Lange Zähne
Roman
Wild, romantisch und garantiert kussecht: die etwas andere Lovestory
Tommy Flood hat Probleme: Statt Karriere als Schriftsteller zu machen, arbeitet er nachts in einem Supermarkt und zuhause warten fünf Chinesen auf ihn, die ihn heiraten wollen. Kann es...
Tommy Flood hat Probleme: Statt Karriere als Schriftsteller zu machen, arbeitet er nachts in einem Supermarkt und zuhause warten fünf Chinesen auf ihn, die ihn heiraten wollen. Kann es...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Lange Zähne “
Wild, romantisch und garantiert kussecht: die etwas andere Lovestory
Tommy Flood hat Probleme: Statt Karriere als Schriftsteller zu machen, arbeitet er nachts in einem Supermarkt und zuhause warten fünf Chinesen auf ihn, die ihn heiraten wollen. Kann es noch schlimmer kommen? Ja, es kann! Denn als Tommy die hübsche Jody kennen lernt und mit ihr die leidenschaftlichste Nacht seines Lebens verbringt, ahnt er noch nicht, wie unsterblich diese Liebe zu werden droht. Jody ist ein Vampir und absolut vernarrt in Tommys Hals ...
Tommy Flood hat Probleme: Statt Karriere als Schriftsteller zu machen, arbeitet er nachts in einem Supermarkt und zuhause warten fünf Chinesen auf ihn, die ihn heiraten wollen. Kann es noch schlimmer kommen? Ja, es kann! Denn als Tommy die hübsche Jody kennen lernt und mit ihr die leidenschaftlichste Nacht seines Lebens verbringt, ahnt er noch nicht, wie unsterblich diese Liebe zu werden droht. Jody ist ein Vampir und absolut vernarrt in Tommys Hals ...
Klappentext zu „Lange Zähne “
Tommy Flood hat Probleme: Statt Karriere als Schriftsteller zu machen, arbeitet er nachts in einem Supermarkt und zuhause warten fünf Chinesen auf ihn, die ihn heiraten wollen. Kann es noch schlimmer kommen? Ja, es kann! Denn als Tommy die hübsche Jody kennen lernt und mit ihr die leidenschaftlichste Nacht seines Lebens verbringt, ahnt er noch nicht, wie unsterblich diese Liebe zu werden droht. Jody ist ein Vampir und absolut vernarrt in Tommys Hals
Tommy Flood hat Probleme: Statt Karriere als Schriftsteller zu machen, arbeitet er nachts in einem Supermarkt und zuhause warten fünf Chinesen auf ihn, die ihn heiraten wollen. Kann es noch schlimmer kommen? Ja, es kann! Denn als Tommy die hübsche Jody kennen lernt und mit ihr die leidenschaftlichste Nacht seines Lebens verbringt, ahnt er noch nicht, wie unsterblich diese Liebe zu werden droht. Jody ist ein Vampir und absolut vernarrt in Tommys Hals ...
Lese-Probe zu „Lange Zähne “
1. Kapitel Tod Der Sonnenuntergang bepinselte die große Pyramide mit Purpur, während der Kaiser in der Gasse darunter genüßlich einen Strahl Wasser an einem Müllcontainer abließ. Bodennebel kroch von der Bucht herauf, schlängelte sich um die Säulen und über die Betonlöwen und brach sich schließlich an den Türmen, in denen das Geld des Westens bewegt wurde. Das Bankenviertel: Vor einer Stunde flossen hier noch Ströme von Männern in grauer Schurwolle und Frauen mit Pumps. Jetzt waren die Straßen verlassen - still bis auf ein Nebelhorn, das über die Bucht muhte wie eine einsame Kuh.Der Kaiser schüttelte die letzten Tropfen von seinem Szepter ab, schauderte fröstelnd, dann zog er den Reißverschluß an seinem Hosenstall zu und wandte sich zu den königlichen Hunden um, die geduldig hinter ihm warteten. "Das Nebelhorn klingt heute Abend ungewöhnlich traurig, findet ihr nicht auch?"
Der kleinere der Hunde, ein Boston Terrier, senkte den Kopf und leckte sich die Lefzen.
"Bummer, du bist so einfältig! Meine Stadt verfällt vor deinen Augen. Die Luft ist von Gift geschwängert, die Kinder erschießen einander auf offener Straße, und jetzt rafft auch noch diese Seuche, diese schreckliche Seuche, mein Volk zu Tausenden dahin, aber du denkst nur ans Fressen."
Der Kaiser deutete mit einem Nicken auf den größeren Hund, einen Golden Retriever. "Lazarus weiß um die Bürde unserer Verantwortung. Muß man sterben, um Würde zu finden? Manchmal frage ich mich das."
Lazarus legte die Ohren an und knurrte.
"Habe ich dich beleidigt, mein Freund?"
Nun begann auch Bummer zu knurren und wich von dem Müllcontainer zurück. Der Kaiser drehte sich um und sah, wie der Deckel des Containers langsam von einer bleichen Hand hochgedrückt wurde. Eine Gestalt, ein Mann, stand im Müllcontainer auf, sein dunkles Haar zerzaust und gespickt mit Abfall, seine Haut weiß wie Knochen. Er sprang seitlich aus dem Müllcontainer und fauchte den kleinen Hund an, wobei er lange weiße Fangzähne
... mehr
bloßlegte. Jaulend versteckte sich Bummer hinter dem Bein des Kaisers.
"Reiß dich zusammen", befahl der Kaiser. Er warf sich in die Brust und schob die Daumen unter das Revers seines zerschlissenen Mantels.
Der Vampir wischte ein verfaultes Salatblatt von seinem schwarzen Hemd und grinste. "Ich lasse dich leben", erklärte er. Seine Stimme klang wie eine Feile, die man über uraltes, verrostetes Metall zieht. "Das ist deine Strafe."
