Deiner Seele Grab / Kommissar Dühnfort Bd.6
Kriminalroman. Kommissar Dühnforts sechster Fall
In München sterben immer mehr alte Menschen, die ein Unbekannter "von ihren Leiden erlöst"? Wer ist dieser todbringende Samariter? Verblendeter Gutmensch oder eiskalter Killer? Bei seinen Recherchen stößt Kommissar Dühnfort...
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Produktinformationen zu „Deiner Seele Grab / Kommissar Dühnfort Bd.6 “
In München sterben immer mehr alte Menschen, die ein Unbekannter "von ihren Leiden erlöst"? Wer ist dieser todbringende Samariter? Verblendeter Gutmensch oder eiskalter Killer? Bei seinen Recherchen stößt Kommissar Dühnfort auf die geheimnisvolle Elena, die von Rachegedanken besessen ist.
Klappentext zu „Deiner Seele Grab / Kommissar Dühnfort Bd.6 “
»Der Dämon in dir wird siegen. Deine dunkle Seite. Das Böse. Das Teuflische. Alle Demütigungen, Verletzungen, Ungerechtigkeiten, die du erleiden musstest, formen dich. Zu dem, was du sein wirst. Sie machen dich dazu.« Wer ist der Samariter, der in München alte Menschen von ihren Leiden erlöst? Ein verblendeter Erlöser, der glaubt, Gutes zu tun? Oder ein eiskalter Killer? Was hat es mit der geheimnisvollen Elena auf sich, die nur ein Ziel kennt: Rache! Sind der Samariter und sie ein Team? Plötzlich ist sie verschwunden. Als Kommissar Konstantin Dühnfort schließlich begreift, worum es wirklich geht, ist es beinahe zu spät ...Lese-Probe zu „Deiner Seele Grab / Kommissar Dühnfort Bd.6 “
Deiner Seele Grab von Inge LöhningDu spürst sie tief in dir, diese Unruhe. Ein unaufhörlich anschwellendes Kratzen, Scheuern, Schleifen, Schaben. Wundmachende Gedanken. Wie raspelnde Feilen. Sie zerfetzen und zerreißen dich, weiden dich aus, häuten dich. Du bist bereit zu kapitulieren, dich in seine Arme zu werfen. Der Dämon in dir wird siegen. Deine dunkle Seite. Das Böse. Das Teuflische.
Alle Demütigungen und Ungerechtigkeiten, die du erleiden musstest, formen dich zu dem, was du sein wirst.
Es ist nicht deine Entscheidung.
Sie machen dich dazu.
Du wirst nur die Antwort sein, das Echo. Mehr nicht. Nur der Widerhall ihrer Bosheit und Gleichgültigkeit. Der Spiegel ihrer Ablehnung, ihres Hochmuts. Ein Spiegel, in dem sie sich erkennen können. Wenn sie hineinblicken, werden sie ihr Werk sehen. Deine Fratze, in der sich deine gemarterte Seele zeigt, die nach Erlösung schreit, nach innerem Frieden, nach Gerechtigkeit und nach Liebe. All das möchtest du erlangen. Um jeden Preis. Wenn du ans Licht willst, musst du durch Dunkelheit gehen.
Der Dämon in dir tobt. Du akzeptierst, was unausweichlich ist, sein muss und sein wird. Du besänftigst ihn, raunst ihm zustimmende Worte zu.
Es ist, was es ist, sagt die Liebe.
Du wirst, was du wirst, sagt der Hass.
1
Vor den Fenstern des Vernehmungsraums senkte sich Dämmerung herab. Die Luft im Zimmer war stickig und abgestanden und von der Heizung völlig ausgedörrt. Dühnforts Augen brannten, als sei er in einen Mistral geraten. Sein Mund war trocken. Langsam und stetig stieg in ihm eine kaum zu unterdrückende Gereiztheit auf.
... mehr
Kirsten, die neben ihm saß, streckte sich. »Ich mach mal Licht.« Die Stuhlbeine scharrten übers Linoleum. Flackernd ging die Neonröhre über dem Tisch an.
