Rückkehr nach Glenmara
Wer mit dem Herzen sucht, findet das Glück
Für Kate, eine erfolgreiche Modedesignerin aus Seattle, bricht eine Welt zusammen: Ihr Freund Ethan verlässt sie, ihre geliebte Mutter Lu stirbt an Krebs, und ihre neue Kollektion wird ein Flop....
Für Kate, eine erfolgreiche Modedesignerin aus Seattle, bricht eine Welt zusammen: Ihr Freund Ethan verlässt sie, ihre geliebte Mutter Lu stirbt an Krebs, und ihre neue Kollektion wird ein Flop....
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Rückkehr nach Glenmara “
Wer mit dem Herzen sucht, findet das Glück
Für Kate, eine erfolgreiche Modedesignerin aus Seattle, bricht eine Welt zusammen: Ihr Freund Ethan verlässt sie, ihre geliebte Mutter Lu stirbt an Krebs, und ihre neue Kollektion wird ein Flop. Kate braucht dringend eine Auszeit und erfüllt sich einen lange gehegten Wunsch: Sie fährt nach Irland, in das Land ihrer Vorfahren. Auf der Reise lernt sie den Globetrotter William kennen, der sie in das kleine Dorf Glenmara mitnimmt. Zunächst wird Kate, die Fremde, von den Dorfbewohnern skeptisch beäugt. Doch langsam wendet sich das Blatt, und sie freundet sich mit den Frauen des Ortes an. Schließlich wird Kate sogar zu den Treffen eingeladen, bei denen die Frauen Spitze klöppeln, die Angelegenheiten des Dorfes diskutieren und über ihre Probleme reden.
Eines Tages kommt Kate auf die Idee, die Unterwäsche ihrer neuen Freundinnen mit Spitze zu verzieren, und erntet damit begeisterte Reaktionen. Was aus einer Laune heraus geschah, entwickelt sich bald zur Geschäftsidee, und die Frauen von Glenmara werden für ihre hübschen Spitzendessous berühmt. Und als Kate sich in den sensiblen Künstler Sullivan verliebt, sieht es so aus, als habe sie in Glenmara endlich eine neue Heimat gefunden ...
Für Kate, eine erfolgreiche Modedesignerin aus Seattle, bricht eine Welt zusammen: Ihr Freund Ethan verlässt sie, ihre geliebte Mutter Lu stirbt an Krebs, und ihre neue Kollektion wird ein Flop. Kate braucht dringend eine Auszeit und erfüllt sich einen lange gehegten Wunsch: Sie fährt nach Irland, in das Land ihrer Vorfahren. Auf der Reise lernt sie den Globetrotter William kennen, der sie in das kleine Dorf Glenmara mitnimmt. Zunächst wird Kate, die Fremde, von den Dorfbewohnern skeptisch beäugt. Doch langsam wendet sich das Blatt, und sie freundet sich mit den Frauen des Ortes an. Schließlich wird Kate sogar zu den Treffen eingeladen, bei denen die Frauen Spitze klöppeln, die Angelegenheiten des Dorfes diskutieren und über ihre Probleme reden.
Eines Tages kommt Kate auf die Idee, die Unterwäsche ihrer neuen Freundinnen mit Spitze zu verzieren, und erntet damit begeisterte Reaktionen. Was aus einer Laune heraus geschah, entwickelt sich bald zur Geschäftsidee, und die Frauen von Glenmara werden für ihre hübschen Spitzendessous berühmt. Und als Kate sich in den sensiblen Künstler Sullivan verliebt, sieht es so aus, als habe sie in Glenmara endlich eine neue Heimat gefunden ...
Klappentext zu „Rückkehr nach Glenmara “
Wer mit dem Herzen sucht, findet das GlückFür Kate, eine erfolgreiche Modedesignerin aus Seattle, bricht eine Welt zusammen: Ihr Freund Ethan verlässt sie, ihre geliebte Mutter Lu stirbt an Krebs, und ihre neue Kollektion wird ein Flop. Kate braucht dringend eine Auszeit und erfüllt sich einen lange gehegten Wunsch: Sie fährt nach Irland, in das Land ihrer Vorfahren. Auf der Reise lernt sie den Globetrotter William kennen, der sie in das kleine Dorf Glenmara mitnimmt. Zunächst wird Kate, die Fremde, von den Dorfbewohnern skeptisch beäugt. Doch langsam wendet sich das Blatt, und sie freundet sich mit den Frauen des Ortes an. Schließlich wird Kate sogar zu den Treffen eingeladen, bei denen die Frauen Spitze klöppeln, die Angelegenheiten des Dorfes diskutieren und über ihre Probleme reden.Eines Tages kommt Kate auf die Idee, die Unterwäsche ihrer neuen Freundinnen mit Spitze zu verzieren, und erntet damit begeisterte Reaktionen. Was aus einer Laune heraus geschah, entwickelt sichbald zur Geschäftsidee, und die Frauen von Glenmara werden für ihre hübschen Spitzendessous berühmt. Und als Kate sich in den sensiblen Künstler Sullivan verliebt, sieht es so aus, als habe sie in Glenmara endlich eine neue Heimat gefunden-
Lese-Probe zu „Rückkehr nach Glenmara “
Rückkehr nach Glenmara von Heather Barbieri PROLOG Nähkurs Was Sie brauchen: eine Nähmaschine, ja, die von der Mutter, die himmelblaue Singer, deren Summen wie ein Wiegenlied aus der Kindheit klingt, Sie selbst in einem Korb darunter, von dem aus Sie die Hände nach den bunten Fäden ausstrecken.