Der Kaiser riß entsetzt die Augen auf, aber er ließ sich nicht einschüchtern. Der Vampir lachte, dann drehte er sich um und verschwand im Nebel.
Dem Kaiser lief es kalt den Nacken hinunter. Er ließ den Kopf hängen und dachte: Bitte nicht. Meine Stadt stirbt an Gift und der Seuche, und jetzt sucht auch noch diese - diese Kreatur die Straßen heim. Die Verantwortung ist erdrückend. Kaiser hin oder her, ich bin auch nur ein Mensch. Ich bin schwach wie Wasser: Es gilt ein ganzes Reich zu retten, doch im Moment würde ich für eine Familienportion knusprig gebratener Hähnchenteile des Colonels meine Seele verkaufen. Ah, aber ich muß den Truppen mit gutem Beispiel vorangehen. Ich vermute, es könnte schlimmer sein. Ich könnte der Kaiser von Oakland sein.
"Kinn hoch, Brust raus, Jungs", sagte der Kaiser zu seinen Hunden. "Wenn wir gegen dieses Ungeheuer in die Schlacht ziehen wollen, dann brauchen wir Kraft. In North Beach gibt es eine Bäckerei, die bald ihre altbackenen Waren wegwerfen wird. Machen wir uns auf." Er schlurfte los und dachte bei sich: Nero hat auf seiner Fidel gespielt, während sein Reich in Schutt und Asche zerfiel; ich werde trockene Backwaren essen.
Während der Kaiser die California Street entlangmarschierte und versuchte, sich die Ohnmacht der Macht mit der Aussicht auf einen Puderzucker-Doughnut zu versüßen, verließ Jody die Pyramide. Jody war sechsundzwanzig und hübsch auf eine Art, die in Männern den Wunsch weckte, sie mit Flanellbettzeug zuzudecken und ihr noch einen Kuß auf die Stirn zu geben, bevor sie das Schlafzimmer verließen; niedlich, aber nicht schön.
Als sie unter den riesigen Betonstrebepfeilern der Pyramide durchkam, hinkte sie wegen einer Strumpfhosen-Beschädigung. Die Laufmasche, die sich breit von der Hacke bis zur Kniekehle hinten an ihrem Bein hinaufzog - das Ergebnis einer heimtückischen Aktenschublade (Schadensfälle, X-Y-Z), die plötzlich vorgeschnellt war und ihr in den Knöchel gebissen hatte - tat nicht wirklich weh, aber Jody hinkte trotzdem, von der rein psychologischen Verletzung. Mein Kleiderschrank sieht bald aus wie eine Straußenzucht, ging es ihr durch den Sinn. Ich muß entweder anfangen, Stopfeier wegzuwerfen, oder meine Beine bräunen, damit ich keine Strumpfhosen mehr tragen muß.
Sie war noch nie braun gewesen, konnte es auch nicht wirklich werden. Sie war ein milchhäutiger, grünäugiger Rotschopf, den die Sonne nur verbrannte und mit Sommersprossen übersäte.
Als sie noch einen halben Block von ihrer Bushaltestelle entfernt war, siegte der vom Wind getriebene Nebel, und Jodys Haar verlor mit einem Schlag jeglichen natürlichen Haarspray-Halt. Ordentliche taillenlange Wellen kräuselten sich augenblicklich zu einem ungebändigten Cape aus Locken und Kletten. Na toll, dachte sie, wenn ich nach Hause komme, sehe ich wieder mal aus wie ausgekotzt. Da wird sich Kurt aber freuen!
Sie zog wärmesuchend ihren Blazer fester um ihre Schultern, klemmte sich ihren Aktenkoffer quer unter die Brüste, wie ein Schulmädchen seine Lehrbücher, und humpelte weiter. Ein Stück weiter vorn auf dem Bürgersteig sah sie jemanden neben der Glastür eines Börsenmakler-Büros stehen. Grünes Licht von den Monitoren drinnen zeichnete seine Silhouette in den Nebel. Jody überlegte, die Straßenseite zu wechseln, um ihm auszuweichen, aber sie würde nach ein paar Metern wieder wechseln müssen, um ihren Bus zu kriegen.
Ich bin es leid, Überstunden zu machen, dachte sie. Das ist es nicht wert. Kein Blickkontakt, lautete ihr Plan.
Als sie an dem Mann vorbeiging, blickte sie starr auf ihre Laufschuhe (die Pumps waren im Aktenkoffer). So ist's richtig. Nur noch ein paar Schritte ...
Eine Hand packte sie am Haar und riß sie von den Füßen. Ihr Aktenkoffer segelte über den Bürgersteig, und sie fing an zu schreien. Eine andere Hand preßte sich über ihren Mund, und sie wurde von der Straße weg in eine Gasse geschleift. Sie trat und schlug um sich, aber er war zu stark. Der Gestank von verdorbenem Fleisch stieg ihr in die Nase. Würgend versuchte sie weiterzuschreien. Ihr Angreifer wirbelte sie herum, riß an ihrem Haar, zog ihren Kopf nach hinten, bis sie glaubte, ihr würde das Genick brechen. Dann spürte sie einen stechenden Schmerz an der Seite ihres Halses, und ihre Kraft schien zu verpuffen.
Sie nahm auf der anderen Seite der Gasse eine Limodose und ein altes Wall Street Journal wahr, ein Kaugummi, das an der Mauer klebte, ein "Parken verboten"-Schild: Einzelheiten, seltsam verlangsamt und bedeutungsschwanger. Ihr Blickfeld verdunkelte sich von den Rändern her, so als würde sich eine Irisblende schließen, und ihr ging durch den Sinn: Dies sind die letzten Dinge, die ich in meinem Leben sehe. Die Stimme in ihrem Kopf war ruhig, gelassen.
