ihr habt aber lange gebraucht«, sagte der Tolum.
»Das ist keine Entschuldigung, Murdant!« Der Tolum schenkte Dar einen gereizten Blick. »Bei Karms Zitzen! Wieso hast du denn kein Schuhwerk?« Er zog den Murdanten beiseite, und sie unterhielten sich leise. Hinterher richtete der Tolum seine Aufmerksamkeit wieder auf Dar. »Leg dich hin.«
»Warum?«
»Man hinterfragt keine Befehle«, sagte der Murdant. »Wer so was tut, wird ausgepeitscht. Leg dich gefälligst hin.«
Dar gehorchte. Der Murdant nickte. Ein großer Söldner kam zu ihr, baute sich mit gespreizten Beinen über ihr auf, setzte sich auf ihren Brustkorb und nagelte ihre Arme mit den Knien am Boden fest. Ein anderer Mann packte ihre Unterschenkel. Ein dritter Söldner kniete sich hin und klemmte ihren Kopf zwischen seine Knie; sie waren wie ein Schraubstock. Dar erspähte aus den Augenwinkeln einen sich nähernden vierten Mann. Er hielt etwas Glühendes in der Hand. Dar wollte ihre Arme befreien, doch der Mann auf ihrem Brustkorb verlieh seinen Knien mehr Gewicht, bis der Druck kaum noch auszuhalten war. »Halt doch still«, sagte er.
Dar hielt still. Der Mann auf ihrem Brustkorb gab ein wenig nach. Inzwischen ragte der vierte Mann neben ihnen auf, und sie konnte sehen, dass der glühende Gegenstand ein Brandeisen war. Das Ende ähnelte einer fünfzackigen von Flammen umgebenen Krone. Als es sich Dars Gesicht näherte, schloss sie die Augen und knirschte mit den Zähnen. Kurz darauf spürte sie einen sengenden Schmerz auf ihrer Stirn und roch verbranntes Fleisch. Dar kämpfte gegen die Tränen an, doch es gelang ihr nicht. Die Männer ließen sie los, und sie setzte sich aufrecht hin. Der Schmerz war schlimm.
Der Murdant warf ihr einen Wassersack zu. »Schütt Wasser drauf«, sagte er. »Es hilft.«
Das Wasser linderte die Pein nur insofern, dass Dar ihre
Stimme beherrschen konnte. »Ich bin freiwillig mitgekommen. Es gab es keinen Grund, das zu tun.«
»Alle Frauen, die in Ork-Regimentern dienen, erhalten ein Brandzeichen, damit sie nicht desertieren.«
»Ork-Regiment?« Als Dar die Alptraum-Geschichten einfielen, ließ ihr Schmerz ein wenig nach.
»Genau«, sagte der Tolum. »Auf jede Gebrandmarkte ist Kopfgeld ausgesetzt. Wenn du deinen Kopf behalten willst, solltest du immer bei deinem Regiment bleiben.«
»Was wollen denn Orks mit Frauen?«
»Ich habe keine Ahnung«, sagte der Tolum. »Ich kämpfe neben Menschen, nicht an der Seite von Ungeheuern.«
»Sie brauchen Kellnerinnen«, sagte der Murdant. »Ich hab das schon oft gesehen.«
»Du hast aber auch gesagt, dass ich nicht lange dienen muss«, erwiderte Dar spitz. »Das Brandzeichen beweist, dass du gelogen hast.«
»Ja, ich habe gelogen«, erwiderte der Murdant. »Aber jetzt, da du gebrandmarkt bist, gibt es keinen Grund mehr dafür.«
»Wir sind hier fertig«, sagte der Tolum. »Kettet sie an die andere Frau, und dann Abmarsch. Morgen müssen wir zurück sein.«
Ein Söldner trat an den Baum, an dem die Frau lehnte, und zog sie auf die Beine. Nun erst sah Dar, dass die Unterschenkel und Handgelenke der Fremden gefesselt waren. Ein Eisenring schlang sich um ihren Hals. An dem Ring war eine schwere Kette mit mehreren Glöckchen befestigt. Der Söldner nahm der Frau zwar die Fesseln ab, doch nicht den Ring. Er zog sie an der Kette zu Dar hin. Am anderen Ende der Kette befand sich ein zweiter Ring, den er um Dars Hals legte und verschloss. »Das hier trägst du, bis du bei deiner Einheit bist.«
UNTER EINER LADUNG BRENNHOLZ geduckt ging Dar allein einen Gebirgspfad hinab. Der Weg, dem sie folgte, schmiegte sich an steile, die Morgensonne verdeckende Felswände. Luft und Boden strahlten noch immer die Kälte der Nacht ab. Trotzdem war sie barfuß und nur mit einem zerlumpten ärmellosen Hemdkleid und einem Lappen als Schulterpolster bekleidet. Sie schritt schnell aus, damit sie nicht fror, doch ein in der Ferne ertönender Hufschlag ließ sie jäh innehalten. Keiner ihrer Nachbarn besaß ein Pferd. Dies galt auch für alle anderen Bewohner des Dörfchens hinter dem gegenüberliegenden Bergkamm. Nur Fremdlinge ritten auf Pferden - und brachten oft Ärger.