Einfälle und Hilfsmittel, zum Beispiel:
Klammern, eine Zickzackschere sowie eine spitze, sieben bis fünfzehn Zentimeter lange Schere zum Kantenglätten und Stoffschneiden;
Seidenpapier und Kleenex;
Schneiderkreide und Rollschneider für Punkte, Striche, Bogen, Konturen und Markierungen dessen, was war, und dessen, was sein wird;
allerlei Nadeln zum Feststecken und Verzieren; Nadelkissen, apfelförmig, damit die Nadeln nicht verloren gehen;
der goldene Fingerhut der Mutter, den man am Zeigefinger trägt, um sich nicht zu stechen, oder an einer Kette um den Hals, damit man ihn nicht verlegt;
Maßband zur Bestimmung von Form und Größe, Metern und Zentimetern;
unterschiedliche Fadensorten;
... mehr
Stoff aus Musterbüchern und von Ballen – Wolle, Seide, Leinen, Tüll – für die nächsten Arbeiten.Das Muster?
Stammt es aus der Schublade eines Stof~ adens – McCall’s, Butterick, Simplicity –, Namen aus der Kindheit, die Bogen in einem Umschlag, das Ergebnis vorherbestimmt? Oder lassen Sie sich von der Phantasie leiten? Versuchen Sie, die losen Fäden aufzugreifen, die Löcher zu stopfen, etwas Neues zu schaffen? So dass jeder Schritt, jedes Bild, sich nach und nach enthüllt?
Sie zögern, denken an Fehler der Vergangenheit, als Sie die Einzelteile vor Zorn durchs Zimmer schleuderten, weil nichts passte, wie es sollte, und Sie weinten wegen eines unförmigen Kragens oder Ärmels, der in Ihrem Schoß lag wie ein verletztes Kind.
Trotzdem werden Sie die Zähne zusammenbeißen und den Faden aufnehmen. Haben Sie keine Angst. Sie ~nden schon einen Weg.
Dies ist eine Möglichkeit zu beginnen. BILD EINS
Dieser irische Regen
Kate war seit Stunden auf der Straße unterwegs, nur be- gleitet vom Regen. Dieser irische Regen gab immer wieder neue Kunststücke zum Besten, wehte von der Seite her, prasselte auf sie nieder, tropfte seufzend von den Blättern oder landete als Hagel auf Kapuze und Schultern und schmolz. Sie gab sich Mühe, ihm keine Beachtung zu schenken, weil sie solche Streiche kannte. Schließlich kam sie aus Seattle, der Stadt ihrer Geburt, ihres bisherigen Lebens und ihres gebrochenen Herzens. Sie hatte Seattle kurz nach der Trennung an einem Tag wie diesem, fast genau einen Monat zuvor, verlassen und wusste nicht, ob sie jemals zurückkehren würde. Doch der Regen oder sein Cousin folgte ihr, mit den Erinnerungen, die sie aus Amerika vertrieben hatten.
Auf den ersten Blick sah die Geschichte wie so viele Geschichten sehr einfach aus. Sie gewöhnte sich an, sie ganz trocken wie eine amüsante Anekdote zu erzählen, und zwar so oft, dass das Timing am Ende perfekt war. Drei Minuten. Länger dauerte es nicht, um das Ende einer fünfjährigen Beziehung zu sezieren.
Die Story lasse sich auf ein paar Sätze reduzieren, sagte sie: Ethan betrog sie mit einem Model, einer jungen Frau mit schwarzen Haaren, heller Haut, aquamarinfarbenen Augen und beträchtlichem Treuhandvermögen. Mit einer Frau, der Prinzen und Fürsten den Hof gemacht hätten, wäre sie in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort geboren worden. Mit einer Frau, so schmal und kantig wie eine Gottesanbeterin, die Kates Entwürfe bei ihrer missglückten Modenschau trug und behauptete, ihre Freundin zu sein.
Das Model sprach fünf Sprachen, war eine ausgezeichnete Fechterin und begnadete Geigerin. Kate besaß keine solchen beeindruckenden Fähigkeiten. Sie konnte genug Französisch, um Essen zu bestellen oder den Weg zur Toilette oder zum Bahnhof zu erfragen, solange ihr Gegenüber keinen zu starken Akzent hatte. Den Kilometer lief sie in fünf Minuten. Sie hielt sich für hübsch, nicht für schön, und für eher klein. Beim Kartenspiel war ihr, anders als bei Glücksspielen, das Schicksal normalerweise gewogen. Sie liebte Filme von Fellini und Popcorn und Schokoladenkuchen – und Ethan, trotz allem, was passiert war.
Sie schaffte es nicht, nicht mehr an ihn zu denken, und malte sich weit überzeugendere Argumente aus, als sie sie in der Wirklichkeit hinbekommen hätte. Die Realität sah folgendermaßen aus: leere Zimmer, allein kochen und essen, weniger Wäsche und eine sauberere Wohnung. (Ethan war ein Sammler und Jäger – von Rechts wegen hätte er ein Warnschild tragen müssen.) Die Realität bedeutete, allein aufzuwachen. Was sie letztlich gar nicht so sehr störte, weil sein Fremdgehen sie wütend machte. Trotzdem lief sie nach wie vor Gefahr, ihm zu verzeihen, wie schon so viele Male zuvor.