Als alles dunkel wurde, versetzte ihr ihr Angreifer eine Ohrfeige. Jody schlug die Augen auf und sah ein hageres, weißes Gesicht vor sich. Er sprach zu ihr. "Trink", sagte er.
Etwas Warmes und Nasses wurde in ihren Mund gerammt. Sie schmeckte warmes Eisen und Salz und würgte wieder. Es ist sein Arm. Er hat mir seinen Arm in den Mund gerammt und mir die Zähne ausgeschlagen. Ich schmecke Blut.
"Trink!"
Eine Hand hielt ihr die Nase zu. Jody wehrte sich, versuchte zu atmen, versuchte, seinen Arm aus ihrem Mund zu ziehen, um wieder Luft zu kriegen, rang nach Atem und erstickte fast an Blut. Doch dann saugte sie, trank gierig. Als er seinen Arm wegzog, hielt sie ihn fest. Er riß ihn ihr aus dem Mund, drehte sie grob herum und biß ihr abermals in den Hals. Kurz darauf spürte Jody, wie sie fiel. Der Angreifer zerrte an ihren Kleidern, aber sie hatte keine Kraft mehr, sich zu wehren. Sie fühlte etwas Rauhes an der Haut ihrer Brüste und ihres Bauches, dann ließ er auch schon wieder von ihr ab.
"Das wirst du brauchen", sagte er, und seine Stimme hallte in ihrem Kopf, als hätte er in eine Schlucht gerufen. "Jetzt kannst du sterben."
Jody empfand fast so etwas die Dankbarkeit. Mit seiner Erlaubnis gab sie auf. Ihr Herzschlag verlangsamte sich, stockte und setzte schließlich ganz aus.
2. Kapitel Tod - die Zweite Sie hörte über sich in der Dunkelheit Insekten huschen, roch verbranntes Fleisch und fühlte, wie etwas Schweres auf ihren Rücken drückte. O mein Gott, er hat mich lebendig begraben!
Ihr Gesicht war gegen etwas Hartes, Kaltes gepreßt - Stein, dachte sie, bis sie das Öl im Asphalt roch. Panik übermannte sie, und sie versuchte verzweifelt, sich auf ihren Händen hochzustemmen. Schmerz schoß durch ihre linke Hand, als Jody sich aufstützte. Es schepperte, dann gab es einen ohrenbetäubenden Rumms, und Jody stand. Der Müllcontainer, der auf ihren Rücken gedrückt hatte, lag umgekippt da und verstreute seinen Abfall über die Gasse. Jody sah ihn ungläubig an. Er mußte mindestens eine Tonne gewogen haben.
Angst und Adrenalin, dachte sie bei sich.
Dann blickte sie auf ihre linke Hand und schrie. Die Haut war schrecklich verbrannt, die obere Hautschicht schwarz und aufgeplatzt. Jody lief aus der Gasse, um sich Hilfe zu holen, aber die Straße war verlassen. Ich muß ins Krankenhaus, die Polizei rufen.
Sie entdeckte eine Telefonzelle; eine rote Hitzesäule erhob sich von der Lampe darüber. Jody spähte rechts und links die Straße hinunter. Über jeder Straßenlaterne konnte sie rote Wellen aufsteigen sehen. Sie konnte das Summen der Kabel der Cable Cars über sich hören, das stete Fließen der Kanalisation unter der Straße. Sie konnte toten Fisch und Dieseldämpfe im Nebel riechen, die Fäulnis der Oakland-Sümpfe auf der anderen Seite der Bucht, alte Pommes Frites, Zigarettenstummel, Brotkrusten und angegammelte Salami aus einer Mülltonne in der Nähe und den nachhaltigen Duft von Aramis, der unter den Türen der Börsenmakler-Büros und Banken herauswaberte. Sie konnte hören, wie Nebelschwaden wie nasser Samt an den Gebäuden entlangstrichen. Es war so, als wären ihre Sinne, genau wie ihre Körperkraft, durch das Adrenalin hochgeputscht worden.
Sie schüttelte das Spektrum von Geräuschen und Gerüchen ab und lief zu der Telefonzelle; ihre verbrannte Hand hielt sie vorsichtig am Gelenk umfaßt. Als sie sich bewegte, fühlte sie etwas Rauhes auf der Haut unter ihrer Bluse. Sie zog mit der rechten Hand an der Seide, zerrte den Stoff aus ihrem Rockbund. Geldbündel fielen aus ihrer Bluse auf den Bürgersteig. Jody blieb stehen und starrte auf die von Manschetten gehaltenen Bündel von Hundertdollarnoten, die zu ihren Füßen lagen.
Das müssen an die hunderttausend Dollar sein, ging es ihr durch den Kopf. Ein Mann hat mich überfallen, mich erstickt, mich in den Hals gebissen, meine Hand verbrannt und mir dann die Bluse mit Geld vollgestopft und einen Müllcontainer auf mich gekippt, und jetzt kann ich Wärme sehen und Nebel hören. Ich habe den Jackpot in Satans Lotterie geknackt!
Sie ließ das Geld auf dem Bürgersteig liegen und lief zurück in die Gasse. Mit ihrer gesunden Hand durchwühlte sie den Müll, der aus dem Container gefallen war, bis sie eine Papiertüte fand. Danach kehrte sie auf die Straße zurück und steckte das Geld in die Tüte.
