Mein Leben mit Beau
Die Pulitzer-Preisträgerin Anna Quindlen schreibt auf unvergleichliche Weise von Beau, ihrem Hund und berichtet von ihren Erlebnissen mit ihm. Und erzählt damit auch eine wunderbare Familiengeschichte.
Die Pulitzer-Preisträgerin Anna Quindlen schreibt auf unvergleichliche Weise von Beau, ihrem Hund und berichtet von ihren Erlebnissen mit ihm. Und erzählt damit auch eine wunderbare Familiengeschichte.
Mein Leben mit Beau von Anna Quindlen
Mehrere Jahre lang gab ich eine traurige Figur ab, einen Menschen, der ohne Tier zum Tierarzt geht. »Beau?«, rief die Sprechstundenhilfe, und ich stand auf. Dr. Brown führte mich dann in ein Sprechzimmer, in dem eine Flasche voller konservierter Hundeherzwürmer und das Modell eines Hundeknies standen, und schickte mich mit einem Folgerezept und dem Versprechen, wenn nötig, einen Hausbesuch zu machen, wieder nach Hause. Der Hausbesuch würde Einschläfern bedeuten, aber keiner von uns sprach das Wort je aus.
Das Thema unserer Diskussionen, ein schwarzer Labrador Retriever, der laut Hunderegister den lächerlichen Namen Bristols's Beauregard Buchanan trug, schlief zu Hause auf einem Orientteppich im Flur. Der Teppich stank. Beau ebenfalls. Zu diesem fortgeschrittenen Zeitpunkt gab es keinen vernünftigen Grund, warum er persönlich beim Tierarzt erscheinen sollte. Sein Augenlicht und sein Gehör hatte er fast komplett verloren. Aber er hatte die unheimliche Fähigkeit beibehalten zu merken, dass ein bestimmter Tonfall in meiner Stimme, während ich nach der Leine griff, bedeutete, dass wir zu dem Ort fahren würden, an dem seine Prostata mal untersucht worden war. Nach diesem denkwürdigen Besuch, bei dem er aus den hinteren Räumen der Tierarztpraxis mit gesträubtem Rückenfell, als sei er ein
Ich vermisste diese Ausflüge nicht, obwohl ich die immer stärkere Behinderung, die sie unmöglich machten, bedauerte. Als Beau älter wurde, gab es für die paar Häuserblocks keine Alternative mehr zu dem Hundetaxi, dessen Werbung neben Aushängen wegen herrenloser Kätzchen und entlaufener Mischlinge am Schwarzen Brett der Tierarztpraxis hing. Beau bewegte sich, als seien seine Hinterläufe Prothesen, an die er sich erst noch gewöhnen müsse. Das allerletzte Mal, als er spürte, dass wir auf dem Weg zum Hundearzt waren, legte er sich auf die letzte Stufe und rührte sich nicht mehr. Er würde diesen Fehler kein weiteres Mal begehen. Ich auch nicht. Ich habe genug Zeit bei Leuten verbracht, deren Körper versagten und die offensichtlich in einem Zwischenreich zwischen Krankheit und Tod schwebten. Ich hasste es, dass die Mediziner sich verpflichtet fühlten, weiter zu pieksen, zu testen, zu behandeln, obwohl es weder Heilung noch Linderung gab. Bei Menschen geht man davon aus, dass man alles tun möchte, bei Tieren gestattet man sich den Luxus, das Richtige tun zu können. Ein Richter am obersten Gerichtshof sagte mal, dass eines der wichtigsten Rechte das Recht sei, in Frieden gelassen zu werden. Nach knapp fünfzehn Jahren loyaler Freundschaft hatte Beau sich dieses Recht verdient.