Nein, nie mehr, hatte sie beschlossen. Sie würde diesen Aufenthalt genießen und ihre Sorgen auf Distanz halten. Die Straße bot ihr nur zwei Möglichkeiten, vorwärts oder zurück, ohne Gabelungen oder Kreuzungen oder Umwege durch die weiten Felder voller Fingerhut; sie wurde gesäumt von moosbewachsenen Steinmauern und führte vorbei an verfallenen Farmhäusern mit halb eingestürzten Dächern und blinden Fenstern. Kate war seit fast einem Monat zu Fuß und per Anhalter unterwegs im westlichen Teil des Landes, wo Spuren der Zivilisation nur selten bis gar nicht auftauchten. Das gefiel ihr. Dublin, die großartige, starke Stadt, hatte sie innerhalb von vier Tagen kennengelernt: Trinity College, Book of Kells, die Straßen im Georgian Style, die Puppen und Mumien mit zerlumpter Kleidung, Zahnstummeln und Glasaugen in den Vitrinen der Museen, die Junkies, die ihr den Rucksack stahlen (sie war dem Dieb nachgelaufen und hatte ihn sich wiedergeholt), die Sozialwohnungen und den Smog. Alles hatte zwei Seiten – wenn nicht mehr.
Sie war mit Bussen in den sagenumwobenen Westen gefahren – Busse, die sie nicht so weit brachten, wie sie sollten, die sie den Anschluss verpassen ließen oder ganz den Geist aufgaben. Es hieß, dass Ersatzfahrzeuge in einer Stunde eintreffen würden, dann in zwei oder drei, Behauptungen, die irgendwann klangen wie Märchen. Am Ende hatte sie das Warten satt, marschierte zu Fuß weiter und landete schließlich hier, wo Erschöpfung und Regen alles surreal machten.
Jeder ihrer Schritte hinterließ eine Spur, manchmal sichtbar, manchmal nicht, eine Spur, die sagte: Ich war hier, es gibt mich. War dies nicht einer der Gründe, warum Menschen weggingen? Um zu vergessen und sich neu zu erfinden?
Zu Hause galt sie als eher ruhiger Mensch, trat hinter den geselligen Leuten in ihrem Leben – Ethan, Ella, sogar ihrer Mutter – zurück und gab sich mit der Rolle der stillen Begleiterin zufrieden, gut für eine gelegentliche kluge oder geistreiche Bemerkung.
Hier war sie auf sich allein gestellt. Ein merkwürdiges Gefühl, ja, doch ein Teil von ihr wollte etwas Neues, ein neuer Mensch werden.
Die Luft roch nach feuchtem Gras, Gülle und Torffeuern, obwohl Kate, abgesehen von Kühen und Schafen, keinerlei Lebewesen in der Nähe entdecken konnte. Und das waren nicht die weißen, sauberen, wuscheligen Schafe aus ihren Träumen, sondern Tiere mit schmutzig gelblicher, verfilzter Wolle. Mäh, sagte das Schaf, Mäh antwortete Kate und hätte fast zu weinen angefangen, weil Ethan, immer zum Albern aufgelegt, so etwas getan hätte. Mäh?, als hätten die Tiere die Mutter verloren, so wie Kate im vergangenen Februar.
Nicht weinen, ermahnte sie sich und lächelte trotz allem. So schwierig war das gar nicht. Man kann sich für das Glück entscheiden.
Normalerweise machte ihr der Regen nichts aus, aber das hier war zu viel. Ich hätte mir eine trockenere Gegend, zum Beispiel Spanien, aussuchen sollen, dachte sie. Doch Spanien wurde in diesem Jahr heimgesucht von Feuerquallen, Stromausfällen und Wühlmäusen, die die Ernte auffraßen – das hatte sie in der Zeitung gelesen.
Sollte das Wetter nicht besser sein, so kurz vor dem ersten Mai? Sie suchte Zuflucht unter einem rosa blühenden, stark duftenden Rhododendronbusch, um an einem Müsliriegel zu knabbern. Er schmeckte wie Sägemehl, vielleicht weil sie keinen Hunger hatte – den hatte sie nie am Anfang oder Ende einer Liebesgeschichte, am allerwenigsten nach dieser, die eigentlich ewig hätte dauern sollen. Alle waren so sicher gewesen, dass sie und Ethan heiraten würden, dass sie den Brautstrauß bei der Hochzeit im mittelalterlichen Stil fangen würde, der sie im März beiwohnten (die Brautleute liebten nicht nur einander, sondern auch die Gesellschaft für kreativen Anachronismus). Dort hatte er sie, wenn schon nicht direkt am Altar, so doch nur unweit davon entfernt, stehen lassen, neben der schmelzenden Eisskulptur eines Ritters in glänzender Rüstung, eine Pfütze um die Füße, das Schwert kaum mehr als ein Zahnstocher.
»Ich kriege keine Luft«, hatte Ethan nach der Trauung gesagt. Das turmbewehrte Gebäude in Seattles Denny-Regrade-Viertel war für die Feier in ein Schloss verwandelt und mit Gobelins, Standarten und Wappen geschmückt und das bewaldete Anwesen in eine Miniaturversion von Sherwood Forest verwandelt worden. – Eine beeindruckende Szenerie, besonders nach mehreren Krügen Ale.
»Ich verstehe, was du meinst«, flüsterte Kate mit gekünstelt englischem Akzent zurück. »Mein Hüfthalter bringt mich noch um – aber dir steht die Strumpfhose ausnehmend gut.« Vom Festsaal wehte der Geruch von Braten und Gemüse herüber. Sie fragte sich, wie es ihr gelungen war, in diesem Aufzug einen Bissen hinunterzubringen, und sehnte sich nach bequemerer Kleidung, doch die Feier stand nach dem Wunsch der Braut unter einem Motto. Kate fand das abwechselnd amüsant und lächerlich.
