Pflege von Palliativpatienten
Es gibt einen immer größeren Bedarf an Versorgung von Palliativpatienten. Die Versorgung und die Begleitung von unheilbar kranken Menschen sind sehr vielschichtig und herausfordernd. So können Symptome wie beispielsweise Atemnot, Unruhe und Schmerzen...
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Produktinformationen zu „Pflege von Palliativpatienten “
Klappentext zu „Pflege von Palliativpatienten “
Es gibt einen immer größeren Bedarf an Versorgung von Palliativpatienten. Die Versorgung und die Begleitung von unheilbar kranken Menschen sind sehr vielschichtig und herausfordernd. So können Symptome wie beispielsweise Atemnot, Unruhe und Schmerzen einzeln, aber auch gleichzeitig auftreten. Das Buch ist als Leitfaden für die Praxis gedacht, um den Pflegenden Anregungen und Sicherheit im Umgang mit Palliativpatienten zu geben. Sie können so den Betroffenen und deren An- und Zugehörigen eine gute palliative Begleitung ermöglichen. Es richtet sich an professionelle Palliativpflegekräfte und insbesondere an Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen, in der ambulanten Pflege sowie im Akutbereich von Krankenhäusern.
Lese-Probe zu „Pflege von Palliativpatienten “
Pflege von Palliativpatienten von Nadine Lexa... mehr
Palliative Care kommt aus dem englischen Sprachraum und leitet sich zum einen von dem lateinischen Begriff „pallium" ab, der so viel bedeutet wie „ummanteln" oder „umhüllen". Sinnbildlich soll ein Mantel des Schutzes und der Fürsorge um den Betroffenen gelegt werden. Und zum anderen leitet es sich von dem englischen Begriff „care" ab, der sich mit versorgen, Sorge tragen und im weitesten Sinne mit pflegen übersetzen lässt. Palliative Care möchte dem Betroffenen in der letzten Phase seines Lebens so viel Lebensqualität wie möglich schaffen. Dafür ist eine professionelle Begleitung auf medizinischer, pflegerischer, sozialer und spiritueller Ebene notwendig. Dazu gehören natürlich eine angemessene Schmerztherapie, Ernährung und gut verträglich und wirksame Medikamente. Die Linderung von Schmerzen, Dyspnoe, Übelkeit und Erbrechen und Angst ist genauso wichtig wie die spirituelle und emotionale Begleitung. Die Hospizbewegung in den 1960er Jahren hat die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit eines besonderen Umgangs mit unheilbar kranken und sterbenden Menschen gerichtet. Dies hat dazu beigetragen, dass Betroffene neben einer medizinischen Behandlung wieder eine Palliation erhalten. Das heißt, die Behandlung ist so ausgerichtet, dass alle genannten Ebenen angesprochen werden. Palliative Care legt besonders Wert darauf, die verbleibende Lebenszeit des Betroffenen so angenehm und „normal" wie möglich zu gestalten. Es kann noch sehr viel „Gutes" geleistet werden, auch wenn das Fortschreiten der Grunderkrankung unaufhaltsam ist. Die Intention aller Handlungen ist nicht auf eine kurative Therapie gerichtet, sondern auf eine lindernde Therapie, die das bestmögliche Leben mit der Erkrankung anstrebt. Dieser veränderte Blickwinkel akzeptiert das Sterben und ist andererseits lebensbejahend. Die verbleibende Lebenszeit wird von vielen Betroffenen daher als kostbar empfunden. Zentral ist nach wie vor eine medizinische und pflegerische Behandlung von Schmerzen und Beschwerden, die gleichzeitig durch eine sorgende, individuelle und aufmerksame Begleitung der Betroffenen und der An- und Zugehörigen ergänzt wird. Grundsätzlich soll der Betroffene die ihm verbleibende Zeit in einer Umgebung verbringen dürfen, die auf seine individuellen Wünsche eingehen kann. Für die Behandlung ist ein multiprofessionelles und interdisziplinäres Team notwendig, das eng zusammenarbeitet. In Palliative Care wird nicht nichts mehr getan und nicht nur Sterbebegleitung geleistet. Vielmehr geht es um ein sorgfältiges Abwägen, um in jeder individuellen Situation angemessen handeln zu können. Von den Professionellen wird sehr viel Erfahrung und Einfühlungsvermögen abverlangt, um drohende Verschlechterungen und die damit verbundenen Ängste gut zu begleiten oder auch ganz zu vermeiden. Eine gute Palliativversorgung ruht auf vier Säulen: auf einer angemessenen Haltung, Empathie, langjähriger Erfahrung und auf exzellenter Fachkenntnis. Der Mensch steht im Mittelpunkt des Geschehens. Dies erfordert gerade von den Pflegekräften sehr viel Kraft und Ausdauer. Bleiben, Aushalten und Mittragen werden notwendig, wenn andere lieber wegschauen. Palliative Care kann nicht alles Leid nehmen, aber so gut es geht die Lebensqualität verbessern und erhalten bis zum Tod - und darüber hinaus - im Hinblick auf die An- und Zugehörigen. Oft wird das Leben dann reicher. Dies ist vor allem für jene wichtig, die zurückbleiben und weiterleben.
