Mambo supa dupa
Mein Leben als Filmstar in Tansania
Vom Studenten zum Filmstar: Jörn Ratering aus Mainz-Weisenau erobert Tollywood »Ich konnte nicht glauben, dass ich es geschafft hatte. Doch das Casting schien vorbei zu sein. Der Grandseigneur der tansanischen Filmszene, Mr. Magali, legte seine...
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Produktinformationen zu „Mambo supa dupa “
Vom Studenten zum Filmstar: Jörn Ratering aus Mainz-Weisenau erobert Tollywood »Ich konnte nicht glauben, dass ich es geschafft hatte. Doch das Casting schien vorbei zu sein. Der Grandseigneur der tansanischen Filmszene, Mr. Magali, legte seine Hand auf meine Schulter und knurrte: 'Supa Dupa.'« In Tansania ist er so bekannt wie Angelina Jolie und Brad Pitt zusammen. Die Frauen stehen Schlange und überhäufen ihn mit Heiratsanträgen. Aufdringliche Paparazzi verfolgen ihn. Und seine Gagen sind kaum weniger beeindruckend: 30.000 Schilling gibt es pro Film, immerhin 15 Euro ...
Klappentext zu „Mambo supa dupa “
Vom Studenten zum Filmstar: Jörn Ratering aus Mainz-Weisenau erobert Tollywood»Ich konnte nicht glauben, dass ich es geschafft hatte. Doch das Casting schien vorbei zu sein. Der Grandseigneur der tansanischen Filmszene, Mr. Magali, legte seine Hand auf meine Schulter und knurrte: 'Supa Dupa.'« In Tansania ist er so bekannt wie Angelina Jolie und Brad Pitt zusammen. Die Frauen stehen Schlange und überhäufen ihn mit Heiratsanträgen. Aufdringliche Paparazzi verfolgen ihn. Und seine Gagen sind kaum weniger beeindruckend: 30.000 Schilling gibt es pro Film, immerhin 15 Euro ...
Lese-Probe zu „Mambo supa dupa “
Mambo Supa Dupa von Jörn Ratering8. Mzungu gesucht - Meine ersten Filmproben Kupotea njia ndiko kujua njia
Den Weg zu verlieren ist der Weg zu lernen
Ein Klopfen, das meine Zeit in Tansania komplett verändern sollte, unterbrach die Dada und mich bei unserer kombinierten Wasch- und Singeinheit. Ohne auf ein einladendes karibu - willkommen zu warten, wurde die Metalltür geöffnet. Das laute Scheppern und Quietschen der Eingangspforte jagte mir immer wieder einen Schrecken ein. Der kleine Sören, der durch unseren Gesang auf seiner Strohmatte in einen tiefen Schlaf gefallen war, wachte auf. Ich schaute zur Tür. Ein kleiner, dicker Mann mit Schnurrbart, der ein zeltähnliches Hemd trug, lächelte mich an.
»Aaaaaah, da ist er. Ich hab dich gefunden.«
Im ersten Moment verspürte ich nichts als blanke Angst. Kam der Mann von der Regierungsbehörde? War man mir auf die Schliche gekommen, dass ich nur ein Touristenvisum hatte und verlangte jetzt wichtige offizielle Papiere, die meine Forschung legitimieren würden?
»You are perfect for this job!« Mit Daumen und Zeigefinger vermaß er meine Proportionen. »Dein langes Haar ist phantastisch. Du brauchst nur noch ein Sakko.«
... mehr
Ich war erleichtert. Ein Regierungsbeamter hätte wahrscheinlich ganz anders mit mir gesprochen. Ich verstand zwar nicht alles, aber der unbekannte Mann schwärmte offensichtlich von mir. Jetzt rechnete ich mit allem. Ob es ein Talentsucher der neuen Show Bongo Star Search war? Die tansanische Variante einer Castingshow, die ich verblüfft tags zuvor im Fernsehen gesehen hatte? Oder war er ein Verkäufer, der mir seine sechs Tage Luxus Serengeti-Tour mit eigenem Koch anbieten wollte? Aber wieso sollte ich dazu ein Sakko tragen? Das Standard-Outfit war doch immer noch das Khakihemd mit vielen Taschen!
»I don't know what you mean«, stammelte ich irritiert auf Englisch. Ich mochte es nicht, auf die Folter gespannt zu werden und witterte misstrauisch, wie ich war, einen Verkaufstrick.
»Wow, dein Englisch ist super für die Rolle!«, entgegnete der rundliche Tansanier, der inzwischen dicht vor mir stand. An seinen Schläfen entdeckte ich die ersten weißen Haare. Sein braunes Hemd ließ ihn, wie ein Chamäleon, mit dem braunen Boden des Mangoteebaumviertels verschmelzen.
»In der Nachbarschaft erzählt man sich viel von dir. Dass du jetzt hier wohnen würdest. Geht es deinem tembo besser?« Er lachte laut und klopfte mir auf die Schulter.
»Ja, ihm geht es gut«, schmunzelte ich. Auch er kannte also die Geschichte, die sich im Mangoteebaumviertel wie ein Buschfeuer verbreitet hatte.
