Partner auf Leben und Tod
Mit dem Polizeihund im Einsatz
Sie riskiert buchstäblich ihr Fell, um seine Haut zu retten: Polizeihundeführer Elmar Heer und Schäferhündin Carina sind Partner auf Leben und Tod. Auf der Suche nach Vermissten, beim Aufspüren von Verbrechern oder wenn es darum...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Partner auf Leben und Tod “
Sie riskiert buchstäblich ihr Fell, um seine Haut zu retten: Polizeihundeführer Elmar Heer und Schäferhündin Carina sind Partner auf Leben und Tod. Auf der Suche nach Vermissten, beim Aufspüren von Verbrechern oder wenn es darum geht, Sprengstoffattentate zu verhindern, kann sich Elmar Heer auf Carinas Riecher verlassen. Gemeinsam haben sie brenzlige Situationen überstanden und so manchen Täter gestellt. Authentisch und mitreißend erzählt Elmar Heer von der Polizeiarbeit mit Hund.
Klappentext zu „Partner auf Leben und Tod “
Sie riskiert buchstäblich ihr Fell, um seine Haut zu retten: Polizeihundeführer Elmar Heer und Schäferhündin Carina sind Partner auf Leben und Tod. Auf der Suche nach Vermissten, beim Aufspüren von Verbrechern oder wenn es darum geht, Sprengstoffattentate zu verhindern, kann sich Elmar Heer auf Carinas Riecher verlassen. Gemeinsam haben sie brenzlige Situationen überstanden und so manchen Täter gestellt.Authentisch und mitreißend erzählt Elmar Heer von der Polizeiarbeit mit Hund.
Lese-Probe zu „Partner auf Leben und Tod “
Partner auf Leben und Tod von Elmar Heer mit Shirley Michaela SeulEINBRECHER DÜNSTEN AUS
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Hier spricht die Polizei! Kommen Sie raus, oder ich setze den Hund ein!«
Carina und ich starrten durch die aufgebrochene Tür in eine Fabrikhalle. Der kühle Ostwind trieb den feinen Regen wie Nadeln in mein Gesicht. Eine kleine Dampfwolke stand vor Carinas Schnauze. Trotz des hellen Lichts der Taschenlampe konnte ich im Inneren der Halle nichts erkennen. Carina wahrscheinlich auch nicht, obwohl Hunde im Dunkeln besser sehen als Menschen. Doch darauf kam es jetzt nicht an. Carina würde den Einbrecher riechen. Einbrecher dünsten aus. Die Kollegen von der Streife hatten eine offen stehende Tür und einen pendelnden Lichtschein in der Fabrikhalle entdeckt und das Gebäude umstellt. Niemand war herausgekommen, kein Laut drang nach außen. Carinas Ohren waren gespitzt. Hörte sie etwas? Wenn da einer drin war, sie würde ihn finden.
Ich wiederholte meine Ankündigung noch einmal, um Carina zu signalisieren: Jetzt geht es gleich los.
»Hier spricht die Polizei! Kommen Sie raus, oder ich setze den Hund ein!«
Dieser Satz gehört zu Carinas Lieblingssätzen und wird nicht mal übertroffen von »Fein Essen fertig!«. Ich spürte, wie sie in vorfreudiger Anspannung zitterte. Sie wartete bebend darauf, dass ich das Halsband losließ und sie in die Halle stürmen durfte, um den Täter zu stellen.
»Ich komme!«, hörte ich da eine ängstliche Stimme aus der Dunkelheit. »Bitte halten Sie den Hund fest.«
Er sagte »bitte«. Seine Angst musste groß sein. Ungeduldig bellte Carina. Die Entwicklung des Falles behagte ihr nicht so wie mir. Carina wollte den Lumpen fangen, wie es in unserem Jargon heißt, doch blöderweise kam der Lump von selbst raus. Ein circa zwanzigjähriger Mann mit weit aufgerissenen Augen und erhobenen Händen. Einer meiner beiden Kollegen von der Streife nahm ihn in Empfang.
»Sie sind vorläufig festgenommen. Sie wissen ja, warum.«
Der andere Kollege verabschiedete sich von mir. »Das wär's dann, Elmar. Danke für die Unterstützung.«
»Gern geschehen. Ruhige Nacht noch.«
Die Schutzpolizisten durchsuchten den Mann nach Waffen und Diebesgut, dann halfen sie ihm beim Einsteigen in ihren grün-silbernen BMW. Früher waren alle Streifenwagen grünweiß. Die Hundestaffel, zu der Carina und ich gehören, ist noch immer mit einigen sehr alten Autos unterwegs. Mir macht das nichts aus, und Carina als Deutsche Schäferhündin ist immun gegen Statussymbole. Sie fährt auch Audi oder Opel oder VW. Hauptsache, es geht zu einem Einsatz. Carina liebt Einsätze.
Die Uhr am Armaturenbrett meines Dienstwagens zeigte kurz nach Mitternacht. Meine Schicht hatte um 20 Uhr begonnen und war bislang ruhig verlaufen. Ein bisschen Schreibtischarbeit, einige Objekte kontrolliert, die des besonderen Schutzes bedurften, wie Wohnsitze von Politikern und ein paar der beliebtesten Gemäuer von Graffiti-Künstlern, die obligatorische Fußstreife durch einen U-Bahnhof, um den Fahrgästen ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln und eventuellen Tätern eines der Unsicherheit. Außerdem eine Schlägerei, die sich schon aufgelöst hatte, bevor Carina sie auflösen konnte. Und jetzt der Einbrecher, der für Carinas Geschmack viel zu früh aufgegeben hatte. Ein richtiges Erfolgserlebnis fehlte ihr heute noch. Zum Beispiel einen Vermissten vor dem Erfrieren retten, einen Sprengsatz finden oder eine alte Dame, die den Weg nach Hause vergessen hat, einen flüchtigen Handtaschenräuber stellen. Für mich ist auch ein ruhiger Dienst ein guter Dienst. Carina liebt es turbulent.
»Und wie war's?«, fragte mein Kollege Hartmut in unserer Dienststelle am östlichen Stadtrand von Nürnberg. Nachts sind wir häufig nur zu zweit in unserem Abschnitt.
»Pech für Carina, Glück für den Einbrecher«, antwortete ich. Hartmut grinste. »Das habe ich am Funk mitbekommen. Ich frag mich, was der da klauen wollte, da gibt's doch nichts?«
»Vielleicht die Kaffeekasse.«
»Apropos«, sagte Hartmut. »Ich hab frischen gemacht. Die Nacht ist ja noch lang für uns. Und ich muss gleich weg. Die Autobahnpolizei hat einen Wagen angehalten, der eine Rauschgiftsuche wert wäre. Die haben gesagt, den Stoff riechen sie selbst ohne Hund.«
Fünf Minuten später war ich allein. Ganz allein. Carina saß im grün-weißen Opel Kombi vor der Tür. Hunde haben zwar kein Hausverbot in ihrer Dienststelle, aber in der Regel bleiben sie draußen, weil sich nur wenige Hunde gut vertragen und es zu Raufereien kommen könnte. Polizeihunde sind sehr dominant. Ein im Wesen eher unterwürfiger oder ängstlicher Hund würde die hohen Anforderungen, die an einen Polizeihund gestellt werden, nicht erfüllen. Deshalb durchlaufen die Hunde, die eine Polizistenlaufbahn einschlagen, eine fundierte Ausbildung. Manchmal stellt sich erst nach Monaten heraus, ob ein Hund für den Polizeidienst geeignet ist - oder an seinen Züchter zurückgegeben wird.
