Liebe heute
Short stories
Sehnsüchtige Geschichten über das eine - die Liebe Es ist nicht leichter geworden, zu lieben und geliebt zu werden. Maxim Biller zeigt, was alles passieren kann, wenn Mann und Frau von diesem großartigen Gefühl erfasst werden, das sie eigentlich...
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Produktinformationen zu „Liebe heute “
Klappentext zu „Liebe heute “
Sehnsüchtige Geschichten über das eine - die Liebe Es ist nicht leichter geworden, zu lieben und geliebt zu werden. Maxim Biller zeigt, was alles passieren kann, wenn Mann und Frau von diesem großartigen Gefühl erfasst werden, das sie eigentlich zusammenbringen soll, oft genug aber auseinandertreibt.Die Konstellationen sind modern, das Thema ist klassisch. Maxim Biller erzählt in seinen Short Stories von Menschen von heute, die sich treffen, wiederbegegnen oder schon lange kennen, die oft mehr voneinander wollen, als sie zu geben bereit sind, die sich ausliefern und abgewiesen werden, die einer lebenslangen Leidenschaft folgen oder sich in immer neue Abenteuer stürzen, die sich endlich trennen oder unbedingt zusammenbleiben wollen, die aber eines eint: die Sehnsucht nach der wahren Liebe. Einer Liebe, die keine Worte braucht, die einfach da ist und bleibt. Doch meist läuft es anders, weil nicht klar ist, ob beide dasselbe meinen, und so werden viele Worte gemacht, ohne dass man sich besser versteht.Der Leser allerdings versteht vieles besser und erkennt manches wieder - und er wird bestens unterhalten, denn eines sind diese Geschichten immer auch: komisch.
Maxim Biller erzählt auf ganz eigene Art: klar, warm, zärtlich und mit subtilem Humor. Und man merkt, dass die Sprache der Liebe anders klingt, je nachdem, ob sie in Hamburg, Berlin, Prag oder Tel Aviv gesprochen wird. Der feine Ton, der bereits in »Bernsteintage« angeschlagen wurde, bewährt sich hier aufs Eindrücklichste. Inniger ist von Verliebten, Enttäuschten und Getäuschten noch nicht geschrieben worden.
Es ist nicht leichter geworden, zu lieben und geliebt zu werden. Maxim Biller zeigt, was alles passieren kann, wenn Mann und Frau von diesem großartigen Gefühl erfasst werden, das sie eigentlich zusammenbringen soll, oft genug aber auseinandertreibt.
Die Konstellationen sind modern, das Thema ist klassisch. Maxim Biller erzählt in seinen Short Stories von Menschen von heute, die sich treffen, wiederbegegnen oder schon lange kennen, die oft mehr voneinander wollen, als sie zu geben bereit sind, die sich ausliefern und abgewiesen werden, die einer lebenslangen Leidenschaft folgen oder sich in immer neue Abenteuer stürzen, die sich endlich trennen oder unbedingt zusammenbleiben wollen, die aber eines eint: die Sehnsucht nach der wahren Liebe. Einer Liebe, die keine Worte braucht, die einfach da ist und bleibt. Doch meist läuft es anders, weil nicht klar ist, ob beide dasselbe meinen, und so werden viele Worte gemacht, ohne dass man sich besser versteht.
Der Leser allerdings versteht vieles besser und erkennt manches wieder - und er wird bestens unterhalten, denn eines sind diese Geschichten immer auch: komisch.
Maxim Biller erzählt auf ganz eigene Art: klar, warm, zärtlich und mit subtilem Humor. Und man merkt, dass die Sprache der Liebe anders klingt, je nachdem, ob sie in Hamburg, Berlin, Prag oder Tel Aviv gesprochen wird. Der feine Ton, der bereits in "Bernsteintage" angeschlagen wurde, bewährt sich hier aufs Eindrücklichste. Inniger ist von Verliebten, Enttäuschten und Getäuschten noch nicht geschrieben worden.AUTHOR: Maxim Biller, geb. 1960 in Prag, lebt seit 1970 in Deutschland. Von ihm sind bisher u.a. erschienen: der Roman "Die Tochter" sowie die Erzählbände "Wenn ich einmal reich und tot bin", "Land der Väter und Verräter" und "Bernsteintage". Sein letztes Theaterstück "Menschen in falschen Zusammenhängen" wurde am Berliner Maxim Gorki Theater uraufgeführt. Er schreibt in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung die Kolumnen "Moralische Geschichten", die auch als Buch erschienen sind.