»Ich bin Ibrahim«, er gab mir die Hand. »Ich bin Produzent und mache bongo movies und wir brauchen ganz dringend einen mzungu, einen weißen Darsteller für die Rolle eines amerikanischen Anwalts.«
»Freut mich, dich kennenzulernen, Ibrahim. Aber ich bin leider in einer ganz anderen Mission hier in Dar es Salaam. Ich muss hier eine Forschung durchführen und außerdem ...«
Ibrahim schnitt mir das Wort ab:
»Es handelt sich nur um zwei Szenen am Anfang und am Ende des Films. Wir drehen insgesamt drei Wochen. Aber deine Szenen sind nur ganz kurz. Außerdem möchten wir in einem Gefängnis drehen. Das wäre doch total spannend! Wir sind gerade dabei, die Drehgenehmigung für das Jugendgefängnis Dar es Salaam einzuholen.«
Ich als Schauspieler? Tatsächlich beschränkte sich meine einzige Erfahrung, abgesehen von diversen Krippenspielen, in denen ich lediglich den Tannenbaum darstellen durfte, auf ein englisches Theaterstück in der 7. Klasse. Meine Rolle wurde jedoch damals kurz vor der Aufführung im Stadtsaal meiner westfälischen Heimatstadt gestrichen und ich bekam den Posten als Kartenabreißer. Ich hatte die Erinnerung schon längst aus meinem Gedächtnis gelöscht. Jetzt kam sie wieder hervor.
»Ich fühle mich geehrt, aber ich bin wirklich ein schlechter Schauspieler. Ich glaube, ich kann das nicht.«
»Du bist aber perfekt für die Rolle. Komm einfach mit, ich stell dich dem Regisseur vor. Er heißt Hammie.«
Typisch tansanisch wurde ich einfach am Arm gepackt und mitgezogen, hatte nicht mal Zeit, meine Flipflops gegen festes Schuhwerk zu tauschen. Der Sand der Straße legte sich als braune Staubschicht auf meine Zehen, während wir durch das Viertel liefen. Irgendwie vertraute ich Ibrahim. Er hatte Charisma, ein sympathisches Lächeln und eine unbändige Energie. Ich glaubte ihm, dass er tatsächlich Filme produziert. Den ganzen Weg über hielt er fest meine Hand.
Nachdem wir mehrmals abgebogen waren und ich schon völlig die Orientierung verloren hatte, klopften wir an einer Tür. Ein alter Tansanier mit Brille und lockigem weißen Haar begrüßte mich. Ibrahim hatte mir auf dem Weg einiges von Hammie erzählt. Hammie hatte mehrere Romane auf Swahili und Englisch geschrieben und war mittlerweile 75 Jahre alt.
Im Gegensatz zu Ibrahim und vielen anderen war er unheimlich dünn. Dem stand sein kräftiger, energischer Händedruck entgegen, der von viel Tatendrang zeugte. Er musterte mich. Ich fühlte mich wie bei einem Casting.
»Perfect, Ibrahim. This guy is awesome.« Auch Hammie klopfte mir auf die Schulter.Er sprach ein wundervolles Englisch mit leichtem britischem Einschlag. Dann ging er aufgeregt in seine Wohnung zurück und kehrte mit einigen bedruckten Blättern zurück. Auf der ersten Seite stand: »Tears on Valentine Day, Szene Eins.« Das musste der Name des Films sein. Mir kam das alles merkwürdig vor. Wieso sollte gerade ich einen Anwalt spielen? Ich mit meinem Pferdeschwanz? Ein Anwalt muss doch eine seriöse Ausstrahlung haben. Dazu gehört auch ein ordentlicher Haarschnitt. Ihm muss man die Erfahrung aus knallharten Verhandlungen, aus unzähligen schwierigen Fällen auf der zerfurchten Stirn ablesen können. Ich war 26, sorgenfaltenfrei und fand Paragraphen todlangweilig. Hammie reichte mir die Seiten.
»Dein Text. Lerne das. Wir haben morgen Probe. Du willst doch den Job, oder?«
»Na ja, anschauen kann ich es mir ja mal«, wich ich einer Antwort aus.
Während ich in den Wirrungen des Viertels den Weg zurück zum Haus meiner Gastfamilie suchte - Ibrahim musste direkt weiter, da die Produktion jetzt in die heiße Phase ging und noch eine Menge zu tun war -, befand ich mich irgendwo zwischen Unglauben, dem Gefühl, ein Opfer der versteckten Kamera zu sein, und Ehrfurcht. Ich musste sofort Lucy anrufen.
»Sag mal, kennst du einen Ibrahim? Er sagt, er sei Filmproduzent und wohnt irgendwo hier in der Nachbarschaft«, überfiel ich sie aufgeregt und vergaß jegliche Begrüßungsformalien.
»Habari yako? - Wie sind die Nachrichten?«
»Nzuri tu - nur gut«, antwortete ich. Lucy bestand auf einer ordentlichen Begrüßung.
»Nun zu deiner Frage. Ja, der arbeitet für einen guten Drehbuchautor. Wohnt direkt nebenan. Wir sind aber Konkurrenten «, flüsterte sie.
»Er hat mich gefragt, ob ich mitspielen will. In seinem Film«, platzte es aus mir heraus.
»Schau dir das ruhig an. Da spielen gute Schauspieler mit. Viele Freunde und Kollegen. Ich hatte auch schon an etwas für dich gedacht.«
»Was denn?« Irgendwie hoffte ich inständig auf die Einladung zu einem guten Frühstück.