Dar lauschte. Als der Hufschlag verklang und nur der Wind noch in den kahlen Ästen hörbar war, setzte sie ihren Heimweg fort und erreichte eine von Bäumen freie Bodensenke. Man hatte den steinigen Grund für die Frühjahrsaat vorbereitet. Auf der anderen Seite der Senke stand ein einzelnes Gebäude - eine aus Steinen bestehende, mit Rasenstücken bedeckte primitive Hütte. Gleich daneben war ein Pferd angebunden. Dar fragte sich gerade, ob sie wieder gehen sollte, als die Frau ihres Vaters mit einem für sie seltenen Lächeln auf dem Gesicht ins Freie trat. »Du hast Besuch«, rief sie Dar zu.
Das Lächeln der älteren Frau machte Dar noch misstrauischer. »Wer kann das schon sein?«
Ihre Stiefmutter antwortete nicht. Ihr Lächeln wurde nur breiter. Sie trat zur Seite, und sechs bewaffnete Männer verließen die dunkle Hütte. Ihnen folgte der Hetman des Dorfes. Hinter ihm kam Dars Vater. Zuletzt traten Dars kleine Halbschwestern ins Freie. Sie wirkten ängstlich. Alle schauten zu, als Dar ihre Last zum Holzstapel hinübertrug. Sie legte sie nieder und fragte dann ihre Stiefmutter: »Wer sind diese Männer, Thess?«
»Soldaten des Königs«, erwiderte Thess.
»Was wollen sie hier?«
»Sie heben Leute fürs Militär aus«, sagte der Hetman. »Unser Dorf muss zwei Mann stellen.«
»Dann sind sie hier am falschen Ort«, sagte Dar. »Meine Brüder sind tot, und mein Vater ist zu alt.«
»Sie wollen gar keine Männer«, sagte Thess.
»Ich bin keine Kriegerin«, sagte Dar.
Thess lachte freudlos. »Dann hast du mich hinters Licht geführt.«
»Nicht alle, die dem König dienen, müssen kämpfen«, sagte der Hetman. Er wandte sich einem Söldner zu. »Das ist sie.«
»Was geht hier vor, Vater?«, fragte Dar, obwohl sie die Antwort schon ahnte.
Ihr Vater schaute weg.
»Es war seine Idee«, sagte der Hetman.
»Es ist zu deinem Besten«, sagte Dars Vater, der noch immer woanders hinschaute.
»Am besten für sie.« Dar schaute ihre Stiefmutter verärgert an. »Sie freut sich doch am meisten, mich los zu sein.«
»Ich werde mich freuen, wenn hier endlich Friede einzieht«, gab Thess zurück. »Immer musst du die Stolze spielen.«
»Stolz stünde gewissen Frauen gut an; jenen zum Beispiel, die mit jedem Mann bocken, um einen Platz an seinem Feuer zu kriegen.«
»Wärst du nicht so eigensinnig, könntest du auch eine Ehefrau sein.«
»Sie ist am besten fürs Militär geeignet«, sagte der Hetman.
»Das bestimme noch immer ich«, sagte der Anführer der Söldner. Er war zwar der Jüngste, doch sein Helm und seine Waffen waren von bester Qualität. Sein Harnisch bestand aus Metall, nicht aus Leder. »Schau nach, ob das Mädchen geeignet ist, Murdant.«
Der Murdant, er war etwa eineinhalbmal so alt wie der Offizier, umkreiste Dar langsam und begutachtete ihre robuste Anmut. Er hielt sie für alt genug, um verheiratet zu sein. Sie war etwa zwei Dutzend Winter alt. Trotz ihres zerzausten Haars hatte sie ein anziehendes Gesicht - große dunkle Augen, ein zierliches Näschen, rotbraunes Haar und volle Lippen. Vermutlich hatte ihr Charakter bisher eine Eheschließung verhindert. Und als wolle sie seine Annahme bestätigen, stand sie mit trotzigem Gesichtsausdruck da und ballte die Hände zu Fäusten.
