Sehnsucht nach deiner Zärtlichkeit
Roman
Als Tina und Colin sich auf Hawaii kennenlernen, entwickelt sich eine wunderbare Romanze. Aber dann erfährt Tina, dass Colin ein dunkles Geheimnis verbirgt: Colin soll seine eigene Frau ermordet haben.
Zum ZDF-Sonntagsfilm im April 2010.
Zum ZDF-Sonntagsfilm im April 2010.
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Taschenbuch
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Sehnsucht nach deiner Zärtlichkeit “
Als Tina und Colin sich auf Hawaii kennenlernen, entwickelt sich eine wunderbare Romanze. Aber dann erfährt Tina, dass Colin ein dunkles Geheimnis verbirgt: Colin soll seine eigene Frau ermordet haben.
Zum ZDF-Sonntagsfilm im April 2010.
Zum ZDF-Sonntagsfilm im April 2010.
Klappentext zu „Sehnsucht nach deiner Zärtlichkeit “
Von Vorschriften hat Tina Fielding noch nie viel gehalten. Und so klettert sie jeden Morgen heimlich über einen Zaun und geht an einem der schönsten Privatstrände Hawaiis schwimmen. Bis sie eines Tages erwischt wird: Ein sehr attraktiver, aber leider auch sehr aufgebrachter Mann fordert sie auf, das Gelände umgehend zu verlassen. Der ungewöhnliche Beginn einer wundervollen Romanze: Je mehr Zeit Tina mit Colin Channing verbringt, desto tiefer, zärtlicher werden ihre Gefühle für ihn. Und ihr Herz sagt ihr bald deutlich, dass es ihm ähnlich geht. Aber dann beginnt sich Colin aus heiterem Himmel von ihr zurückzuziehen.Tina ahnt nicht, dass Colin ein dunkles Geheimnis verbirgt. In wenigen Tagen beginnt gegen ihn ein Mordprozess: Er soll seine eigene Ehefrau umgebracht haben
Lese-Probe zu „Sehnsucht nach deiner Zärtlichkeit “
Sehnsucht nach deiner Zärtlichkeit von Emilie Richards 1. KAPITEL ... mehr
Mit ausgebreiteten Armen stand Tina Fielding früh am Strand und begrüßte die aufgehende Sonne. Zögernd zeigten sich die ersten rotgoldenen Strahlen. Seit ihrer Ankunft auf den Inseln von Hawaii vor drei Monaten hatte Tina dieses Ritual nicht ein einziges Mal versäumt. Sie erinnerte sich an den ersten Morgen, an dem sie auf dem Balkon ihres Wolkenkratzerhotels in Waikiki gestanden und zugeschaut hatte, wie die Häuser von Oahu im leuchtenden Gold der Morgensonne glänzten. Damals hatte sie geglaubt, es könne auf der ganzen Welt nichts Schöneres geben. Inzwischen wusste sie, dass sie sich geirrt hatte. Dieser Strand, an dem sie jetzt stand, meilenweit von Waikiki entfernt, war das Schönste, was sie je gesehen hatte. Das Sonnenlicht fiel auf Palmen und Berge, funkelte auf dem klaren blauen Wasser, ließ exotische Blumen aufleuchten und ergoss sich über den weißen Sand der endlosen, einsamen Strände. Das einzige von Menschenhand geschaffene Werk hier war ein niedriges Gebäude, das sich der Landschaft in vollkommener Harmonie anpasste. Es stand auf der östlichen Seite der Insel Oahu und war jetzt Tinas Heimat. Tina stammte ursprünglich aus Kansas. Sie liebte diesen amerikanischen Bundesstaat mit seinen endlosen Ebenen, auf denen Mais und Weizen wuchsen. Die Menschen dort waren freundlich, an harte Arbeit gewöhnt und hielten viel von guter Nachbarschaft. Es gab nichts an Kansas, das Tina nicht gefiel. Es war auch nicht so, dass sie Hawaii mehr liebte. Aber im Moment wurde sie hier, in dem kleinen Aikane-Hotel an der Bucht von Onamahu, dringend gebraucht. Und dieses Gefühl des Gebrauchtwerdens war ihrer Überzeugung nach das, was dem Leben seinen Sinn gab. "Ich dachte doch, dass ich dich hier finden würde." Tina drehte sich überrascht um und schlang im nächsten Augenblick die Arme voller Zuneigung um die rundliche Frau, die unbemerkt hinter sie getreten war. Ebenso abrupt löste Tina sich wieder von ihr, trat einen Schritt zurück und sah sie vorwurfsvoll an. "Deborah, warum schleichst du dich so an die Leute heran?" "Wenn du sechs Kinder hättest, würdest du das auch gelernt haben. Nur so erfährt man, was vor sich geht." Tina lachte. "Ich ziehe zwar nur zwei groß, aber ich weiß schon, was du meinst. Dabei fällt mir ein: Hast du Robin und Lissie mitgebracht?" "Nein, die schlafen noch. Sie kommen später nach." "Was ist mit dem Frühstück?" Deborah stemmte gekränkt die Hände in die ausladenden Hüften, wodurch sich der Stoff ihres rot und grün gemusterten Muumuu des zur Tracht der Bewohner von Hawaii gehörenden langen Gewandes aufbauschte. "Habe ich mich jemals damit verspätet?" "Ich wollte doch nur herausfinden, was es heute gibt."