»Ein Geheimnis. Du wirst es bald erfahren. Ich muss jetzt weiterarbeiten.« Sie legte auf. Ich vertraute Lucy. Anscheinend war Ibrahim in der bongo-movie-Branche kein Unbekannter. Also handelte es sich doch um keinen Scherz, sondern war ernst. Ein Film mit mir in Tansania?
Zurück in meinem Zimmer stellte ich mich vor den kleinen Spiegel, den ich mitgebracht hatte, und probte den englischen Text. Er war nicht sonderlich schwierig, nur musste ich zwischendurch immer wieder ungläubig lachen. Ich, als Schauspieler in Tansania? »Das muss gemacht werden«, hätte die Dada gesagt. Na gut, dann wollte ich mich mal drauf einlassen und es ausprobieren. Zu viel Drehzeit sollten die fünf DIN-A4-Zettel Text ja nicht verschlingen ...
Am nächsten Morgen weckte mich Ibrahim, noch bevor es Allah getan hatte, indem er laut an die Gitterstäbe meines Fensters klopfte. Das Zeit-Schlaf-Verhältnis dieses Landes konnte ich einfach nicht nachvollziehen. Ibrahim entschuldigte sich auch nicht für das frühe Wecken, das war anscheinend selbstverständlich, sondern sprach nur ganz aufgeregt von Proben, die bald beginnen würden. Ich solle mich fertigmachen, er würde nur noch kurz in die Moschee gehen. Wie von der Tsetsefliege gestochen warf ich mich in Schale. Die Dada hatte, nachdem ich abends aufgeregt die Nachricht der bevorstehenden Filmproben verbreitet hatte, ungefragt mein blaues Hemd gebügelt und liebevoll auf mein Bett gelegt.
Fast zwei Stunden Wartezeit später hämmerte Ibrahim wieder gegen die Eisenstäbe meines Fensters. Inzwischen war ich wieder eingeschlafen. Ibrahim sprang aufgeregt von einem Bein auf das andere. Seinen Kopf schmückte eine weiße kofia, eine muslimische kappenähnliche Kopfbedeckung.
»Los geht's. Wir treffen die anderen Schauspieler. Wir haben noch einen kleinen Weg vor uns.«
Ich war leicht angesäuert wegen der langen Wartezeit, konnte aber so wenigstens dem Frühstück entgehen. Die Dada, die extra aufgestanden war, um mich zu versorgen, war zwar etwas beleidigt, aber jegliches Reuegefühl meinerseits war spätestens verflogen, als ich mir am dalla dalla-Stand ein vitaminreiches Fruchtfrühstück, bestehend aus Mango und Bananen, gönnte.
Wir fuhren mit dem Bus aus der Stadt heraus. Während wir neben dem Fahrer auf dem warmen, mit Hartplastik abgedeckten Motorblock des dalla dalla saßen - weshalb wir unsere Sitzposition ständig korrigieren mussten - philosophierte Ibrahim über den Film:
»Tears on Valentine Day wird ein Riesenerfolg werden. Wir haben einen mzungu als Schauspieler. Der Regisseur ist super. Ein erfahrener Mann, der viele Romane geschrieben hat. Das Script ist von einem berühmten tansanischen Verleger. Da kann nichts schiefgehen.«
»Lebst du nur von bongo movies?«, fragte ich.
»Nein, nicht nur. Es ist so: Ich verdiene mein Geld in Zypern. Dort arbeite ich auf einem Schiff. Alle sieben Monate kehre ich hierher zurück. Meine Tochter kann so die secondary school besuchen und studieren. Die Filme sind mein Hobby und bringen zusätzliches Geld. Wir sind übrigens da.«
»Shusha - aussteigen«, rief ich und Ibrahim nickte anerkennend ob des korrekten dalla dalla-Codex, den ich erlernt hatte.
»Schon ganz der Tansanier.«
Eine Straße am Rande der Millionenstadt. Hier ging Dar es Salaam der Atem aus. Unser dalla dalla war das einzige Auto auf der breiten asphaltierten Straße und setzte seinen Weg fort. Wir standen auf dem staubigen Gehweg direkt vor einem mit falschen Marmorsteinen mannshoch ummauerten Gelände. Vor dem Eingang, einem verzierten Eisentor, wartete der obligatorische uniformierte Pförtner, der einen kleinen Gummiknüppel in der Hand schwang. Wir mussten uns zu meiner Überraschung jedoch in kein zerfleddertes Gästebuch eintragen, sondern konnten sofort zum Haus gehen.
»Die anderen Schauspieler warten schon. Wir stellen dich vor und dann probst du mit der Hauptdarstellerin. Lisa Mwanga. Im Film spielt sie die Johanita. Es ist ihre erste große Rolle. Sie ist der kommende Star in Tollywood.«
Das seltsame Gebäude entpuppte sich bei näherem Hinsehen als Hotel. Royal Dar es Salaam Inn stand in großen Buchstaben auf dem pastellfarbenen Betonbau mit Balkons. Der Schriftzug war von der Straße aus nicht sichtbar gewesen. Kein Schild wies auf das Hotel hin. Die Zimmer hatten alle eine Klimaanlage, wie ich von außen neidvoll erkennen konnte. Gäste und eine Rezeption waren jedoch nicht vorhanden. Vielleicht auch wegen der nicht vorhandenen Werbung.
»Die anderen warten im Garten«, wies mir Ibrahim den Weg. Ein merkwürdiges Gelände, ein königliches Hotel außerhalb der Stadt.