In der Telefonzelle mußte sie etwas fummeln, um den Hörer von der Gabel zu bekommen und zu wählen, da sie weder das Geld ablegen wollte, noch ihre verbrannte Hand zu Hilfe nehmen. Sie tippte 911, und während sie auf die Verbindung wartete, betrachtete sie ihre Verbrennung. Sie sah eigentlich schlimmer aus, als sie sich anfühlte. Als Jody versuchte, die Finger zu bewegen, platzte die schwarze Haut auf. Mann, das sollte weh tun. Und es sollte mir schlecht werden, überlegte sie, aber das tut es nicht. Um ehrlich zu sein, fühle ich mich gar nicht so mies, wenn man die Umstände bedenkt. Das eine oder andere Racquetball-Match mit Kurt hat mich schon mehr mitgenommen. Komisch.
Im Hörer klickte es, und eine Frauenstimme meldete sich in der Leitung. "Hallo, hier ist die Notrufzentrale San Francisco. Wenn Sie sich im Moment in unmittelbarer Gefahr befinden, drücken sie die Eins. Wenn die Gefahr vorüber ist und Sie immer noch Hilfe brauchen, drücken Sie die Zwei."
Jody drückte die Zwei.
"Wenn Sie beraubt wurden, drücken Sie die Eins. Wenn Sie in einen Unfall verwickelt waren, drücken Sie die Zwei. Wenn Sie überfallen wurden, drücken Sie die Drei. Wenn Sie anrufen, um ein Feuer zu melden, drücken Sie die Vier. Wenn Sie ..."
Jody ging die Möglichkeiten im Kopf durch und drückte die Drei.
"Wenn Sie angeschossen wurden, drücken Sie die Eins. Bei Stichwunden drücken Sie die Zwei. Bei Vergewaltigung drücken Sie die Drei. Alle anderen Überfälle: Drücken Sie die Vier. Wenn Sie die Optionen noch einmal hören möchten, drücken Sie die Fünf."
Jody wollte die Vier drücken, traf aber statt dessen die Fünf. Es klickte ein paarmal, dann meldete sich wieder die Bandstimme.
"Hallo, hier ist die Notrufzentrale San Francisco. Wenn Sie sich im Moment in unmittelbarer Gefahr befinden ..."
Jody knallte den Hörer auf die Gabel. Er zerbrach in ihrer Hand und hätte beinahe noch das Telefon aus der Halterung gerissen. Jody machte erschreckt einen Satz zurück und betrachtete den Schaden. Adrenalin, dachte sie bei sich.
Ich werde Kurt anrufen. Er kann mich abholen und ins Krankenhaus fahren. Sie sah sich nach einer anderen Telefonzelle um. Da war eine neben ihrer Bushaltestelle. Als sie dort ankam, wurde ihr bewußt, daß sie kein Kleingeld hatte. Ihre Handtasche war in ihrem Aktenkoffer gewesen, und der Aktenkoffer war weg. Sie versuchte, sich an ihre Telefonkarten-Nummer zu erinnern, aber sie und Kurt waren erst vor einem Monat zusammengezogen, deshalb kannte sie die Nummer noch nicht auswendig. Sie nahm den Hörer ab und wählte die Vermittlung an. "Ich würde gern ein R-Gespräch von Jody anmelden." Sie gab der Vermittlung die Nummer und wartete, während es in der Leitung klingelte. Der Anrufbeantworter ging ran.
"Sieht so aus, als wäre niemand zu Hause", sagte die Vermittlung.
"Er hört die Anrufe mit", beharrte Jody. "Sagen Sie ihm nur ..."
"Tut mir leid, es ist uns nicht gestattet, Nachrichten zu hinterlassen."
Beim Auflegen zerstörte Jody auch dieses Telefon - diesmal absichtlich.
Ganze Bündel von Hundertdollarnoten, und ich kann nicht einmal einen verdammten Telefonanruf machen, ging es ihr durch den Sinn. Kurt hört seine Anrufe mit - es muß schon sehr spät sein; man sollte denken, daß er sich um mich sorgen und ans Telefon gehen würde. Wenn ich nicht so sauer wäre, würde ich heulen.
Ihre Hand tat mittlerweile überhaupt nicht mehr weh. Als Jody sie sich abermals anschaute, schien sie auch etwas angeheilt zu sein. Ich schnappe langsam über, dachte sie bei sich. Posttraumatisches Überschnappen. Außerdem habe ich Hunger. Ich brauche ärztliche Hilfe, ich brauche ein gutes Essen, ich brauche einen mitfühlenden Cop, ein Glas Wein, ein heißes Bad, eine Umarmung, meine Automatenkarte, damit ich das ganze Bargeld auf mein Konto einzahlen kann. Ich brauche ...
Der 42er Bus bog um die Ecke. Instinktiv tastete Jody in ihrer Blazertasche nach ihrer Monatskarte. Sie war noch da. Der Bus hielt an, und die Tür ging auf. Jody stieg ein und hielt dem Fahrer kurz ihre Monatskarte hin. Er grunzte. Jody setzte sich auf die erste Bank, gegenüber von drei anderen Fahrgästen.
Jody fuhr nun schon seit fünf Jahren mit dem Bus, und gelegentlich - weil sie Überstunden gemacht hatte oder im Kino gewesen war - hatte sie ihn auch spätabends nehmen müssen. Aber heute Abend, mit ihrem zerzausten, schmutzigen Haar, ihrer zerrissenen Strumpfhose und ihrem zerknitterten, fleckigen Kostüm - verdreckt, verwirrt und verzweifelt -, hatte sie zum ersten Mal das Gefühl, hierherzupassen. Die Irren strahlten bei ihrem Anblick.
"Parkplatz!" rief eine Frau hinten im Bus aus. Jody sah auf.
"Parkplatz!" Die Frau trug einen geblümten Hausmantel und Mickey-Maus-Ohren. Sie zeigte aus dem Fenster und brüllte: "Parkplatz!"
