Maria von Nazareth
Millionen von Pilgern strömen alljährlich zu den zahllosen Marienwallfahrtsorten in aller Welt, um die Gottesmutter um Schutz und Fürsprache anzurufen. Doch wer war die Frau, die Jesus zur Welt bringen sollte? Eine spannende...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Maria von Nazareth “
Millionen von Pilgern strömen alljährlich zu den zahllosen Marienwallfahrtsorten in aller Welt, um die Gottesmutter um Schutz und Fürsprache anzurufen. Doch wer war die Frau, die Jesus zur Welt bringen sollte? Eine spannende Spurensuche.
Unter Auswertung von biblischer Überlieferung, Legenden und archäologischen Funden rekonstruiert Bestseller-Autor Michael Hesemann das Leben Marias von Nazareth. An heiligen Stätten in Italien, Israel, der Türkei und Ägypten hat er sich auf Spurensuche begeben. Dabei ist ein umfassendes und in vielerlei Hinsicht neues Marienbild entstanden. Hesemanns spannend geschriebene Biografie der Mutter Jesu hält selbst für kundige Leser so manche Überraschung bereit.
Mit Zeittafel und vielen Farbabbildungen.
Klappentext zu „Maria von Nazareth “
Millionen von Pilgern strömen alljährlich zu den zahllosen Marienwallfahrtsorten überall auf der Welt und rufen die Gottesmutter um Schutz und Fürsprache an. Wer aber war die Frau, die von Gott dazu ausersehen wurde, den Erlöser zur Welt zu bringen, über die uns die Bibel jedoch überraschend wenig verrät? Bestseller-Autor Michael Hesemann hat sich wieder auf Spurensuche begeben, hat heilige Stätten in Italien, Israel, der Türkei und Ägypten besucht. Aus biblischer Überlieferung, Legenden und archäologischen Funden rekonstruiert er auf spannende Weise das Leben der Maria von Nazareth, der Mutter Jesu Christi. Ein Buch, das manche Überraschung bereithält.
Lese-Probe zu „Maria von Nazareth “
Maria von Nazareth von Michael HesemannXIII
Mit Leib und Seele
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Noch einmal reise ich nach Jerusalem, um dem größten Geheimnis der Gottesmutter auf den Grund zu gehen; den Umständen ihres Todes. Denn als Papst Pius XII. vor genau 60 Jahren, am 1. November 1950, für alle Katholiken verbindlich erklärte, dass Maria „ mit Leib und Seele" in den Himmel aufgenommen wurde,15 ließ er den Ort, Zeitpunkt und Ablauf dieses göttlichen Wunders offen. So wurde in der päpstlichen Verkündigungsbulle ausschließlich theologisch und nicht historisch argumentiert. Das neue Dogma basierte auf der knapp hundert Jahre zuvor verkündeten Glaubenswahrheit von der Unbefleckten Empfängnis Mariens, die der selige Papst Pius IX. 1854 verbindlich definierte. Sie wiederum war letztlich die Konsequenz aus einer der frühesten theologischen Beschreibungen der Rolle Mariens im Heilsgeschehen, ihrer Definition als „neue Eva". Da Eva sündenlos geschaffen worden war, musste auch Maria von der Erbsünde befreit empfangen und geboren sein. Wie hätte sich auch Gott bei seiner Menschwerdung eine Sünderin zur Mutter erwählen können? Wenn aber Maria unbefleckt empfangen wurde, so argumentierte Pius XII. ganz im Sinne des Kirchenlehrers Thomas von Aquin, dann war ihr Leib von Anfang an geheiligt, dann kann er nicht der von der Erbschuld bedingten Zerstörung durch Tod und Verwesung zum Opfer gefallen sein. Wenn Gott schon große Patriarchen und Propheten wie Enoch, Moses und Elias16 leiblich in den Himmel aufnahm, wovon das Alte Testament berichtet, wie kann er dieses Privileg seiner treuesten Magd, der Allheiligen Gottesgebärerin, verweigert haben? Das entsprach der klassischen Formel, die der marianische Scholastiker Duns Scotus im 13. Jahrhundert entwickelte: potuit, decuit, fecit - „es war (Gott) möglich, es ziemte sich, er tat es". So wurde die Verkündigung des neuen Mariendogmas zum Höhepunkt des ersten Heiligen Jahres nach Ende des furchtbarsten aller Kriege. Für Pius XII. aber war sie weit mehr: sie war seine Kampfansage an den Materialismus, der so viel Unheil über die Menschheit gebracht hat, und seine ganz persönliche Danksagung an die Gottesmutter, die ihre Kirche so sicher durch die dunkelste Phase der Geschichte führte.
Doch so plausibel Pius XII. es auch in seiner Verkündigungsbulle erklärte, so heftig war der Widerstand gegen das neue Dogma speziell von protestantischer Seite, aber auch von Vertretern einer modernistischen Theologie. Ihr Hauptargument war, dass nicht eine einzige Stelle der Schrift auf eine leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel hindeutet. Nicht einmal aus der Frühzeit des Christentums gab es zuverlässige Nachrichten über die Todesumstände der Gottesmutter.