»Ibrahim, warum findet die Probe hier statt?«
»Hier treffen wir uns meist für Filmszenen, die in Innenräumen spielen. Es ist ruhig und schattig. Der Besitzer ist ein Freund von Hammie. Viele Gäste gibt es auch nicht, so dass immer Platz ist.«
»Müsste das Hotel dann nicht längst pleite sein. Ohne Gäste? Man kann von außen ja auch kaum erkennen, dass es ein Hotel ist«, fragte ich etwas naiv.
»Das Hotel wird für viele bongo movies als Produktionsstätte verwendet. Die Zimmer, der Garten. Dafür bekommt der Besitzer einen Obolus und ist damit sehr zufrieden.«
Im Garten, verziert mit einer Pagode und kleinem Brunnen, warteten etwa zwanzig Menschen auf dem gepflegten englischen Rasen. Ich erkannte einige Gesichter aus den bongo movies wieder, die bei Lucy über den Bildschirm flimmerten. Ein Mann, der mir daher als der Grandseigneur der tansanischen Filmszene bekannt war, Mr Magali, kam auf mich zu. Er hatte, wie mir Lucy berichtete, in über hundert Filmen mitgespielt. Da er zu den wenigen älteren Schauspielern gehörte, ich schätzte ihn auf etwa 50, kam er an entsprechend viele Rollen. Mit seiner typischen tiefen Stimme - ein ordentlicher Bass - tönte er zu mir:
»Du musst der mzungu sein, von dem Ibrahim gesprochen hat. Kannst du schauspielern?« Mr Magali musterte mich kritisch. Ich stand unter Druck.
»Ja, natürlich.«
»Du hast schon Erfahrung?«
»Ich habe in einem englischen Theaterstück mitgespielt. In meiner Heimat«, log ich. Mr Magali schien nicht beeindruckt:
»Okay, let us see.« Dabei betonte er jede Silbe einzeln.
Hammie kam dazu und strahlte mich begeistert an. Die Gespräche der anderen verstummten.
»Ich bin froh, dass du hier bist.« Er wandte sich den anderen zu, eine bunte Truppe der verschiedensten Altersgruppen, einige sahen aus wie echte Stars und versteckten sich hinter Sonnenbrillen, kauten auf Zahnstochern herum oder trugen die neuesten Jeans mit ausgebleichten Knien,
und erhob seine Stimme:
»Dr. Johnson Leonard«, stellte Hammie mich vor.
Ich brauchte kurz, um zu begreifen, dass dies mein Rollenname war. Hammie, der neben mir stand, raunte mir zu:
»Ich hab gesehen, dass Mr Magali mit dir gesprochen hat. Nimm das nicht zu ernst. Das ist seine Art.« Und fügte dann laut für alle hinzu: »Und nun wollen wir mit den Proben beginnen. Alle auf die Plätze bitte!«
Ich versuchte mir Hammies Worte zu Herzen zu nehmen, war aber trotzdem nervös und sah mich schon scheitern. Ich überlegte. Die guten Schauspieler in Tansania, wie ich es bisher gesehen hatte, spielten für mein Empfinden total übertrieben. Das kam offensichtlich gut an. Lucy kommentierte das immer mit: anaact vizuri - er spielt schön. Etwas, das man sich eventuell aus dem nigerianischen Kino, Nollywood - das auch in Tansania sehr populär war -, und meinen heißgeliebten Telenovelas abgeschaut hatte. Ich musste also ebenso übertreiben, um anzukommen.
Lisa, die Hauptdarstellerin, eine schlanke Frau im weißen Schlabbershirt, begrüßte mich. Und dann ging es auch schon los.
»Szene Eins«, rief Hammie und setzte sich rücklings auf einen Holzstuhl, die Lehne ganz jugendlich vor sich zwischen den Beinen.
»Ihr setzt euch jetzt gegenüber an diesen Tisch. Dann beginnt ihr mit der Szene.«
Wir nahmen an einem weiß lackierten Gartentisch Platz, der in der Pagode stand. Die gesamte Schauspielertruppe gesellte sich um uns herum. Ich krallte mich mit meinen schwitzigen Händen am Script fest. Zwar hatte ich den Text auswendig gelernt, aber die Anwesenheit von Mr Magali, der sich wie ein Aufseher im Museum dicht neben mich stellte, ließ mich alles vergessen.
»Action!« Hammie klatschte erwartungsfroh in die Hände.
»You look ...«, ich hustete laut, um meinen Fehler zu überspielen.
Hammie schaute über seine Drehbuchseiten.
»Mach nur weiter. Es ist kein Problem, wenn du dich nicht genau an den Text erinnerst. Du hast da etwas Spielraum. «
»Ich kann meinen auch nicht«, flüsterte Lisa und zwinkerte mir zu.
Ich fühlte mich ertappt und dachte daran, dass ich bestimmt noch schlechter als der schlechteste Telenovela- Schauspieler rüberkam. Ich würde sicherlich niemandem etwas vormachen können. Ich würde alles vermasseln. Also las ich den Text mehr oder minder ab. Ohne Mimik, ohne Gestik. Wenigstens aber mit übertriebener Betonung. Ich konnte es einfach nicht besser. Mein Konterpart war zum Glück nicht brillanter. Nach dem letzten Dialog hob ich den Kopf.
»Bomba«, brummte Mr Magali und hob den Daumen.