Mehr als drei Stunden dauerte die Befragung von Katja Behringer nun schon, in deren Verlauf sie von der Zeugin zur Beschuldigten geworden war. Dühnfort hatte sie über ihre Rechte belehrt. Dennoch hatte sie auf die Anwesenheit eines Anwalts verzichtet und schien sich sehr sicher zu fühlen. Das Gespräch drehte sich seit einer Stunde mehr oder weniger im Kreis. Sie gab nur zu, was sich nicht länger abstreiten ließ. Es gelang ihnen nicht, sie in Widersprüche zu verwickeln. Gebetsmühlenartig wiederholte sie die immer gleichen Phrasen, klammerte sich an Worte wie an Vorsprünge einer Steilwand, an der sie krampfhaft Halt suchte, während tief unter ihr der Abgrund lauerte. Doch sie kletterte ohne Seil. Sie würde abstürzen. Es war nur eine Frage der Zeit.
»Frau Behringer, ich weiß, dass Sie Manuel Ruge getötet haben. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, reinen Tisch zu machen. Erleichtern Sie Ihr Gewissen. Es wird Ihnen guttun und wirkt sich strafmildernd aus.«
Sie senkte die Augen, betrachtete wieder einmal ihre Hände. Schmale, lange Finger. Mauvefarbener Nagellack. Ein Platinreif mit einem Diamanten steckte am linken Ringfinger. »Ich hätte Manuel nie etwas antun können.« Sie blickte auf und neigte den Kopf ein wenig. Mit großen Augen sah sie ihn an. Es machte ihn wütend, dass sie glaubte, er fiele auf dieses unschuldige Kindergetue herein, das sie immer wieder einsetzte. Sie war Anfang dreißig, und er erwartete, dass sie sich entsprechend benahm. Schließlich war sie Wettermoderatorin bei einem privaten Fernsehsender. Einen solchen Job bekam man nur, wenn man sich durchsetzen konnte. Für wie dumm hielt sie ihn?
»Wir haben uns in aller Freundschaft getrennt. Warum hätte ich das tun sollen?« Ihre Mundwinkel zuckten, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. »Ich habe ihn doch geliebt.«
Wie er diesen Satz hasste! In der Regel wurde er von Männern bemüht, die ihre Frauen erschlagen, erdrosselt, erstochen oder auf andere Art getötet hatten, weil sie das Unfassbare gewagt hatten: ihn zu verlassen. Wenn ich sie nicht haben kann, dann soll sie auch kein anderer haben. Doch es gab sie, die seltenen Fälle, in denen Frauen aus diesem Grund mordeten. Katja Behringer gehörte zu ihnen. Davon war er überzeugt.
»In aller Freundschaft getrennt? Manuel Ruge hat seiner Frau von Ihrem Auftritt in seinem Büro erzählt. Sie haben gesagt, er würde das büßen und bitter ...«
»Mein Gott, was erwarten Sie denn? Sie ist eifersüchtig. Sie hasst mich und wird das Blaue vom Himmel lügen, um mich verdächtig zu machen. In ihren Augen bin schließlich ich die Böse, die ihre ach so tolle Ehe zerstört hat. Dabei hat sie Manuel nicht mehr geliebt als den nächsten Geldautomaten an der Ecke. Sein Einkommen war alles, was sie von ihm wollte. Und dann hängt sie ihm noch ein zweites Kind an. Es ist unglaublich.« In ihrer Stimme lag alle Verachtung, die sie der Frau ihres toten Exgeliebten entgegenbrachte.