Drei Jahrhunderte lang schwiegen die Kirchenväter über ihr Ende. Noch im 4. Jahrhundert stellte Bischof Epiphanius von Salamis (315-403) in seinem um 377 verfassten Panarion fest, man werde in der Heiligen Schrift „wohl nichts über den Tod Mariens finden, weder ob sie gestorben ist noch ob sie nicht gestorben ist, weder ob sie begraben wurde noch ob sie nicht begraben wurde. " So endet seine Ausführung mit dem resignierten Fazit: „Gott ist nicht unmöglich, alles zu tun, was er will: denn ihr Ende kennt niemand."
Erst im 5. Jahrhundert finden gleich mehrere Versionen einer christliche Apokryphe weitere Verbreitung, die von der wundersamen „Entschlafung" der Gottesmutter handelt. So trug Bischof Jakob von Sarug (451-521) auf einer Synode in Nisibis an der heutigen türkisch-syrischen Grenze im Jahre 489 ein selbstverfasstes Gedicht über das Ende Mariens vor, das offensichtlich auf einer Jerusalemer Tradition basierte. Danach fand die Beerdigung Mariens „auf dem Berg der Galiläer", wie man den Olberg nannte, statt; Jesus selbst habe sie, „von lichten Wolken umgeben", geleitet. Johannes „als der wahre Herr des Hauses", in dem sie bis dahin mit ihm lebte, legte den Leichnam „in eine Höhle, ein Grab, eine Steinkammer". Da Jakob von Sarug sie mit der Bestattung des Moses, „von Gott vollzogen", vergleicht, scheint er als erster ihre Assumptio, ihre Aufnahme in den Himmel, anzudeuten.
Etwa gleichzeitig begann man in Jerusalem, am Fuße des Olbergs, ihr Grab zu verehren. Keiner der Pilger des 4. Jahrhunderts, kein Pilgerführer des frühen 5. Jahrhunderts scheint von ihm gewusst zu haben. Erst in einem koptischen Text, der dem alexandrinischen Patriarchen Dioskur (444-451) zugeschrieben wird, ist von der „Kirche der hl. Maria im Josaphatfeld", dem Kidrontal zu Füßen des Olbergs, die Rede. Der Jerusalemer Bischof Juvenal (425-58) soll dort eine Versammlung der jetzt als Ketzer geltenden Monophysiten mit Hilfe von Soldaten aufgelöst und dabei ein Blutbad angerichtet haben. Sie hatten sich der Verurteilung ihres Glaubens, Christus habe nur eine göttliche und keine menschliche Natur besessen, auf dem Konzil von Chalcedon 451 widersetzt. Laut Johannes von Damaskus († 754) war Juvenal auf diesem Konzil von der Kaiserin Pulcheria empfangen worden, die ihn um Reliquien der Gottesmutter bat. Daraufhin habe der Bischof erzählt, dass nach der Jerusalemer Tradition Marias Leib in Getsemani im Beisein aller Apostel beigesetzt wurde; nur Thomas, der den weitesten Weg hatte, kam zwei Tage zu spät. Als er darum bat, die Gottesmutter noch einmal zu sehen, öffnete man für ihn am dritten Tag das Grab. Doch es war leer; nur noch die Leichentücher und Grabgewänder Mariens lagen dort. Aus diesem Grund gäbe es von Maria keine Körperreliquien, keine Gebeine. So bat die Kaiserin statt dessen um das Leichentuch und das letzte Kleid Mariens, die ihr auch später von Bischof Juvenal übersandt wurden.
Doch die Authentizität dieser beiden Berichte ist umstritten, sie können auch später entstanden sein. Einig sind sich die Gelehrten nur darin, dass sie nicht zufällig Bischof Juvenal ins Spiel bringen, der deshalb meist als Erbauer der ersten Marienkirche im Kidrontal gilt. Dabei sind auch die ersten Berichte, in denen von diesem Heiligtum die Rede ist, eher unkonkret. So spricht der nordafrikanische Erzdiakon Thedosius, der um 520 ein Buch über die Topographie des Heiligen Landes verfasste, nur davon, dass „im Tal Josaphat ... die Kirche der Herrin Maria, der Mutter Gottes" stünde. Selbst der Pilger aus Piacenza, der um 570 ziemlich ausführlich aus dem Heiligen Land berichtete und, wie es scheint, keine halbwegs plausible Legende ausließ, wusste nur: „In diesem Tal ist die Kirche der hl. Maria, die, wie man sagt, ihr Wohnhaus gewesen sei, in welchem sie auch dem Leib entrückt sei. " Genauer war allein der zwischen 510 und 530 verfasste Pilgerführer Breviarius de Hierosolyma. Am Fuße des Ölbergs, so stellte er fest, „ist die Kirche der hl. Maria, und dort ist ihr Grab. Und dort verriet Judas unseren Herrn Jesus Christus. "
Dieser Hinweis auf die benachbarte Getsemani-Grotte lässt keinen Zweifel daran, dass diese Marienkirche an der Stelle stand, an der man noch heute in Jerusalem das Mariengrab verehrt.