Carina hatte sich bestimmt längst zusammengerollt und schlief. Mein Dienst dauerte noch bis sechs Uhr morgens. Ich beneidete sie. Das Auto ist wesentlich bequemer als mein Bürostuhl und gemütlicher sowieso. Die Wände in unserer Dienststelle sind kahl bis auf eine vier Quadratmeter große Landkarte unseres Zuständigkeitsbereiches: Nürnberg und Umgebung.
Die zentrale Diensthundestaffel Mittelfranken besteht aus rund fünfzig Hunden und Hundeführern. Es gibt Rauschgift-, Sprengstoff-, Leichenspürhunde, Personensuchhunde, einen Banknotenspürhund. Sie alle stehen mehr als ihren Mann: Ein Hund ist so gut wie mindestens fünf Polizeibeamte - so rechnen Einsatzplaner. Natürlich kann der Hund vieles nicht, doch er kann auch einiges mehr als ein Polizeibeamter. Es kommt auf den Einsatz an.
Viele Leute haben größeren Respekt vor Polizeihunden als vor Polizisten. Hunde sind die besseren Schnüffler und die schnelleren Läufer. Sie wittern einen Angriff vor seiner Ausführung und alle Arten von Drogen. Rauschgifthunde entdecken sie in den geheimsten Verstecken, ob im Reserverad oder eingepackt in Kaffeepulver - lange nicht raffiniert genug für die vierbeinigen Kollegen. Die darauf geschulten Mantrailer finden Personen: Es genügen einige wenige Hautschuppen, die jeder Mensch ständig verliert, um die Spur eines Flüchtenden sogar durch eine belebte Fußgängerzone zu verfolgen. Andere sind darauf spezialisiert, vergrabene Leichen zu finden, eine Blutspur und Körperflüssigkeiten jeglicher Art, die für das menschliche Auge nicht sichtbar sind, aber sehr oft wichtig für die Aufklärung von Verbrechen. Ein Sprengstoffspürhund riecht auf den ersten Schnaufer, ob in einem Koffer am Bahnhof alte Socken oder neue Sprengstoffsätze deponiert sind. Bei Letzterem berührt er den Koffer nicht. Er setzt sich davor und starrt ihn an. Damit zeigt er seinem Hundeführer, dass er Sprengstoff gefunden hat. So rettet der Hund nicht nur das Leben seiner zweibeinigen Kollegen, sondern auch das der Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Carina ist mein dritter Polizeihund und mein erster Sprengstoffspürhund. An ihre beiden Vorgänger Gundo und Buxi, ausgebildete Rauschgifthunde, denke ich mit Freude und Wehmut zurück. Wir haben so viel miteinander erlebt ... und ein Hundeleben ist kurz, viel zu kurz. Deshalb muss man die Zeit nutzen: »Carina, bring das Stöckchen!«
VON LASSIE ZU GUNDO
Zur Polizei wollte ich schon immer. Mit achtzehn Jahren bewarb ich mich dort. Sonst nirgendwo. Gerade so, als würde die Polizei nur auf mich warten. Nun, das hat sie nicht getan, aber ich bestand die Aufnahmeprüfung. Nach drei Jahren Ausbildung in Eichstätt, München und Nürnberg, wo ich anschließend elf Jahre lang als Streifenbeamter bei der Polizeiinspektion Süd eingesetzt war, erfüllte sich mein großer Traum: die Hundestaffel. Von Anfang an war das mein Ziel gewesen. Ein Ziel, das zwischendurch in die Ferne gerückt war, denn ich wohnte im vierten Stock in einer Zweizimmerwohnung in Nürnberg. Bevorzugt wurden Bewerber, die in einem Haus mit Garten und Platz für einen Zwinger lebten. Als Single fand ich ein Haus zu groß für mich allein. Doch als ich später mit meiner damaligen Frau und ihren zwei Kindern ein Haus mit Garten in Winkelhaid bei Nürnberg mietete, stand einer Bewerbung bei der Hundestaffel nichts mehr im Weg.
»Ein Hund macht eine Familie komplett«, freute sich meine Frau - und noch mehr freuten sich die Kinder.
Ich schränkte ein: »Das wird kein Schoßhund, das wird ein Diensthund sein. Der geht mit mir zur Arbeit.«
Dass das eine das andere nicht ausschließt, wusste ich damals noch nicht.
In meiner Familie gab es immer Collies zum Spielen und Kuscheln - sie gehörten einfach dazu und mussten außer »Sitz« und »Platz« nichts können. Der erste hieß - natürlich - Lassie, es folgten Beauty und Ingo. Auch meinen zwei Jahre älteren Bruder Armin prägte diese Hundevergangenheit: Er lebt heute als Tierarzt bei Hamburg.
1990, im Alter von 32 Jahren, stieg ich bei der Hundestaffel ein. Meine bisherige Erfahrung und mein ganzes Wissen nutzten mir bei der Ausbildung eines Diensthundes nichts. Es kam nicht darauf an zu wissen, wie man eine Einbruchserie aufklärt, davonrasende Autofahrer zum Anhalten zwingt, einen Verkehrsunfall aufnimmt oder einen Ehestreit schlichtet. Jetzt ging es darum, sich nicht nur auf die eigene Spürnase zu verlassen, sondern auf die seines Hundes.
Mit einem meiner Ausbilder fuhr ich zu einem Schäferhund- Züchter, um einen Hund für mich auszusuchen. Kurt lenkte meine Aufmerksamkeit auf einen stattlichen Rüden. »Schau dir mal den an. Der gefällt mir. Was meinst du?«
»Hm«, machte ich. Keine Ahnung, was ich meinte. Woran würde ich denn merken, ob das der richtige Hund für mich wäre? Hauptsache, er war mir sympathisch!
»Er heißt Donner«, meldete sich der Züchter beflissen.
»Komischer Name«, meinte Kurt, und ich pflichtete ihm im Stillen bei. Aber war das ein Kriterium?
Die lange, warme Donnerzunge schleckte über meinen Handrücken. Ein brauner, neugieriger Blick traf mich.
»Ja«, sagte ich zu Kurt. »Der gefällt mir.«
»Dann schau ich ihn mir mal genauer an«, erwiderte Kurt und zog sich einen dickgepolsterten Ärmel über den linken Arm, um eine erste Ankaufsüberprüfung durchzuführen. Kurt provozierte Donner, ihn in den Ärmel zu beißen. Donner schaute ihn freundlich an. Und dann mich.