»Kehren wir doch noch einmal zu dem Medikament zurück, das Sie sich wegen einer angeblichen Bronchitis ...«
»Wieso angeblich? Ich habe mir die Seele aus dem Leib gehustet. Das wird Ihnen mein Arzt bestätigen. Grundlos hat er mir das Antibiotikum sicher nicht verschrieben.«
»Er wollte Ihnen kein Rezept dafür ausstellen. Sie haben darauf gedrängt.«
»Warum sagt er das? Das ist nicht wahr.«
»Und Sie haben das Medikament auch nicht eingenommen. Es fehlen nur zwei Tabletten aus dem Blister.«
»Weil es mir schnell besserging. Deshalb habe ich es abgesetzt.«
»In Ihrem Bad gibt es zahlreiche angebrochene Medikamentenpackungen. Sie werfen sie also nicht leichtfertig weg. Weshalb haben wir das Antibiotikum dann im Müll gefunden?«
»Ich habe es nicht weggeworfen. Nicht absichtlich. Die Schachtel lag auf dem Couchtisch bei den Illustrierten. Sie muss dazwischengeraten sein, als ich sie entsorgt habe.«
Endlosschleife, dachte Dühnfort. So kommen wir nicht weiter. Er brauchte eine Idee und eine Pause. Während er sich reckte und mit einer Hand den verspannten Nacken massierte, fing er Kirstens Blick auf. Sie schien genauso genervt wie er. Die Hoffnung auf ein Geständnis löste sich in Luft auf. Dühnfort war sich sicher, dass Katja Behringer ihren Geliebten hinterhältig getötet hatte, und zwar mit einem Antibiotikum, auf das er allergisch reagierte. Zweimal in seinem Leben hatte er es eingenommen und beide Male einen anaphylaktischen Schock erlitten, den er nur knapp überlebt hatte. Wissentlich hätte Manuel Ruge das Medikament kein drittes Mal geschluckt. Und das hatte er auch nicht. Es war im Dessert gewesen, einer Pannacotta. Doch bisher konnten sie Katja Behringer weder nachweisen, dass sie von der Allergie wusste, noch dass sie am fraglichen Abend in Ruges Wohnung gewesen war und ihm seine Lieblingsnachspeise mitgebracht hatte. Denn sie war häufig dort gewesen. Ihre Spuren am Tatort waren so erklärbar.
Kirsten unterdrückte ein Gähnen. Auch sie schien eine Pause zu brauchen. Dühnfort sah auf die Uhr. »Unterbrechung der Vernehmung Behringer um achtzehn Uhr zehn.« Er stellte das Aufnahmegerät ab. »Wir machen jetzt fünfzehn Minuten Pause. Möchten Sie etwas trinken oder essen?«
»Danke. Ich möchte jetzt gehen. Wir sind ja wohl fertig. «
Dühnfort öffnete das Fenster und ließ frische Luft herein. »Noch nicht ganz.«
»Wie lange wollen Sie diese Schikane noch fortführen?«
»Ich hole mir einen Kaffee. Magst du auch einen?«, fragte Kirsten.
Dühnfort nickte. »Gerne. Die Pavoni ist eingeschaltet.« Die Espressomaschine in seinem Büro war seine Antwort auf die Automaten, die in jedem Stockwerk des Münchener Polizeipräsidiums auf den Fluren standen und untrinkbare Plörre von sich gaben.
Er sah Kirsten nach, wie sie den Vernehmungsraum verließ. Seit vier Monaten gehörte sie jetzt zu seinem Team und machte ihre Arbeit gut, doch so richtig warm geworden war er mit ihr bisher nicht. Eine kühle Blonde, stets akkurat, überlegt und zielstrebig und dabei abweisend und unnahbar. Lediglich Staatsanwalt Christoph Leyenfels schien einen der Schutzwälle überwunden zu haben, die sie, nicht grundlos, umgaben. Was sie erlebt hatte, steckte man nicht einfach weg. Der Mordfall Manuel Ruge musste Kirsten erschüttern, doch sie hatte sich im Griff. Wie immer.
»Ich habe Sie etwas gefragt.« Katja Behringer schob den Stuhl zurück und stand auf. »Wie lange wollen Sie mich hier noch festhalten?«
»Nicht länger als nötig.«
»Soll heißen, bis ich einen Mord gestehe, den ich nicht begangen habe.«
Er spürte die Wut, die sie zu unterdrücken versuchte, eine latente Aggressivität, die dicht unter der makellosen Oberfläche dieser attraktiven Frau vibrierte. »Würden Sie sich bitte wieder setzen.«
»Das sind Polizeistaatmethoden«, fuhr sie ihn an. »Ich werde es öffentlich machen, wie ich hier behandelt und unter Druck gesetzt werde.« Zorn funkelte in ihren Augen. Eine Ader am Hals trat hervor. Er sah den Pulsschlag darin pochen.