Man erreicht es, wenn man die Jerusalemer Altstadt durch das Stephanstor (das einstige Marientor, siehe Kap. III) Richtung Ölberg verlässt. Gleich auf der anderen Seite der stark befahrenen Umgehungsstraße führen zwei Freitreppen hinunter zum offenen Vorhof einer alten Kreuzfahrerkirche. Ihr schlichtes, gotisches Portal und ihr flaches Dach stehen in auffälligem Kontrast zur Bedeutung dieses Heiligtums. Doch gerade diese zurückhaltende Schlichtheit passt zu Maria, der Stillen und Tiefgründigen. Erst wenn man eintritt, bemerkt man, dass diese Kirche so ganz anders ist als alle anderen. Denn zunächst einmal führt eine siebenundvierzigstufige, breite Treppe hinab in die Tiefe. In den Gräbern, die sie flankieren, sind Königinnen der Kreuzfahrer bestattet; erst der Volksglaube machte aus einem von ihnen das Grab Joachims und Annas, der Eltern Mariens. Die Krypta, zu der die Stufen führen, ist teils aus dem Fels gemeißelt, teils gemauert; ihre Wölbung ist mittelalterlich. Sie hat die Form eines lateinischen Kreuzes, dessen längster Schaft nach Osten zeigt. In seiner Mitte befindet sich das eigentliche Mariengrab: eine Felskammer mit einer Grabbank, zu einem Würfel gemeißelt und dadurch vom Muttergestein isoliert. Handelt es sich dabei bloß um ein Kenotaph, ein Scheingrab aus byzantinischer Zeit, eine Notlösung quasi, weil niemand wirklich wusste, was aus Maria geworden war, seit sie die Apostelgeschichte das letzte Mal erwähnte? Oder wurde hier tatsächlich die Gottesmutter bestattet? Und schließlich: Welchen Wert haben die apokryphen Berichte von der „Entschlafung" (dormitio) oder dem „Übergang" (transitus) Mariens? Sind es christliche Fiktionen, allenfalls fromme Legenden? Oder haben sie vielleicht doch einen wahren, historischen Kern? Die einzige Möglichkeit, diese Fragen zu beantworten, sollte die Archäologie bieten.
Ich beginne meine Spurensuche dort, wo die Apostelgeschichte Maria zuletzt verortete: auf dem Zion. Schließlich sind die Kirche und die Abtei dem Gedenken an die Dormitio, die „Entschlafung" Mariens, geweiht. Im Zentrum ihrer kreisrunden Krypta befindet sich direkt unter dem sechseckigen Kuppelbau eine lebensgroße Plastik der sterbenden Gottesmutter, die ihr Vorbild in der byzantinischen Ikonographie hat. Ihr Blick ist auf das Kuppelmosaik gerichtet, das Christus zeigt, der mit den Worten des Hohenliedes (2,13) seine Mutter zu sich einlädt: „ Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm!" Die Tradition, dass an eben dieser Stelle Maria verstarb, geht, wir erinnern uns, auf das 7. Jahrhundert zurück. „Ströme von Heilungen / von jenem Felsen / wo Maria, das Gotteskind, lag / sprossen für alle", dichtete der Jerusalemer Patriarch Sophronius um 630 bei der Einweihung ihres Neubaus nach der Zerstörung der alten Zionsbasilika durch die Perser. Um 670 hielt Bischof Arkulf die exakte Lage des einstigen Marienhauses in seinem Plan der Hagia Sion-Kirche fest. Etwa zeitgleich, um 650, überlieferte Hippolyt von Theben ihre uralte Tradition: Der hl. Johannes habe „die heilige Maria in sein Haus auf dem Zion aufgenommen bis zu ihrer Himmelfahrt" ; dieses Haus sei von seinem älteren Bruder, dem Apostel Jakobus, „mit dem Erbe seines Vaters Zebedäus" gekauft worden. Es könnte gut eines der kleinen Häuser gewesen sein, die 1983 von Pater Bargil Pixner und israelischen Archäologen unter dem modernen Anbau des Klosters entdeckt wurden. Die will ich mir ansehen, und so treffe ich mich mit einem Mönch der Abtei. Denn ihr wertvollster Schatz ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Das mag daran liegen, dass er nicht gerade angemessen präsentiert werden kann, war die Bauplanung bei seiner Entdeckung doch längst abgeschlossen. So führt mich der Mönch, ein waschechter Düsseldorfer namens Bruder Josef, mit dem ich mich an der Klosterpforte hinter dem Souvenirladen treffe, die Treppe hinunter zu den öffentlichen Toiletten. Mit einem Schlüssel öffnet er eine Seitentür, dann stehe ich vor den Regalen der klösterlichen Seminarbibliothek. In einer Ecke, unter einem schweren Eisengitter, befindet sich ihr Schatz: eine winzige Mikwe. Sie gehörte zu einem eher ärmlichen Haus, dessen Bewohner ebenso bescheiden wie fromm gewesen sein mussten. In einer der frühesten Versionen des Transitus Mariae heißt es, die Gottesmutter habe, als ihr der Tag ihres Todes offenbart wurde, zuerst ein Bad genommen. War das hier, an dieser Stelle? Plötzlich beginnt der so schwer fassbare Text konkrete Formen anzunehmen.