Herausforderungen in der palliativen Pflege
Die Versorgung von Palliativpatienten ist sehr herausfordernd, da der unheilbar kranke Mensch und dessen An- und Zugehörige im Mittelpunkt des Geschehens stehen und die Pflegekräfte ihnen am nächsten sind. Die Pflegekraft ist die Bezugs- und Vertrauensperson, die zum einen den Überblick über den Krankheitsverlauf hat und zum anderen exakt die Fähigkeiten und Fertigkeiten der anderen Mitglieder des Palliative Care Team s wie beispielsweise Lymphdrainage, Atemtherapie oder Physiotherapie kennt und diese zum richtigen Zeitpunkt mit in die Behandlung einbezieht. Daher werden Pflegekräfte häufig als Generalisten gesehen.
„Pflegende haben Verantwortung für die Informationsübermittlung, für die Beratung und Anleitung von Kranken und ihren Angehörigen sowie für das Ermöglichen einer kontinuierlichen Versorgung über Schnittstellen hinweg. Aufgrund der Nähe zu den Kranken seien Pflegende ideal dazu geeignet, Maßnahmen des Symptom- und Schmerzmanagements zu überwachen und zu evaluieren" (Pleschberger & Heimerl 2002, S. 14).
Kranke Menschen und deren An- und Zugehörige brauchen die Unterstützung einer professionellen Person, die alles überblickt, die berät, die Vorschläge macht, die die jeweiligen Spezialisten kennt und einschaltet - also eine Person auf die sich der Betroffene und dessen An- und Zugehörige hundertprozentig verlassen können. Unterschiedliche Symptome können gerade am Lebensende parallel in unterschiedlicher Intensität auftreten. Dies erfordert von dem Behandlungsteam und insbesondere den Pflegekräften sehr gute Kenntnisse der einzelnen Symptome sowie deren Entstehung und Behandlungsmöglichkeiten, um dem Betroffenen adäquate Linderung zukommen zu lassen. Im Folgenden werden die meistauftretenden Symptome detailliert geschildert. Das Erleben einzelner Symptome ist immer eine subjektive Wahrnehmung des Betroffenen. Und diese ist grundsätzliche immer ernst zu nehmen. Unabhängig davon, ob aus Sicht der Professionellen Handlungsbedarf besteht oder nicht. In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass ein Patient für den Professionellen durch seine Symptome gequält wirkt und der Patient die Situation gar nicht als sehr unangenehm empfindet, weil er beispielsweise daran gewöhnt ist. Umgekehrt kann es auch vorkommen, dass ein Patient scheinbar völlig ruhig und entspannt in seinem Bett liegt und Medikamente zur Linderung seiner Beschwerden haben möchte. In beiden beschriebenen Situationen zählt die subjektive Wahrnehmung des Patienten, an der sich die weiteren Optionen orientieren.