Die Konstellationen sind modern, das Thema ist klassisch. Maxim Biller erzählt in seinen Short Stories von Menschen von heute, die sich treffen, wiederbegegnen oder schon lange kennen, die oft mehr voneinander wollen, als sie zu geben bereit sind, die sich ausliefern und abgewiesen werden, die einer lebenslangen Leidenschaft folgen oder sich in immer neue Abenteuer stürzen, die sich endlich trennen oder unbedingt zusammenbleiben wollen, die aber eines eint: die Sehnsucht nach der wahren Liebe. Einer Liebe, die keine Worte braucht, die einfach da ist und bleibt. Doch meist läuft es anders, weil nicht klar ist, ob beide dasselbe meinen, und so werden viele Worte gemacht, ohne dass man sich besser versteht.
Der Leser allerdings versteht vieles besser und erkennt manches wieder - und er wird bestens unterhalten, denn eines sind diese Geschichten immer auch: komisch.
Maxim Biller erzählt auf ganz eigene Art: klar, warm, zärtlich und mit subtilem Humor. Und man merkt, dass die Sprache der Liebe anders klingt, je nachdem, ob sie in Hamburg, Berlin, Prag oder Tel Aviv gesprochen wird. Der feine Ton, der bereits in "Bernsteintage" angeschlagen wurde, bewährt sich hier aufs Eindrücklichste. Inniger ist von Verliebten, Enttäuschten und Getäuschten noch nicht geschrieben worden.AUTHOR: Maxim Biller, geb. 1960 in Prag, lebt seit 1970 in Deutschland. Von ihm sind bisher u.a. erschienen: der Roman "Die Tochter" sowie die Erzählbände "Wenn ich einmal reich und tot bin", "Land der Väter und Verräter" und "Bernsteintage". Sein letztes Theaterstück "Menschen in falschen Zusammenhängen" wurde am Berliner Maxim Gorki Theater uraufgeführt. Er schreibt in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung die Kolumnen "Moralische Geschichten", die auch als Buch erschienen sind.
Lese-Probe zu „Liebe heute “
Liebe heute von Maxim BillerGroße, grüne, wogende Blätter
Er wartete auf sie drei Monate lang. Er sortierte seine Fotos, brachte Ordnung in seine Bücher und räumte ein paar Möbel um, und dann wartete er weiter. Dann las er alle Briefe, die er jemals bekommen hatte, und warf die meisten weg, und er kaufte eine große Karte von Indien und hängte sie über sein Bett. Nein, er kaufte keine Karte von Indien, aber er wollte es wirklich tun, während er wartete. Er wartete und wartete und fing an, eine Geschichte darüber zu schreiben, wie er auf sie wartete, aber er wußte nicht, wie sie endete, und dann hörte er wieder auf damit. Zum Schluß machte er gar nichts mehr; er wartete nicht einmal mehr. Er schlief immer weniger, er aß nur noch Brot und Tomaten und gelben Supermarktkäse, und dann kam sie endlich, sie saßen zusammen bei ihm auf der Couch, und sie sagte: »Es war eine lange Zeit.« »Ja«, sagte er, obwohl er sich fest vorgenommen hatte, so wenig wie möglich zu sagen, »es war eine sehr lange Zeit.« Sie hatte abgenommen auf ihrer Reise, und er fand nicht, daß sie besser aussah als vorher. Sie war müde, aber sie war immer müde, deshalb war sie weggefahren, um nicht mehr müde zu sein, und jetzt kam sie noch müder zurück. Und sie war älter geworden. Älter oder ernster oder härter, das wußte er nicht so genau. Ein grauer Schimmer lag auf ihrer sonnengegerbten Haut, wie ihn sonst nur ältere Frauen hatten, ihr Lächeln war viel zu ernst und überlegen, und ihre Wangenknochen traten noch stärker hervor als früher. Sie stand auf und ging raus, und als sie zurückkam, hatte sie eine bunte Tüte in der Hand.
»Das ist für dich«, sagte sie.
»Danke, meine Liebe«, sagte er. Er machte die Tüte auf. Es
... mehr
war ein kleiner, schwarzer, dicker Elefant aus Mahagoni drin.