»Hm«, machte Kurt.
»Mit dem hier wurde noch nie gearbeitet«, schaltete sich der Züchter ein. »Der hat keine Ahnung, was Sie von ihm wollen.« Dann passen wir ja gut zusammen, schoss es mir durch den Kopf.
»Er ist neun Monate alt«, ergänzte der Züchter.
»Schöner Kerl«, dachte Kurt laut. »Gefällt mir irgendwie.«
Die Gründe, warum ihm der Hund gefiel, blieben mir rätselhaft. Sein sanfter Blick war es wahrscheinlich nicht.
»Also wir nehmen den mal zur Probe mit.« Kurt wandte sich an mich. »Okay?«
Ich nickte.
Bei der Fahrt zurück zu unserer Dienststelle klärte Kurt mich darüber auf, dass Hunde prinzipiell auf Probe gekauft werden, mit einer Bewährungszeit von vier Wochen bis zu sechs Monaten - je nach Alter und Veranlagung des Hundes. »Denn du steckst ja nicht drin in dem Hund. Du weißt nicht, wie der sich entwickelt. Vielleicht hat er ein Supertalent zum Fährtensuchen, und dann traut er sich nicht an der Mülltonne vorbei, die ausnahmsweise zwanzig Zentimeter neben ihrem angestammten Platz steht. Oder du hast einen total selbstbewussten Rüden, der panisch wird, sobald er sich auf glattem Boden bewegen soll. Angst vor glänzenden Böden ist unter Hunden weit verbreitet. Wie gesagt, zum jetzigen Zeitpunkt ist noch alles offen.«
»Klar«, nickte ich.
Donner zog bei mir zu Hause ein. Ich nannte ihn Doni, weil das freundlicher klang und besser zu diesem Spitzbuben passte. Doch nach Spitzbub sah Doni leider nur aus. Ihm fehlte »der Biss«, wie sich zu meiner großen Enttäuschung herausstellen sollte.
Helden sehen anders aus
Ich war beim Fernsehen auf der Couch eingeschlafen. Es war schon halb drei Uhr morgens, als ich aufwachte. Doni saß hechelnd vor dem Sofa und signalisierte mir, dass es nun aber allerhöchste Zeit sei, noch mal rauszugehen. Ein Stück hinter unserem Haus begegneten mir zwei junge Männer. Ich grüßte sie. Sie grüßten mich. Doni begrüßte einige Mäuse auf der Wiese, die sicher nicht so begeistert von diesem nächtlichen Zusammentreffen waren wie er. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, dass einer der beiden Männer nun in einem Auto saß, der andere stand daneben. Schlagartig begriff ich: Die beiden knackten das Auto!
Ich muss die Polizei rufen!, war mein erster Gedanke. Aber die war ja schon da, ich bin die Polizei! Also rief ich Doni an meine Seite, leinte ihn an und folgte dem Duo in eine Querstraße. Einer der beiden Männer trug ein Autoradio in der Hand.
»Bleibt mal stehen!«, rief ich.
Sie liefen weiter, als wären sie nicht gemeint. Auch sie waren offensichtlich wenig begeistert von diesem nächtlichen Zusammentreffen. Doni und ich erhöhten unser Tempo und schlossen auf, bis wir unmittelbar hinter ihnen waren.
»Ich habe Sie beobachtet. Sie haben da vorne das Auto geknackt. Ich bin Polizeibeamter. Sie sind vorläufig festgenommen. «
Die beiden reagierten anders als erhofft. Der eine gab Fersengeld, der andere griff blitzschnell an seinen Rücken und drückte mir eine Waffe in den Bauch. Ich wich zurück. »Hey, mach keinen Scheiß! Was soll das?«
Seit zwölf Jahren war ich Polizist. Aber so was war mir noch nicht passiert. Und dann sagte ich auch noch genau das Gleiche, was die im Fernsehen immer sagen. Unglaublich! Ohne zu überlegen, griff ich von oben nach der Pistole und drückte sie weg, wobei ich darauf achtete, den Schlitten ein Stück nach hinten zu schieben, um den Abzug zu blockieren. Die darauffolgende Rangelei gewann ich. Es gelang mir, meinen Gegner zu entwaffnen. Kurz darauf tauchte ein Streifenwagen auf, der von einem Nachbarn verständigt worden war. Erst mit dieser Verstärkung im Rücken fiel mir auf, dass hier jemand fehlte - Doni. Ich fand ihn schließlich eingerollt auf der Fußmatte vor unserer Haustür. Schlafend.
Das war nicht der einzige, wenn auch ausschlaggebende Grund, warum die Polizei beschloss, auf seine Arbeit zu verzichten und Doni zum Züchter zurückzugeben. Doni hatte sich zu oft als untauglich für den Dienst erwiesen. Ich brachte es nicht über mich, ihn ganz wegzugeben. Dafür hing mein Herz schon zu fest an ihm. Es gelang mir, meine Mutter zu überreden, ihn zu übernehmen, als ich ihn dem Züchter abgekauft hatte. So konnte ich Doni wenigstens ab und zu besuchen - im Hundeparadies auf Erden!
Hunderoulette
»Und jetzt?«, fragte ich Kurt.
»Suchen wir einen neuen Hund«, erklärte er, und wir fuhren zu einem Privatmann, der keine Zeit für seinen zweijährigen Schäferhund Eick hatte. Dieser Rüde hatte bereits die Schutzhundeprüfung 1 und 2 im Hundesportbereich bestanden. Diese Prüfung wird überwiegend in Schäferhundvereinen abgelegt und war damals der Polizeihundeprüfung in vielen Punkten ähnlich. Heute ist unsere Ausbildung eher praxisorientiert. Folglich hatte Eick von Hundeausbildung wesentlich mehr Ahnung als ich. Doch lärmende Menschenmassen machten ihm Angst, obwohl er sonst außerordentlich mutig war und einzelnen Personen auch entschlossen entgegentrat und sie in ihre Schranken wies. Da ein Polizeihund häufig mit Menschenmassen konfrontiert wird, musste ich ihn trotz seiner vielen guten Fähigkeiten zu seinem Vorbesitzer zurückbringen. Das Hundeparadies bei meiner Mutter war leider schon besetzt.
»Ich frage mich, ob ich wirklich die richtige Wahl getroffen habe«, sagte ich zu meinem Bruder Armin. »Zwei Hunde, zweimal Vertrauen aufbauen, zweimal enttäuscht - wenn ich mir vorstelle, dass das jetzt so weitergeht ...«
»Aller guten Dinge sind drei«, tröstete mich mein großer Bruder, der sich in seinen Diagnosen Hunde betreffend praktisch nie täuschte.