Derartige Drohungen waren nicht neu für ihn. Häufig kamen sie, wenn ein Beschuldigter sich in die Enge getrieben fühlte, wenn das Unausweichliche absehbar wurde, wenn man sich langsam der Wahrheit näherte. »Es steht Ihnen frei, sich an meinen Vorgesetzten zu wenden. Sie sollten Ihre Vorwürfe allerdings beweisen können. Aus diesem Grund zeichnen wir Vernehmungen auf.« Er ging auf sie zu und wollte ihr die Hand beschwichtigend auf die Schulter legen. »Bitte setzen Sie sich.«
Sie schlug sie weg. »Fassen Sie mich nicht an. Sie Scheißkerl! «, schrie sie und schlug um sich. Plötzlich flogen ihre Hände und Arme. »Pfoten weg!« Ihr Unterarm traf seine Brust. »Scheißkerl!«
Das ging zu weit. Er wehrte den folgenden Schlag ab und versuchte, sie in Polizeigriff zu nehmen. »Au! Sie tun mir weh!« Mit der freien Hand hieb sie weiter auf ihn ein. »Hilfe!«
Herrgott, was für ein Theater! »Beruhigen Sie sich!« Hatte ihre Attacke ihn für den Bruchteil einer Sekunde amüsiert, schlugen seine Gefühle nun in Zorn um. Was war er doch für ein verdammter Idiot! Sie wollte Tatsachen schaffen und schlug weiter auf ihn ein. Bulle verprügelt Beschuldigte. »Jetzt ist es aber gut!« Er drehte ihr den Arm auf den Rücken, sah einen Uniformierten in den Raum stürzen, während er versuchte, sie im Polizeigriff zu halten, doch sie stellte ihm ein Bein. Krachend landeten sie beide auf dem Boden. Ihre Schreie gingen in ein Wimmern über. Der Kollege ging neben ihr in die Hocke und beugte sich über sie. »Sie sind ja verletzt!«
Dühnfort rappelte sich auf. Der Schutzpolizist sah zu ihm hoch. Sie kannten sich. Polizeiobermeister Arnold Gerstner. »Wir brauchen einen Arzt«, stammelte er. Abscheu lag in seinem Blick.
Wieso einen Arzt? Zornige Röte war einer Leichenblässe gewichen. Behringers Unterkiefer zitterte. Noch immer saß sie auf dem Boden und starrte auf den Ärmel ihres cremefarbenen Kaschmirpullovers. Ein Stück Unterarmknochen hatte das feine, inzwischen blutgetränkte Gewebe durchstoßen und ragte daraus hervor. Ein offener Bruch. Merde! Verdammter Mist! Sie war unglücklich gestürzt. Das hatte er nicht gewollt. Doch hätte sie nicht dafür gesorgt, dass sie beide zu Fall kamen, wäre das nicht passiert.
Plötzlich stand Kirsten neben ihm, zwei Tassen Espresso in den Händen. »Was ist denn hier los?«
»Er hat mich geschlagen«, stammelte Katja Behringer.
»Was?« Obwohl er es hatte kommen sehen, überraschte ihn diese Lüge doch.
»Ich habe doch nur gesagt, dass ich es nicht war. Ich kann doch nicht einen Mord gestehen ...« Ihre Augen verdrehten sich, sie sackte nach hinten weg. Gerstner, der neben ihr kniete, erwischte sie gerade noch, bevor ihr Kopf auf den Boden knallen konnte.
Fragend suchte Kirsten Dühnforts Blick. Er schüttelte den Kopf, zuckte die Schultern und forderte einen Notarzt an, während Gerstner die Frau in stabile Seitenlage brachte. Zu guter Letzt zog er noch seine Uniformjacke aus und schob sie ihr unter den Kopf. Im Raum hatten sich inzwischen etliche Kollegen versammelt. Fragen wurden laut.
Gerstner stellte sich vor Dühnfort. Nur ein paar Zentimeter trennten sie. Bewusst verletzte er die Distanzgrenze, provozierte. »Das hätten Sie nicht tun sollen. Sie sind echt zu weit gegangen. Einfach drauflosprügeln, nur weil sie nicht gesagt hat, was Sie hören wollten. In Ihrer Position sollten Sie sich besser im Griff haben.«
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Kirsten, die neben ihm saß, streckte sich. »Ich mach mal Licht.« Die Stuhlbeine scharrten übers Linoleum. Flackernd ging die Neonröhre über dem Tisch an.
Mehr als drei Stunden dauerte die Befragung von Katja Behringer nun schon, in deren Verlauf sie von der Zeugin zur Beschuldigten geworden war. Dühnfort hatte sie über ihre Rechte belehrt. Dennoch hatte sie auf die Anwesenheit eines Anwalts verzichtet und schien sich sehr sicher zu fühlen. Das Gespräch drehte sich seit einer Stunde mehr oder weniger im Kreis. Sie gab nur zu, was sich nicht länger abstreiten ließ. Es gelang ihnen nicht, sie in Widersprüche zu verwickeln. Gebetsmühlenartig wiederholte sie die immer gleichen Phrasen, klammerte sich an Worte wie an Vorsprünge einer Steilwand, an der sie krampfhaft Halt suchte, während tief unter ihr der Abgrund lauerte. Doch sie kletterte ohne Seil. Sie würde abstürzen. Es war nur eine Frage der Zeit.