»Möchtest du etwas trinken?« sagte er.
»Wasser.«
»Ich hab Wein für dich gekauft.«
»Nein. Wasser«, sagte sie.
Er stand langsam auf und streifte mit seinem Bein ihr Bein. Es war bis auf den flüchtigen Begrüßungskuß ihre erste Berührung seit drei Monaten.
»Wirklich nur Wasser?« rief er aus der Küche, aber sie antwortete nicht. »Kalt oder normal?« rief er wieder, und sie rief leise zurück: »Normal.«
Er zog aus der Kammer eine neue Wasserkiste, schob sie mit dem Fuß gleich wieder zurück und öffnete die Weinflasche, die seit sechs Wochen auf dem Küchentisch stand. Er nahm die Gläser und die Flasche, und bevor er ins Wohnzimmer zurückging, nahm er den Elefanten aus der Hosentasche und warf ihn in den Mülleimer.
»Jordi«, sagte sie, »ich wollte doch keinen Wein.«
»Ja«, sagte er, »es ist noch zu früh für Wein.«
»Ich habe dort überhaupt nicht getrunken«, sagte sie.
»Das ist schade«, sagte er. »Nein, ich glaube nicht.«
»Doch, ich glaube schon.« Er schenkte zuerst sich ein, dann ihr, und sie stießen an. Sie sah ihm nicht in die Augen und trank nur einen winzigen Schluck, dann ging sie in die Küche und holte eine Flasche Wasser. Sie setzte sich wieder auf die Couch, genauso weit weg von ihm wie eben, und begann von ihrer Reise zu erzählen – aber er hörte ihr kaum zu. Während sie fort gewesen war, hatte er immer versucht, sich vorzustellen, wo sie gerade war und wie es dort aussah, aber nun war ihm dieses verfluchte Indien egal, er wollte bloß wissen, wie sie sich entschieden hatte. Natürlich wußte er es schon, aber er wollte es noch mal aus ihrem Mund hören. Er wollte, daß sie auch ein bißchen litt, er wollte, daß sie es aussprechen mußte und daß es sie unglücklich machte, ihn zu verletzen. Nein, sollte sie sagen, wir werden nicht heiraten, Jordi, ich weiß jetzt, dass ich es nicht will, und wir werden uns nie mehr sehen, denn so haben wir es verabredet.
»Hast du mich vermißt?« sagte er.
»Nein, Jordi«, sagte sie, »hab ich nicht.«
»Ja klar«, sagte er und nickte.
»Bist du böse?«
»Nein.«
»Da bin ich froh.«
»Ja.«
»Bist du wirklich nicht böse?«
»Aber nein.«
Er sah aus dem Fenster. Als sie weggefahren war, konnte man über den ganzen Platz schauen, bis zur Zionskirche. Jetzt hatten die Bäume Blätter, und man sah im Fenster nur noch diese wunderbaren großen, grünen Blätter. Bei Wind wogten die Blätter hin und her, und sie erinnerten Jordi an Seetang, der im Meerwasser trieb.
Vielleicht hatte es damit zu tun, daß sie sich so lange nicht gesehen hatten. Sie hatten sich ja fast so lange nicht gesehen, wie sie sich kannten! Er legte den Arm hinter ihr auf die Sofalehne, dort ließ er ihn ein paar Minuten liegen, aber dann zog er ihn wieder zurück. Der Arm fühlte sich an, als wäre er gar nicht seiner.
»Und du?« sagte sie.
»Ich?«
»Was hast du gemacht?«
»Warum«, sagte er, »hast du dich in drei Monaten kein einziges Mal gemeldet?«
»Das weißt du«, sagte sie erschrocken, »wir hatten doch unsere Verabredung.«
Ja, das stimmte. Sie hatte sogar gesagt: »Und was ist, wenn ich ganz dort bleibe?«, und er hatte gesagt, das sei okay, sie sei ein freier Mensch, und wenn sie nie mehr miteinander ein Wort redeten, sei das auch okay. Aber er hatte das nur aus Berechnung gesagt, denn er wußte, daß sie ein Widder war, und versuch mal, einen Widder einzusperren.
»Es gibt eine Geschichte zu dem Elefanten«, sagte sie.
Sie machte eine Pause und wartete, daß er fragte, was das für eine Geschichte war, aber er dachte nur daran, wie er den Elefanten aus dem Mülleimer rausholen könnte, ohne daß sie es merkte.