»Zeig mir deine Zähne«, sagte der Murdant.
Obwohl Dar wusste, dass der Mann sich bestimmt nicht vergraulen lassen würde, indem sie ihm ihre schlechte Laune zeigte, presste sie die Zähne fest aufeinander. Der Murdant grinste nur, dann drückte er mit Daumen und Zeigefinger grob in ihre Wangen und zwang sie so, den Mund zu öffnen. Er warf einen raschen Blick in ihre Kehle, und sie holte zu einer Ohrfeige aus, die er mit leichter Hand abwehrte.
»Sie hat noch alle Zähne, und der Rest sieht auch gesund aus.«
»Das reicht uns«, sagte der Offizier.
Der Hetman verbeugte sich. »Für den König erfüllen wir unsere Pflicht immer, Tolum.«
Der Offizier maß den Hetman mit einem herablassenden Blick. »Diese alte Jungfer ist doch kein großer Verlust für euch.«
Thess ging in die Hütte zurück und kam mit einem kleinen Bündel wieder hervor. Es war in einen fadenscheinigen Umhang gewickelt. »Ich habe deine Sachen zusammengepackt«, sagte sie und reichte sie Dar.
Der Tolum bestieg sein Pferd. »Bringt sie zum Lager, aber schnell. Ich werde dort warten.« Er ritt los.
Der Murdant wandte sich an die anderen Söldner. »Ihr habt gehört, was der Tolum gesagt hat. Vorwärts, marsch!« Er wandte sich zu Dar um, die ihr Bündel mit fassungsloser Miene umklammert hielt. Er kannte diesen Gesichtsausdruck. Ihre Familie hat sie verkauft, dachte er. Jetzt weiß sie nicht, was sie tun soll. Dennoch bezweifelte er, dass sie ihren Trotz ablegen würde. »Willst du uns etwa Ärger machen?«
Dar schüttelte den Kopf.
»Dann komm mit. Sonst holen wir das Pferd nie ein.«
Dar drehte sich um. Sie wollte sich verabschieden, doch ihre Familie war schon in der Hütte verschwunden.
Anfangs unterbrach nur das Stampfen der Soldatenstiefel die Stille. Dar schritt mit ausdrucksloser Miene zwischen den Männern aus und überlegte, was sie tun sollte. Um Zeit zu gewinnen und in der Hoffnung, das Tempo zu verlangsamen, bewegte sie sich, als täten ihr die Füße weh. Sie wusste, dass der Pfad an einem steilen, mit losem Gestein bedeckten Hang vorbeiführte. Sie rechnen bestimmt nicht damit, dass ich barfuß einen Hang hinauflaufen kann. Sie war sicher, dass sie den Söldnern entwischen und ins Hochland entkommen konnte: Die Harnische würden die Männer behindern.
Dar versuchte sich auszumalen, was sie anschließend tun würde. Nach Hause zurück kann ich nicht mehr. Der Hetman würde sie als Gesetzlose einstufen. Bestimmt würde kein Nachbar es riskieren, ihr Unterschlupf zu gewähren. Sie würde weit fortgehen müssen. Und das war ihr Dilemma: Im Hochland hatten Frauen ohne Blutsverwandte weder Rechte noch genossen sie Schutz. Um im Hochland zu wohnen, musste sie einen Mann um Erlaubnis bitten. Dar machte sich keine Illusionen über den Preis, den er dafür verlangen würde. Schon die Vorstellung ließ sie schaudern.
Als die Söldner an dem von Gestein bedeckten Abhang vorbeimarschierten, unternahm sie keinen Fluchtversuch. Nach dem Abwägen ihrer Möglichkeiten wählte sie das, was sie für das geringere Übel hielt - ein ungewisses Schicksal beim Militär.
Der Pfad führte in ein Tal. Als Dar ihrem neuen Leben entgegentrottete, dachte sie an das, das sie zurückließ. Ihre Halbschwestern würden ihr fehlen, aber das war auch alles. Die Beziehung zu ihrem Vater war seit dem Tod ihrer Mutter angespannt gewesen. Der heutige Verrat war nur sein letzter. Ihr Leben in der Steinhütte hatte nur aus Plackerei, unerwünschten Freiern und dem Genörgel einer gehässigen Stiefmutter bestanden. Sie versuchte sich mit dem Gedanken aufzuheitern, dass diese Leiden nun ausgestanden waren, doch sie vermutete, dass andere sie bald ersetzen würden.