»Frau Behringer, ich weiß, dass Sie Manuel Ruge getötet haben. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, reinen Tisch zu machen. Erleichtern Sie Ihr Gewissen. Es wird Ihnen guttun und wirkt sich strafmildernd aus.«
Sie senkte die Augen, betrachtete wieder einmal ihre Hände. Schmale, lange Finger. Mauvefarbener Nagellack. Ein Platinreif mit einem Diamanten steckte am linken Ringfinger. »Ich hätte Manuel nie etwas antun können.« Sie blickte auf und neigte den Kopf ein wenig. Mit großen Augen sah sie ihn an. Es machte ihn wütend, dass sie glaubte, er fiele auf dieses unschuldige Kindergetue herein, das sie immer wieder einsetzte. Sie war Anfang dreißig, und er erwartete, dass sie sich entsprechend benahm. Schließlich war sie Wettermoderatorin bei einem privaten Fernsehsender. Einen solchen Job bekam man nur, wenn man sich durchsetzen konnte. Für wie dumm hielt sie ihn?
»Wir haben uns in aller Freundschaft getrennt. Warum hätte ich das tun sollen?« Ihre Mundwinkel zuckten, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. »Ich habe ihn doch geliebt.«
Wie er diesen Satz hasste! In der Regel wurde er von Männern bemüht, die ihre Frauen erschlagen, erdrosselt, erstochen oder auf andere Art getötet hatten, weil sie das Unfassbare gewagt hatten: ihn zu verlassen. Wenn ich sie nicht haben kann, dann soll sie auch kein anderer haben. Doch es gab sie, die seltenen Fälle, in denen Frauen aus diesem Grund mordeten. Katja Behringer gehörte zu ihnen. Davon war er überzeugt.
»In aller Freundschaft getrennt? Manuel Ruge hat seiner Frau von Ihrem Auftritt in seinem Büro erzählt. Sie haben gesagt, er würde das büßen und bitter ...«
»Mein Gott, was erwarten Sie denn? Sie ist eifersüchtig. Sie hasst mich und wird das Blaue vom Himmel lügen, um mich verdächtig zu machen. In ihren Augen bin schließlich ich die Böse, die ihre ach so tolle Ehe zerstört hat. Dabei hat sie Manuel nicht mehr geliebt als den nächsten Geldautomaten an der Ecke. Sein Einkommen war alles, was sie von ihm wollte. Und dann hängt sie ihm noch ein zweites Kind an. Es ist unglaublich.« In ihrer Stimme lag alle Verachtung, die sie der Frau ihres toten Exgeliebten entgegenbrachte.
»Kehren wir doch noch einmal zu dem Medikament zurück, das Sie sich wegen einer angeblichen Bronchitis ...«
»Wieso angeblich? Ich habe mir die Seele aus dem Leib gehustet. Das wird Ihnen mein Arzt bestätigen. Grundlos hat er mir das Antibiotikum sicher nicht verschrieben.«
»Er wollte Ihnen kein Rezept dafür ausstellen. Sie haben darauf gedrängt.«
»Warum sagt er das? Das ist nicht wahr.«
»Und Sie haben das Medikament auch nicht eingenommen. Es fehlen nur zwei Tabletten aus dem Blister.«
»Weil es mir schnell besserging. Deshalb habe ich es abgesetzt.«
»In Ihrem Bad gibt es zahlreiche angebrochene Medikamentenpackungen. Sie werfen sie also nicht leichtfertig weg. Weshalb haben wir das Antibiotikum dann im Müll gefunden?«
»Ich habe es nicht weggeworfen. Nicht absichtlich. Die Schachtel lag auf dem Couchtisch bei den Illustrierten. Sie muss dazwischengeraten sein, als ich sie entsorgt habe.«
Endlosschleife, dachte Dühnfort. So kommen wir nicht weiter. Er brauchte eine Idee und eine Pause. Während er sich reckte und mit einer Hand den verspannten Nacken massierte, fing er Kirstens Blick auf. Sie schien genauso genervt wie er. Die Hoffnung auf ein Geständnis löste sich in Luft auf. Dühnfort war sich sicher, dass Katja Behringer ihren Geliebten hinterhältig getötet hatte, und zwar mit einem Antibiotikum, auf das er allergisch reagierte. Zweimal in seinem Leben hatte er es eingenommen und beide Male einen anaphylaktischen Schock erlitten, den er nur knapp überlebt hatte. Wissentlich hätte Manuel Ruge das Medikament kein drittes Mal geschluckt. Und das hatte er auch nicht. Es war im Dessert gewesen, einer Pannacotta. Doch bisher konnten sie Katja Behringer weder nachweisen, dass sie von der Allergie wusste, noch dass sie am fraglichen Abend in Ruges Wohnung gewesen war und ihm seine Lieblingsnachspeise mitgebracht hatte. Denn sie war häufig dort gewesen. Ihre Spuren am Tatort waren so erklärbar.
