Memento
Die Detectives Leo Magozzi und Gino Rolseth packt bei einem fröhlichen Benefiz-Schneemann-Wettbewerb das kalte Grauen. Denn die Sonne enthüllt das makabere Innenleben eines der Kunstwerke: eine Leiche. Es bleibt nicht bei einer und die Ermittlungen...
Die Detectives Leo Magozzi und Gino Rolseth packt bei einem fröhlichen Benefiz-Schneemann-Wettbewerb das kalte Grauen. Denn die Sonne enthüllt das makabere Innenleben eines der Kunstwerke: eine Leiche. Es bleibt nicht bei einer und die Ermittlungen zeigen, dass die "Schneemann-Morde" nur die Spitze des "Eisberges" sind.
Als einen Tag später ein weiterer Toter in einem Schneemann in Dundas County entdeckt wird, machen sich die Detectives Leo Magozzi und Gino Rolseth inmitten eines Blizzards auf den Weg nach Norden.
Dort - am gefühlten Ende der Welt - entdecken sie mehr als ihnen lieb ist. Denn hinter den eiskalten Verbrechen steckt eine Geschichte, die so unheimlich ist, dass sie sie zuerst nicht glauben können. Bis die Monkeewrench Crew im Internet auf einen Chatroom stößt, der ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt ...
"P.J. Tracys Kriminalromane sind so was von gewitzt und witzig erdacht, geplottet und erzählt, dass man ins Staunen kommt." (WDR)
Memento von P.J. Tracy
LESEPROBE
Für Minneapolis war es ein lausigerWinter. Die versprochenen Schneestürme waren allesamt weit nach Süden abgedriftetund hatten den Schnee, der doch eigentlich für Minnesota bestimmt war, inanderen Staaten abgeladen, die ihn weder brauchen konnten noch verdient hatten.Iowa zum Beispiel.
Die Bewohner von Minnesota sahenunterdessen missmutig zu, wie ihre Rasenflächen unter den gelegentlichen Regenschauernimmer grüner wurden, während die Schneemobile in derGarage verstaubten. Ein paar ganz Hartgesottene unternahmen die kurze Reisenach Iowa, um dort ihre neuesten Maschinen auszuprobieren, verloren am Montagmorgenan der Kaffeemaschine im Büro dann aber kein Wort darüber. Es war einfach zupeinlich.
Heute allerdings sollte sich dasalles ändern, und der ganze Staat bebte vor freudiger Erwartung.
Der Schnee kam um zehn Uhr morgensund fiel mit sanfter Entschlossenheit, als wollte er sich für die Verspätung entschuldigen.Eine Stunde später war in der ganzen Stadt kein Grashalm mehr zu sehen, dieStraßen waren rutschig vom Neuschnee, der das Eis darunter verbarg, die Durchschnittsgeschwindigkeitauf den Freeways sank auf etwa zehn Stundenkilometer.Die Camcorder der Reporter zeigten Autofahrer am Steuer ihrer Wagen, die imzähfließenden Verkehr nur millimeterweise vorwärtskamen. Normalerweise führte so etwas zuaggressivem Verhalten, doch heute lächelten alle.
In der City Hall hatten die Detectives Leo Magozzi und Gino Rolseth kein Auge für diekleine Überraschung, die die Natur draußen bereithielt. Sie saßen an ihren zusammengeschobenen Schreibtischen in der hintersten Eckedes Raumes und grinsten einander an. Ein wirklich seltener Anblick imMorddezernat von Minneapolis - aber es war ja auch ein besonderer Tag.
Gino legte die Füße auf den Schreibtischund verschränkte die Hände hinter dem Kopf. «So einen tollen Tag gibt es so schnellnicht wieder. Zumindest nicht bei der Arbeit.»
Magozzi dachte darüber nach. «Vielleichtsollten wir einfach jetzt gleich in Rente gehen. Wir treten ab auf dem Höhepunktunseres Ruhms, ziehen nach Hawaii und werden Golfprofis.»