Jody wandte peinlich berührt den Blick ab. Aber sie verstand nur zu gut. Sie besaß einen Wagen, einen schnellen kleinen Honda, und seit sie vor einem Monat einen Parkplatz vor ihrer Wohnung gefunden hatte, bewegte sie den Wagen nur Dienstag abends, wenn die Straßenreinigung kam - und stellte ihn sofort zurück, sobald der Straßenkehrerwagen durch war. Parzellen-Hüten war eine alte Tradition in der Stadt; man mußte einen Platz mit seinem Leben verteidigen. Jody hatte gehört, daß es in Chinatown Parkplätze gab, die schon seit Generationen in den Händen einzelner Familien waren, behütet wie die Gräber ehrenwerter Ahnen und gesichert durch das eine oder andere Schmiergeld an die chinesischen Straßenbanden.
"Parkplatz!" rief die Frau.
Jody schaute über den Mittelgang hinweg zur Bank gegenüber und begegnete dem Blick eines abgerissenen, bärtigen Mannes in einem Mantel. Er grinste schüchtern, dann zog er langsam seinen Mantel beiseite, um eine beeindruckende Erektion zu enthüllen, die aus dem Hosenstall seiner khakifarbenen Hosen ragte.
Jody erwiderte das Grinsen, zog ihre verbrannte, schwarze Hand unter ihrem Blazer hervor und hielt sie für ihn hoch. Übertrumpft schloß er seinen Mantel, lümmelte sich auf seinen Sitz und schmollte. Jody konnte gar nicht glauben, daß sie das getan hatte.
Neben dem bärtigen Mann saß eine junge Frau, die wütend einen Pullover in einen Handarbeitsbeutel hinein aufribbelte, so als würde sie ihn noch einmal stricken, sobald sie ihn ganz aufgetrennt hatte. Neben der Strickerin saß ein alter Mann mit Tweedanzug und wollener Jagdmütze, der einen Gehstock zwischen seinen Knien festhielt. Alle paar Augenblicke wurde er von einem rasselnden Hustenanfall geschüttelt. Anschließend rang er nach Luft, während er sich die Augen mit einem seidenen Taschentuch trocknete. Als er bemerkte, daß Jody ihn ansah, lächelte er entschuldigend.
"Reiß dich zusammen", befahl der Kaiser. Er warf sich in die Brust und schob die Daumen unter das Revers seines zerschlissenen Mantels.
Der Vampir wischte ein verfaultes Salatblatt von seinem schwarzen Hemd und grinste. "Ich lasse dich leben", erklärte er. Seine Stimme klang wie eine Feile, die man über uraltes, verrostetes Metall zieht. "Das ist deine Strafe."
Der Kaiser riß entsetzt die Augen auf, aber er ließ sich nicht einschüchtern. Der Vampir lachte, dann drehte er sich um und verschwand im Nebel.
Dem Kaiser lief es kalt den Nacken hinunter. Er ließ den Kopf hängen und dachte: Bitte nicht. Meine Stadt stirbt an Gift und der Seuche, und jetzt sucht auch noch diese - diese Kreatur die Straßen heim. Die Verantwortung ist erdrückend. Kaiser hin oder her, ich bin auch nur ein Mensch. Ich bin schwach wie Wasser: Es gilt ein ganzes Reich zu retten, doch im Moment würde ich für eine Familienportion knusprig gebratener Hähnchenteile des Colonels meine Seele verkaufen. Ah, aber ich muß den Truppen mit gutem Beispiel vorangehen. Ich vermute, es könnte schlimmer sein. Ich könnte der Kaiser von Oakland sein.
"Kinn hoch, Brust raus, Jungs", sagte der Kaiser zu seinen Hunden. "Wenn wir gegen dieses Ungeheuer in die Schlacht ziehen wollen, dann brauchen wir Kraft. In North Beach gibt es eine Bäckerei, die bald ihre altbackenen Waren wegwerfen wird. Machen wir uns auf." Er schlurfte los und dachte bei sich: Nero hat auf seiner Fidel gespielt, während sein Reich in Schutt und Asche zerfiel; ich werde trockene Backwaren essen.
Während der Kaiser die California Street entlangmarschierte und versuchte, sich die Ohnmacht der Macht mit der Aussicht auf einen Puderzucker-Doughnut zu versüßen, verließ Jody die Pyramide. Jody war sechsundzwanzig und hübsch auf eine Art, die in Männern den Wunsch weckte, sie mit Flanellbettzeug zuzudecken und ihr noch einen Kuß auf die Stirn zu geben, bevor sie das Schlafzimmer verließen; niedlich, aber nicht schön.
Als sie unter den riesigen Betonstrebepfeilern der Pyramide durchkam, hinkte sie wegen einer Strumpfhosen-Beschädigung. Die Laufmasche, die sich breit von der Hacke bis zur Kniekehle hinten an ihrem Bein hinaufzog - das Ergebnis einer heimtückischen Aktenschublade (Schadensfälle, X-Y-Z), die plötzlich vorgeschnellt war und ihr in den Knöchel gebissen hatte - tat nicht wirklich weh, aber Jody hinkte trotzdem, von der rein psychologischen Verletzung. Mein Kleiderschrank sieht bald aus wie eine Straußenzucht, ging es ihr durch den Sinn. Ich muß entweder anfangen, Stopfeier wegzuwerfen, oder meine Beine bräunen, damit ich keine Strumpfhosen mehr tragen muß.
Sie war noch nie braun gewesen, konnte es auch nicht wirklich werden. Sie war ein milchhäutiger, grünäugiger Rotschopf, den die Sonne nur verbrannte und mit Sommersprossen übersäte.