Dyspnoe
Dyspnoe oder sehr starke Atemnot kann ein sehr belastendes Symptom für den Betroffenen und dessen An- und Zugehörigen sein. Das genaue Ausmaß dieses Symptoms kann nur der Betroffene selbst einschätzen. Fast die Hälfte aller Patienten mit einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung leidet temporär unter Atemnot, die Zahl steigt auf ca. 70 % der Patienten in den letzten Wochen des Lebens an. In den letzten 24 Stunden vor dem Versterben beklagen ca. 80 % der Betroffenen Atemnot. Die Wahrnehmung der Atemnot entsteht in der Regel durch erhöhte Atemarbeit bei unzureichender Atemreserve. Die Reaktion auf die Atemnot ist häufig ein unmittelbares Erleben von Todesangst, wie sie kaum von anderen Symptomen ausgelöst wird. Atemnot kann langsam entstehen, sich aber auch sehr schnell entwickeln und wird in der Nacht meistens bedrohlicher wahrgenommen als bei Tageslicht, da die Situation durch Dunkelheit und Stille noch bedrohlicher wirkt. Nicht selten entsteht eine Art „Teufelskreis", wobei Atemnot Angst , und diese wiederum die Atemnot, verstärkt und die Angst sich schnell in Panik umwandeln kann, wenn dieser Kreis nicht von außen unterbrochen wird.
3.1 Umgang mit dem Symptom Dyspnoe Atemnot ist meistens ein Aufnahmegrund für eine stationäre Palliativversorgung. An- und Zugehörige bekommen durch die sogenannte „Symptomansteckung" häufig selbst Angst und sind gerade in nächtlichen Notsituationen schnell überfordert. Atemnot ist ein Symptom, dessen Schwere nur der Betroffene selbst einschätzen kann. Dessen subjektive Einschätzung ist der Maßstab aller daraus resultierenden Handlungsfolgen. Nicht das, was wir messen oder sehen, zählt, Atemnot gibt es, auch wenn die Atmung für uns normal erscheint.
Das Gefühl, nicht mehr genügend Luft zu bekommen, und die Vorstellung, qualvoll ersticken zu müssen, sind sehr existentiell und können bei den meisten Patienten starke Panik und Unruhe auslösen. Die Atmung ist lebensnotwendig. Ohne sie gibt es kein Leben; funktioniert der ganze menschliche Organismus nicht. Eine Einschränkung oder Behinderung im Atemfluss kann als unmittelbare „Lebens-bedrohung" wahrgenommen werden. Häufig erleben Patienten mit Atemnot, wie die Angst vor der Atemnot gleichzeitig zum Auslöser für diese wird. Erschwerend können bei einigen Patienten negative Erfahrungen mit dem Thema Atemnot aus dem persönlichen Umfeld, wie beispielsweise bei Asthma, hinzukommen und einen prägenden Einfluss auf das Erleben und den Umgang mit diesem Symptom haben. Einige Betroffene schildern eine Zunahme der eigenen Hilflosigkeit und der An- und Zugehörigen sowie eine Verstärkung der eigenen Angst, die das Gefühl aufkommen lassen, der Krankheit machtlos ausgeliefert zu sein. Der Grat zwischen kontrollierbarer Atemnot und Panikattacke ist in aller Regel sehr schmal. Bereits geringe körperliche Belastungen wie beispielsweise Begleitung zur Toilette oder eine Umlagerung im Bett, seelische Anspannung und/oder Konflikte im näheren sozialen Umfeld können zum Auslöser für eine Atemnotattacke beim Betroffenen werden. Eine Belastungsdyspnoe ist das Auftreten von Atemnot, die durch eine körperliche Anstrengung ausgelöst wird, und somit für den Patienten ein Stück weit vorhersehbar und teilweise kontrollier- und einschätzbar wird. Normalerweise ist es üblich, dass der behandelnde Arzt für den Palliativpatienten eine umfangreiche Bedarfsmedikation verordnet. So kann ein Atemnotpatient vor einer körperlichen Belastung seine Bedarfsmedikation einfordern, so dass erst gar keine Atemnotattacke entsteht. Eine verbale Kommunikation ist bei einer akuten Atemnotattacke stark erschwert. Für den Patienten kann ein zusätzlicher Leidens- druck entstehen, wenn er verbal kommunizieren möchte, aber über keine weiteren Ressourcen verfügt und keine Kraft aufbringen kann. Ruhe und Sicherheit können in solchen Situationen für den Patienten Sicherheit bringen.