«So einen Höhenflug erlebt aber auchkein Golfprofi.» «Vermutlich nicht.»
«Außerdem können wir nicht Golfspielen.»
«Kann ja nicht so schwer sein. Manhaut einen kleinen Ball in ein kleines Loch. Das ist wie Flippern auf demRasen.»
Das Grinsen auf GinosGesicht wurde noch ein wenig breiter. «Wetten, wir sind die einzigenMordermittler in der Geschichte der Menschheit, deren Mordopfer noch lebt?»
«Ach was. Das hat es bestimmt schontausendmal gegeben.»
Gino schnitt eine Grimasse. «ja, okay.Aber nicht in diesem Dezernat. Und sie hätte ja auch tot sein können, wenn diebeiden besten Detectives der Welt nicht gewesen wären.»Glücklich und fassungslos schüttelte er den Kopf. «Mann, das ist fast besserals Sex.»
Das hielt Magozzinun für ausgemachten Blödsinn, doch er war viel zu gut gelaunt, um zuprotestieren.
Vier Tage zuvor waren sie an einenmutmaßlichen Mordschauplatz gerufen worden. Ein Zimmer voller Blut, ein betrunkenerExmann mit Vorstrafen wegen Missbrauch und Körperverletzung und eineverschwundene Frau, die nach der Scheidung eine einstweilige Verfügung gegendas Schwein erwirkt hatte. Heute am frühen Morgen hatten Magozziund Gino sie dann gefunden, im Kofferraum eines Wagensauf dem Langzeitparkplatz am Flughafen. Sie hatte kaum noch geatmet, doch dieÄrzte im Hennepin General sagten, sie werde durchkommen. Und die beiden Detectives gingen seitdem wie auf Wolken.
Gino drehte sich mit demSchreibtischstuhl zum Fenster, und seine Mundwinkel sackten herunter.
«Ach, Scheiße! Das weiße Zeug kommtja immer noch runter.»
«Ist doch gut. Wenn es schneit,murksen die Leute sich nicht so häufig ab.»
«So? Warum ist die Mordrate letztesQuartal dann um sechs Prozent gestiegen?»
«Weil es nicht geschneit hat. Daswird jetzt sicher besser. Wahnsinn, wie das schneit.» Magozzitrat ans Fenster und sah zu, wie der Schneesturm Chaos auf der Straße verbreitete.
Gino stellte sich kopfschüttelnd nebenihn. «Diese Mordstatistiken hab ich noch nie kapiert. Eigentlich müsste es dochgenau andersrum sein. Der Winter in diesem Staat macht jeden zum Killer. Mann,ich hoffe, das hört bald wieder auf.»
Magozzi schob die Hände in die Hosentaschenund grinste. «Es sollen mindestens dreißig Zentimeter werden.»
«Ach, nee, komm, erzähl mir dochnicht so was.»
«Tut mir leid, Kumpel. Sieht aus,als würde das Winterfest doch noch stattfinden. Wir haben Schnee!»
«Verdammter Mist.» Ginos fröhliche Freizeitstimmung war offiziell beendet.«Dann soll ich also einen meiner beiden einzigen freien Tage damit zubringen,bei einem blödsinnigen Kinderfest einen blödsinnigen Schneemann zu bauen, unddas bei dieser Affenkälte. Haben die PseudoComputercracksvon Monkeewrench eigentlich mal rausgefunden,wer mir diesen Mist immer einbrockt?»
Gino fungierte bei jederWohltätigkeitsveranstaltung des Minneapolis Police Department als äußerstwiderstrebender Freiwilliger vom Dienst, dank eines anonymen Spenders, derjedes Mal ankündigte, die Einnahmen zu verdoppeln - unter der Bedingung, dass Gino teilnahm.
«Nicht, dass ich wüsste.»