Hund drei hieß Astor. Er verfügte über alle Eigenschaften, die von einem potenziellen Diensthund erwartet werden: Unbefangenheit, Bewegungssicherheit, einen ausgeprägten Spieltrieb und die gehörige Portion Mut, die nötig ist, um im Fall des Falles nicht den Schwanz einzuziehen. Hinzu kam, dass er mit seinem umgänglichen Wesen auch meinen Vorstellungen eines Familienhundes entsprach, der ein tougher Polizeihund im Idealfall zusätzlich sein kann. Astor war stets aufmerksam, dankbar für die geringste Zuwendung und ließ keine Chance zum ausgiebigen Schmusen ungenutzt. Er verstand und lernte schnell, es war eine Freude, mit ihm zu arbeiten. Als Kurt mir mitteilte, dass aus seiner Sicht keine Bedenken gegen einen endgültigen Ankauf bestünden, wäre ich ihm beinahe um den Hals gefallen. Zwar stand noch die tierärztliche Untersuchung aus, aber das wäre doch gelacht, wenn dieser Prachtkerl daran scheitern würde!
»Ich rate von einem Kauf ab«, kreuzte der Veterinär am letzten Tag von Astors Probezeit auf dem Formular an, das über unsere weitere Zukunft entschied. Blutwerte, Urin- und Kotprobe waren in bester Ordnung, doch das Röntgenbild zeigte eine leichte Fehlstellung der Hüfte, einen zu kleinen Spalt zwischen Oberschenkelkopf und Hüftgelenkpfanne. Diagnose: Verdacht auf Hüftgelenksdysplasie. Astor und ich mussten uns trennen.
Die Hüftgelenksdysplasie ist eine Fehlentwicklung dieses Gelenks, die wie die Ellbogendysplasie weitgehend genetisch bedingt und somit vererbbar ist. Vor allem größere Hunde sind betroffen. Da sie erstmals beim Deutschen Schäferhund festgestellt wurde, wird sie manchmal als Schäferhundkrankheit bezeichnet, obwohl sie bei anderen großen Rassen ebenfalls vorkommt. Während man sie jungen Hunden wie Astor selten ansieht, zeigt sie ihre Auswirkungen je nach Ausprägung im fortschreitenden Alter immer deutlicher. Ein erkrankter Hund vermeidet dann plötzlich Sprünge und hat zunehmend Schwierigkeiten beim Aufstehen. Zuletzt kann er unter so großen Schmerzen leiden, dass er bei bloßer Berührung im Hüftbereich aufjault. Medikamente bekämpfen die Auswirkungen, nicht jedoch die Ursache. Lediglich das Einsetzen eines künstlichen Gelenks kann dann noch helfen - eine teure Operation, die sich nur wenige Hundehalter leisten können und / oder wollen. Der Staat gehört nicht dazu.
»Warum werden die Hunde denn nicht vorher untersucht«, fragte meine Mutter, der es sehr leidtat, dass sie nicht alle meine ausgemusterten Partner aufnehmen konnte.
»Das kann ich dir leider nicht beantworten«, erwiderte ich. »Nur manchmal werden sie das.«
»Sperren Sie ihn einfach in den Freilauf neben dem Haus«, bat mich Astors Züchterin am Telefon. »Ich komme heute Nacht erst später heim.« Ihre Stimme klang wenig begeistert, eher eine Spur beleidigt. Als wäre der zu kleine Spalt in Astors Hüfte meine Schuld.
Es nieselte, als ich vor dem Bauernhof parkte, der sich schemenhaft in der Dunkelheit abzeichnete. Die schwache Beleuchtung in der Einfahrt zeigte mir, dass die Tür zu dem großen Freilauf wie vereinbart offen stand. Astor hechelte aufgeregt. Hier kannte er sich aus. Mit einem Kloß im Hals führte ich ihn in das mannshoch eingezäunte Grundstück und ließ ihn von der Leine. Konzentriert widmete er sich all den Gerüchen im Gras und schnupperte aufmerksam daran herum. Erst als das Schloss der Tür einschnappte, bemerkte er, dass ich nicht mehr hinter ihm stand. Mit einem Ruck stoppte sein Wedeln, die Rute sank Richtung Boden. Er warf sich herum und lief mir nach, versuchte winselnd und bellend, über den Zaun zu springen. Wild kratzte er mit beiden Pfoten am Gatter. Gehörten wir denn nicht zusammen? Ich ging in die Hocke und steckte meine Hand durch den Maschendraht. Noch einmal streichelte ich ihm über den Kopf. Er schien sich zu beruhigen und leckte mir mit seiner warmen, weichen Zunge über die Hand.
»Ich komm bald wieder«, log ich. Dann richtete ich mich auf, lief zum Auto, startete den Motor und fuhr vom Hof.
Weit kam ich nicht, nach wenigen hundert Metern musste ich anhalten. Meine Augen brannten, ich konnte die Straße kaum mehr erkennen. Verdammt, warum tat ich mir das an? Wie ging das, einen Hund als Sache zu behandeln? Fehlte mir dazu die Coolness? Wie war das mit meiner Eignung als Hundeführer? Sah ich das Ganze zu emotional? Es dauerte einige Minuten, bis ich mich wieder einigermaßen im Griff hatte. Zum nächsten Hund werde ich so lange innere Distanz wahren, bis entschieden ist, dass wir tatsächlich zusammenbleiben, schwor ich mir. Eine Röntgenaufnahme sollte mir nicht noch einmal das Herz brechen!
Mein nächster Hund hieß Disco. Ein Held auf dem Abrichteplatz, wo er alle Aufgaben perfekt meisterte, ein Hase daheim, der vor allem Angst hatte, was er nicht kannte. Ob Mixer, Leute mit Hüten, Kinder, Frauen mit Plastiktüten, überhaupt Plastiktüten im Wind! Wie schrecklich! Ja, es war schrecklich. Auch von Disco musste ich mich trennen.
Mittlerweile war ich seit fast einem Jahr auf der Suche nach »meinem Hund«. Gab es den überhaupt? Manchmal glaubte ich nicht mehr daran. Doch dann fand ich ihn doch noch, auf dem Gelände eines Züchters in Neumarkt. Der drückte mir die Leine mit einem elfmonatigen Schäferhundrüden in die Hand. Kurt, in voller Schutzmontur, mimte einen flüchtenden Einbrecher und rannte an uns vorbei. Gundo, der schon einige Unterrichtseinheiten genossen hatte, zeigte Engagement, riss mir die Leine aus der Hand und griff an.
»Prima«, strahlte Kurt. »Ich glaub, das ist der richtige für dich, Elmar.«
»Das glaube ich auch«, erwiderte ich mit neuer Zuversicht. Denn auch Kurt hatte sich schon einige Male getäuscht. Doch bei diesem hier, da spürte ich was. So was hatte ich bei den anderen Hunden nicht gespürt. Das lag nicht an dem Einsatz des Hundes, sondern an etwas anderem. Bis heute weiß ich nicht so genau, was es war. Doch es bestätigte sich in den nächsten zehn Jahren, Tag für Tag, Nacht für Nacht.