Das tatsächliche „Miterleben" von Atemnot führt bei An- und Zugehörigen oftmals zu einer hohen Anspannung und kann Gedanken eines qualvollen Erstickens auslösen. Die eigene Hilflosigkeit, verbunden mit dem Gefühl, sofort etwas tun zu müssen, um dem nahe stehenden Menschen helfen zu können, löst häufig einen großen Leidens- und Handlungsdruck bei den An- und Zugehörigen aus. Das Erleben als Beobachter einer Atemnotattacke unterliegt häufig unterschiedlichen Sinneseinflüssen. Neben der akustischen Wahrnehmung ist das Realisieren der Anstrengung und der Angst bis hin zur Panik, die an der Mimik des Patienten ablesbar ist, eine große Belastung, die An- und Zugehörige ihre Grenzen der Begleitung spüren lässt. Die gesamte Situation kann sich noch erschweren, wenn zu der Atemnot beispielsweise noch eine Tachypnoe (= beschleunigtes Atmen) hinzukommt. In solchen Fällen kann sich die beschleunigte Atmung leicht auf die An- und Zugehörigen übertragen. Diese übernehmen dann oft unbewusst den raschen Atemrhythmus des Patienten und die damit verbundenen Emotionen wie Angst, Nervosität und Unruhe. Manche An- und Zughörigen verlassen daher intuitiv zum Teil fluchtartig das Krankenzimmer. Andere fühlen sich der nahe stehenden Person verpflichtet und denken, dass sie tapfer sein müssen und dass sie die unangenehme Situation aushalten müssen. Hier kann es sinnvoll sein, die An- und Zugehörigen für einen kurzen Moment aus dem Zimmer zu bitten, um eine Eskalation der Situation zu verhindern. Gerade im häuslichen Bereich, in dem An- und Zugehörige über einen langen Zeitraum mit dem Betroffenen alleine sind, ohne auf professionelle Hilfe zurückgreifen zu können, ist die Angst vor der Verantwortung und die vor einem möglichen Versagen sehr groß. Dieses Erleben hat oft zur Folge, dass sich An- und Zugehörige überfordert fühlen und die Verantwortung an Pflegende und Ärzte abgeben möchten.
Atemnot ist ein sehr belastendes Symptom für die Pflegenden. Häufig ist nicht nur der Patient davon betroffen, sondern auch sein Umfeld durch die Übertragung der Atemnot. Dies kann zur Folge haben, dass die Pflegekraft sich nicht nur um den Patienten zu kümmern hat, sondern auch um die An- und Zugehörigen. Im Mittelpunkt sollte jedoch der Betroffene stehen. Daher kann es hilfreich sein, die An- und Zugehörigen aus dem Zimmer zu bitten, bis sich die gesamte Situation wieder entspannt hat. Der eigene Umgang mit diesem Symptom ist durch Erfahrungen im privaten wie aber auch im beruflichen Leben geprägt. Diese Eindrücke führen unreflektiert oftmals zu vielfältigen Ängsten, die wiederum Auslöser sein können, Patienten mit Atemnot zu meiden.
Im Rahmen professionellen Handels der Pflegenden unterstützt eine professionelle Nähe in der Akutsituation, um gezielt und sicher handeln zu können. Der Beziehungsaufbau zu den Betroffenen und den An- und Zugehörigen ist eine herausfordernde Aufgabe für Pflegende. Es erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl von allen Agierenden. Das In-Beziehung-Treten steht in diesem Zusammenhang auch für einen Prozess der Herstellung von Nähe, von professioneller Nähe. Bisher hieß die Zauberformel für einen angemessenen Umgang mit Betroffenen und deren An- und Zugehörigen „professionelle Distanz"(Lexa 2011d). Der Begriff Distanz bedeutet dabei Abstand, beispielsweise eine vorgestellte „scharfe Trennungslinie" zwischen Professionellen und dem Betroffenen. Somit ist eine „professionelle Distanz" bereits alleine durch die Bedeutung der Begrifflichkeit nur schwer realisierbar. „Ich darf und soll den Menschen nahe sein - deshalb bin ich schließlich ursprünglich angetreten in einem helfenden Beruf" (Kränzle 2010, S. 48). Professionelle Pflegende möchten aber nicht auf Distanz gehen, um mit den ihnen anvertrauten Menschen in Beziehung treten zu können. Sie haben eine bewusste Berufswahl getroffen, in der sie auch Menschen nahe sein können. Für eine praktische Umsetzung von „professioneller Nähe" ist das eigene Rollenverständnis als Begleiter und eine damit verbundene regelmäßige Reflexion der eigenen Nähe in der jeweiligen Begleitung notwendig. Ein reflektiertes Handeln mit eigenen Unsicherheiten und Ängsten sowie eine gutes medizinisches und pflegerisches Fachwissen führen zu einem professionellen Umgang mit dem Symptom Atemnot.