Gino kniff die Augen zusammen. «Schoninteressant, findest du nicht? Da haben wir vier Genies, die die raffinierteste Verbrechensbekämpfungssoftware der Weltentwickeln und sich mit verbundenen Augen in die Datenbank der NSA hackenkönnen, und die schaffen es nicht, den Namen zu einer Bankleitzahl rauszufinden? Da ist was faul, das weißt du ganz genau. Dasteckt Monkeewrench selbst dahinter. Oder bessergesagt Miss Grace MacBride höchstpersönlich.»
Ein Lächeln spielte um Magozzis Lippen, als er Grace' Namen hörte. «Warum solltesie so was tun? Sie mag dich.»
«Hmm, lassmich mal scharf nachdenken. Vielleicht, weil ich anfangs nicht so begeistertdavon war, dass ihr zwei euch an einer Beziehung versucht? Das nimmt sie mir immernoch übel.»
«Grace ist doch nicht nachtragend.»
«Stimmt. Sie rächt sich lieber.»
Gegen Mittag lagen bereits zwölfZentimeter Schnee, die meisten Schulen karrten ihre Schüler mit Bussen nach Hause,und in den Seitenstraßen, wo die Räumfahrzeuge noch nicht gewesen waren,machten die Leute Langlauf. Am späten Nachmittag waren nicht nur dieTemperaturen, sondern auch weitere zehn Zentimeter Schnee gefallen, und auf denFreeways ging gar nichts mehr: Sie waren von Pendlernverstopft, die ihre Entscheidung jetzt bitter bereuten, nicht schon früher vonder Arbeit nach Hause gefahren zu sein.
Auch am Abend lud der Schneesturmnoch gut zwei Zentimeter seiner weißen Fracht pro Stunde ab. Die Straßen warenein einziges Chaos, und der Großteil der Stadt hatte sich zur Nachtzurückgezogen. Tommy musste an all die Idioten denken, die jetzt am Kaminhockten, heißen Grog nippten oder was solche Leute sonst so tranken und dabei denersten echten Schnee der Saison verpassten, den Anblick und die Ruhe einergroßen Metropole, die zum Stillstand gekommen war.
Es war fast ein bisschen unheimlich,wie menschenleer der Park war. Soweit Tommy das beurteilen konnte, waren nurdrüben auf dem beleuchteten Rodelhang, auf der anderen Seite des großenSchneefeldes, noch Leute. Aus dieser Entfernung sahen sie aus wie kunterbunteAmeisen, und er hörte sie kaum. Die Langlauf-Loipen in der Stadt waren zumersten Mal in diesem endlosen, schneefreien Winter geöffnet, doch bis auf dieganz Harten würden alle warten, bis es hell wurde und die Loipen perfekthergerichtet waren, bevor sie sich die Bretter unterschnallten. Morgen warendie Loipen mit Sicherheit überfüllt. Doch heute Abend gehörten sie ihm.
Auch unter perfekten Bedingungennutzten nur wenige Langläufer die höher gelegenen, waldigen Loipen im Park, erstrecht nicht nach Einbruch der Dunkelheit. Tommy mochte sie genau aus diesemGrund. Hier gab es keine stolpernden Kinder und keine lahmarschigen Rentner,die die schmalen Wege zwischen den hohen Bäumen verstopften, ihn aus demRhythmus brachten und ihn zwangen, langsamer zu werden.
Die Pistenpfleger hatten die Loipentagsüber einmal bearbeitet, nach den ersten fünfzehn Zentimetern Schnee, dochseitdem waren noch etliche Zentimeter hinzugekommen, und Tommy liebte dieHerausforderung, sich mit den langen Skiern hindurchzukämpfen und die erstenSpuren im frischen Schnee zu hinterlassen.
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©Wunderlich Verlag
Übersetzung:Tanja Handels
- Autor: P. J. Tracy
- 2007, 320 Seiten, Maße: 14,5 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Tanja Handels
- Verlag: Wunderlich
- ISBN-10: 3805208413
- ISBN-13: 9783805208413
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