»There is harmony«, fing Hammie an zu schwärmen, »ihr beide seid wie Anwalt und Klientin.«
Ich sah in zufriedene Gesichter und konnte erst gar nicht so recht verstehen, warum. War es etwa doch nicht das Trauerspiel, als dass es sich angefühlt hatte? Sicher, das Ganze hatte mir schon Spaß gemacht. Und die Anerkennung von Hammie ehrte mich. Aber trotzdem ...
Hammie machte sich Notizen und besprach sich tuschelnd mit Ibrahim. Dann räusperte er sich und nahm meine Hand:
»Wir stellen dich als Schauspieler an, besorgen dir ein Sakko, eine Aktentasche. Alles ganz schick! Und dann machen wir einen super bongo movie.«
Was? Ich war Schauspieler? Ich hatte meine erste Rolle? Ich konnte nicht glauben, dass ich es geschafft hatte! Doch das Casting schien wirklich vorbei zu sein. Eine Woge der Erleichterung erfasste mich. Ich schwor mir, den Text für den Drehtag perfekt zu beherrschen. Auf alle Fälle konnte ich mich in meiner Rolle als Johnson Leonard noch steigern. Mr Magali legte seine Hand auf meine Schulter und knurrte:
»Supa dupa.«
Copyright © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Ich war erleichtert. Ein Regierungsbeamter hätte wahrscheinlich ganz anders mit mir gesprochen. Ich verstand zwar nicht alles, aber der unbekannte Mann schwärmte offensichtlich von mir. Jetzt rechnete ich mit allem. Ob es ein Talentsucher der neuen Show Bongo Star Search war? Die tansanische Variante einer Castingshow, die ich verblüfft tags zuvor im Fernsehen gesehen hatte? Oder war er ein Verkäufer, der mir seine sechs Tage Luxus Serengeti-Tour mit eigenem Koch anbieten wollte? Aber wieso sollte ich dazu ein Sakko tragen? Das Standard-Outfit war doch immer noch das Khakihemd mit vielen Taschen!
»I don't know what you mean«, stammelte ich irritiert auf Englisch. Ich mochte es nicht, auf die Folter gespannt zu werden und witterte misstrauisch, wie ich war, einen Verkaufstrick.
»Wow, dein Englisch ist super für die Rolle!«, entgegnete der rundliche Tansanier, der inzwischen dicht vor mir stand. An seinen Schläfen entdeckte ich die ersten weißen Haare. Sein braunes Hemd ließ ihn, wie ein Chamäleon, mit dem braunen Boden des Mangoteebaumviertels verschmelzen.
»In der Nachbarschaft erzählt man sich viel von dir. Dass du jetzt hier wohnen würdest. Geht es deinem tembo besser?« Er lachte laut und klopfte mir auf die Schulter.
»Ja, ihm geht es gut«, schmunzelte ich. Auch er kannte also die Geschichte, die sich im Mangoteebaumviertel wie ein Buschfeuer verbreitet hatte.
»Ich bin Ibrahim«, er gab mir die Hand. »Ich bin Produzent und mache bongo movies und wir brauchen ganz dringend einen mzungu, einen weißen Darsteller für die Rolle eines amerikanischen Anwalts.«
»Freut mich, dich kennenzulernen, Ibrahim. Aber ich bin leider in einer ganz anderen Mission hier in Dar es Salaam. Ich muss hier eine Forschung durchführen und außerdem ...«
Ibrahim schnitt mir das Wort ab:
»Es handelt sich nur um zwei Szenen am Anfang und am Ende des Films. Wir drehen insgesamt drei Wochen. Aber deine Szenen sind nur ganz kurz. Außerdem möchten wir in einem Gefängnis drehen. Das wäre doch total spannend! Wir sind gerade dabei, die Drehgenehmigung für das Jugendgefängnis Dar es Salaam einzuholen.«
Ich als Schauspieler? Tatsächlich beschränkte sich meine einzige Erfahrung, abgesehen von diversen Krippenspielen, in denen ich lediglich den Tannenbaum darstellen durfte, auf ein englisches Theaterstück in der 7. Klasse. Meine Rolle wurde jedoch damals kurz vor der Aufführung im Stadtsaal meiner westfälischen Heimatstadt gestrichen und ich bekam den Posten als Kartenabreißer. Ich hatte die Erinnerung schon längst aus meinem Gedächtnis gelöscht. Jetzt kam sie wieder hervor.
»Ich fühle mich geehrt, aber ich bin wirklich ein schlechter Schauspieler. Ich glaube, ich kann das nicht.«
»Du bist aber perfekt für die Rolle. Komm einfach mit, ich stell dich dem Regisseur vor. Er heißt Hammie.«
Typisch tansanisch wurde ich einfach am Arm gepackt und mitgezogen, hatte nicht mal Zeit, meine Flipflops gegen festes Schuhwerk zu tauschen. Der Sand der Straße legte sich als braune Staubschicht auf meine Zehen, während wir durch das Viertel liefen. Irgendwie vertraute ich Ibrahim. Er hatte Charisma, ein sympathisches Lächeln und eine unbändige Energie. Ich glaubte ihm, dass er tatsächlich Filme produziert. Den ganzen Weg über hielt er fest meine Hand.