»Es war der vierte«, sagte sie, »wirklich, es war der vierte, ich schwöre es.«
Er sagte immer noch nichts, dann ging er wortlos in die Küche, und bevor er sich über den Mülleimer beugte, drehte er sich vorsichtshalber um.
»Die drei davor hab ich verloren!« rief sie aus dem Wohnzimmer. »Kannst du dir das vorstellen – alle drei. Meinst du, das bedeutet was?«
Er wühlte verzweifelt im Mülleimer, aber er konnte den Elefanten nicht finden. Er griff mit den Händen immer tiefer in den feuchten, stinkenden Müll, und dann begann er, alles rauszunehmen und auf den Boden zu legen.
»Dieser hier ist häßlich, ich weiß!« rief sie wieder.
»Den hab ich in Bombay am Flughafen gekauft. Du hättest die andern sehen sollen. Wie hübsch die waren!«
Er konnte ihn nicht finden. Er kniete schwitzend über dem Müll der letzten drei Tage, den er um sich herum auf dem Boden ausgebreitet hatte, und plötzlich merkte er, wie verrückt er war. Er dachte, wenn sie das sieht, wird sie denken, ich bin total verrückt, und er fing an, mit bloßen Händen den Müll wieder aufzusammeln und in den Mülleimer zu stopfen.
»Es stimmt nicht. Ich wollte dir gar nichts mitbringen.«
Sie stand plötzlich hinter ihm. »Ich hatte dich einfach vergessen.«
Er drehte den Kopf zu ihr und sah sie von unten an.
Sie fuhr ihm mit der Hand durch die Haare und sagte:
»Und dann hab ich mich in Bombay am Flughafen wieder an dich erinnert … Was ist? Hast du ihn schon weggeworfen?«
»Ja«, sagte er.
»Dann sind wir jetzt quitt«, sagte sie. Sie kniete sich neben ihn und half ihm, den Müll aufzusammeln. Es ging schnell, und hinterher wuschen sie sich im Bad gemeinsam die Hände, und dabei sahen sie sich im Spiegel an und lächelten.
»Gehst du bitte raus?« sagte sie.
Früher hatte sie sich nicht geniert, in seiner Gegenwart zu pinkeln. Obwohl er das nicht gut fand, hätte er alles dafür gegeben, wenn sie ihn jetzt nicht rausgeschickt hätte.
Er machte die Tür hinter sich zu und ging ins Wohnzimmer.
Er setzte sich auf die Couch, stand aber gleich wieder auf und machte Musik an. Es war eine CD, die sie zusammen ein paarmal gehört hatten, darum machte er sie schnell wieder aus. Er setzte sich wieder auf die Couch und sah aus dem Fenster, und er betrachtete die im Wind wogenden großen, grünen Blätter, und auf einmal fühlte er sich gar nicht so schlecht. Es war, als wäre er gerade selbst von einer Reise zurückgekehrt, die sehr gut war, aber auch anstrengend und oft bloß langweilig. Jetzt war er also wieder da, froh, nicht immer weiter und weiter fahren zu müssen, sondern einfach nur dazusitzen, dort, wo er seit Jahren saß, und auf die großen, grünen Blätter in seinem Fenster zu schauen und sich an ihnen zu freuen und darauf zu warten, bis sie abfielen, damit er auf die Kirche hinter ihnen schauen und sich darauf freuen konnte, daß sie schon bald wieder wuchsen.
(…)
© by Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KG
»Möchtest du etwas trinken?« sagte er.
»Wasser.«
»Ich hab Wein für dich gekauft.«
»Nein. Wasser«, sagte sie.
Er stand langsam auf und streifte mit seinem Bein ihr Bein. Es war bis auf den flüchtigen Begrüßungskuß ihre erste Berührung seit drei Monaten.
»Wirklich nur Wasser?« rief er aus der Küche, aber sie antwortete nicht. »Kalt oder normal?« rief er wieder, und sie rief leise zurück: »Normal.«
Er zog aus der Kammer eine neue Wasserkiste, schob sie mit dem Fuß gleich wieder zurück und öffnete die Weinflasche, die seit sechs Wochen auf dem Küchentisch stand. Er nahm die Gläser und die Flasche, und bevor er ins Wohnzimmer zurückging, nahm er den Elefanten aus der Hosentasche und warf ihn in den Mülleimer.