Copyright © 2012 Knaur Taschenbuch Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
Hier spricht die Polizei! Kommen Sie raus, oder ich setze den Hund ein!«
Carina und ich starrten durch die aufgebrochene Tür in eine Fabrikhalle. Der kühle Ostwind trieb den feinen Regen wie Nadeln in mein Gesicht. Eine kleine Dampfwolke stand vor Carinas Schnauze. Trotz des hellen Lichts der Taschenlampe konnte ich im Inneren der Halle nichts erkennen. Carina wahrscheinlich auch nicht, obwohl Hunde im Dunkeln besser sehen als Menschen. Doch darauf kam es jetzt nicht an. Carina würde den Einbrecher riechen. Einbrecher dünsten aus. Die Kollegen von der Streife hatten eine offen stehende Tür und einen pendelnden Lichtschein in der Fabrikhalle entdeckt und das Gebäude umstellt. Niemand war herausgekommen, kein Laut drang nach außen. Carinas Ohren waren gespitzt. Hörte sie etwas? Wenn da einer drin war, sie würde ihn finden.
Ich wiederholte meine Ankündigung noch einmal, um Carina zu signalisieren: Jetzt geht es gleich los.
»Hier spricht die Polizei! Kommen Sie raus, oder ich setze den Hund ein!«
Dieser Satz gehört zu Carinas Lieblingssätzen und wird nicht mal übertroffen von »Fein Essen fertig!«. Ich spürte, wie sie in vorfreudiger Anspannung zitterte. Sie wartete bebend darauf, dass ich das Halsband losließ und sie in die Halle stürmen durfte, um den Täter zu stellen.
»Ich komme!«, hörte ich da eine ängstliche Stimme aus der Dunkelheit. »Bitte halten Sie den Hund fest.«
Er sagte »bitte«. Seine Angst musste groß sein. Ungeduldig bellte Carina. Die Entwicklung des Falles behagte ihr nicht so wie mir. Carina wollte den Lumpen fangen, wie es in unserem Jargon heißt, doch blöderweise kam der Lump von selbst raus. Ein circa zwanzigjähriger Mann mit weit aufgerissenen Augen und erhobenen Händen. Einer meiner beiden Kollegen von der Streife nahm ihn in Empfang.
»Sie sind vorläufig festgenommen. Sie wissen ja, warum.«
Der andere Kollege verabschiedete sich von mir. »Das wär's dann, Elmar. Danke für die Unterstützung.«
»Gern geschehen. Ruhige Nacht noch.«
Die Schutzpolizisten durchsuchten den Mann nach Waffen und Diebesgut, dann halfen sie ihm beim Einsteigen in ihren grün-silbernen BMW. Früher waren alle Streifenwagen grünweiß. Die Hundestaffel, zu der Carina und ich gehören, ist noch immer mit einigen sehr alten Autos unterwegs. Mir macht das nichts aus, und Carina als Deutsche Schäferhündin ist immun gegen Statussymbole. Sie fährt auch Audi oder Opel oder VW. Hauptsache, es geht zu einem Einsatz. Carina liebt Einsätze.
Die Uhr am Armaturenbrett meines Dienstwagens zeigte kurz nach Mitternacht. Meine Schicht hatte um 20 Uhr begonnen und war bislang ruhig verlaufen. Ein bisschen Schreibtischarbeit, einige Objekte kontrolliert, die des besonderen Schutzes bedurften, wie Wohnsitze von Politikern und ein paar der beliebtesten Gemäuer von Graffiti-Künstlern, die obligatorische Fußstreife durch einen U-Bahnhof, um den Fahrgästen ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln und eventuellen Tätern eines der Unsicherheit. Außerdem eine Schlägerei, die sich schon aufgelöst hatte, bevor Carina sie auflösen konnte. Und jetzt der Einbrecher, der für Carinas Geschmack viel zu früh aufgegeben hatte. Ein richtiges Erfolgserlebnis fehlte ihr heute noch. Zum Beispiel einen Vermissten vor dem Erfrieren retten, einen Sprengsatz finden oder eine alte Dame, die den Weg nach Hause vergessen hat, einen flüchtigen Handtaschenräuber stellen. Für mich ist auch ein ruhiger Dienst ein guter Dienst. Carina liebt es turbulent.
»Und wie war's?«, fragte mein Kollege Hartmut in unserer Dienststelle am östlichen Stadtrand von Nürnberg. Nachts sind wir häufig nur zu zweit in unserem Abschnitt.
»Pech für Carina, Glück für den Einbrecher«, antwortete ich. Hartmut grinste. »Das habe ich am Funk mitbekommen. Ich frag mich, was der da klauen wollte, da gibt's doch nichts?«
»Vielleicht die Kaffeekasse.«
»Apropos«, sagte Hartmut. »Ich hab frischen gemacht. Die Nacht ist ja noch lang für uns. Und ich muss gleich weg. Die Autobahnpolizei hat einen Wagen angehalten, der eine Rauschgiftsuche wert wäre. Die haben gesagt, den Stoff riechen sie selbst ohne Hund.«
Fünf Minuten später war ich allein. Ganz allein. Carina saß im grün-weißen Opel Kombi vor der Tür. Hunde haben zwar kein Hausverbot in ihrer Dienststelle, aber in der Regel bleiben sie draußen, weil sich nur wenige Hunde gut vertragen und es zu Raufereien kommen könnte. Polizeihunde sind sehr dominant. Ein im Wesen eher unterwürfiger oder ängstlicher Hund würde die hohen Anforderungen, die an einen Polizeihund gestellt werden, nicht erfüllen. Deshalb durchlaufen die Hunde, die eine Polizistenlaufbahn einschlagen, eine fundierte Ausbildung. Manchmal stellt sich erst nach Monaten heraus, ob ein Hund für den Polizeidienst geeignet ist - oder an seinen Züchter zurückgegeben wird.
Carina hatte sich bestimmt längst zusammengerollt und schlief. Mein Dienst dauerte noch bis sechs Uhr morgens. Ich beneidete sie. Das Auto ist wesentlich bequemer als mein Bürostuhl und gemütlicher sowieso. Die Wände in unserer Dienststelle sind kahl bis auf eine vier Quadratmeter große Landkarte unseres Zuständigkeitsbereiches: Nürnberg und Umgebung.
Die zentrale Diensthundestaffel Mittelfranken besteht aus rund fünfzig Hunden und Hundeführern. Es gibt Rauschgift-, Sprengstoff-, Leichenspürhunde, Personensuchhunde, einen Banknotenspürhund. Sie alle stehen mehr als ihren Mann: Ein Hund ist so gut wie mindestens fünf Polizeibeamte - so rechnen Einsatzplaner. Natürlich kann der Hund vieles nicht, doch er kann auch einiges mehr als ein Polizeibeamter. Es kommt auf den Einsatz an.