Als sie noch einen halben Block von ihrer Bushaltestelle entfernt war, siegte der vom Wind getriebene Nebel, und Jodys Haar verlor mit einem Schlag jeglichen natürlichen Haarspray-Halt. Ordentliche taillenlange Wellen kräuselten sich augenblicklich zu einem ungebändigten Cape aus Locken und Kletten. Na toll, dachte sie, wenn ich nach Hause komme, sehe ich wieder mal aus wie ausgekotzt. Da wird sich Kurt aber freuen!
Sie zog wärmesuchend ihren Blazer fester um ihre Schultern, klemmte sich ihren Aktenkoffer quer unter die Brüste, wie ein Schulmädchen seine Lehrbücher, und humpelte weiter. Ein Stück weiter vorn auf dem Bürgersteig sah sie jemanden neben der Glastür eines Börsenmakler-Büros stehen. Grünes Licht von den Monitoren drinnen zeichnete seine Silhouette in den Nebel. Jody überlegte, die Straßenseite zu wechseln, um ihm auszuweichen, aber sie würde nach ein paar Metern wieder wechseln müssen, um ihren Bus zu kriegen.
Ich bin es leid, Überstunden zu machen, dachte sie. Das ist es nicht wert. Kein Blickkontakt, lautete ihr Plan.
Als sie an dem Mann vorbeiging, blickte sie starr auf ihre Laufschuhe (die Pumps waren im Aktenkoffer). So ist's richtig. Nur noch ein paar Schritte ...
Eine Hand packte sie am Haar und riß sie von den Füßen. Ihr Aktenkoffer segelte über den Bürgersteig, und sie fing an zu schreien. Eine andere Hand preßte sich über ihren Mund, und sie wurde von der Straße weg in eine Gasse geschleift. Sie trat und schlug um sich, aber er war zu stark. Der Gestank von verdorbenem Fleisch stieg ihr in die Nase. Würgend versuchte sie weiterzuschreien. Ihr Angreifer wirbelte sie herum, riß an ihrem Haar, zog ihren Kopf nach hinten, bis sie glaubte, ihr würde das Genick brechen. Dann spürte sie einen stechenden Schmerz an der Seite ihres Halses, und ihre Kraft schien zu verpuffen.
Sie nahm auf der anderen Seite der Gasse eine Limodose und ein altes Wall Street Journal wahr, ein Kaugummi, das an der Mauer klebte, ein "Parken verboten"-Schild: Einzelheiten, seltsam verlangsamt und bedeutungsschwanger. Ihr Blickfeld verdunkelte sich von den Rändern her, so als würde sich eine Irisblende schließen, und ihr ging durch den Sinn: Dies sind die letzten Dinge, die ich in meinem Leben sehe. Die Stimme in ihrem Kopf war ruhig, gelassen.
Als alles dunkel wurde, versetzte ihr ihr Angreifer eine Ohrfeige. Jody schlug die Augen auf und sah ein hageres, weißes Gesicht vor sich. Er sprach zu ihr. "Trink", sagte er.
Etwas Warmes und Nasses wurde in ihren Mund gerammt. Sie schmeckte warmes Eisen und Salz und würgte wieder. Es ist sein Arm. Er hat mir seinen Arm in den Mund gerammt und mir die Zähne ausgeschlagen. Ich schmecke Blut.
"Trink!"
Eine Hand hielt ihr die Nase zu. Jody wehrte sich, versuchte zu atmen, versuchte, seinen Arm aus ihrem Mund zu ziehen, um wieder Luft zu kriegen, rang nach Atem und erstickte fast an Blut. Doch dann saugte sie, trank gierig. Als er seinen Arm wegzog, hielt sie ihn fest. Er riß ihn ihr aus dem Mund, drehte sie grob herum und biß ihr abermals in den Hals. Kurz darauf spürte Jody, wie sie fiel. Der Angreifer zerrte an ihren Kleidern, aber sie hatte keine Kraft mehr, sich zu wehren. Sie fühlte etwas Rauhes an der Haut ihrer Brüste und ihres Bauches, dann ließ er auch schon wieder von ihr ab.
"Das wirst du brauchen", sagte er, und seine Stimme hallte in ihrem Kopf, als hätte er in eine Schlucht gerufen. "Jetzt kannst du sterben."
Jody empfand fast so etwas die Dankbarkeit. Mit seiner Erlaubnis gab sie auf. Ihr Herzschlag verlangsamte sich, stockte und setzte schließlich ganz aus.
2. Kapitel Tod - die Zweite Sie hörte über sich in der Dunkelheit Insekten huschen, roch verbranntes Fleisch und fühlte, wie etwas Schweres auf ihren Rücken drückte. O mein Gott, er hat mich lebendig begraben!
Ihr Gesicht war gegen etwas Hartes, Kaltes gepreßt - Stein, dachte sie, bis sie das Öl im Asphalt roch. Panik übermannte sie, und sie versuchte verzweifelt, sich auf ihren Händen hochzustemmen. Schmerz schoß durch ihre linke Hand, als Jody sich aufstützte. Es schepperte, dann gab es einen ohrenbetäubenden Rumms, und Jody stand. Der Müllcontainer, der auf ihren Rücken gedrückt hatte, lag umgekippt da und verstreute seinen Abfall über die Gasse. Jody sah ihn ungläubig an. Er mußte mindestens eine Tonne gewogen haben.
Angst und Adrenalin, dachte sie bei sich.
Dann blickte sie auf ihre linke Hand und schrie. Die Haut war schrecklich verbrannt, die obere Hautschicht schwarz und aufgeplatzt. Jody lief aus der Gasse, um sich Hilfe zu holen, aber die Straße war verlassen. Ich muß ins Krankenhaus, die Polizei rufen.