Kirsten unterdrückte ein Gähnen. Auch sie schien eine Pause zu brauchen. Dühnfort sah auf die Uhr. »Unterbrechung der Vernehmung Behringer um achtzehn Uhr zehn.« Er stellte das Aufnahmegerät ab. »Wir machen jetzt fünfzehn Minuten Pause. Möchten Sie etwas trinken oder essen?«
»Danke. Ich möchte jetzt gehen. Wir sind ja wohl fertig. «
Dühnfort öffnete das Fenster und ließ frische Luft herein. »Noch nicht ganz.«
»Wie lange wollen Sie diese Schikane noch fortführen?«
»Ich hole mir einen Kaffee. Magst du auch einen?«, fragte Kirsten.
Dühnfort nickte. »Gerne. Die Pavoni ist eingeschaltet.« Die Espressomaschine in seinem Büro war seine Antwort auf die Automaten, die in jedem Stockwerk des Münchener Polizeipräsidiums auf den Fluren standen und untrinkbare Plörre von sich gaben.
Er sah Kirsten nach, wie sie den Vernehmungsraum verließ. Seit vier Monaten gehörte sie jetzt zu seinem Team und machte ihre Arbeit gut, doch so richtig warm geworden war er mit ihr bisher nicht. Eine kühle Blonde, stets akkurat, überlegt und zielstrebig und dabei abweisend und unnahbar. Lediglich Staatsanwalt Christoph Leyenfels schien einen der Schutzwälle überwunden zu haben, die sie, nicht grundlos, umgaben. Was sie erlebt hatte, steckte man nicht einfach weg. Der Mordfall Manuel Ruge musste Kirsten erschüttern, doch sie hatte sich im Griff. Wie immer.
»Ich habe Sie etwas gefragt.« Katja Behringer schob den Stuhl zurück und stand auf. »Wie lange wollen Sie mich hier noch festhalten?«
»Nicht länger als nötig.«
»Soll heißen, bis ich einen Mord gestehe, den ich nicht begangen habe.«
Er spürte die Wut, die sie zu unterdrücken versuchte, eine latente Aggressivität, die dicht unter der makellosen Oberfläche dieser attraktiven Frau vibrierte. »Würden Sie sich bitte wieder setzen.«
»Das sind Polizeistaatmethoden«, fuhr sie ihn an. »Ich werde es öffentlich machen, wie ich hier behandelt und unter Druck gesetzt werde.« Zorn funkelte in ihren Augen. Eine Ader am Hals trat hervor. Er sah den Pulsschlag darin pochen.