Deborah lächelte versöhnt. In ihrer Welt existierten nur ganz gute oder ganz böse Menschen. Entweder mochte sie jemanden von vornherein, oder sie lehnte ihn sofort ab. Es gab für sie kaum etwas, das dazwischen lag, und sie änderte ihre Meinung nur selten. Tina gehörte zu den Menschen, die Deborah sofort in ihr Herz geschlossen hatte. Sie gefiel ihr sehr. Tina hatte ihr Leben in Kansas aufgegeben und war nach Hawaii gekommen, um hier für ihre Stiefschwester und ihren Stiefbruder zu sorgen, obwohl sie die beiden nie gesehen und bis vor kurzer Zeit überhaupt nichts von deren Existenz gewusst hatte. Jetzt leitete Tina mit großem Geschick das Aikane-Hotel und war schon nach kurzer Zeit bei allen Gästen außerordentlich beliebt. Sie war stets heiter und gut gelaunt und besaß sehr viel Charme. Auch Deborah war diesem Charme sofort erlegen. Schon nach dem ersten Kennenlernen wäre sie bereit gewesen, alles für ihre neue Freundin zu tun. Davon war sie selbst zunächst etwas überrascht gewesen, hatte dann aber nicht mehr weiter darüber nachgedacht. "Es gibt Tee, heißes Kokosnussbrot, Obstsalat und weichgekochte Eier", verriet Deborah. "Dann habe ich mich nicht getäuscht, als ich heute Morgen aufwachte und das Gefühl hatte, im Paradies zu sein." "Oh, ich bin sicher, dass du dieses Gefühl auch in Sibirien hättest. Nach dem Aufwachen wärest du sicher froh darüber, einen Schneemann bauen zu können." Deborah machte sich auf den Weg zurück zum Hotel. "Wenn ich mich nicht beeile, fällt noch das Frühstück aus." "Habe ich dir jemals gesagt, wie froh ich bin, dass du unsere Chefköchin werden wolltest?", rief Tina ihr nach. "Jeden Tag." Tina beobachtete, wie Deborah in dem nächstgelegenen Flügel des wie ein großes U gebauten Hotelkomplexes verschwand. Sie bewegte sich beinahe anmutig, und ihre stattliche Figur, die dunkle Haut, das üppige schwarze Haar hatten in Tina immer den Eindruck erweckt, einer der früheren Königinnen von Hawaii gegenüberzustehen. Deborah war für sie ein Teil des ursprünglichen Hawaii, von dem leider fast nichts geblieben war. Tina wandte sich wieder dem Anblick der aufgehenden Sonne zu und schätzte die Zeit ab. Ein Teil ihres morgendlichen Rituals lag noch vor ihr. Sie musste jeden Tag hart arbeiten, um das Hotel in Schwung zu halten. Eine Vielzahl von kleinen und größeren Schwierigkeiten war zu überwinden, Wünsche der Hotelgäste waren zu erfüllen, manchmal auch Streitereien zu schlichten. Daneben hatte sie die anstrengende Rolle einer Ersatzmutter für den zehnjährigen Robin und die achtjährige Lissie zu spielen. Es war ein aufreibendes, verantwortungsvolles Leben. Deshalb hatte sie es sich zur Regel gemacht, jeden Morgen eine gewisse Zeit für sich zu reservieren und den Tag bei Sonnenaufgang am Meer entspannt zu beginnen. Außerdem hatte sie einen herrlichen kleinen Privatstrand in der Nähe entdeckt, an dem sie ganz allein schwimmen konnte. Es störte sie auch nicht, dass sie einen Metallzaun überklettern und ein üppig bewachsenes Privatgrundstück überqueren musste, um an den Strand zu gelangen. Das hatte sie nun schon seit einigen Wochen getan. Es gab ein Gesetz, nach dem jeder Strand auf Hawaii bis zur Hochwasserlinie öffentlich war. Der Zugang durfte nicht versperrt werden. Der Strand, der zu dem Grundstück der Watsons gehörte, war zwar für jedermann zugänglich, aber nur über einen Weg, der über