So wie der Marsch die Söldner erwärmte, löste er auch ihre Zunge. »Glaubst du, der Tolum verirrt sich?«, fragte ein Mann mit einem Akzent, den Dar noch nie gehört hatte.
»Selbst er kann Hufspuren verfolgen«, sagte einer seiner Gefährten.
»Außerdem ist sein Pferd schlau«, meinte ein anderer Mann. »Vielleicht ist es sogar schlauer als er.«
»Wenigstens hat er heute auf den Murdanten gehört«, sagte der erste Söldner. »Die da ist ja gleich mitgekommen.«
»Weil sie so ist wie du«, sagte ein grinsender Soldat. »Zu nichts zu gebrauchen.«
Sein Gefährte schaute Dar an. »Bist du zu nichts zu gebrauchen?«
Dar errötete. Der Söldner setzte eine lüsterne Miene auf und gab sich die Antwortet selbst. »Na, für eins kann man dich bestimmt gebrauchen.«
»Im Gegensatz zu dir, Tham«, sagte der Murdant. Die anderen Männer lachten.
»Meine Mutter hat wenigstens geweint, als ich gegangen bin«, sagte Tham. »Heute hab ich keine Tränen gesehen.«
»Im Gegensatz zu gestern.«
»Ja«, sagte der Murdant. »Ich hab zum Tolum gesagt, wir sollen uns jemanden holen, den niemand vermisst. - He, Schätzchen, werden deine Leute dir fehlen?«
Dar schwieg.
»Vielleicht ist sie froh, dass sie von dem Misthaufen weg ist«, sagte einer der Männer.
»Klar«, sagte ein anderer. »Ist doch schön, Soldat zu sein.«
Ein Söldner lachte. »Besonders für eine Frau.«
»Ich hab gar nicht gehört, dass Krieg ist«, sagte Dar. »Wann hat er angefangen?«
Der Murdant grinste. »Ihr wohnt ja wirklich am Ende der Welt. Kregant führt Krieg seit dem Tag seiner Krönung. Für Söldner gibt's eine Menge zu tun.«
»Worum kämpft der König?«
»Um alles, was er will. Ich führe nur Befehle aus.«
»Und was tu ich dabei?«, fragte Dar.
»Du kochst.«
»Ihr seid den ganzen Weg marschiert, um euch eine Köchin zu besorgen?«
»Der Kommandeur des Tolum verlangt nach Frauen aus den Bergen. Er sagt, sie sind zäh.«
Dar musterte den Murdanten und die anderen. Sie wirkten wie Männer, die ein entbehrungsreiches Leben führten. Eine Frau, die mit ihnen zusammenarbeiten will, muss schon stark sein, dachte sie. Doch ein Flackern in den Augen des Murdanten sagte ihr, dass sie noch nicht die ganze Wahrheit kannte.
»Wie lange wird mein Dienst dauern?«, fragte sie.
»Nicht lange«, sagte der Murdant, den Blick in die Ferne gerichtet.
Für eine Weile war Dar der Weg vertraut. Es ging durch das Tal, dann den gegenüberliegenden Hügel hinauf bis zum Kamm. Gegen Mittag ließen sie den Kamm hinter sich und stiegen in ein gewundenes Tal hinab, in dem sie noch nie gewesen war. In den niedrigeren Gefilden hatten die Bäume ihre Blätter schon abgeworfen. An einem Bach legten die Marschierer eine kurze Rast ein und aßen etwas. Dann ging es weiter. Am frühen Nachmittag erreichten sie ein Lager. Der Tolum kam über die Lichtung, auf der sein Pferd graste. Mehrere Söldner hielten sich in der Nähe auf. Einer kümmerte sich um das Feuer. Ein Stück entfernt saß eine blonde Frau mit dem Rücken an einen Baumstamm gelehnt. Sie schaute Dar nicht an.
»Ihr habt aber lange gebraucht«, sagte der Tolum.