Es gibt den Transitus in diversen Versionen, ja sogar mit unterschiedlichen Schauplätzen. Einer gibt sich als Bericht des Apostels Johannes aus, ein anderer wird seinem Schüler Meliton von Sardes und ein dritter einem fiktiven Papst Evodius (oder ist Papst Evaristus, ca. 99-108, gemeint, von dem es heißt, dass er aus Palästina stammte?) zugeschrieben, die meisten bleiben ohne Verfasserangabe. Mal wohnt Maria auf dem Zion, dann wieder „in ihrem Haus in Bethlehem", in einer dritten Fassung in ihrem Elternhaus „nahe dem Ölberg". In einigen Textzeugen ist Johannes bei ihr, in vielen befindet er sich gerade in Ephesus und gelangt auf wundersame Weise nach Jerusalem, gefolgt von den anderen Aposteln. Die wiederum begeben sich entweder „nach einer Eingabe durch den Heiligen Geist" in die Heilige Stadt oder werden von Engeln auf Wolken zur Gottesmutter getragen. Doch so sehr sich die Versionen auch unterscheiden, dieselben Grundmotive durchziehen sie alle.
Danach verzehrt Maria der Wunsch, ihren Sohn wiederzusehen. Schließlich erscheint ihr ein Engel, der oft mit Christus gleichgesetzt wird, bringt ihr einen Palmzweig aus dem Paradies und kündigt ihr an, dass sie in drei Tagen in den Himmel entrückt würde. Der Palmzweig solle ihr bei der Bestattung vorangetragen werden. Jetzt ruft sie ihre Freunde und Verwandten zu sich, um Abschied zu nehmen. Während auf geheimnisvolle Weise auch die Apostel in Jerusalem eintreffen, nimmt Maria ein Bad, zieht neue Kleider an und legt sich auf ein Ruhebett. Den Lieblingsjünger Johannes, der als erster bei ihr eintrifft, bittet sie, ihre Bestattung vorzubereiten. Als alle noch lebenden Apostel um sie herum betend und Psalmen singend versammelt sind, erscheint Jesus selbst in strahlendem Licht, umgeben von einer Schar von Engeln, und holt die Seele Mariens in den Himmel. Drei Jungfrauen, Gefährtinnen der Gottesmutter, waschen und bekleiden ihren Körper, dann tragen die Jünger sie zu Grabe. Sie ziehen „zur rechten Seite der Stadt gen Osten", zu einem „neuen Grab" am Fuße des Ölbergs. Johannes, der als Einziger der Jünger noch „unberührt" und damit am reinsten ist, trägt den Palmzweig voran. Viele, die den Leichenzug sehen und die Gesänge der Apostel hören, halten inne und folgen ihm. Das erregt den Zorn eines jüdischen Priesters, der eingreift und sogar versucht, den Leichnam von der Bahre zu werfen, als seine Hände gelähmt werden und an der Bahre haftenbleiben. Panisch fleht er die Apostel an, ihm zu helfen, und tatsächlich befreit ihn ihr Gebet. Er küsst die Füße der Gottesmutter und bekehrt sich. Im Tal Josaphat, „in der hintersten Kammer einer dreifach gestaffelten Grabanlage", legen die Apostel ihren Leichnam auf eine „erhöhte Bank". Dann verschließen sie das Grab und setzen sich betend davor, während sie drei Tage lang den himmlischen Gesang der Engel vernehmen. In einigen Versionen werden sie Zeugen, dass Jesus erneut mit einem Heer von Engeln erscheint, den Stein vor dem Eingang des Grabmals von einem Engel entfernen und Marias Leichnam von anderen Engeln ins Paradies tragen lässt. In wieder anderen Texten vergewissert sich der Apostel Thomas anschließend, ob der Leichnam tatsächlich aus dem Grab verschwunden ist. Jedenfalls kehren die Apostel schließlich, Gott dankend, wieder in ihre Missionsgebiete zurück.
Diese Legende ist, wie gesagt, erst seit dem 5. Jahrhundert bezeugt. Das glaubte man jedenfalls, bis der große Franziskanerarchäologe Pater Bellarmino Bagatti 1971 seine bahnbrechende Studie Die Kirche aus der Beschneidung. Geschichte und Archäologie der Judenchristen veröffentlichte. Bis dahin hatte Pater Bagatti sein Leben damit verbracht, die Glaubenswelt jener Christen zu studieren, die in ihrem - oft essenisch geprägten - Judentum verankert geblieben waren, doch Jesus von Nazareth als den Messias und Sohn Gottes anerkannten. Sie konnten sich noch in direkter Linie auf die Traditionen der Herrenverwandten berufen, die ihre ersten Bischöfe waren.