Sie entdeckte eine Telefonzelle; eine rote Hitzesäule erhob sich von der Lampe darüber. Jody spähte rechts und links die Straße hinunter. Über jeder Straßenlaterne konnte sie rote Wellen aufsteigen sehen. Sie konnte das Summen der Kabel der Cable Cars über sich hören, das stete Fließen der Kanalisation unter der Straße. Sie konnte toten Fisch und Dieseldämpfe im Nebel riechen, die Fäulnis der Oakland-Sümpfe auf der anderen Seite der Bucht, alte Pommes Frites, Zigarettenstummel, Brotkrusten und angegammelte Salami aus einer Mülltonne in der Nähe und den nachhaltigen Duft von Aramis, der unter den Türen der Börsenmakler-Büros und Banken herauswaberte. Sie konnte hören, wie Nebelschwaden wie nasser Samt an den Gebäuden entlangstrichen. Es war so, als wären ihre Sinne, genau wie ihre Körperkraft, durch das Adrenalin hochgeputscht worden.
Sie schüttelte das Spektrum von Geräuschen und Gerüchen ab und lief zu der Telefonzelle; ihre verbrannte Hand hielt sie vorsichtig am Gelenk umfaßt. Als sie sich bewegte, fühlte sie etwas Rauhes auf der Haut unter ihrer Bluse. Sie zog mit der rechten Hand an der Seide, zerrte den Stoff aus ihrem Rockbund. Geldbündel fielen aus ihrer Bluse auf den Bürgersteig. Jody blieb stehen und starrte auf die von Manschetten gehaltenen Bündel von Hundertdollarnoten, die zu ihren Füßen lagen.
Das müssen an die hunderttausend Dollar sein, ging es ihr durch den Kopf. Ein Mann hat mich überfallen, mich erstickt, mich in den Hals gebissen, meine Hand verbrannt und mir dann die Bluse mit Geld vollgestopft und einen Müllcontainer auf mich gekippt, und jetzt kann ich Wärme sehen und Nebel hören. Ich habe den Jackpot in Satans Lotterie geknackt!
Sie ließ das Geld auf dem Bürgersteig liegen und lief zurück in die Gasse. Mit ihrer gesunden Hand durchwühlte sie den Müll, der aus dem Container gefallen war, bis sie eine Papiertüte fand. Danach kehrte sie auf die Straße zurück und steckte das Geld in die Tüte.
In der Telefonzelle mußte sie etwas fummeln, um den Hörer von der Gabel zu bekommen und zu wählen, da sie weder das Geld ablegen wollte, noch ihre verbrannte Hand zu Hilfe nehmen. Sie tippte 911, und während sie auf die Verbindung wartete, betrachtete sie ihre Verbrennung. Sie sah eigentlich schlimmer aus, als sie sich anfühlte. Als Jody versuchte, die Finger zu bewegen, platzte die schwarze Haut auf. Mann, das sollte weh tun. Und es sollte mir schlecht werden, überlegte sie, aber das tut es nicht. Um ehrlich zu sein, fühle ich mich gar nicht so mies, wenn man die Umstände bedenkt. Das eine oder andere Racquetball-Match mit Kurt hat mich schon mehr mitgenommen. Komisch.
Im Hörer klickte es, und eine Frauenstimme meldete sich in der Leitung. "Hallo, hier ist die Notrufzentrale San Francisco. Wenn Sie sich im Moment in unmittelbarer Gefahr befinden, drücken sie die Eins. Wenn die Gefahr vorüber ist und Sie immer noch Hilfe brauchen, drücken Sie die Zwei."
Jody drückte die Zwei.
"Wenn Sie beraubt wurden, drücken Sie die Eins. Wenn Sie in einen Unfall verwickelt waren, drücken Sie die Zwei. Wenn Sie überfallen wurden, drücken Sie die Drei. Wenn Sie anrufen, um ein Feuer zu melden, drücken Sie die Vier. Wenn Sie ..."
Jody ging die Möglichkeiten im Kopf durch und drückte die Drei.
"Wenn Sie angeschossen wurden, drücken Sie die Eins. Bei Stichwunden drücken Sie die Zwei. Bei Vergewaltigung drücken Sie die Drei. Alle anderen Überfälle: Drücken Sie die Vier. Wenn Sie die Optionen noch einmal hören möchten, drücken Sie die Fünf."
Jody wollte die Vier drücken, traf aber statt dessen die Fünf. Es klickte ein paarmal, dann meldete sich wieder die Bandstimme.
"Hallo, hier ist die Notrufzentrale San Francisco. Wenn Sie sich im Moment in unmittelbarer Gefahr befinden ..."
Jody knallte den Hörer auf die Gabel. Er zerbrach in ihrer Hand und hätte beinahe noch das Telefon aus der Halterung gerissen. Jody machte erschreckt einen Satz zurück und betrachtete den Schaden. Adrenalin, dachte sie bei sich.
Ich werde Kurt anrufen. Er kann mich abholen und ins Krankenhaus fahren. Sie sah sich nach einer anderen Telefonzelle um. Da war eine neben ihrer Bushaltestelle. Als sie dort ankam, wurde ihr bewußt, daß sie kein Kleingeld hatte. Ihre Handtasche war in ihrem Aktenkoffer gewesen, und der Aktenkoffer war weg. Sie versuchte, sich an ihre Telefonkarten-Nummer zu erinnern, aber sie und Kurt waren erst vor einem Monat zusammengezogen, deshalb kannte sie die Nummer noch nicht auswendig. Sie nahm den Hörer ab und wählte die Vermittlung an. "Ich würde gern ein R-Gespräch von Jody anmelden." Sie gab der Vermittlung die Nummer und wartete, während es in der Leitung klingelte. Der Anrufbeantworter ging ran.
"Sieht so aus, als wäre niemand zu Hause", sagte die Vermittlung.
"Er hört die Anrufe mit", beharrte Jody. "Sagen Sie ihm nur ..."