© Kohlhammer Verlag
Palliative Care kommt aus dem englischen Sprachraum und leitet sich zum einen von dem lateinischen Begriff „pallium" ab, der so viel bedeutet wie „ummanteln" oder „umhüllen". Sinnbildlich soll ein Mantel des Schutzes und der Fürsorge um den Betroffenen gelegt werden. Und zum anderen leitet es sich von dem englischen Begriff „care" ab, der sich mit versorgen, Sorge tragen und im weitesten Sinne mit pflegen übersetzen lässt. Palliative Care möchte dem Betroffenen in der letzten Phase seines Lebens so viel Lebensqualität wie möglich schaffen. Dafür ist eine professionelle Begleitung auf medizinischer, pflegerischer, sozialer und spiritueller Ebene notwendig. Dazu gehören natürlich eine angemessene Schmerztherapie, Ernährung und gut verträglich und wirksame Medikamente. Die Linderung von Schmerzen, Dyspnoe, Übelkeit und Erbrechen und Angst ist genauso wichtig wie die spirituelle und emotionale Begleitung. Die Hospizbewegung in den 1960er Jahren hat die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit eines besonderen Umgangs mit unheilbar kranken und sterbenden Menschen gerichtet. Dies hat dazu beigetragen, dass Betroffene neben einer medizinischen Behandlung wieder eine Palliation erhalten. Das heißt, die Behandlung ist so ausgerichtet, dass alle genannten Ebenen angesprochen werden. Palliative Care legt besonders Wert darauf, die verbleibende Lebenszeit des Betroffenen so angenehm und „normal" wie möglich zu gestalten. Es kann noch sehr viel „Gutes" geleistet werden, auch wenn das Fortschreiten der Grunderkrankung unaufhaltsam ist. Die Intention aller Handlungen ist nicht auf eine kurative Therapie gerichtet, sondern auf eine lindernde Therapie, die das bestmögliche Leben mit der Erkrankung anstrebt. Dieser veränderte Blickwinkel akzeptiert das Sterben und ist andererseits lebensbejahend. Die verbleibende Lebenszeit wird von vielen Betroffenen daher als kostbar empfunden. Zentral ist nach wie vor eine medizinische und pflegerische Behandlung von Schmerzen und Beschwerden, die gleichzeitig durch eine sorgende, individuelle und aufmerksame Begleitung der Betroffenen und der An- und Zugehörigen ergänzt wird. Grundsätzlich soll der Betroffene die ihm verbleibende Zeit in einer Umgebung verbringen dürfen, die auf seine individuellen Wünsche eingehen kann. Für die Behandlung ist ein multiprofessionelles und interdisziplinäres Team notwendig, das eng zusammenarbeitet. In Palliative Care wird nicht nichts mehr getan und nicht nur Sterbebegleitung geleistet. Vielmehr geht es um ein sorgfältiges Abwägen, um in jeder individuellen Situation angemessen handeln zu können. Von den Professionellen wird sehr viel Erfahrung und Einfühlungsvermögen abverlangt, um drohende Verschlechterungen und die damit verbundenen Ängste gut zu begleiten oder auch ganz zu vermeiden. Eine gute Palliativversorgung ruht auf vier Säulen: auf einer angemessenen Haltung, Empathie, langjähriger Erfahrung und auf exzellenter Fachkenntnis. Der Mensch steht im Mittelpunkt des Geschehens. Dies erfordert gerade von den Pflegekräften sehr viel Kraft und Ausdauer. Bleiben, Aushalten und Mittragen werden notwendig, wenn andere lieber wegschauen. Palliative Care kann nicht alles Leid nehmen, aber so gut es geht die Lebensqualität verbessern und erhalten bis zum Tod - und darüber hinaus - im Hinblick auf die An- und Zugehörigen. Oft wird das Leben dann reicher. Dies ist vor allem für jene wichtig, die zurückbleiben und weiterleben.