Nachdem wir mehrmals abgebogen waren und ich schon völlig die Orientierung verloren hatte, klopften wir an einer Tür. Ein alter Tansanier mit Brille und lockigem weißen Haar begrüßte mich. Ibrahim hatte mir auf dem Weg einiges von Hammie erzählt. Hammie hatte mehrere Romane auf Swahili und Englisch geschrieben und war mittlerweile 75 Jahre alt.
Im Gegensatz zu Ibrahim und vielen anderen war er unheimlich dünn. Dem stand sein kräftiger, energischer Händedruck entgegen, der von viel Tatendrang zeugte. Er musterte mich. Ich fühlte mich wie bei einem Casting.
»Perfect, Ibrahim. This guy is awesome.« Auch Hammie klopfte mir auf die Schulter.Er sprach ein wundervolles Englisch mit leichtem britischem Einschlag. Dann ging er aufgeregt in seine Wohnung zurück und kehrte mit einigen bedruckten Blättern zurück. Auf der ersten Seite stand: »Tears on Valentine Day, Szene Eins.« Das musste der Name des Films sein. Mir kam das alles merkwürdig vor. Wieso sollte gerade ich einen Anwalt spielen? Ich mit meinem Pferdeschwanz? Ein Anwalt muss doch eine seriöse Ausstrahlung haben. Dazu gehört auch ein ordentlicher Haarschnitt. Ihm muss man die Erfahrung aus knallharten Verhandlungen, aus unzähligen schwierigen Fällen auf der zerfurchten Stirn ablesen können. Ich war 26, sorgenfaltenfrei und fand Paragraphen todlangweilig. Hammie reichte mir die Seiten.
»Dein Text. Lerne das. Wir haben morgen Probe. Du willst doch den Job, oder?«
»Na ja, anschauen kann ich es mir ja mal«, wich ich einer Antwort aus.
Während ich in den Wirrungen des Viertels den Weg zurück zum Haus meiner Gastfamilie suchte - Ibrahim musste direkt weiter, da die Produktion jetzt in die heiße Phase ging und noch eine Menge zu tun war -, befand ich mich irgendwo zwischen Unglauben, dem Gefühl, ein Opfer der versteckten Kamera zu sein, und Ehrfurcht. Ich musste sofort Lucy anrufen.
»Sag mal, kennst du einen Ibrahim? Er sagt, er sei Filmproduzent und wohnt irgendwo hier in der Nachbarschaft«, überfiel ich sie aufgeregt und vergaß jegliche Begrüßungsformalien.
»Habari yako? - Wie sind die Nachrichten?«
»Nzuri tu - nur gut«, antwortete ich. Lucy bestand auf einer ordentlichen Begrüßung.
»Nun zu deiner Frage. Ja, der arbeitet für einen guten Drehbuchautor. Wohnt direkt nebenan. Wir sind aber Konkurrenten «, flüsterte sie.
»Er hat mich gefragt, ob ich mitspielen will. In seinem Film«, platzte es aus mir heraus.
»Schau dir das ruhig an. Da spielen gute Schauspieler mit. Viele Freunde und Kollegen. Ich hatte auch schon an etwas für dich gedacht.«
»Was denn?« Irgendwie hoffte ich inständig auf die Einladung zu einem guten Frühstück.
»Ein Geheimnis. Du wirst es bald erfahren. Ich muss jetzt weiterarbeiten.« Sie legte auf. Ich vertraute Lucy. Anscheinend war Ibrahim in der bongo-movie-Branche kein Unbekannter. Also handelte es sich doch um keinen Scherz, sondern war ernst. Ein Film mit mir in Tansania?
Zurück in meinem Zimmer stellte ich mich vor den kleinen Spiegel, den ich mitgebracht hatte, und probte den englischen Text. Er war nicht sonderlich schwierig, nur musste ich zwischendurch immer wieder ungläubig lachen. Ich, als Schauspieler in Tansania? »Das muss gemacht werden«, hätte die Dada gesagt. Na gut, dann wollte ich mich mal drauf einlassen und es ausprobieren. Zu viel Drehzeit sollten die fünf DIN-A4-Zettel Text ja nicht verschlingen ...
Am nächsten Morgen weckte mich Ibrahim, noch bevor es Allah getan hatte, indem er laut an die Gitterstäbe meines Fensters klopfte. Das Zeit-Schlaf-Verhältnis dieses Landes konnte ich einfach nicht nachvollziehen. Ibrahim entschuldigte sich auch nicht für das frühe Wecken, das war anscheinend selbstverständlich, sondern sprach nur ganz aufgeregt von Proben, die bald beginnen würden. Ich solle mich fertigmachen, er würde nur noch kurz in die Moschee gehen. Wie von der Tsetsefliege gestochen warf ich mich in Schale. Die Dada hatte, nachdem ich abends aufgeregt die Nachricht der bevorstehenden Filmproben verbreitet hatte, ungefragt mein blaues Hemd gebügelt und liebevoll auf mein Bett gelegt.
Fast zwei Stunden Wartezeit später hämmerte Ibrahim wieder gegen die Eisenstäbe meines Fensters. Inzwischen war ich wieder eingeschlafen. Ibrahim sprang aufgeregt von einem Bein auf das andere. Seinen Kopf schmückte eine weiße kofia, eine muslimische kappenähnliche Kopfbedeckung.