»Nein.« Ethan wich ihrem Blick aus. »Ich meine, ich halte das nicht mehr aus.«
»Was?« Sie lächelte weiter, weil sie sich den Abend nicht verderben lassen wollte. »Natürlich können wir gehen, aber Sean ist sicher enttäuscht, wenn du das Ritterturnier verpasst.« Das Gleiche galt für sie selbst, weil sie hoffte, anschließend tanzen zu können. Die Eltern der Braut hatten Dudelsackpfeifer engagiert, die bereits fröhlich vor sich hin spielten. Ein Narr, der mit klingelnder Kappe Purzelbäume den breiten Flur entlang schlug, verfehlte nur knapp eine Ming-Vase von unschätzbarem Wert. Feuerschlucker führten ihre Kunst auf dem Balkon vor. Ob sie sich dabei manchmal die Zunge verbrannten?, fragte sich Kate.
»Nein, ich meine die Sache mit uns.« Er wartete, bis die Worte bei ihr ankamen. »Es ist vorbei. Tut mir leid.« Dann entfernte er sich wankend, was die anderen Gäste sicher dem Alkohol zuschrieben. Bevor er den Ausgang erreichte, klopfte ihm ein Mann auf die Schulter, und wenig später prostete Ethan bereits wieder lachend anderen zu. Er war nicht nur ziemlich robust, sondern wusste auch, dass Kate ihm nicht folgen würde, um ihm eine Szene zu machen.
Sie sah ihn mit offenem Mund an, nicht unähnlich dem gebratenen Schwein im Mittelpunkt des Fests, allerdings ohne Apfel. Hatte das Treuegelübde der Brautleute Ethan aus der Fassung gebracht? Das konnte sie verstehen. Sie würde ihn nicht drängen und sich, wie immer fest mit einer späteren Versöhnung rechnend, von Ella nach Hause bringen lassen.
Sie täuschte sich. Noch am selben Abend zog er zu einem Freund mit der Begründung, er brauche Zeit und Raum zum Nachdenken. Die meisten seiner Habseligkeiten ließ er bei ihr. Wenn sie anrief, war er nie da. Nach einer Weile begann sie daran zu zweifeln, dass er bei dem Freund wohnte. Doch wo sonst sollte er sein? Sie wartete zwei Wochen, bis der Freund endlich Mitleid mit ihr hatte und ihr erzählte, dass Ethan seit Monaten mit dem Model zusammen sei und sich bald verloben wolle. Nicht Ethan und Kate würden also ihre Träume in Manhattan verwirklichen (er in der Finanz-, sie in der Modewelt), sondern Ethan und das Model. Kate blieb ohne Freund und mit nur wenigen Interessenten für ihre erste Modelinie zurück. Ihr Konzept funktioniere einfach nicht, erklärte ihr Agent Jules; sie solle etwas »für ein exklusiveres Marktsegment« probieren. Die einzigen Abnehmer waren zwei kleine örtliche Boutiquen; das Geld, das sie verdiente, deckte kaum ihre Ausgaben, was bedeutete, dass sie im Second-Hand-Laden ihrer besten Freundin Ella Änderungsarbeiten annehmen musste. Doch sie hatte es satt, Säume auszulassen, Knöpfe anzunähen und Knopflöcher zu verstärken, was ihre Kunden mit ein wenig Geduld selbst geschafft hätten. Kates Fingerspitzen waren wund von der Arbeit; sie hatte Näherinnenhände wie ihre Mutter.
Ich muss hier weg, teilte sie Ella mit. Nicht von dem Laden, sondern von der Stadt, dem Bundesstaat, dem Land. Nach Irland, in die grüne Heimat ihrer Vorfahren, das Land der Regenbogen, der Magie, der Kobolde und märchenhaften Goldtöpfe.
Kate und ihre Mutter hatten gemeinsam fahren wollen, doch dann war ihre Mutter an Krebs gestorben und hatte ihr ein kleines Erbe hinterlassen, damit Kate allein reisen könne. Daraufhin hatten Kate und Ethan einen Europatrip mit Abstecher nach Irland ins Auge gefasst, den Kate letztlich als Flitterwochen verstand, Ethan jedoch offenbar nicht.
Und nun war sie hier, auf der anderen Seite der Welt, und wanderte diese Straße voller Schlaglöcher entlang, die weiß Gott wohin führte. Dabei versuchte sie zu vergessen, wie Ethans Haare ihm morgens nach dem Aufstehen vom Kopf abstanden, wie er Kaffee kochte und den Toast verkokelte und aus wie vielen Farben seine Augen bestanden – Grün und Gold und Braun und Blau. Solche Augen hatte sie noch nie gesehen. Ihnen war sie sieben Jahre zuvor im College-Literaturkurs verfallen, wo er ihr eine Frage über Thomas Hardy stellte. War das ein schlechtes Omen gewesen? Sie hatte eine ganze Weile gewartet, bis er sich endlich für sie entschied, an dem Abend, an dem sie zu viel tranken, miteinander ins Bett fielen und unzertrennlich wurden.
Nächstes Mal würde sie besser aufpassen und sich nur noch auf einen Mann einlassen, der sich nüchtern in sie verliebte. Auf einen Mann mit soliden, zuverlässigen Augen, die sich mit einer Farbe begnügten, zum Beispiel Braun. Vorausgesetzt, sie hatte jemals wieder genug Selbstvertrauen, es mit jemandem zu versuchen.
Plötzlich Gebimmel auf dieser irischen Straße. War sie tot, erfroren? Waren das die Glocken der himmlischen Heerscharen oder von Feen? Oder die des Narren von der Hochzeit, der sich über sie lustig machen wollte? Oder von einem Mörder, der sie mit einer rasselnden Kette im Straßengraben umbringen würde, was Ethan, wenn er irgendwann davon erführe, um sie trauern ließe?
Nein, sie war nicht berühmt genug für das Interesse der Medien. Sie wäre lediglich eine Fußnote bei den Nachrufen des Seattle-Post-Intelligencer wert: Aufstrebende örtliche Modeschöpferin stirbt auf einsamer irischer Landstraße. Kate verbarg sich hinter den Büschen.