zerklüftete Felsen führte. Es war nicht ungefährlich, diesen Weg zu gehen, und erforderte einiges Geschick. So war es bequemer, den illegalen Weg zum Strand einzuschlagen. Tina war bisher jeden Morgen einige hundert Meter gewandert und dann über den Zaun geklettert. Verglichen mit dem alten Weidenbaum vor dem Fenster ihres Schlafzimmers in Kansas, auf den sie oft gestiegen war, war dieser Zaun ein Kinderspiel für sie. Während der ersten Wochen war auch alles gutgegangen, und niemand hatte sie überrascht. Sie wäre wahrscheinlich auch weiterhin nicht aufgefallen, wenn sie sich nicht eines Tages mit ihrem Lieblingsmuumuu an der Spitze einer Zaunstange verfangen hätte.
Der Verwalter des Grundstücks, ein freundlicher alter Mann, hatte sie entdeckt und ihr geholfen, sich zu befreien. Er war ihr gegenüber sehr nett gewesen. Ganz beiläufig hatte er erwähnt, dass er seine Runde jeden Morgen gegen acht Uhr beginne. "Was sich hier vor acht abspielt, wird in meinen Berichten an Mr. Watson nicht erwähnt", hatte er gesagt, mit dem Finger grüßend gegen den Rand seines verbeulten Strohhuts getippt und war in dem dichten tropischen Buschwerk verschwunden. Tina hatte ihn seither nur noch einmal gesehen. Er hatte eines Morgens um sieben Uhr am Tor auf sie gewartet und ihr erzählt, dass Mr. Watson mit einigen Gästen angekommen sei. Und ihr zu verstehen gegeben, für einige Zeit an einen anderen Strand Schwimmen zu gehen. Tina hatte es geschafft, sich zwei Wochen von Mr. Watsons Grundstück fernzuhalten, hatte dann aber jede Vorsicht außer acht gelassen und seit etwa vier Wochen ihre Besuche über den Zaun wieder aufgenommen, ohne dass etwas passiert war. Auch jetzt machte sie gerade Anstalten, über den Zaun zu klettern. Sie zog den Saum des Muumuu hoch, legte den unteren Teil zu zwei Schwänzen zusammen und verknotete sie sorgfältig um die Taille. Unter dem Gewand trug sie einen einteiligen Badeanzug. Der Zaun war eigentlich dafür gedacht, die Grenze des Grundstücks zu markieren, nicht aber, Eindringlinge fernzuhalten. In wenigen Sekunden hatte Tina ihn mühelos überwunden und stand auf der anderen Seite. Sie war in einem Meer stark duftender Blütenpflanzen gelandet. Tina sog immer wieder genießerisch die Luft ein, bis sie fast benommen war. Sie pflückte eine rosa Blüte von einem Hibiskusstrauch und steckte sie sich ins Haar, während sie zum Strand hinunterwanderte. Die Knoten des Muumuu hatte sie wieder gelöst, und das Gewand schwang locker um ihre Beine. Tina gab sich bewusst Mühe, mit derselben Anmut wie Deborah zu schreiten. Obwohl Tina bereits dreiundzwanzig war, hatte sie immer noch die lebhafte Fantasie eines Kindes. Während sie so durch die Büsche strich, war sie plötzlich eine polynesische Prinzessin, die in einem tropischen Paradies den geliebten Prinzen erwartet. Als sie sich dem Strand näherte, war sie ein kleines Mädchen, das zum ersten Mal das Meer erblickt. Und nachdem sie den Muumuu abgelegt hatte und in die Wellen tauchte, fühlte sie sich wie eine Meeresgöttin. In Wirklichkeit blieb sie weiterhin Tina Fielding, teils Frau, teils Kind, teils Wassergeist. Sie hätte sich auch nie gewünscht, etwas anderes zu sein. Nicholas Chandler saß auf der Veranda im ersten Stock des Landhauses, das George Watson gehörte. Nicholas war von dem sehnlichen Wunsch erfüllt, jemand anders sein zu können, egal wer. Er saß inmitten eines