Viele Leute haben größeren Respekt vor Polizeihunden als vor Polizisten. Hunde sind die besseren Schnüffler und die schnelleren Läufer. Sie wittern einen Angriff vor seiner Ausführung und alle Arten von Drogen. Rauschgifthunde entdecken sie in den geheimsten Verstecken, ob im Reserverad oder eingepackt in Kaffeepulver - lange nicht raffiniert genug für die vierbeinigen Kollegen. Die darauf geschulten Mantrailer finden Personen: Es genügen einige wenige Hautschuppen, die jeder Mensch ständig verliert, um die Spur eines Flüchtenden sogar durch eine belebte Fußgängerzone zu verfolgen. Andere sind darauf spezialisiert, vergrabene Leichen zu finden, eine Blutspur und Körperflüssigkeiten jeglicher Art, die für das menschliche Auge nicht sichtbar sind, aber sehr oft wichtig für die Aufklärung von Verbrechen. Ein Sprengstoffspürhund riecht auf den ersten Schnaufer, ob in einem Koffer am Bahnhof alte Socken oder neue Sprengstoffsätze deponiert sind. Bei Letzterem berührt er den Koffer nicht. Er setzt sich davor und starrt ihn an. Damit zeigt er seinem Hundeführer, dass er Sprengstoff gefunden hat. So rettet der Hund nicht nur das Leben seiner zweibeinigen Kollegen, sondern auch das der Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Carina ist mein dritter Polizeihund und mein erster Sprengstoffspürhund. An ihre beiden Vorgänger Gundo und Buxi, ausgebildete Rauschgifthunde, denke ich mit Freude und Wehmut zurück. Wir haben so viel miteinander erlebt ... und ein Hundeleben ist kurz, viel zu kurz. Deshalb muss man die Zeit nutzen: »Carina, bring das Stöckchen!«
VON LASSIE ZU GUNDO
Zur Polizei wollte ich schon immer. Mit achtzehn Jahren bewarb ich mich dort. Sonst nirgendwo. Gerade so, als würde die Polizei nur auf mich warten. Nun, das hat sie nicht getan, aber ich bestand die Aufnahmeprüfung. Nach drei Jahren Ausbildung in Eichstätt, München und Nürnberg, wo ich anschließend elf Jahre lang als Streifenbeamter bei der Polizeiinspektion Süd eingesetzt war, erfüllte sich mein großer Traum: die Hundestaffel. Von Anfang an war das mein Ziel gewesen. Ein Ziel, das zwischendurch in die Ferne gerückt war, denn ich wohnte im vierten Stock in einer Zweizimmerwohnung in Nürnberg. Bevorzugt wurden Bewerber, die in einem Haus mit Garten und Platz für einen Zwinger lebten. Als Single fand ich ein Haus zu groß für mich allein. Doch als ich später mit meiner damaligen Frau und ihren zwei Kindern ein Haus mit Garten in Winkelhaid bei Nürnberg mietete, stand einer Bewerbung bei der Hundestaffel nichts mehr im Weg.
»Ein Hund macht eine Familie komplett«, freute sich meine Frau - und noch mehr freuten sich die Kinder.
Ich schränkte ein: »Das wird kein Schoßhund, das wird ein Diensthund sein. Der geht mit mir zur Arbeit.«
Dass das eine das andere nicht ausschließt, wusste ich damals noch nicht.
In meiner Familie gab es immer Collies zum Spielen und Kuscheln - sie gehörten einfach dazu und mussten außer »Sitz« und »Platz« nichts können. Der erste hieß - natürlich - Lassie, es folgten Beauty und Ingo. Auch meinen zwei Jahre älteren Bruder Armin prägte diese Hundevergangenheit: Er lebt heute als Tierarzt bei Hamburg.
1990, im Alter von 32 Jahren, stieg ich bei der Hundestaffel ein. Meine bisherige Erfahrung und mein ganzes Wissen nutzten mir bei der Ausbildung eines Diensthundes nichts. Es kam nicht darauf an zu wissen, wie man eine Einbruchserie aufklärt, davonrasende Autofahrer zum Anhalten zwingt, einen Verkehrsunfall aufnimmt oder einen Ehestreit schlichtet. Jetzt ging es darum, sich nicht nur auf die eigene Spürnase zu verlassen, sondern auf die seines Hundes.
Mit einem meiner Ausbilder fuhr ich zu einem Schäferhund- Züchter, um einen Hund für mich auszusuchen. Kurt lenkte meine Aufmerksamkeit auf einen stattlichen Rüden. »Schau dir mal den an. Der gefällt mir. Was meinst du?«
»Hm«, machte ich. Keine Ahnung, was ich meinte. Woran würde ich denn merken, ob das der richtige Hund für mich wäre? Hauptsache, er war mir sympathisch!
»Er heißt Donner«, meldete sich der Züchter beflissen.
»Komischer Name«, meinte Kurt, und ich pflichtete ihm im Stillen bei. Aber war das ein Kriterium?
Die lange, warme Donnerzunge schleckte über meinen Handrücken. Ein brauner, neugieriger Blick traf mich.
»Ja«, sagte ich zu Kurt. »Der gefällt mir.«
»Dann schau ich ihn mir mal genauer an«, erwiderte Kurt und zog sich einen dickgepolsterten Ärmel über den linken Arm, um eine erste Ankaufsüberprüfung durchzuführen. Kurt provozierte Donner, ihn in den Ärmel zu beißen. Donner schaute ihn freundlich an. Und dann mich.
»Hm«, machte Kurt.
»Mit dem hier wurde noch nie gearbeitet«, schaltete sich der Züchter ein. »Der hat keine Ahnung, was Sie von ihm wollen.« Dann passen wir ja gut zusammen, schoss es mir durch den Kopf.
»Er ist neun Monate alt«, ergänzte der Züchter.
»Schöner Kerl«, dachte Kurt laut. »Gefällt mir irgendwie.«
Die Gründe, warum ihm der Hund gefiel, blieben mir rätselhaft. Sein sanfter Blick war es wahrscheinlich nicht.
»Also wir nehmen den mal zur Probe mit.« Kurt wandte sich an mich. »Okay?«
Ich nickte.
Bei der Fahrt zurück zu unserer Dienststelle klärte Kurt mich darüber auf, dass Hunde prinzipiell auf Probe gekauft werden, mit einer Bewährungszeit von vier Wochen bis zu sechs Monaten - je nach Alter und Veranlagung des Hundes. »Denn du steckst ja nicht drin in dem Hund. Du weißt nicht, wie der sich entwickelt. Vielleicht hat er ein Supertalent zum Fährtensuchen, und dann traut er sich nicht an der Mülltonne vorbei, die ausnahmsweise zwanzig Zentimeter neben ihrem angestammten Platz steht. Oder du hast einen total selbstbewussten Rüden, der panisch wird, sobald er sich auf glattem Boden bewegen soll. Angst vor glänzenden Böden ist unter Hunden weit verbreitet. Wie gesagt, zum jetzigen Zeitpunkt ist noch alles offen.«
»Klar«, nickte ich.