Herausforderungen in der palliativen Pflege
Die Versorgung von Palliativpatienten ist sehr herausfordernd, da der unheilbar kranke Mensch und dessen An- und Zugehörige im Mittelpunkt des Geschehens stehen und die Pflegekräfte ihnen am nächsten sind. Die Pflegekraft ist die Bezugs- und Vertrauensperson, die zum einen den Überblick über den Krankheitsverlauf hat und zum anderen exakt die Fähigkeiten und Fertigkeiten der anderen Mitglieder des Palliative Care Team s wie beispielsweise Lymphdrainage, Atemtherapie oder Physiotherapie kennt und diese zum richtigen Zeitpunkt mit in die Behandlung einbezieht. Daher werden Pflegekräfte häufig als Generalisten gesehen.
„Pflegende haben Verantwortung für die Informationsübermittlung, für die Beratung und Anleitung von Kranken und ihren Angehörigen sowie für das Ermöglichen einer kontinuierlichen Versorgung über Schnittstellen hinweg. Aufgrund der Nähe zu den Kranken seien Pflegende ideal dazu geeignet, Maßnahmen des Symptom- und Schmerzmanagements zu überwachen und zu evaluieren" (Pleschberger & Heimerl 2002, S. 14).
Kranke Menschen und deren An- und Zugehörige brauchen die Unterstützung einer professionellen Person, die alles überblickt, die berät, die Vorschläge macht, die die jeweiligen Spezialisten kennt und einschaltet - also eine Person auf die sich der Betroffene und dessen An- und Zugehörige hundertprozentig verlassen können. Unterschiedliche Symptome können gerade am Lebensende parallel in unterschiedlicher Intensität auftreten. Dies erfordert von dem Behandlungsteam und insbesondere den Pflegekräften sehr gute Kenntnisse der einzelnen Symptome sowie deren Entstehung und Behandlungsmöglichkeiten, um dem Betroffenen adäquate Linderung zukommen zu lassen. Im Folgenden werden die meistauftretenden Symptome detailliert geschildert. Das Erleben einzelner Symptome ist immer eine subjektive Wahrnehmung des Betroffenen. Und diese ist grundsätzliche immer ernst zu nehmen. Unabhängig davon, ob aus Sicht der Professionellen Handlungsbedarf besteht oder nicht. In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass ein Patient für den Professionellen durch seine Symptome gequält wirkt und der Patient die Situation gar nicht als sehr unangenehm empfindet, weil er beispielsweise daran gewöhnt ist. Umgekehrt kann es auch vorkommen, dass ein Patient scheinbar völlig ruhig und entspannt in seinem Bett liegt und Medikamente zur Linderung seiner Beschwerden haben möchte. In beiden beschriebenen Situationen zählt die subjektive Wahrnehmung des Patienten, an der sich die weiteren Optionen orientieren.
Dyspnoe
Dyspnoe oder sehr starke Atemnot kann ein sehr belastendes Symptom für den Betroffenen und dessen An- und Zugehörigen sein. Das genaue Ausmaß dieses Symptoms kann nur der Betroffene selbst einschätzen. Fast die Hälfte aller Patienten mit einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung leidet temporär unter Atemnot, die Zahl steigt auf ca. 70 % der Patienten in den letzten Wochen des Lebens an. In den letzten 24 Stunden vor dem Versterben beklagen ca. 80 % der Betroffenen Atemnot. Die Wahrnehmung der Atemnot entsteht in der Regel durch erhöhte Atemarbeit bei unzureichender Atemreserve. Die Reaktion auf die Atemnot ist häufig ein unmittelbares Erleben von Todesangst, wie sie kaum von anderen Symptomen ausgelöst wird. Atemnot kann langsam entstehen, sich aber auch sehr schnell entwickeln und wird in der Nacht meistens bedrohlicher wahrgenommen als bei Tageslicht, da die Situation durch Dunkelheit und Stille noch bedrohlicher wirkt. Nicht selten entsteht eine Art „Teufelskreis", wobei Atemnot Angst , und diese wiederum die Atemnot, verstärkt und die Angst sich schnell in Panik umwandeln kann, wenn dieser Kreis nicht von außen unterbrochen wird.