Es ist schade, dass Nachrufe und Lobeshymnen erst veröffentlicht werden, wenn die Leute fort sind und sie nicht mehr schätzen können. Wie oft hat man nach einer Totenfeier gesagt: »Das hätte ihr gefallen«? Böse Zungen behaupten, dass gewisse Promis in dem Wissen, dass die New York Times wichtige Nachrufe schon sehr früh verfasst, versucht haben, einen Blick auf ihren eigenen Nachruf zu werfen. Offiziell, um die Fakten zu überprüfen, aber ich vermute, dass es mehr mit dem eigenen Selbstwertgefühl zu tun hat. Wie viele Zeilen? Welche Art von Meldung? Und die in der Welt der Reichen und Berühmten wichtige Frage: Wird mein Nachruf mit einem Foto auf die Titelseite kommen?
Beau hat natürlich keine Ahnung, was ich über ihn sagen werde, obwohl er immer zu begreifen schien, dass eine Laptoptasche neben der Haustür einen Ausflug aufs Land bedeutete, was ihn selbst im hohem Alter, verkrüppelt wie er war, in Begeisterung versetzte. Außerdem spreche ich eigentlich über mich, über uns, über unsere Familie, über unser gemeinsames Leben, wenn ich über ihn spreche. Hunde bieten Menschen einige Dienste in ihrem Leben, selbst den Menschen, die keinen Hund brauchen, um sie durchs tägliche Leben zu führen oder Raubtiere von ihren Schafen fernzuhalten. Bei Hundeausstellungen werden die Hunde, die so etwas tun, immer noch als Arbeitshunde bezeichnet, aber die meisten von ihnen arbeiten nicht mehr auf diese Art und Weise, genauso wenig wie Jagdhunde noch oft jagen. (Die Bezeichnung Schoßhund für bestimmte Tiere ist jedoch immer noch zutreffend.) Die Arbeit, die so viele Hunde heutzutage leisten, ist es, uns zu erlauben, unsere Gefühle auf sie zu projizieren, anzunehmen, dass sie aufgeregt oder niedergeschlagen oder einsam sind, wenn wir es sind. »Er ist draußen auf dem Land so viel glücklicher«, sagte mein Mann immer über Beau. Aber ich vermute, dass er selbst auf dem Land glücklicher ist, und ihm gefiel die Vorstellung, dass er und Beau denselben Geschmack hatten.
Menschen tun das auch mit ihren Kindern. Sie versuchen, sie als eine Art Spiegel oder Projektionsfläche zu nutzen, was ansonsten vernünftige Männer dazu bringt, am Spielfeldrand Anweisungen zu brüllen, oder Frauen dazu, kleinen Mädchen ein bisschen Lippgloss und ein wenig Rouge zu erlauben. Die meisten Eltern werden früher oder später wieder normal, sodass ihre Söhne und Töchter nicht zu einer Individualitäts- und Unabhängigkeitserklärung durch einen frühen Auszug oder eine frühe Ehe gezwungen werden. Aber jeder Frau, die mal in einem Kreißsaal gelegen und erlebt hat, wie entgegen allen physikalischen Gesetzen ein gesamter Mensch aus ihrem Körper herauskam, kann man verzeihen, wenn sie es schwierig findet, die so entstandene Person als vollkommen und unwiderruflich eigenständig anzusehen.
Lange Zeit dachte ich ziemlich selbstgefällig, dass ich bei diesem Trennungskram recht gut sei. Dann wurde eines Abends meine Hilfe bei einem Aufsatz für die Highschool ziemlich umfangreich. Meine Tochter sagte daraufhin in einem ruhigen Tonfall: »Mom, ich bin nicht du.« Zusammen mit »Willst du mich heiraten?« und »Sie sind schwanger,« ist dieser Satz für alle Zeiten in meinem Unterbewusstsein fest verankert.
© Page & Turner
Übersetzung: Christine Heinzius
- Autor: Anna Quindlen
- 2008, 92 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen, Maße: 13,3 x 19,2 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Heinzius, Christine
- Übersetzer: Christine Heinzius
- Verlag: Page & Turner
- ISBN-10: 3442203376
- ISBN-13: 9783442203376
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