Als Pater Bagatti eine der ältesten bekannten Versionen des Transitus studierte, die unter der Inventarnummer Codex 1982 in der Bibliothek des Vatikans verwahrt wird, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Die ganze Theologie, die diesem Text zugrunde liegt, war so unorthodox, dass sie einfach nicht mehr in das 5. Jahrhundert passte: sie musste noch aus der Zeit vor dem Konzil von Nicäa im Jahre 325 stammen! In ihm kamen Bilder wie das Erscheinen Jesu als Engel, der Palmzweig aus dem Paradies, die „kosmische Leiter", die „sieben Himmel" und die Offenbarung von „himmlischen Büchern" und „Geheimnissen" vor, die von den Kirchenvätern des 4. Jahrhunderts heftig bekämpft wurden, denn sie galten zu diesem Zeitpunkt bereits als häretisch. Es waren Bilder und Symbole der Judenchristen. So stellte Bagatti „im Lichte der verwendeten theologischen Terminologie der Judenchristen" fest, dass der Transitus nur im Umfeld „ dieser Sekte, und zwar im 2. bis 3. Jahrhundert" entstanden sein konnte.
Noch einmal reise ich nach Jerusalem, um dem größten Geheimnis der Gottesmutter auf den Grund zu gehen; den Umständen ihres Todes. Denn als Papst Pius XII. vor genau 60 Jahren, am 1. November 1950, für alle Katholiken verbindlich erklärte, dass Maria „ mit Leib und Seele" in den Himmel aufgenommen wurde,15 ließ er den Ort, Zeitpunkt und Ablauf dieses göttlichen Wunders offen. So wurde in der päpstlichen Verkündigungsbulle ausschließlich theologisch und nicht historisch argumentiert. Das neue Dogma basierte auf der knapp hundert Jahre zuvor verkündeten Glaubenswahrheit von der Unbefleckten Empfängnis Mariens, die der selige Papst Pius IX. 1854 verbindlich definierte. Sie wiederum war letztlich die Konsequenz aus einer der frühesten theologischen Beschreibungen der Rolle Mariens im Heilsgeschehen, ihrer Definition als „neue Eva". Da Eva sündenlos geschaffen worden war, musste auch Maria von der Erbsünde befreit empfangen und geboren sein. Wie hätte sich auch Gott bei seiner Menschwerdung eine Sünderin zur Mutter erwählen können? Wenn aber Maria unbefleckt empfangen wurde, so argumentierte Pius XII. ganz im Sinne des Kirchenlehrers Thomas von Aquin, dann war ihr Leib von Anfang an geheiligt, dann kann er nicht der von der Erbschuld bedingten Zerstörung durch Tod und Verwesung zum Opfer gefallen sein. Wenn Gott schon große Patriarchen und Propheten wie Enoch, Moses und Elias16 leiblich in den Himmel aufnahm, wovon das Alte Testament berichtet, wie kann er dieses Privileg seiner treuesten Magd, der Allheiligen Gottesgebärerin, verweigert haben? Das entsprach der klassischen Formel, die der marianische Scholastiker Duns Scotus im 13. Jahrhundert entwickelte: potuit, decuit, fecit - „es war (Gott) möglich, es ziemte sich, er tat es". So wurde die Verkündigung des neuen Mariendogmas zum Höhepunkt des ersten Heiligen Jahres nach Ende des furchtbarsten aller Kriege. Für Pius XII. aber war sie weit mehr: sie war seine Kampfansage an den Materialismus, der so viel Unheil über die Menschheit gebracht hat, und seine ganz persönliche Danksagung an die Gottesmutter, die ihre Kirche so sicher durch die dunkelste Phase der Geschichte führte.
Doch so plausibel Pius XII. es auch in seiner Verkündigungsbulle erklärte, so heftig war der Widerstand gegen das neue Dogma speziell von protestantischer Seite, aber auch von Vertretern einer modernistischen Theologie. Ihr Hauptargument war, dass nicht eine einzige Stelle der Schrift auf eine leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel hindeutet. Nicht einmal aus der Frühzeit des Christentums gab es zuverlässige Nachrichten über die Todesumstände der Gottesmutter.
Drei Jahrhunderte lang schwiegen die Kirchenväter über ihr Ende. Noch im 4. Jahrhundert stellte Bischof Epiphanius von Salamis (315-403) in seinem um 377 verfassten Panarion fest, man werde in der Heiligen Schrift „wohl nichts über den Tod Mariens finden, weder ob sie gestorben ist noch ob sie nicht gestorben ist, weder ob sie begraben wurde noch ob sie nicht begraben wurde. " So endet seine Ausführung mit dem resignierten Fazit: „Gott ist nicht unmöglich, alles zu tun, was er will: denn ihr Ende kennt niemand."
Erst im 5. Jahrhundert finden gleich mehrere Versionen einer christliche Apokryphe weitere Verbreitung, die von der wundersamen „Entschlafung" der Gottesmutter handelt. So trug Bischof Jakob von Sarug (451-521) auf einer Synode in Nisibis an der heutigen türkisch-syrischen Grenze im Jahre 489 ein selbstverfasstes Gedicht über das Ende Mariens vor, das offensichtlich auf einer Jerusalemer Tradition basierte. Danach fand die Beerdigung Mariens „auf dem Berg der Galiläer", wie man den Olberg nannte, statt; Jesus selbst habe sie, „von lichten Wolken umgeben", geleitet. Johannes „als der wahre Herr des Hauses", in dem sie bis dahin mit ihm lebte, legte den Leichnam „in eine Höhle, ein Grab, eine Steinkammer". Da Jakob von Sarug sie mit der Bestattung des Moses, „von Gott vollzogen", vergleicht, scheint er als erster ihre Assumptio, ihre Aufnahme in den Himmel, anzudeuten.