»Jordi«, sagte sie, »ich wollte doch keinen Wein.«
»Ja«, sagte er, »es ist noch zu früh für Wein.«
»Ich habe dort überhaupt nicht getrunken«, sagte sie.
»Das ist schade«, sagte er. »Nein, ich glaube nicht.«
»Doch, ich glaube schon.« Er schenkte zuerst sich ein, dann ihr, und sie stießen an. Sie sah ihm nicht in die Augen und trank nur einen winzigen Schluck, dann ging sie in die Küche und holte eine Flasche Wasser. Sie setzte sich wieder auf die Couch, genauso weit weg von ihm wie eben, und begann von ihrer Reise zu erzählen – aber er hörte ihr kaum zu. Während sie fort gewesen war, hatte er immer versucht, sich vorzustellen, wo sie gerade war und wie es dort aussah, aber nun war ihm dieses verfluchte Indien egal, er wollte bloß wissen, wie sie sich entschieden hatte. Natürlich wußte er es schon, aber er wollte es noch mal aus ihrem Mund hören. Er wollte, daß sie auch ein bißchen litt, er wollte, daß sie es aussprechen mußte und daß es sie unglücklich machte, ihn zu verletzen. Nein, sollte sie sagen, wir werden nicht heiraten, Jordi, ich weiß jetzt, dass ich es nicht will, und wir werden uns nie mehr sehen, denn so haben wir es verabredet.
»Hast du mich vermißt?« sagte er.
»Nein, Jordi«, sagte sie, »hab ich nicht.«
»Ja klar«, sagte er und nickte.
»Bist du böse?«
»Nein.«
»Da bin ich froh.«
»Ja.«
»Bist du wirklich nicht böse?«
»Aber nein.«
Er sah aus dem Fenster. Als sie weggefahren war, konnte man über den ganzen Platz schauen, bis zur Zionskirche. Jetzt hatten die Bäume Blätter, und man sah im Fenster nur noch diese wunderbaren großen, grünen Blätter. Bei Wind wogten die Blätter hin und her, und sie erinnerten Jordi an Seetang, der im Meerwasser trieb.
Vielleicht hatte es damit zu tun, daß sie sich so lange nicht gesehen hatten. Sie hatten sich ja fast so lange nicht gesehen, wie sie sich kannten! Er legte den Arm hinter ihr auf die Sofalehne, dort ließ er ihn ein paar Minuten liegen, aber dann zog er ihn wieder zurück. Der Arm fühlte sich an, als wäre er gar nicht seiner.
»Und du?« sagte sie.
»Ich?«
»Was hast du gemacht?«
»Warum«, sagte er, »hast du dich in drei Monaten kein einziges Mal gemeldet?«
»Das weißt du«, sagte sie erschrocken, »wir hatten doch unsere Verabredung.«
Ja, das stimmte. Sie hatte sogar gesagt: »Und was ist, wenn ich ganz dort bleibe?«, und er hatte gesagt, das sei okay, sie sei ein freier Mensch, und wenn sie nie mehr miteinander ein Wort redeten, sei das auch okay. Aber er hatte das nur aus Berechnung gesagt, denn er wußte, daß sie ein Widder war, und versuch mal, einen Widder einzusperren.
»Es gibt eine Geschichte zu dem Elefanten«, sagte sie.
Sie machte eine Pause und wartete, daß er fragte, was das für eine Geschichte war, aber er dachte nur daran, wie er den Elefanten aus dem Mülleimer rausholen könnte, ohne daß sie es merkte.
»Es war der vierte«, sagte sie, »wirklich, es war der vierte, ich schwöre es.«
Er sagte immer noch nichts, dann ging er wortlos in die Küche, und bevor er sich über den Mülleimer beugte, drehte er sich vorsichtshalber um.
»Die drei davor hab ich verloren!« rief sie aus dem Wohnzimmer. »Kannst du dir das vorstellen – alle drei. Meinst du, das bedeutet was?«
Er wühlte verzweifelt im Mülleimer, aber er konnte den Elefanten nicht finden. Er griff mit den Händen immer tiefer in den feuchten, stinkenden Müll, und dann begann er, alles rauszunehmen und auf den Boden zu legen.
»Dieser hier ist häßlich, ich weiß!« rief sie wieder.