Pferdeschnauben, Hufgeklapper. Dann tauchte ein bunt bemaltes Fuhrwerk auf, eine Art Planwagen in leuchtenden Rot-, Gelb- und Grüntönen. Ein stämmiger Mann hielt die Zügel des dicksten Gauls in den Händen, der ihr je zu Gesicht gekommen war. Der Mann und sein Wagen sahen aus, als wären sie einem Märchen oder dem Yellow Submarine der Beatles entsprungen.
Sie starrten einander mit großen Augen durch die Blätter der Büsche hindurch an. »Noch nicht vom Regen weggespült?«
Sie schüttelte den Kopf. Dabei wurde sie von oben bis unten nass, denn die Tropfen klatschten von den Zweigen auf ihre Kapuze, als wollten sie applaudieren.
»Wo soll’s hingehen?« Er trug eine Segeltuchjacke, Jeans und nagelneue Sneakers; seine Haut war cognacfarben und von tiefen Falten durchzogen. Sein Gesicht besaß eine natürliche Offenheit, der sie zu Hause nur selten begegnet war.
»Irgendwohin, wo’s trocken ist«, antwortete sie mit müdem Lächeln und senkte den Blick ein wenig.
»Hinter den Büschen werden Sie da wohl kaum Erfolg haben – auch wenn die Blätter Ihnen gut zu Gesicht stehen.«
Kate ließ die Finger über eine Geißblattranke gleiten. »Der Pflanzenlook ist diese Saison in.« Sie spürte, wie sie rot wurde.
»Tatsächlich? Da bekommt das irische Grün doch gleich eine ganz neue Bedeutung.« Er schnippte das Wasser von seiner Hutkrempe. »Wollen Sie mitfahren?«
Sie wischte Flechten von ihrer Jacke, um Zeit zu gewinnen. Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie ihm vertrauen konnte. Außerdem musste sie sich vergegenwärtigen, in welcher Lage sie sich befand: Hier gab es nur die Straße, die Schafe und den Regen – und diesen Mann, der ihr möglicherweise eine angenehme Alternative bot. Es war Zeit, ein Risiko einzugehen.
»Bei dem Wetter können Sie jedenfalls nicht mehr lange draußen bleiben«, fuhr er fort. »Sonst holen Sie sich den Tod.«
Kate stellte sich vor, wie die tragische Heldin eines viktorianischen Romans ihr Leben auszuhauchen. Sie streckte die Hand aus, ~ ng darin Regentropfen auf und drehte sie um, so dass sie auf den Boden fielen.
»Dann kommen Sie mal rauf hier.« Er klopfte auf den Sitz neben sich. »Ich kann Gesellschaft brauchen.«
Copyright © der Originalausgabe 2009 by Heather Barbieri
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2009 by Page & Turner/Wilhelm Goldmann Verlag, München
Stammt es aus der Schublade eines Stof~ adens – McCall’s, Butterick, Simplicity –, Namen aus der Kindheit, die Bogen in einem Umschlag, das Ergebnis vorherbestimmt? Oder lassen Sie sich von der Phantasie leiten? Versuchen Sie, die losen Fäden aufzugreifen, die Löcher zu stopfen, etwas Neues zu schaffen? So dass jeder Schritt, jedes Bild, sich nach und nach enthüllt?
Sie zögern, denken an Fehler der Vergangenheit, als Sie die Einzelteile vor Zorn durchs Zimmer schleuderten, weil nichts passte, wie es sollte, und Sie weinten wegen eines unförmigen Kragens oder Ärmels, der in Ihrem Schoß lag wie ein verletztes Kind.
Trotzdem werden Sie die Zähne zusammenbeißen und den Faden aufnehmen. Haben Sie keine Angst. Sie ~nden schon einen Weg.
Dies ist eine Möglichkeit zu beginnen. BILD EINS
Dieser irische Regen
Kate war seit Stunden auf der Straße unterwegs, nur be- gleitet vom Regen. Dieser irische Regen gab immer wieder neue Kunststücke zum Besten, wehte von der Seite her, prasselte auf sie nieder, tropfte seufzend von den Blättern oder landete als Hagel auf Kapuze und Schultern und schmolz. Sie gab sich Mühe, ihm keine Beachtung zu schenken, weil sie solche Streiche kannte. Schließlich kam sie aus Seattle, der Stadt ihrer Geburt, ihres bisherigen Lebens und ihres gebrochenen Herzens. Sie hatte Seattle kurz nach der Trennung an einem Tag wie diesem, fast genau einen Monat zuvor, verlassen und wusste nicht, ob sie jemals zurückkehren würde. Doch der Regen oder sein Cousin folgte ihr, mit den Erinnerungen, die sie aus Amerika vertrieben hatten.
Auf den ersten Blick sah die Geschichte wie so viele Geschichten sehr einfach aus. Sie gewöhnte sich an, sie ganz trocken wie eine amüsante Anekdote zu erzählen, und zwar so oft, dass das Timing am Ende perfekt war. Drei Minuten. Länger dauerte es nicht, um das Ende einer fünfjährigen Beziehung zu sezieren.
Die Story lasse sich auf ein paar Sätze reduzieren, sagte sie: Ethan betrog sie mit einem Model, einer jungen Frau mit schwarzen Haaren, heller Haut, aquamarinfarbenen Augen und beträchtlichem Treuhandvermögen. Mit einer Frau, der Prinzen und Fürsten den Hof gemacht hätten, wäre sie in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort geboren worden. Mit einer Frau, so schmal und kantig wie eine Gottesanbeterin, die Kates Entwürfe bei ihrer missglückten Modenschau trug und behauptete, ihre Freundin zu sein.