Etwa gleichzeitig begann man in Jerusalem, am Fuße des Olbergs, ihr Grab zu verehren. Keiner der Pilger des 4. Jahrhunderts, kein Pilgerführer des frühen 5. Jahrhunderts scheint von ihm gewusst zu haben. Erst in einem koptischen Text, der dem alexandrinischen Patriarchen Dioskur (444-451) zugeschrieben wird, ist von der „Kirche der hl. Maria im Josaphatfeld", dem Kidrontal zu Füßen des Olbergs, die Rede. Der Jerusalemer Bischof Juvenal (425-58) soll dort eine Versammlung der jetzt als Ketzer geltenden Monophysiten mit Hilfe von Soldaten aufgelöst und dabei ein Blutbad angerichtet haben. Sie hatten sich der Verurteilung ihres Glaubens, Christus habe nur eine göttliche und keine menschliche Natur besessen, auf dem Konzil von Chalcedon 451 widersetzt. Laut Johannes von Damaskus († 754) war Juvenal auf diesem Konzil von der Kaiserin Pulcheria empfangen worden, die ihn um Reliquien der Gottesmutter bat. Daraufhin habe der Bischof erzählt, dass nach der Jerusalemer Tradition Marias Leib in Getsemani im Beisein aller Apostel beigesetzt wurde; nur Thomas, der den weitesten Weg hatte, kam zwei Tage zu spät. Als er darum bat, die Gottesmutter noch einmal zu sehen, öffnete man für ihn am dritten Tag das Grab. Doch es war leer; nur noch die Leichentücher und Grabgewänder Mariens lagen dort. Aus diesem Grund gäbe es von Maria keine Körperreliquien, keine Gebeine. So bat die Kaiserin statt dessen um das Leichentuch und das letzte Kleid Mariens, die ihr auch später von Bischof Juvenal übersandt wurden.
Doch die Authentizität dieser beiden Berichte ist umstritten, sie können auch später entstanden sein. Einig sind sich die Gelehrten nur darin, dass sie nicht zufällig Bischof Juvenal ins Spiel bringen, der deshalb meist als Erbauer der ersten Marienkirche im Kidrontal gilt. Dabei sind auch die ersten Berichte, in denen von diesem Heiligtum die Rede ist, eher unkonkret. So spricht der nordafrikanische Erzdiakon Thedosius, der um 520 ein Buch über die Topographie des Heiligen Landes verfasste, nur davon, dass „im Tal Josaphat ... die Kirche der Herrin Maria, der Mutter Gottes" stünde. Selbst der Pilger aus Piacenza, der um 570 ziemlich ausführlich aus dem Heiligen Land berichtete und, wie es scheint, keine halbwegs plausible Legende ausließ, wusste nur: „In diesem Tal ist die Kirche der hl. Maria, die, wie man sagt, ihr Wohnhaus gewesen sei, in welchem sie auch dem Leib entrückt sei. " Genauer war allein der zwischen 510 und 530 verfasste Pilgerführer Breviarius de Hierosolyma. Am Fuße des Ölbergs, so stellte er fest, „ist die Kirche der hl. Maria, und dort ist ihr Grab. Und dort verriet Judas unseren Herrn Jesus Christus. "
Dieser Hinweis auf die benachbarte Getsemani-Grotte lässt keinen Zweifel daran, dass diese Marienkirche an der Stelle stand, an der man noch heute in Jerusalem das Mariengrab verehrt.
Man erreicht es, wenn man die Jerusalemer Altstadt durch das Stephanstor (das einstige Marientor, siehe Kap. III) Richtung Ölberg verlässt. Gleich auf der anderen Seite der stark befahrenen Umgehungsstraße führen zwei Freitreppen hinunter zum offenen Vorhof einer alten Kreuzfahrerkirche. Ihr schlichtes, gotisches Portal und ihr flaches Dach stehen in auffälligem Kontrast zur Bedeutung dieses Heiligtums. Doch gerade diese zurückhaltende Schlichtheit passt zu Maria, der Stillen und Tiefgründigen. Erst wenn man eintritt, bemerkt man, dass diese Kirche so ganz anders ist als alle anderen. Denn zunächst einmal führt eine siebenundvierzigstufige, breite Treppe hinab in die Tiefe. In den Gräbern, die sie flankieren, sind Königinnen der Kreuzfahrer bestattet; erst der Volksglaube machte aus einem von ihnen das Grab Joachims und Annas, der Eltern Mariens. Die Krypta, zu der die Stufen führen, ist teils aus dem Fels gemeißelt, teils gemauert; ihre Wölbung ist mittelalterlich. Sie hat die Form eines lateinischen Kreuzes, dessen längster Schaft nach Osten zeigt. In seiner Mitte befindet sich das eigentliche Mariengrab: eine Felskammer mit einer Grabbank, zu einem Würfel gemeißelt und dadurch vom Muttergestein isoliert. Handelt es sich dabei bloß um ein Kenotaph, ein Scheingrab aus byzantinischer Zeit, eine Notlösung quasi, weil niemand wirklich wusste, was aus Maria geworden war, seit sie die Apostelgeschichte das letzte Mal erwähnte? Oder wurde hier tatsächlich die Gottesmutter bestattet? Und schließlich: Welchen Wert haben die apokryphen Berichte von der „Entschlafung" (dormitio) oder dem „Übergang" (transitus) Mariens? Sind es christliche Fiktionen, allenfalls fromme Legenden? Oder haben sie vielleicht doch einen wahren, historischen Kern? Die einzige Möglichkeit, diese Fragen zu beantworten, sollte die Archäologie bieten.