Donner zog bei mir zu Hause ein. Ich nannte ihn Doni, weil das freundlicher klang und besser zu diesem Spitzbuben passte. Doch nach Spitzbub sah Doni leider nur aus. Ihm fehlte »der Biss«, wie sich zu meiner großen Enttäuschung herausstellen sollte.
Helden sehen anders aus
Ich war beim Fernsehen auf der Couch eingeschlafen. Es war schon halb drei Uhr morgens, als ich aufwachte. Doni saß hechelnd vor dem Sofa und signalisierte mir, dass es nun aber allerhöchste Zeit sei, noch mal rauszugehen. Ein Stück hinter unserem Haus begegneten mir zwei junge Männer. Ich grüßte sie. Sie grüßten mich. Doni begrüßte einige Mäuse auf der Wiese, die sicher nicht so begeistert von diesem nächtlichen Zusammentreffen waren wie er. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, dass einer der beiden Männer nun in einem Auto saß, der andere stand daneben. Schlagartig begriff ich: Die beiden knackten das Auto!
Ich muss die Polizei rufen!, war mein erster Gedanke. Aber die war ja schon da, ich bin die Polizei! Also rief ich Doni an meine Seite, leinte ihn an und folgte dem Duo in eine Querstraße. Einer der beiden Männer trug ein Autoradio in der Hand.
»Bleibt mal stehen!«, rief ich.
Sie liefen weiter, als wären sie nicht gemeint. Auch sie waren offensichtlich wenig begeistert von diesem nächtlichen Zusammentreffen. Doni und ich erhöhten unser Tempo und schlossen auf, bis wir unmittelbar hinter ihnen waren.
»Ich habe Sie beobachtet. Sie haben da vorne das Auto geknackt. Ich bin Polizeibeamter. Sie sind vorläufig festgenommen. «
Die beiden reagierten anders als erhofft. Der eine gab Fersengeld, der andere griff blitzschnell an seinen Rücken und drückte mir eine Waffe in den Bauch. Ich wich zurück. »Hey, mach keinen Scheiß! Was soll das?«
Seit zwölf Jahren war ich Polizist. Aber so was war mir noch nicht passiert. Und dann sagte ich auch noch genau das Gleiche, was die im Fernsehen immer sagen. Unglaublich! Ohne zu überlegen, griff ich von oben nach der Pistole und drückte sie weg, wobei ich darauf achtete, den Schlitten ein Stück nach hinten zu schieben, um den Abzug zu blockieren. Die darauffolgende Rangelei gewann ich. Es gelang mir, meinen Gegner zu entwaffnen. Kurz darauf tauchte ein Streifenwagen auf, der von einem Nachbarn verständigt worden war. Erst mit dieser Verstärkung im Rücken fiel mir auf, dass hier jemand fehlte - Doni. Ich fand ihn schließlich eingerollt auf der Fußmatte vor unserer Haustür. Schlafend.
Das war nicht der einzige, wenn auch ausschlaggebende Grund, warum die Polizei beschloss, auf seine Arbeit zu verzichten und Doni zum Züchter zurückzugeben. Doni hatte sich zu oft als untauglich für den Dienst erwiesen. Ich brachte es nicht über mich, ihn ganz wegzugeben. Dafür hing mein Herz schon zu fest an ihm. Es gelang mir, meine Mutter zu überreden, ihn zu übernehmen, als ich ihn dem Züchter abgekauft hatte. So konnte ich Doni wenigstens ab und zu besuchen - im Hundeparadies auf Erden!
Hunderoulette
»Und jetzt?«, fragte ich Kurt.
»Suchen wir einen neuen Hund«, erklärte er, und wir fuhren zu einem Privatmann, der keine Zeit für seinen zweijährigen Schäferhund Eick hatte. Dieser Rüde hatte bereits die Schutzhundeprüfung 1 und 2 im Hundesportbereich bestanden. Diese Prüfung wird überwiegend in Schäferhundvereinen abgelegt und war damals der Polizeihundeprüfung in vielen Punkten ähnlich. Heute ist unsere Ausbildung eher praxisorientiert. Folglich hatte Eick von Hundeausbildung wesentlich mehr Ahnung als ich. Doch lärmende Menschenmassen machten ihm Angst, obwohl er sonst außerordentlich mutig war und einzelnen Personen auch entschlossen entgegentrat und sie in ihre Schranken wies. Da ein Polizeihund häufig mit Menschenmassen konfrontiert wird, musste ich ihn trotz seiner vielen guten Fähigkeiten zu seinem Vorbesitzer zurückbringen. Das Hundeparadies bei meiner Mutter war leider schon besetzt.
»Ich frage mich, ob ich wirklich die richtige Wahl getroffen habe«, sagte ich zu meinem Bruder Armin. »Zwei Hunde, zweimal Vertrauen aufbauen, zweimal enttäuscht - wenn ich mir vorstelle, dass das jetzt so weitergeht ...«
»Aller guten Dinge sind drei«, tröstete mich mein großer Bruder, der sich in seinen Diagnosen Hunde betreffend praktisch nie täuschte.
Hund drei hieß Astor. Er verfügte über alle Eigenschaften, die von einem potenziellen Diensthund erwartet werden: Unbefangenheit, Bewegungssicherheit, einen ausgeprägten Spieltrieb und die gehörige Portion Mut, die nötig ist, um im Fall des Falles nicht den Schwanz einzuziehen. Hinzu kam, dass er mit seinem umgänglichen Wesen auch meinen Vorstellungen eines Familienhundes entsprach, der ein tougher Polizeihund im Idealfall zusätzlich sein kann. Astor war stets aufmerksam, dankbar für die geringste Zuwendung und ließ keine Chance zum ausgiebigen Schmusen ungenutzt. Er verstand und lernte schnell, es war eine Freude, mit ihm zu arbeiten. Als Kurt mir mitteilte, dass aus seiner Sicht keine Bedenken gegen einen endgültigen Ankauf bestünden, wäre ich ihm beinahe um den Hals gefallen. Zwar stand noch die tierärztliche Untersuchung aus, aber das wäre doch gelacht, wenn dieser Prachtkerl daran scheitern würde!
»Ich rate von einem Kauf ab«, kreuzte der Veterinär am letzten Tag von Astors Probezeit auf dem Formular an, das über unsere weitere Zukunft entschied. Blutwerte, Urin- und Kotprobe waren in bester Ordnung, doch das Röntgenbild zeigte eine leichte Fehlstellung der Hüfte, einen zu kleinen Spalt zwischen Oberschenkelkopf und Hüftgelenkpfanne. Diagnose: Verdacht auf Hüftgelenksdysplasie. Astor und ich mussten uns trennen.