»Den hab ich in Bombay am Flughafen gekauft. Du hättest die andern sehen sollen. Wie hübsch die waren!«
Er konnte ihn nicht finden. Er kniete schwitzend über dem Müll der letzten drei Tage, den er um sich herum auf dem Boden ausgebreitet hatte, und plötzlich merkte er, wie verrückt er war. Er dachte, wenn sie das sieht, wird sie denken, ich bin total verrückt, und er fing an, mit bloßen Händen den Müll wieder aufzusammeln und in den Mülleimer zu stopfen.
»Es stimmt nicht. Ich wollte dir gar nichts mitbringen.«
Sie stand plötzlich hinter ihm. »Ich hatte dich einfach vergessen.«
Er drehte den Kopf zu ihr und sah sie von unten an.
Sie fuhr ihm mit der Hand durch die Haare und sagte:
»Und dann hab ich mich in Bombay am Flughafen wieder an dich erinnert … Was ist? Hast du ihn schon weggeworfen?«
»Ja«, sagte er.
»Dann sind wir jetzt quitt«, sagte sie. Sie kniete sich neben ihn und half ihm, den Müll aufzusammeln. Es ging schnell, und hinterher wuschen sie sich im Bad gemeinsam die Hände, und dabei sahen sie sich im Spiegel an und lächelten.
»Gehst du bitte raus?« sagte sie.
Früher hatte sie sich nicht geniert, in seiner Gegenwart zu pinkeln. Obwohl er das nicht gut fand, hätte er alles dafür gegeben, wenn sie ihn jetzt nicht rausgeschickt hätte.
Er machte die Tür hinter sich zu und ging ins Wohnzimmer.
Er setzte sich auf die Couch, stand aber gleich wieder auf und machte Musik an. Es war eine CD, die sie zusammen ein paarmal gehört hatten, darum machte er sie schnell wieder aus. Er setzte sich wieder auf die Couch und sah aus dem Fenster, und er betrachtete die im Wind wogenden großen, grünen Blätter, und auf einmal fühlte er sich gar nicht so schlecht. Es war, als wäre er gerade selbst von einer Reise zurückgekehrt, die sehr gut war, aber auch anstrengend und oft bloß langweilig. Jetzt war er also wieder da, froh, nicht immer weiter und weiter fahren zu müssen, sondern einfach nur dazusitzen, dort, wo er seit Jahren saß, und auf die großen, grünen Blätter in seinem Fenster zu schauen und sich an ihnen zu freuen und darauf zu warten, bis sie abfielen, damit er auf die Kirche hinter ihnen schauen und sich darauf freuen konnte, daß sie schon bald wieder wuchsen.
(…)
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Autoren-Porträt von Maxim Biller
Maxim Biller, geboren 1960 in Prag, lebt seit 1970 in Deutschland. Von ihm sind bisher u.a. erschienen: der Roman »Die Tochter«, die Erzählbände »Sieben Versuche zu lieben«, »Land der Väter und Verräter« und »Bernsteintage«. Seinen Liebesroman »Esra« lobte die FAS als »kompromisslos modernes, in der Zeitgenossenschaft seiner Sprache radikales Buch«. Billers Bücher wurden in neunzehn Sprachen übersetzt. Bereits nach seinem Erstling »Wenn ich einmal reich und tot bin« (1990) wurde er von der Kritik mit Heinrich Böll, Wolfgang Koeppen und Philip Roth verglichen. Zuletzt erschienen sein Memoir »Der gebrauchte Jude« (2009), die Novelle »Im Kopf von Bruno Schulz« (2013) sowie der Roman »Biografie« (2016), den die SZ sein »Opus Magnum« nannte. Sein Bestseller »Sechs Koffer« stand auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis 2018. Über den Roman »Der falsche Gruß« (2021) schrieb die NZZ: »Das ist große Kunst.«
Bibliographische Angaben
- Autor: Maxim Biller
- 2007, 2. Aufl., 197 Seiten, Maße: 13 x 20,5 cm, Leinen, Deutsch
- Verlag: Kiepenheuer & Witsch
- ISBN-10: 3462037021
- ISBN-13: 9783462037029
- Erscheinungsdatum: 12.03.2007
Rezension zu „Liebe heute “
»Erhellende, melancholische und vor allem realistische Einblicke in das komplizierte Liebesleben heutiger Großstadtbewohner [...] Ein Meister der kleinen Form.« spiegel.de
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