Derartige Drohungen waren nicht neu für ihn. Häufig kamen sie, wenn ein Beschuldigter sich in die Enge getrieben fühlte, wenn das Unausweichliche absehbar wurde, wenn man sich langsam der Wahrheit näherte. »Es steht Ihnen frei, sich an meinen Vorgesetzten zu wenden. Sie sollten Ihre Vorwürfe allerdings beweisen können. Aus diesem Grund zeichnen wir Vernehmungen auf.« Er ging auf sie zu und wollte ihr die Hand beschwichtigend auf die Schulter legen. »Bitte setzen Sie sich.«
Sie schlug sie weg. »Fassen Sie mich nicht an. Sie Scheißkerl! «, schrie sie und schlug um sich. Plötzlich flogen ihre Hände und Arme. »Pfoten weg!« Ihr Unterarm traf seine Brust. »Scheißkerl!«
Das ging zu weit. Er wehrte den folgenden Schlag ab und versuchte, sie in Polizeigriff zu nehmen. »Au! Sie tun mir weh!« Mit der freien Hand hieb sie weiter auf ihn ein. »Hilfe!«
Herrgott, was für ein Theater! »Beruhigen Sie sich!« Hatte ihre Attacke ihn für den Bruchteil einer Sekunde amüsiert, schlugen seine Gefühle nun in Zorn um. Was war er doch für ein verdammter Idiot! Sie wollte Tatsachen schaffen und schlug weiter auf ihn ein. Bulle verprügelt Beschuldigte. »Jetzt ist es aber gut!« Er drehte ihr den Arm auf den Rücken, sah einen Uniformierten in den Raum stürzen, während er versuchte, sie im Polizeigriff zu halten, doch sie stellte ihm ein Bein. Krachend landeten sie beide auf dem Boden. Ihre Schreie gingen in ein Wimmern über. Der Kollege ging neben ihr in die Hocke und beugte sich über sie. »Sie sind ja verletzt!«
Dühnfort rappelte sich auf. Der Schutzpolizist sah zu ihm hoch. Sie kannten sich. Polizeiobermeister Arnold Gerstner. »Wir brauchen einen Arzt«, stammelte er. Abscheu lag in seinem Blick.
Wieso einen Arzt? Zornige Röte war einer Leichenblässe gewichen. Behringers Unterkiefer zitterte. Noch immer saß sie auf dem Boden und starrte auf den Ärmel ihres cremefarbenen Kaschmirpullovers. Ein Stück Unterarmknochen hatte das feine, inzwischen blutgetränkte Gewebe durchstoßen und ragte daraus hervor. Ein offener Bruch. Merde! Verdammter Mist! Sie war unglücklich gestürzt. Das hatte er nicht gewollt. Doch hätte sie nicht dafür gesorgt, dass sie beide zu Fall kamen, wäre das nicht passiert.
Plötzlich stand Kirsten neben ihm, zwei Tassen Espresso in den Händen. »Was ist denn hier los?«
»Er hat mich geschlagen«, stammelte Katja Behringer.
»Was?« Obwohl er es hatte kommen sehen, überraschte ihn diese Lüge doch.
»Ich habe doch nur gesagt, dass ich es nicht war. Ich kann doch nicht einen Mord gestehen ...« Ihre Augen verdrehten sich, sie sackte nach hinten weg. Gerstner, der neben ihr kniete, erwischte sie gerade noch, bevor ihr Kopf auf den Boden knallen konnte.
Fragend suchte Kirsten Dühnforts Blick. Er schüttelte den Kopf, zuckte die Schultern und forderte einen Notarzt an, während Gerstner die Frau in stabile Seitenlage brachte. Zu guter Letzt zog er noch seine Uniformjacke aus und schob sie ihr unter den Kopf. Im Raum hatten sich inzwischen etliche Kollegen versammelt. Fragen wurden laut.
Gerstner stellte sich vor Dühnfort. Nur ein paar Zentimeter trennten sie. Bewusst verletzte er die Distanzgrenze, provozierte. »Das hätten Sie nicht tun sollen. Sie sind echt zu weit gegangen. Einfach drauflosprügeln, nur weil sie nicht gesagt hat, was Sie hören wollten. In Ihrer Position sollten Sie sich besser im Griff haben.«
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Autoren-Porträt von Inge Löhnig
Schon als Kind verfügte Inge Löhnig über so viel Fantasie, dass ihre Geschichten noch heute in der Familie legendär sind. Neben dem Beruf als Grafik-Designerin war Schreiben lange ein Hobby. Erst mit dem Erscheinen der Reihe um den Münchner Kommissar Konstantin Dühnfort wurde daraus die neue Profession. Die Kriminal-Romane von Inge Löhnig sind ebenso regelmäßig auf der Bestsellerliste zu finden, wie die spannenden Familien-Romane, die sie unter dem Pseudonym Ellen Sandberg veröffentlicht. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in der Nähe von München.
Bibliographische Angaben
- Autor: Inge Löhnig
- 2014, 5. Aufl., 496 Seiten, Maße: 12 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: List TB.
- ISBN-10: 3548611249
- ISBN-13: 9783548611242
- Erscheinungsdatum: 05.03.2014
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