Das Model sprach fünf Sprachen, war eine ausgezeichnete Fechterin und begnadete Geigerin. Kate besaß keine solchen beeindruckenden Fähigkeiten. Sie konnte genug Französisch, um Essen zu bestellen oder den Weg zur Toilette oder zum Bahnhof zu erfragen, solange ihr Gegenüber keinen zu starken Akzent hatte. Den Kilometer lief sie in fünf Minuten. Sie hielt sich für hübsch, nicht für schön, und für eher klein. Beim Kartenspiel war ihr, anders als bei Glücksspielen, das Schicksal normalerweise gewogen. Sie liebte Filme von Fellini und Popcorn und Schokoladenkuchen – und Ethan, trotz allem, was passiert war.
Sie schaffte es nicht, nicht mehr an ihn zu denken, und malte sich weit überzeugendere Argumente aus, als sie sie in der Wirklichkeit hinbekommen hätte. Die Realität sah folgendermaßen aus: leere Zimmer, allein kochen und essen, weniger Wäsche und eine sauberere Wohnung. (Ethan war ein Sammler und Jäger – von Rechts wegen hätte er ein Warnschild tragen müssen.) Die Realität bedeutete, allein aufzuwachen. Was sie letztlich gar nicht so sehr störte, weil sein Fremdgehen sie wütend machte. Trotzdem lief sie nach wie vor Gefahr, ihm zu verzeihen, wie schon so viele Male zuvor.
Nein, nie mehr, hatte sie beschlossen. Sie würde diesen Aufenthalt genießen und ihre Sorgen auf Distanz halten. Die Straße bot ihr nur zwei Möglichkeiten, vorwärts oder zurück, ohne Gabelungen oder Kreuzungen oder Umwege durch die weiten Felder voller Fingerhut; sie wurde gesäumt von moosbewachsenen Steinmauern und führte vorbei an verfallenen Farmhäusern mit halb eingestürzten Dächern und blinden Fenstern. Kate war seit fast einem Monat zu Fuß und per Anhalter unterwegs im westlichen Teil des Landes, wo Spuren der Zivilisation nur selten bis gar nicht auftauchten. Das gefiel ihr. Dublin, die großartige, starke Stadt, hatte sie innerhalb von vier Tagen kennengelernt: Trinity College, Book of Kells, die Straßen im Georgian Style, die Puppen und Mumien mit zerlumpter Kleidung, Zahnstummeln und Glasaugen in den Vitrinen der Museen, die Junkies, die ihr den Rucksack stahlen (sie war dem Dieb nachgelaufen und hatte ihn sich wiedergeholt), die Sozialwohnungen und den Smog. Alles hatte zwei Seiten – wenn nicht mehr.
Sie war mit Bussen in den sagenumwobenen Westen gefahren – Busse, die sie nicht so weit brachten, wie sie sollten, die sie den Anschluss verpassen ließen oder ganz den Geist aufgaben. Es hieß, dass Ersatzfahrzeuge in einer Stunde eintreffen würden, dann in zwei oder drei, Behauptungen, die irgendwann klangen wie Märchen. Am Ende hatte sie das Warten satt, marschierte zu Fuß weiter und landete schließlich hier, wo Erschöpfung und Regen alles surreal machten.
Jeder ihrer Schritte hinterließ eine Spur, manchmal sichtbar, manchmal nicht, eine Spur, die sagte: Ich war hier, es gibt mich. War dies nicht einer der Gründe, warum Menschen weggingen? Um zu vergessen und sich neu zu erfinden?
Zu Hause galt sie als eher ruhiger Mensch, trat hinter den geselligen Leuten in ihrem Leben – Ethan, Ella, sogar ihrer Mutter – zurück und gab sich mit der Rolle der stillen Begleiterin zufrieden, gut für eine gelegentliche kluge oder geistreiche Bemerkung.
Hier war sie auf sich allein gestellt. Ein merkwürdiges Gefühl, ja, doch ein Teil von ihr wollte etwas Neues, ein neuer Mensch werden.
Die Luft roch nach feuchtem Gras, Gülle und Torffeuern, obwohl Kate, abgesehen von Kühen und Schafen, keinerlei Lebewesen in der Nähe entdecken konnte. Und das waren nicht die weißen, sauberen, wuscheligen Schafe aus ihren Träumen, sondern Tiere mit schmutzig gelblicher, verfilzter Wolle. Mäh, sagte das Schaf, Mäh antwortete Kate und hätte fast zu weinen angefangen, weil Ethan, immer zum Albern aufgelegt, so etwas getan hätte. Mäh?, als hätten die Tiere die Mutter verloren, so wie Kate im vergangenen Februar.
Nicht weinen, ermahnte sie sich und lächelte trotz allem. So schwierig war das gar nicht. Man kann sich für das Glück entscheiden.
Normalerweise machte ihr der Regen nichts aus, aber das hier war zu viel. Ich hätte mir eine trockenere Gegend, zum Beispiel Spanien, aussuchen sollen, dachte sie. Doch Spanien wurde in diesem Jahr heimgesucht von Feuerquallen, Stromausfällen und Wühlmäusen, die die Ernte auffraßen – das hatte sie in der Zeitung gelesen.