»Los geht's. Wir treffen die anderen Schauspieler. Wir haben noch einen kleinen Weg vor uns.«
Ich war leicht angesäuert wegen der langen Wartezeit, konnte aber so wenigstens dem Frühstück entgehen. Die Dada, die extra aufgestanden war, um mich zu versorgen, war zwar etwas beleidigt, aber jegliches Reuegefühl meinerseits war spätestens verflogen, als ich mir am dalla dalla-Stand ein vitaminreiches Fruchtfrühstück, bestehend aus Mango und Bananen, gönnte.
Wir fuhren mit dem Bus aus der Stadt heraus. Während wir neben dem Fahrer auf dem warmen, mit Hartplastik abgedeckten Motorblock des dalla dalla saßen - weshalb wir unsere Sitzposition ständig korrigieren mussten - philosophierte Ibrahim über den Film:
»Tears on Valentine Day wird ein Riesenerfolg werden. Wir haben einen mzungu als Schauspieler. Der Regisseur ist super. Ein erfahrener Mann, der viele Romane geschrieben hat. Das Script ist von einem berühmten tansanischen Verleger. Da kann nichts schiefgehen.«
»Lebst du nur von bongo movies?«, fragte ich.
»Nein, nicht nur. Es ist so: Ich verdiene mein Geld in Zypern. Dort arbeite ich auf einem Schiff. Alle sieben Monate kehre ich hierher zurück. Meine Tochter kann so die secondary school besuchen und studieren. Die Filme sind mein Hobby und bringen zusätzliches Geld. Wir sind übrigens da.«
»Shusha - aussteigen«, rief ich und Ibrahim nickte anerkennend ob des korrekten dalla dalla-Codex, den ich erlernt hatte.
»Schon ganz der Tansanier.«
Eine Straße am Rande der Millionenstadt. Hier ging Dar es Salaam der Atem aus. Unser dalla dalla war das einzige Auto auf der breiten asphaltierten Straße und setzte seinen Weg fort. Wir standen auf dem staubigen Gehweg direkt vor einem mit falschen Marmorsteinen mannshoch ummauerten Gelände. Vor dem Eingang, einem verzierten Eisentor, wartete der obligatorische uniformierte Pförtner, der einen kleinen Gummiknüppel in der Hand schwang. Wir mussten uns zu meiner Überraschung jedoch in kein zerfleddertes Gästebuch eintragen, sondern konnten sofort zum Haus gehen.
»Die anderen Schauspieler warten schon. Wir stellen dich vor und dann probst du mit der Hauptdarstellerin. Lisa Mwanga. Im Film spielt sie die Johanita. Es ist ihre erste große Rolle. Sie ist der kommende Star in Tollywood.«
Das seltsame Gebäude entpuppte sich bei näherem Hinsehen als Hotel. Royal Dar es Salaam Inn stand in großen Buchstaben auf dem pastellfarbenen Betonbau mit Balkons. Der Schriftzug war von der Straße aus nicht sichtbar gewesen. Kein Schild wies auf das Hotel hin. Die Zimmer hatten alle eine Klimaanlage, wie ich von außen neidvoll erkennen konnte. Gäste und eine Rezeption waren jedoch nicht vorhanden. Vielleicht auch wegen der nicht vorhandenen Werbung.
»Die anderen warten im Garten«, wies mir Ibrahim den Weg. Ein merkwürdiges Gelände, ein königliches Hotel außerhalb der Stadt.
»Ibrahim, warum findet die Probe hier statt?«
»Hier treffen wir uns meist für Filmszenen, die in Innenräumen spielen. Es ist ruhig und schattig. Der Besitzer ist ein Freund von Hammie. Viele Gäste gibt es auch nicht, so dass immer Platz ist.«
»Müsste das Hotel dann nicht längst pleite sein. Ohne Gäste? Man kann von außen ja auch kaum erkennen, dass es ein Hotel ist«, fragte ich etwas naiv.
»Das Hotel wird für viele bongo movies als Produktionsstätte verwendet. Die Zimmer, der Garten. Dafür bekommt der Besitzer einen Obolus und ist damit sehr zufrieden.«
Im Garten, verziert mit einer Pagode und kleinem Brunnen, warteten etwa zwanzig Menschen auf dem gepflegten englischen Rasen. Ich erkannte einige Gesichter aus den bongo movies wieder, die bei Lucy über den Bildschirm flimmerten. Ein Mann, der mir daher als der Grandseigneur der tansanischen Filmszene bekannt war, Mr Magali, kam auf mich zu. Er hatte, wie mir Lucy berichtete, in über hundert Filmen mitgespielt. Da er zu den wenigen älteren Schauspielern gehörte, ich schätzte ihn auf etwa 50, kam er an entsprechend viele Rollen. Mit seiner typischen tiefen Stimme - ein ordentlicher Bass - tönte er zu mir:
»Du musst der mzungu sein, von dem Ibrahim gesprochen hat. Kannst du schauspielern?« Mr Magali musterte mich kritisch. Ich stand unter Druck.
»Ja, natürlich.«
»Du hast schon Erfahrung?«
»Ich habe in einem englischen Theaterstück mitgespielt. In meiner Heimat«, log ich. Mr Magali schien nicht beeindruckt:
»Okay, let us see.« Dabei betonte er jede Silbe einzeln.
Hammie kam dazu und strahlte mich begeistert an. Die Gespräche der anderen verstummten.