Ich beginne meine Spurensuche dort, wo die Apostelgeschichte Maria zuletzt verortete: auf dem Zion. Schließlich sind die Kirche und die Abtei dem Gedenken an die Dormitio, die „Entschlafung" Mariens, geweiht. Im Zentrum ihrer kreisrunden Krypta befindet sich direkt unter dem sechseckigen Kuppelbau eine lebensgroße Plastik der sterbenden Gottesmutter, die ihr Vorbild in der byzantinischen Ikonographie hat. Ihr Blick ist auf das Kuppelmosaik gerichtet, das Christus zeigt, der mit den Worten des Hohenliedes (2,13) seine Mutter zu sich einlädt: „ Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm!" Die Tradition, dass an eben dieser Stelle Maria verstarb, geht, wir erinnern uns, auf das 7. Jahrhundert zurück. „Ströme von Heilungen / von jenem Felsen / wo Maria, das Gotteskind, lag / sprossen für alle", dichtete der Jerusalemer Patriarch Sophronius um 630 bei der Einweihung ihres Neubaus nach der Zerstörung der alten Zionsbasilika durch die Perser. Um 670 hielt Bischof Arkulf die exakte Lage des einstigen Marienhauses in seinem Plan der Hagia Sion-Kirche fest. Etwa zeitgleich, um 650, überlieferte Hippolyt von Theben ihre uralte Tradition: Der hl. Johannes habe „die heilige Maria in sein Haus auf dem Zion aufgenommen bis zu ihrer Himmelfahrt" ; dieses Haus sei von seinem älteren Bruder, dem Apostel Jakobus, „mit dem Erbe seines Vaters Zebedäus" gekauft worden. Es könnte gut eines der kleinen Häuser gewesen sein, die 1983 von Pater Bargil Pixner und israelischen Archäologen unter dem modernen Anbau des Klosters entdeckt wurden. Die will ich mir ansehen, und so treffe ich mich mit einem Mönch der Abtei. Denn ihr wertvollster Schatz ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Das mag daran liegen, dass er nicht gerade angemessen präsentiert werden kann, war die Bauplanung bei seiner Entdeckung doch längst abgeschlossen. So führt mich der Mönch, ein waschechter Düsseldorfer namens Bruder Josef, mit dem ich mich an der Klosterpforte hinter dem Souvenirladen treffe, die Treppe hinunter zu den öffentlichen Toiletten. Mit einem Schlüssel öffnet er eine Seitentür, dann stehe ich vor den Regalen der klösterlichen Seminarbibliothek. In einer Ecke, unter einem schweren Eisengitter, befindet sich ihr Schatz: eine winzige Mikwe. Sie gehörte zu einem eher ärmlichen Haus, dessen Bewohner ebenso bescheiden wie fromm gewesen sein mussten. In einer der frühesten Versionen des Transitus Mariae heißt es, die Gottesmutter habe, als ihr der Tag ihres Todes offenbart wurde, zuerst ein Bad genommen. War das hier, an dieser Stelle? Plötzlich beginnt der so schwer fassbare Text konkrete Formen anzunehmen.
Es gibt den Transitus in diversen Versionen, ja sogar mit unterschiedlichen Schauplätzen. Einer gibt sich als Bericht des Apostels Johannes aus, ein anderer wird seinem Schüler Meliton von Sardes und ein dritter einem fiktiven Papst Evodius (oder ist Papst Evaristus, ca. 99-108, gemeint, von dem es heißt, dass er aus Palästina stammte?) zugeschrieben, die meisten bleiben ohne Verfasserangabe. Mal wohnt Maria auf dem Zion, dann wieder „in ihrem Haus in Bethlehem", in einer dritten Fassung in ihrem Elternhaus „nahe dem Ölberg". In einigen Textzeugen ist Johannes bei ihr, in vielen befindet er sich gerade in Ephesus und gelangt auf wundersame Weise nach Jerusalem, gefolgt von den anderen Aposteln. Die wiederum begeben sich entweder „nach einer Eingabe durch den Heiligen Geist" in die Heilige Stadt oder werden von Engeln auf Wolken zur Gottesmutter getragen. Doch so sehr sich die Versionen auch unterscheiden, dieselben Grundmotive durchziehen sie alle.