Sollte das Wetter nicht besser sein, so kurz vor dem ersten Mai? Sie suchte Zuflucht unter einem rosa blühenden, stark duftenden Rhododendronbusch, um an einem Müsliriegel zu knabbern. Er schmeckte wie Sägemehl, vielleicht weil sie keinen Hunger hatte – den hatte sie nie am Anfang oder Ende einer Liebesgeschichte, am allerwenigsten nach dieser, die eigentlich ewig hätte dauern sollen. Alle waren so sicher gewesen, dass sie und Ethan heiraten würden, dass sie den Brautstrauß bei der Hochzeit im mittelalterlichen Stil fangen würde, der sie im März beiwohnten (die Brautleute liebten nicht nur einander, sondern auch die Gesellschaft für kreativen Anachronismus). Dort hatte er sie, wenn schon nicht direkt am Altar, so doch nur unweit davon entfernt, stehen lassen, neben der schmelzenden Eisskulptur eines Ritters in glänzender Rüstung, eine Pfütze um die Füße, das Schwert kaum mehr als ein Zahnstocher.
»Ich kriege keine Luft«, hatte Ethan nach der Trauung gesagt. Das turmbewehrte Gebäude in Seattles Denny-Regrade-Viertel war für die Feier in ein Schloss verwandelt und mit Gobelins, Standarten und Wappen geschmückt und das bewaldete Anwesen in eine Miniaturversion von Sherwood Forest verwandelt worden. – Eine beeindruckende Szenerie, besonders nach mehreren Krügen Ale.
»Ich verstehe, was du meinst«, flüsterte Kate mit gekünstelt englischem Akzent zurück. »Mein Hüfthalter bringt mich noch um – aber dir steht die Strumpfhose ausnehmend gut.« Vom Festsaal wehte der Geruch von Braten und Gemüse herüber. Sie fragte sich, wie es ihr gelungen war, in diesem Aufzug einen Bissen hinunterzubringen, und sehnte sich nach bequemerer Kleidung, doch die Feier stand nach dem Wunsch der Braut unter einem Motto. Kate fand das abwechselnd amüsant und lächerlich.
»Nein.« Ethan wich ihrem Blick aus. »Ich meine, ich halte das nicht mehr aus.«
»Was?« Sie lächelte weiter, weil sie sich den Abend nicht verderben lassen wollte. »Natürlich können wir gehen, aber Sean ist sicher enttäuscht, wenn du das Ritterturnier verpasst.« Das Gleiche galt für sie selbst, weil sie hoffte, anschließend tanzen zu können. Die Eltern der Braut hatten Dudelsackpfeifer engagiert, die bereits fröhlich vor sich hin spielten. Ein Narr, der mit klingelnder Kappe Purzelbäume den breiten Flur entlang schlug, verfehlte nur knapp eine Ming-Vase von unschätzbarem Wert. Feuerschlucker führten ihre Kunst auf dem Balkon vor. Ob sie sich dabei manchmal die Zunge verbrannten?, fragte sich Kate.
»Nein, ich meine die Sache mit uns.« Er wartete, bis die Worte bei ihr ankamen. »Es ist vorbei. Tut mir leid.« Dann entfernte er sich wankend, was die anderen Gäste sicher dem Alkohol zuschrieben. Bevor er den Ausgang erreichte, klopfte ihm ein Mann auf die Schulter, und wenig später prostete Ethan bereits wieder lachend anderen zu. Er war nicht nur ziemlich robust, sondern wusste auch, dass Kate ihm nicht folgen würde, um ihm eine Szene zu machen.
Sie sah ihn mit offenem Mund an, nicht unähnlich dem gebratenen Schwein im Mittelpunkt des Fests, allerdings ohne Apfel. Hatte das Treuegelübde der Brautleute Ethan aus der Fassung gebracht? Das konnte sie verstehen. Sie würde ihn nicht drängen und sich, wie immer fest mit einer späteren Versöhnung rechnend, von Ella nach Hause bringen lassen.
Sie täuschte sich. Noch am selben Abend zog er zu einem Freund mit der Begründung, er brauche Zeit und Raum zum Nachdenken. Die meisten seiner Habseligkeiten ließ er bei ihr. Wenn sie anrief, war er nie da. Nach einer Weile begann sie daran zu zweifeln, dass er bei dem Freund wohnte. Doch wo sonst sollte er sein? Sie wartete zwei Wochen, bis der Freund endlich Mitleid mit ihr hatte und ihr erzählte, dass Ethan seit Monaten mit dem Model zusammen sei und sich bald verloben wolle. Nicht Ethan und Kate würden also ihre Träume in Manhattan verwirklichen (er in der Finanz-, sie in der Modewelt), sondern Ethan und das Model. Kate blieb ohne Freund und mit nur wenigen Interessenten für ihre erste Modelinie zurück. Ihr Konzept funktioniere einfach nicht, erklärte ihr Agent Jules; sie solle etwas »für ein exklusiveres Marktsegment« probieren. Die einzigen Abnehmer waren zwei kleine örtliche Boutiquen; das Geld, das sie verdiente, deckte kaum ihre Ausgaben, was bedeutete, dass sie im Second-Hand-Laden ihrer besten Freundin Ella Änderungsarbeiten annehmen musste. Doch sie hatte es satt, Säume auszulassen, Knöpfe anzunähen und Knopflöcher zu verstärken, was ihre Kunden mit ein wenig Geduld selbst geschafft hätten. Kates Fingerspitzen waren wund von der Arbeit; sie hatte Näherinnenhände wie ihre Mutter.
Ich muss hier weg, teilte sie Ella mit. Nicht von dem Laden, sondern von der Stadt, dem Bundesstaat, dem Land. Nach Irland, in die grüne Heimat ihrer Vorfahren, das Land der Regenbogen, der Magie, der Kobolde und märchenhaften Goldtöpfe.
Kate und ihre Mutter hatten gemeinsam fahren wollen, doch dann war ihre Mutter an Krebs gestorben und hatte ihr ein kleines Erbe hinterlassen, damit Kate allein reisen könne. Daraufhin hatten Kate und Ethan einen Europatrip mit Abstecher nach Irland ins Auge gefasst, den Kate letztlich als Flitterwochen verstand, Ethan jedoch offenbar nicht.