3.1 Umgang mit dem Symptom Dyspnoe Atemnot ist meistens ein Aufnahmegrund für eine stationäre Palliativversorgung. An- und Zugehörige bekommen durch die sogenannte „Symptomansteckung" häufig selbst Angst und sind gerade in nächtlichen Notsituationen schnell überfordert. Atemnot ist ein Symptom, dessen Schwere nur der Betroffene selbst einschätzen kann. Dessen subjektive Einschätzung ist der Maßstab aller daraus resultierenden Handlungsfolgen. Nicht das, was wir messen oder sehen, zählt, Atemnot gibt es, auch wenn die Atmung für uns normal erscheint.
Das Gefühl, nicht mehr genügend Luft zu bekommen, und die Vorstellung, qualvoll ersticken zu müssen, sind sehr existentiell und können bei den meisten Patienten starke Panik und Unruhe auslösen. Die Atmung ist lebensnotwendig. Ohne sie gibt es kein Leben; funktioniert der ganze menschliche Organismus nicht. Eine Einschränkung oder Behinderung im Atemfluss kann als unmittelbare „Lebens-bedrohung" wahrgenommen werden. Häufig erleben Patienten mit Atemnot, wie die Angst vor der Atemnot gleichzeitig zum Auslöser für diese wird. Erschwerend können bei einigen Patienten negative Erfahrungen mit dem Thema Atemnot aus dem persönlichen Umfeld, wie beispielsweise bei Asthma, hinzukommen und einen prägenden Einfluss auf das Erleben und den Umgang mit diesem Symptom haben. Einige Betroffene schildern eine Zunahme der eigenen Hilflosigkeit und der An- und Zugehörigen sowie eine Verstärkung der eigenen Angst, die das Gefühl aufkommen lassen, der Krankheit machtlos ausgeliefert zu sein. Der Grat zwischen kontrollierbarer Atemnot und Panikattacke ist in aller Regel sehr schmal. Bereits geringe körperliche Belastungen wie beispielsweise Begleitung zur Toilette oder eine Umlagerung im Bett, seelische Anspannung und/oder Konflikte im näheren sozialen Umfeld können zum Auslöser für eine Atemnotattacke beim Betroffenen werden. Eine Belastungsdyspnoe ist das Auftreten von Atemnot, die durch eine körperliche Anstrengung ausgelöst wird, und somit für den Patienten ein Stück weit vorhersehbar und teilweise kontrollier- und einschätzbar wird. Normalerweise ist es üblich, dass der behandelnde Arzt für den Palliativpatienten eine umfangreiche Bedarfsmedikation verordnet. So kann ein Atemnotpatient vor einer körperlichen Belastung seine Bedarfsmedikation einfordern, so dass erst gar keine Atemnotattacke entsteht. Eine verbale Kommunikation ist bei einer akuten Atemnotattacke stark erschwert. Für den Patienten kann ein zusätzlicher Leidens- druck entstehen, wenn er verbal kommunizieren möchte, aber über keine weiteren Ressourcen verfügt und keine Kraft aufbringen kann. Ruhe und Sicherheit können in solchen Situationen für den Patienten Sicherheit bringen.
Das tatsächliche „Miterleben" von Atemnot führt bei An- und Zugehörigen oftmals zu einer hohen Anspannung und kann Gedanken eines qualvollen Erstickens auslösen. Die eigene Hilflosigkeit, verbunden mit dem Gefühl, sofort etwas tun zu müssen, um dem nahe stehenden Menschen helfen zu können, löst häufig einen großen Leidens- und Handlungsdruck bei den An- und Zugehörigen aus. Das Erleben als Beobachter einer Atemnotattacke unterliegt häufig unterschiedlichen Sinneseinflüssen. Neben der akustischen Wahrnehmung ist das Realisieren der Anstrengung und der Angst bis hin zur Panik, die an der Mimik des Patienten ablesbar ist, eine große Belastung, die An- und Zugehörige ihre Grenzen der Begleitung spüren lässt. Die gesamte Situation kann sich noch erschweren, wenn zu der Atemnot beispielsweise noch eine Tachypnoe (= beschleunigtes Atmen) hinzukommt. In solchen Fällen kann sich die beschleunigte Atmung leicht auf die An- und Zugehörigen übertragen. Diese übernehmen dann oft unbewusst den raschen Atemrhythmus des Patienten und die damit verbundenen Emotionen wie Angst, Nervosität und Unruhe. Manche An- und Zughörigen verlassen daher intuitiv zum Teil fluchtartig das Krankenzimmer. Andere fühlen sich der nahe stehenden Person verpflichtet und denken, dass sie tapfer sein müssen und dass sie die unangenehme Situation aushalten müssen. Hier kann es sinnvoll sein, die An- und Zugehörigen für einen kurzen Moment aus dem Zimmer zu bitten, um eine Eskalation der Situation zu verhindern. Gerade im häuslichen Bereich, in dem An- und Zugehörige über einen langen Zeitraum mit dem Betroffenen alleine sind, ohne auf professionelle Hilfe zurückgreifen zu können, ist die Angst vor der Verantwortung und die vor einem möglichen Versagen sehr groß. Dieses Erleben hat oft zur Folge, dass sich An- und Zugehörige überfordert fühlen und die Verantwortung an Pflegende und Ärzte abgeben möchten.