»Das ist keine Entschuldigung, Murdant!« Der Tolum schenkte Dar einen gereizten Blick. »Bei Karms Zitzen! Wieso hast du denn kein Schuhwerk?« Er zog den Murdanten beiseite, und sie unterhielten sich leise. Hinterher richtete der Tolum seine Aufmerksamkeit wieder auf Dar. »Leg dich hin.«
»Warum?«
»Man hinterfragt keine Befehle«, sagte der Murdant. »Wer so was tut, wird ausgepeitscht. Leg dich gefälligst hin.«
Dar gehorchte. Der Murdant nickte. Ein großer Söldner kam zu ihr, baute sich mit gespreizten Beinen über ihr auf, setzte sich auf ihren Brustkorb und nagelte ihre Arme mit den Knien am Boden fest. Ein anderer Mann packte ihre Unterschenkel. Ein dritter Söldner kniete sich hin und klemmte ihren Kopf zwischen seine Knie; sie waren wie ein Schraubstock. Dar erspähte aus den Augenwinkeln einen sich nähernden vierten Mann. Er hielt etwas Glühendes in der Hand. Dar wollte ihre Arme befreien, doch der Mann auf ihrem Brustkorb verlieh seinen Knien mehr Gewicht, bis der Druck kaum noch auszuhalten war. »Halt doch still«, sagte er.
Dar hielt still. Der Mann auf ihrem Brustkorb gab ein wenig nach. Inzwischen ragte der vierte Mann neben ihnen auf, und sie konnte sehen, dass der glühende Gegenstand ein Brandeisen war. Das Ende ähnelte einer fünfzackigen von Flammen umgebenen Krone. Als es sich Dars Gesicht näherte, schloss sie die Augen und knirschte mit den Zähnen. Kurz darauf spürte sie einen sengenden Schmerz auf ihrer Stirn und roch verbranntes Fleisch. Dar kämpfte gegen die Tränen an, doch es gelang ihr nicht. Die Männer ließen sie los, und sie setzte sich aufrecht hin. Der Schmerz war schlimm.
Der Murdant warf ihr einen Wassersack zu. »Schütt Wasser drauf«, sagte er. »Es hilft.«
Das Wasser linderte die Pein nur insofern, dass Dar ihre
Stimme beherrschen konnte. »Ich bin freiwillig mitgekommen. Es gab es keinen Grund, das zu tun.«
»Alle Frauen, die in Ork-Regimentern dienen, erhalten ein Brandzeichen, damit sie nicht desertieren.«
»Ork-Regiment?« Als Dar die Alptraum-Geschichten einfielen, ließ ihr Schmerz ein wenig nach.
»Genau«, sagte der Tolum. »Auf jede Gebrandmarkte ist Kopfgeld ausgesetzt. Wenn du deinen Kopf behalten willst, solltest du immer bei deinem Regiment bleiben.«
»Was wollen denn Orks mit Frauen?«
»Ich habe keine Ahnung«, sagte der Tolum. »Ich kämpfe neben Menschen, nicht an der Seite von Ungeheuern.«
»Sie brauchen Kellnerinnen«, sagte der Murdant. »Ich hab das schon oft gesehen.«
»Du hast aber auch gesagt, dass ich nicht lange dienen muss«, erwiderte Dar spitz. »Das Brandzeichen beweist, dass du gelogen hast.«
»Ja, ich habe gelogen«, erwiderte der Murdant. »Aber jetzt, da du gebrandmarkt bist, gibt es keinen Grund mehr dafür.«
»Wir sind hier fertig«, sagte der Tolum. »Kettet sie an die andere Frau, und dann Abmarsch. Morgen müssen wir zurück sein.«
Ein Söldner trat an den Baum, an dem die Frau lehnte, und zog sie auf die Beine. Nun erst sah Dar, dass die Unterschenkel und Handgelenke der Fremden gefesselt waren. Ein Eisenring schlang sich um ihren Hals. An dem Ring war eine schwere Kette mit mehreren Glöckchen befestigt. Der Söldner nahm der Frau zwar die Fesseln ab, doch nicht den Ring. Er zog sie an der Kette zu Dar hin. Am anderen Ende der Kette befand sich ein zweiter Ring, den er um Dars Hals legte und verschloss. »Das hier trägst du, bis du bei deiner Einheit bist.«
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Autoren-Porträt von Morgan Howell
Morgan Howell, Schriftsteller und Künstler, hat bereits zahlreiche phantastische Romane für Erwachsene und Jugendliche geschrieben. Er lebt und arbeitet in New York.
Bibliographische Angaben
- Autor: Morgan Howell
- 2010, 1278 Seiten, Maße: 11,8 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Hahn, Ronald M.
- Übersetzer: Ronald M. Hahn
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453527917
- ISBN-13: 9783453527911
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