Und nun war sie hier, auf der anderen Seite der Welt, und wanderte diese Straße voller Schlaglöcher entlang, die weiß Gott wohin führte. Dabei versuchte sie zu vergessen, wie Ethans Haare ihm morgens nach dem Aufstehen vom Kopf abstanden, wie er Kaffee kochte und den Toast verkokelte und aus wie vielen Farben seine Augen bestanden – Grün und Gold und Braun und Blau. Solche Augen hatte sie noch nie gesehen. Ihnen war sie sieben Jahre zuvor im College-Literaturkurs verfallen, wo er ihr eine Frage über Thomas Hardy stellte. War das ein schlechtes Omen gewesen? Sie hatte eine ganze Weile gewartet, bis er sich endlich für sie entschied, an dem Abend, an dem sie zu viel tranken, miteinander ins Bett fielen und unzertrennlich wurden.
Nächstes Mal würde sie besser aufpassen und sich nur noch auf einen Mann einlassen, der sich nüchtern in sie verliebte. Auf einen Mann mit soliden, zuverlässigen Augen, die sich mit einer Farbe begnügten, zum Beispiel Braun. Vorausgesetzt, sie hatte jemals wieder genug Selbstvertrauen, es mit jemandem zu versuchen.
Plötzlich Gebimmel auf dieser irischen Straße. War sie tot, erfroren? Waren das die Glocken der himmlischen Heerscharen oder von Feen? Oder die des Narren von der Hochzeit, der sich über sie lustig machen wollte? Oder von einem Mörder, der sie mit einer rasselnden Kette im Straßengraben umbringen würde, was Ethan, wenn er irgendwann davon erführe, um sie trauern ließe?
Nein, sie war nicht berühmt genug für das Interesse der Medien. Sie wäre lediglich eine Fußnote bei den Nachrufen des Seattle-Post-Intelligencer wert: Aufstrebende örtliche Modeschöpferin stirbt auf einsamer irischer Landstraße. Kate verbarg sich hinter den Büschen.
Pferdeschnauben, Hufgeklapper. Dann tauchte ein bunt bemaltes Fuhrwerk auf, eine Art Planwagen in leuchtenden Rot-, Gelb- und Grüntönen. Ein stämmiger Mann hielt die Zügel des dicksten Gauls in den Händen, der ihr je zu Gesicht gekommen war. Der Mann und sein Wagen sahen aus, als wären sie einem Märchen oder dem Yellow Submarine der Beatles entsprungen.
Sie starrten einander mit großen Augen durch die Blätter der Büsche hindurch an. »Noch nicht vom Regen weggespült?«
Sie schüttelte den Kopf. Dabei wurde sie von oben bis unten nass, denn die Tropfen klatschten von den Zweigen auf ihre Kapuze, als wollten sie applaudieren.
»Wo soll’s hingehen?« Er trug eine Segeltuchjacke, Jeans und nagelneue Sneakers; seine Haut war cognacfarben und von tiefen Falten durchzogen. Sein Gesicht besaß eine natürliche Offenheit, der sie zu Hause nur selten begegnet war.
»Irgendwohin, wo’s trocken ist«, antwortete sie mit müdem Lächeln und senkte den Blick ein wenig.
»Hinter den Büschen werden Sie da wohl kaum Erfolg haben – auch wenn die Blätter Ihnen gut zu Gesicht stehen.«
Kate ließ die Finger über eine Geißblattranke gleiten. »Der Pflanzenlook ist diese Saison in.« Sie spürte, wie sie rot wurde.
»Tatsächlich? Da bekommt das irische Grün doch gleich eine ganz neue Bedeutung.« Er schnippte das Wasser von seiner Hutkrempe. »Wollen Sie mitfahren?«
Sie wischte Flechten von ihrer Jacke, um Zeit zu gewinnen. Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie ihm vertrauen konnte. Außerdem musste sie sich vergegenwärtigen, in welcher Lage sie sich befand: Hier gab es nur die Straße, die Schafe und den Regen – und diesen Mann, der ihr möglicherweise eine angenehme Alternative bot. Es war Zeit, ein Risiko einzugehen.
»Bei dem Wetter können Sie jedenfalls nicht mehr lange draußen bleiben«, fuhr er fort. »Sonst holen Sie sich den Tod.«
Kate stellte sich vor, wie die tragische Heldin eines viktorianischen Romans ihr Leben auszuhauchen. Sie streckte die Hand aus, ~ ng darin Regentropfen auf und drehte sie um, so dass sie auf den Boden fielen.
»Dann kommen Sie mal rauf hier.« Er klopfte auf den Sitz neben sich. »Ich kann Gesellschaft brauchen.«
Copyright © der Originalausgabe 2009 by Heather Barbieri
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2009 by Page & Turner/Wilhelm Goldmann Verlag, München
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Autoren-Porträt von Heather Barbieri
Heather Barbieri verfasste Kurzgeschichten, die in bekannten amerikanischen Anthologien veröffentlicht wurden und für die sie mehrere Preise gewann. Heather Barbieri, die von irischen Einwanderern abstammt, lebt zusammen mit ihrem Mann und drei Kindern in Seattle, Washington.
Bibliographische Angaben
- Autor: Heather Barbieri
- 2009, 1, 287 Seiten, Maße: 14,2 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Deutsch v. Sonja Hauser
- Übersetzer: Sonja Hauser
- Verlag: Page & Turner
- ISBN-10: 3442203546
- ISBN-13: 9783442203543
Rezension zu „Rückkehr nach Glenmara “
"»Rückkehr nach Glenmara« ist ein köstlich geschriebener charmanter und berührender Roman."
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