Danach verzehrt Maria der Wunsch, ihren Sohn wiederzusehen. Schließlich erscheint ihr ein Engel, der oft mit Christus gleichgesetzt wird, bringt ihr einen Palmzweig aus dem Paradies und kündigt ihr an, dass sie in drei Tagen in den Himmel entrückt würde. Der Palmzweig solle ihr bei der Bestattung vorangetragen werden. Jetzt ruft sie ihre Freunde und Verwandten zu sich, um Abschied zu nehmen. Während auf geheimnisvolle Weise auch die Apostel in Jerusalem eintreffen, nimmt Maria ein Bad, zieht neue Kleider an und legt sich auf ein Ruhebett. Den Lieblingsjünger Johannes, der als erster bei ihr eintrifft, bittet sie, ihre Bestattung vorzubereiten. Als alle noch lebenden Apostel um sie herum betend und Psalmen singend versammelt sind, erscheint Jesus selbst in strahlendem Licht, umgeben von einer Schar von Engeln, und holt die Seele Mariens in den Himmel. Drei Jungfrauen, Gefährtinnen der Gottesmutter, waschen und bekleiden ihren Körper, dann tragen die Jünger sie zu Grabe. Sie ziehen „zur rechten Seite der Stadt gen Osten", zu einem „neuen Grab" am Fuße des Ölbergs. Johannes, der als Einziger der Jünger noch „unberührt" und damit am reinsten ist, trägt den Palmzweig voran. Viele, die den Leichenzug sehen und die Gesänge der Apostel hören, halten inne und folgen ihm. Das erregt den Zorn eines jüdischen Priesters, der eingreift und sogar versucht, den Leichnam von der Bahre zu werfen, als seine Hände gelähmt werden und an der Bahre haftenbleiben. Panisch fleht er die Apostel an, ihm zu helfen, und tatsächlich befreit ihn ihr Gebet. Er küsst die Füße der Gottesmutter und bekehrt sich. Im Tal Josaphat, „in der hintersten Kammer einer dreifach gestaffelten Grabanlage", legen die Apostel ihren Leichnam auf eine „erhöhte Bank". Dann verschließen sie das Grab und setzen sich betend davor, während sie drei Tage lang den himmlischen Gesang der Engel vernehmen. In einigen Versionen werden sie Zeugen, dass Jesus erneut mit einem Heer von Engeln erscheint, den Stein vor dem Eingang des Grabmals von einem Engel entfernen und Marias Leichnam von anderen Engeln ins Paradies tragen lässt. In wieder anderen Texten vergewissert sich der Apostel Thomas anschließend, ob der Leichnam tatsächlich aus dem Grab verschwunden ist. Jedenfalls kehren die Apostel schließlich, Gott dankend, wieder in ihre Missionsgebiete zurück.
Diese Legende ist, wie gesagt, erst seit dem 5. Jahrhundert bezeugt. Das glaubte man jedenfalls, bis der große Franziskanerarchäologe Pater Bellarmino Bagatti 1971 seine bahnbrechende Studie Die Kirche aus der Beschneidung. Geschichte und Archäologie der Judenchristen veröffentlichte. Bis dahin hatte Pater Bagatti sein Leben damit verbracht, die Glaubenswelt jener Christen zu studieren, die in ihrem - oft essenisch geprägten - Judentum verankert geblieben waren, doch Jesus von Nazareth als den Messias und Sohn Gottes anerkannten. Sie konnten sich noch in direkter Linie auf die Traditionen der Herrenverwandten berufen, die ihre ersten Bischöfe waren.
Als Pater Bagatti eine der ältesten bekannten Versionen des Transitus studierte, die unter der Inventarnummer Codex 1982 in der Bibliothek des Vatikans verwahrt wird, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Die ganze Theologie, die diesem Text zugrunde liegt, war so unorthodox, dass sie einfach nicht mehr in das 5. Jahrhundert passte: sie musste noch aus der Zeit vor dem Konzil von Nicäa im Jahre 325 stammen! In ihm kamen Bilder wie das Erscheinen Jesu als Engel, der Palmzweig aus dem Paradies, die „kosmische Leiter", die „sieben Himmel" und die Offenbarung von „himmlischen Büchern" und „Geheimnissen" vor, die von den Kirchenvätern des 4. Jahrhunderts heftig bekämpft wurden, denn sie galten zu diesem Zeitpunkt bereits als häretisch. Es waren Bilder und Symbole der Judenchristen. So stellte Bagatti „im Lichte der verwendeten theologischen Terminologie der Judenchristen" fest, dass der Transitus nur im Umfeld „ dieser Sekte, und zwar im 2. bis 3. Jahrhundert" entstanden sein konnte.
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Inhaltsverzeichnis zu „Maria von Nazareth “
Aus dem Inhalt:Das Evangelium MariensDie Bundeslade GottesEine Jungfrau wird gebärenDer erste AdventDie Flucht nach ÄgyptenMit Leib und Seele
Autoren-Porträt von Michael Hesemann
Michael Hesemann, geboren 1964, studierte Geschichte, Journalistik und Kulturanthropologie an der Universität Göttingen. Er arbeitet heute als Historiker, Dokumentarfilmer und Fachjournalist für populärwissenschaftliche und kirchengeschichtliche Themen. Zahlreiche Publikationen. Seine Filme wurden mit diversen Preisen ausgezeichnet.
Bibliographische Angaben
- Autor: Michael Hesemann
- 2011, 303 Seiten, mit farbigen Abbildungen, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Paulinus
- ISBN-10: 3867441634
- ISBN-13: 9783867441636
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