Die Hüftgelenksdysplasie ist eine Fehlentwicklung dieses Gelenks, die wie die Ellbogendysplasie weitgehend genetisch bedingt und somit vererbbar ist. Vor allem größere Hunde sind betroffen. Da sie erstmals beim Deutschen Schäferhund festgestellt wurde, wird sie manchmal als Schäferhundkrankheit bezeichnet, obwohl sie bei anderen großen Rassen ebenfalls vorkommt. Während man sie jungen Hunden wie Astor selten ansieht, zeigt sie ihre Auswirkungen je nach Ausprägung im fortschreitenden Alter immer deutlicher. Ein erkrankter Hund vermeidet dann plötzlich Sprünge und hat zunehmend Schwierigkeiten beim Aufstehen. Zuletzt kann er unter so großen Schmerzen leiden, dass er bei bloßer Berührung im Hüftbereich aufjault. Medikamente bekämpfen die Auswirkungen, nicht jedoch die Ursache. Lediglich das Einsetzen eines künstlichen Gelenks kann dann noch helfen - eine teure Operation, die sich nur wenige Hundehalter leisten können und / oder wollen. Der Staat gehört nicht dazu.
»Warum werden die Hunde denn nicht vorher untersucht«, fragte meine Mutter, der es sehr leidtat, dass sie nicht alle meine ausgemusterten Partner aufnehmen konnte.
»Das kann ich dir leider nicht beantworten«, erwiderte ich. »Nur manchmal werden sie das.«
»Sperren Sie ihn einfach in den Freilauf neben dem Haus«, bat mich Astors Züchterin am Telefon. »Ich komme heute Nacht erst später heim.« Ihre Stimme klang wenig begeistert, eher eine Spur beleidigt. Als wäre der zu kleine Spalt in Astors Hüfte meine Schuld.
Es nieselte, als ich vor dem Bauernhof parkte, der sich schemenhaft in der Dunkelheit abzeichnete. Die schwache Beleuchtung in der Einfahrt zeigte mir, dass die Tür zu dem großen Freilauf wie vereinbart offen stand. Astor hechelte aufgeregt. Hier kannte er sich aus. Mit einem Kloß im Hals führte ich ihn in das mannshoch eingezäunte Grundstück und ließ ihn von der Leine. Konzentriert widmete er sich all den Gerüchen im Gras und schnupperte aufmerksam daran herum. Erst als das Schloss der Tür einschnappte, bemerkte er, dass ich nicht mehr hinter ihm stand. Mit einem Ruck stoppte sein Wedeln, die Rute sank Richtung Boden. Er warf sich herum und lief mir nach, versuchte winselnd und bellend, über den Zaun zu springen. Wild kratzte er mit beiden Pfoten am Gatter. Gehörten wir denn nicht zusammen? Ich ging in die Hocke und steckte meine Hand durch den Maschendraht. Noch einmal streichelte ich ihm über den Kopf. Er schien sich zu beruhigen und leckte mir mit seiner warmen, weichen Zunge über die Hand.
»Ich komm bald wieder«, log ich. Dann richtete ich mich auf, lief zum Auto, startete den Motor und fuhr vom Hof.
Weit kam ich nicht, nach wenigen hundert Metern musste ich anhalten. Meine Augen brannten, ich konnte die Straße kaum mehr erkennen. Verdammt, warum tat ich mir das an? Wie ging das, einen Hund als Sache zu behandeln? Fehlte mir dazu die Coolness? Wie war das mit meiner Eignung als Hundeführer? Sah ich das Ganze zu emotional? Es dauerte einige Minuten, bis ich mich wieder einigermaßen im Griff hatte. Zum nächsten Hund werde ich so lange innere Distanz wahren, bis entschieden ist, dass wir tatsächlich zusammenbleiben, schwor ich mir. Eine Röntgenaufnahme sollte mir nicht noch einmal das Herz brechen!
Mein nächster Hund hieß Disco. Ein Held auf dem Abrichteplatz, wo er alle Aufgaben perfekt meisterte, ein Hase daheim, der vor allem Angst hatte, was er nicht kannte. Ob Mixer, Leute mit Hüten, Kinder, Frauen mit Plastiktüten, überhaupt Plastiktüten im Wind! Wie schrecklich! Ja, es war schrecklich. Auch von Disco musste ich mich trennen.
Mittlerweile war ich seit fast einem Jahr auf der Suche nach »meinem Hund«. Gab es den überhaupt? Manchmal glaubte ich nicht mehr daran. Doch dann fand ich ihn doch noch, auf dem Gelände eines Züchters in Neumarkt. Der drückte mir die Leine mit einem elfmonatigen Schäferhundrüden in die Hand. Kurt, in voller Schutzmontur, mimte einen flüchtenden Einbrecher und rannte an uns vorbei. Gundo, der schon einige Unterrichtseinheiten genossen hatte, zeigte Engagement, riss mir die Leine aus der Hand und griff an.
»Prima«, strahlte Kurt. »Ich glaub, das ist der richtige für dich, Elmar.«
»Das glaube ich auch«, erwiderte ich mit neuer Zuversicht. Denn auch Kurt hatte sich schon einige Male getäuscht. Doch bei diesem hier, da spürte ich was. So was hatte ich bei den anderen Hunden nicht gespürt. Das lag nicht an dem Einsatz des Hundes, sondern an etwas anderem. Bis heute weiß ich nicht so genau, was es war. Doch es bestätigte sich in den nächsten zehn Jahren, Tag für Tag, Nacht für Nacht.
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Autoren-Porträt von Elmar Heer
Seul, Shirley MichaelaShirley Michaela Seul ist eine erfolgreiche Belletristik- und Sachbuchautorin. Sie lebt im Fünfseenland bei München. Heer, Elmar
Elmar Heer arbeitet seit dreißig Jahren im Polizeidienst und seit über zwanzig Jahren als Beamter der Hundestaffel Mittelfranken. Er hat für die UN Polizisten in Bosnien ausgebildet, Drogenschmugglern das Handwerk gelegt und Sprengstoffanschläge verhindert. Mit Carina steht ihm dabei in der Zwischenzeit der dritte Polizeihund zur Seite. Elmar Heer lebt in Nürnberg.
Bibliographische Angaben
- Autor: Elmar Heer
- 2012, 2. Aufl., 255 Seiten, Maße: 12,5 x 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Droemer/Knaur
- ISBN-10: 3426785110
- ISBN-13: 9783426785119
- Erscheinungsdatum: 25.09.2012
Rezension zu „Partner auf Leben und Tod “
"Der Mittelfranke ist seit über 20 Jahren als Polizist bei der Nürnberger Hundestaffel im Einsatz und hat über seine Erlebnisse ein Buch geschrieben, das ein spannenden Einblick in die abenteuerliche - und oft gefährliche - Polizeiarbeit mit Hund liefert." Altmühl-Bote 20121115
Pressezitat
"Der Mittelfranke ist seit über 20 Jahren als Polizist bei der Nürnberger Hundestaffel im Einsatz und hat über seine Erlebnisse ein Buch geschrieben, das ein spannenden Einblick in die abenteuerliche - und oft gefährliche - Polizeiarbeit mit Hund liefert." Altmühl-Bote 20121115
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