Atemnot ist ein sehr belastendes Symptom für die Pflegenden. Häufig ist nicht nur der Patient davon betroffen, sondern auch sein Umfeld durch die Übertragung der Atemnot. Dies kann zur Folge haben, dass die Pflegekraft sich nicht nur um den Patienten zu kümmern hat, sondern auch um die An- und Zugehörigen. Im Mittelpunkt sollte jedoch der Betroffene stehen. Daher kann es hilfreich sein, die An- und Zugehörigen aus dem Zimmer zu bitten, bis sich die gesamte Situation wieder entspannt hat. Der eigene Umgang mit diesem Symptom ist durch Erfahrungen im privaten wie aber auch im beruflichen Leben geprägt. Diese Eindrücke führen unreflektiert oftmals zu vielfältigen Ängsten, die wiederum Auslöser sein können, Patienten mit Atemnot zu meiden.
Im Rahmen professionellen Handels der Pflegenden unterstützt eine professionelle Nähe in der Akutsituation, um gezielt und sicher handeln zu können. Der Beziehungsaufbau zu den Betroffenen und den An- und Zugehörigen ist eine herausfordernde Aufgabe für Pflegende. Es erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl von allen Agierenden. Das In-Beziehung-Treten steht in diesem Zusammenhang auch für einen Prozess der Herstellung von Nähe, von professioneller Nähe. Bisher hieß die Zauberformel für einen angemessenen Umgang mit Betroffenen und deren An- und Zugehörigen „professionelle Distanz"(Lexa 2011d). Der Begriff Distanz bedeutet dabei Abstand, beispielsweise eine vorgestellte „scharfe Trennungslinie" zwischen Professionellen und dem Betroffenen. Somit ist eine „professionelle Distanz" bereits alleine durch die Bedeutung der Begrifflichkeit nur schwer realisierbar. „Ich darf und soll den Menschen nahe sein - deshalb bin ich schließlich ursprünglich angetreten in einem helfenden Beruf" (Kränzle 2010, S. 48). Professionelle Pflegende möchten aber nicht auf Distanz gehen, um mit den ihnen anvertrauten Menschen in Beziehung treten zu können. Sie haben eine bewusste Berufswahl getroffen, in der sie auch Menschen nahe sein können. Für eine praktische Umsetzung von „professioneller Nähe" ist das eigene Rollenverständnis als Begleiter und eine damit verbundene regelmäßige Reflexion der eigenen Nähe in der jeweiligen Begleitung notwendig. Ein reflektiertes Handeln mit eigenen Unsicherheiten und Ängsten sowie eine gutes medizinisches und pflegerisches Fachwissen führen zu einem professionellen Umgang mit dem Symptom Atemnot.
© Kohlhammer Verlag
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Autoren-Porträt von Nadine Lexa
Nadine Lexa, MAS, Gesundheits- und Krankenpflegerin, Master of Advanced Studies in Palliative Care, zertifizierte Verfahrenspflegerin nach dem Werdenfelser Weg, Dozentin, Lehrbeauftragte, Fachautorin und Herausgeberin einer Palliative Care Buchreihe.
Bibliographische Angaben
- Autor: Nadine Lexa
- 2013, 144 Seiten, 9 Abbildungen, Maße: 11,8 x 16,7 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Kohlhammer
- ISBN-10: 3170223968
- ISBN-13: 9783170223967
- Erscheinungsdatum: 15.08.2013
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