»Ich bin froh, dass du hier bist.« Er wandte sich den anderen zu, eine bunte Truppe der verschiedensten Altersgruppen, einige sahen aus wie echte Stars und versteckten sich hinter Sonnenbrillen, kauten auf Zahnstochern herum oder trugen die neuesten Jeans mit ausgebleichten Knien,
und erhob seine Stimme:
»Dr. Johnson Leonard«, stellte Hammie mich vor.
Ich brauchte kurz, um zu begreifen, dass dies mein Rollenname war. Hammie, der neben mir stand, raunte mir zu:
»Ich hab gesehen, dass Mr Magali mit dir gesprochen hat. Nimm das nicht zu ernst. Das ist seine Art.« Und fügte dann laut für alle hinzu: »Und nun wollen wir mit den Proben beginnen. Alle auf die Plätze bitte!«
Ich versuchte mir Hammies Worte zu Herzen zu nehmen, war aber trotzdem nervös und sah mich schon scheitern. Ich überlegte. Die guten Schauspieler in Tansania, wie ich es bisher gesehen hatte, spielten für mein Empfinden total übertrieben. Das kam offensichtlich gut an. Lucy kommentierte das immer mit: anaact vizuri - er spielt schön. Etwas, das man sich eventuell aus dem nigerianischen Kino, Nollywood - das auch in Tansania sehr populär war -, und meinen heißgeliebten Telenovelas abgeschaut hatte. Ich musste also ebenso übertreiben, um anzukommen.
Lisa, die Hauptdarstellerin, eine schlanke Frau im weißen Schlabbershirt, begrüßte mich. Und dann ging es auch schon los.
»Szene Eins«, rief Hammie und setzte sich rücklings auf einen Holzstuhl, die Lehne ganz jugendlich vor sich zwischen den Beinen.
»Ihr setzt euch jetzt gegenüber an diesen Tisch. Dann beginnt ihr mit der Szene.«
Wir nahmen an einem weiß lackierten Gartentisch Platz, der in der Pagode stand. Die gesamte Schauspielertruppe gesellte sich um uns herum. Ich krallte mich mit meinen schwitzigen Händen am Script fest. Zwar hatte ich den Text auswendig gelernt, aber die Anwesenheit von Mr Magali, der sich wie ein Aufseher im Museum dicht neben mich stellte, ließ mich alles vergessen.
»Action!« Hammie klatschte erwartungsfroh in die Hände.
»You look ...«, ich hustete laut, um meinen Fehler zu überspielen.
Hammie schaute über seine Drehbuchseiten.
»Mach nur weiter. Es ist kein Problem, wenn du dich nicht genau an den Text erinnerst. Du hast da etwas Spielraum. «
»Ich kann meinen auch nicht«, flüsterte Lisa und zwinkerte mir zu.
Ich fühlte mich ertappt und dachte daran, dass ich bestimmt noch schlechter als der schlechteste Telenovela- Schauspieler rüberkam. Ich würde sicherlich niemandem etwas vormachen können. Ich würde alles vermasseln. Also las ich den Text mehr oder minder ab. Ohne Mimik, ohne Gestik. Wenigstens aber mit übertriebener Betonung. Ich konnte es einfach nicht besser. Mein Konterpart war zum Glück nicht brillanter. Nach dem letzten Dialog hob ich den Kopf.
»Bomba«, brummte Mr Magali und hob den Daumen.
»There is harmony«, fing Hammie an zu schwärmen, »ihr beide seid wie Anwalt und Klientin.«
Ich sah in zufriedene Gesichter und konnte erst gar nicht so recht verstehen, warum. War es etwa doch nicht das Trauerspiel, als dass es sich angefühlt hatte? Sicher, das Ganze hatte mir schon Spaß gemacht. Und die Anerkennung von Hammie ehrte mich. Aber trotzdem ...
Hammie machte sich Notizen und besprach sich tuschelnd mit Ibrahim. Dann räusperte er sich und nahm meine Hand:
»Wir stellen dich als Schauspieler an, besorgen dir ein Sakko, eine Aktentasche. Alles ganz schick! Und dann machen wir einen super bongo movie.«
Was? Ich war Schauspieler? Ich hatte meine erste Rolle? Ich konnte nicht glauben, dass ich es geschafft hatte! Doch das Casting schien wirklich vorbei zu sein. Eine Woge der Erleichterung erfasste mich. Ich schwor mir, den Text für den Drehtag perfekt zu beherrschen. Auf alle Fälle konnte ich mich in meiner Rolle als Johnson Leonard noch steigern. Mr Magali legte seine Hand auf meine Schulter und knurrte:
»Supa dupa.«
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Autoren-Porträt von Jörn Ratering
Ratering, JörnJörn Ratering wollte in Tansania eigentlich nur Feldforschung betreiben und ein Praktikum beim Fernsehen absolvieren. Da bekommt er ein Filmangebot unterbreitet, das er einfach nicht abschlagen kann. Und so wird der Ethnologiestudent über Nacht zu einem der begehrtesten Stars in Tansanias Traumfabrik Tollywood ...
Bibliographische Angaben
- Autor: Jörn Ratering
- 2013, 256 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: FISCHER Taschenbuch
- ISBN-10: 3596189152
- ISBN-13: 9783596189151
- Erscheinungsdatum: 16.05.2013
Rezension zu „Mambo supa dupa “
'Mambo supa dupa' ist geschriebenes Popcornkino: Witzig, unterhaltsam, ereignisreich Die Zeit 20131024
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