"Tut mir leid, es ist uns nicht gestattet, Nachrichten zu hinterlassen."
Beim Auflegen zerstörte Jody auch dieses Telefon - diesmal absichtlich.
Ganze Bündel von Hundertdollarnoten, und ich kann nicht einmal einen verdammten Telefonanruf machen, ging es ihr durch den Sinn. Kurt hört seine Anrufe mit - es muß schon sehr spät sein; man sollte denken, daß er sich um mich sorgen und ans Telefon gehen würde. Wenn ich nicht so sauer wäre, würde ich heulen.
Ihre Hand tat mittlerweile überhaupt nicht mehr weh. Als Jody sie sich abermals anschaute, schien sie auch etwas angeheilt zu sein. Ich schnappe langsam über, dachte sie bei sich. Posttraumatisches Überschnappen. Außerdem habe ich Hunger. Ich brauche ärztliche Hilfe, ich brauche ein gutes Essen, ich brauche einen mitfühlenden Cop, ein Glas Wein, ein heißes Bad, eine Umarmung, meine Automatenkarte, damit ich das ganze Bargeld auf mein Konto einzahlen kann. Ich brauche ...
Der 42er Bus bog um die Ecke. Instinktiv tastete Jody in ihrer Blazertasche nach ihrer Monatskarte. Sie war noch da. Der Bus hielt an, und die Tür ging auf. Jody stieg ein und hielt dem Fahrer kurz ihre Monatskarte hin. Er grunzte. Jody setzte sich auf die erste Bank, gegenüber von drei anderen Fahrgästen.
Jody fuhr nun schon seit fünf Jahren mit dem Bus, und gelegentlich - weil sie Überstunden gemacht hatte oder im Kino gewesen war - hatte sie ihn auch spätabends nehmen müssen. Aber heute Abend, mit ihrem zerzausten, schmutzigen Haar, ihrer zerrissenen Strumpfhose und ihrem zerknitterten, fleckigen Kostüm - verdreckt, verwirrt und verzweifelt -, hatte sie zum ersten Mal das Gefühl, hierherzupassen. Die Irren strahlten bei ihrem Anblick.
"Parkplatz!" rief eine Frau hinten im Bus aus. Jody sah auf.
"Parkplatz!" Die Frau trug einen geblümten Hausmantel und Mickey-Maus-Ohren. Sie zeigte aus dem Fenster und brüllte: "Parkplatz!"
Jody wandte peinlich berührt den Blick ab. Aber sie verstand nur zu gut. Sie besaß einen Wagen, einen schnellen kleinen Honda, und seit sie vor einem Monat einen Parkplatz vor ihrer Wohnung gefunden hatte, bewegte sie den Wagen nur Dienstag abends, wenn die Straßenreinigung kam - und stellte ihn sofort zurück, sobald der Straßenkehrerwagen durch war. Parzellen-Hüten war eine alte Tradition in der Stadt; man mußte einen Platz mit seinem Leben verteidigen. Jody hatte gehört, daß es in Chinatown Parkplätze gab, die schon seit Generationen in den Händen einzelner Familien waren, behütet wie die Gräber ehrenwerter Ahnen und gesichert durch das eine oder andere Schmiergeld an die chinesischen Straßenbanden.
"Parkplatz!" rief die Frau.
Jody schaute über den Mittelgang hinweg zur Bank gegenüber und begegnete dem Blick eines abgerissenen, bärtigen Mannes in einem Mantel. Er grinste schüchtern, dann zog er langsam seinen Mantel beiseite, um eine beeindruckende Erektion zu enthüllen, die aus dem Hosenstall seiner khakifarbenen Hosen ragte.
Jody erwiderte das Grinsen, zog ihre verbrannte, schwarze Hand unter ihrem Blazer hervor und hielt sie für ihn hoch. Übertrumpft schloß er seinen Mantel, lümmelte sich auf seinen Sitz und schmollte. Jody konnte gar nicht glauben, daß sie das getan hatte.
Neben dem bärtigen Mann saß eine junge Frau, die wütend einen Pullover in einen Handarbeitsbeutel hinein aufribbelte, so als würde sie ihn noch einmal stricken, sobald sie ihn ganz aufgetrennt hatte. Neben der Strickerin saß ein alter Mann mit Tweedanzug und wollener Jagdmütze, der einen Gehstock zwischen seinen Knien festhielt. Alle paar Augenblicke wurde er von einem rasselnden Hustenanfall geschüttelt. Anschließend rang er nach Luft, während er sich die Augen mit einem seidenen Taschentuch trocknete. Als er bemerkte, daß Jody ihn ansah, lächelte er entschuldigend.
... weniger
Autoren-Porträt von Christopher Moore
Der ehemalige Journalist Christopher Moore arbeitete als Dachdecker, Kellner, Fotograf und Versicherungsvertreter, bevor er anfing, Romane zu schreiben. Seine Bücher haben in Amerika längst Kultstatus, und auch im deutschsprachigen Raum wächst die Fangemeinde beständig. Christopher Moore liebt - nach eigenen Angaben - den Ozean, Elefanten-Polo, Käsecracker, Acid Jazz und das Kraulen von Fischottern. Er mag aber weder Salmonellen noch Autoverkehr und erst recht nicht gemeine Menschen. Der Autor lebt in San Francisco, Kalifornien.
Bibliographische Angaben
- Autor: Christopher Moore
- 2007, 377 Seiten, Maße: 12,1 x 18,9 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Thiemann, Ute
- Übersetzer: Ute Thiemann
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442463866
- ISBN-13: 9783442463862
Rezension zu „Lange Zähne “
"Das köstlichste Taschenbuch, das seit langem erschienen ist!" n-tv über "Die Bibel nach Biff"
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