Paradieses, aber er hätte mit jedem getauscht, dessen Name nicht Nicholas Chandler war. Natürlich gab es eine Menge Leute, die auf diesen Tausch sofort eingehen würden, wenn sie die Gelegenheit dazu bekämen. "Was auch immer an Nicholas Chandlers Lage auszusetzen ist, mit einigen seiner Millionen wäre sie erträglich", würden sie sagen. Aber das war ein gewaltiger Irrtum. Es gab Dinge, die man nicht mit Geld kaufen konnte einen guten Ruf, zum Beispiel, oder inneren Frieden, Freiheit. Nicholas stand auf und trat an die Brüstung der Veranda. Er blickte auf die Bucht von Onamahu hinaus und beobachtete fasziniert, wie das Sonnenlicht auf dem Wasser funkelte. Später am Tag würden am Horizont immer mehr windgeblähte Segel auftauchen. Schwimmer und Surfer würden in der Brandung tollen. Doch an dem kleinen Strand, der zu Georges Watsons Grundstück gehörte, würde niemand schwimmen. Der gute George hatte ein Stück Land gekauft, dessen Strand nur für sehr kühne Besucher zugänglich war. Das Grundstück lag so abgeschieden, wie es auf Oahu nur möglich war. Nicholas hätte ebenso gut auf einer einsamen Insel sein können. Diese Aussicht auf völlige Abgeschiedenheit hatte Nicholas dazu bewogen, auf Georges Angebot einzugehen, hier einige Zeit allein zu verbringen. Hawaii war der Ort, an dem er von seiner Heimatstadt am weitesten entfernt war, ohne die Vereinigten Staaten zu verlassen. Denn diese durfte er nicht verlassen.
Es war inzwischen zwar schon drei Wochen her, aber immer noch hörte Nicholas die Worte des Bezirksstaatsanwalts in Boston: "Versuchen Sie nicht, das Land zu verlassen, Chandler. Sie sind noch nicht frei. Und wenn es nach mir geht, werden Sie das auch nie mehr sein." So war Nicholas nun hier, umgeben von Blumen, deren Namen er nicht kannte, in der Sonne allein mit seinen Erinnerungen. Wenn er Glück hatte, würden diese Erinnerungen allmählich verblassen. Doch er wusste, dass er sie nie ganz vergessen, dass sie ihn bis an sein Lebensende verfolgen würden. Eine Begegnung am Strand erregte seine Aufmerksamkeit. Er glaubte, eine schlanke Frau am Wasser gesehen zu haben, war sich aber nicht sicher. Nicholas ging die Verandatreppe zum Rasen hinunter und schlenderte zum Strand. Niemand war zu sehen. Er war jetzt sicher, dass seine Einbildungskraft ihm einen Streich gespielt hatte. War er schon so weit, dass er das Bild einer Frau heraufbeschwören musste, die plötzlich auftauchen würde, um alle seine Probleme zu lösen? Nicholas erinnerte sich daran, dass er einem Dasein in Einsamkeit den Vorzug gegeben hatte. Es war jedenfalls einem Leben vorzuziehen, in dem es von Reportern wimmelte. Alleinsein war besser, als in den Gesichtern der angeblichen Freunde zu lesen, wie sie ihn verurteilten. Einsamkeit war ein heilsamer, gesunder Zustand, an dem nichts auszusetzen war. Nicholas blickte auf das Meer hinaus. Falls jemand am Strand gewesen sein sollte, war er sicher inzwischen weit hinausgeschwommen. Die Onamahubucht war gegen die stärkste Brandung geschützt, und an diesem Sommermorgen waren die Wellen besonders sanft. Erst in den kommenden Wintermonaten würde auch hier eine wilde Brandung tosen. Falls jetzt jemand da draußen schwamm, wäre er aus der Ferne nicht mehr zu erkennen. Nicholas wollte gerade wieder auf die Veranda zurückkehren, da wurde ihm etwas bewusst. Wenn dort eine Frau schwamm, war sie auf jeden Fall ein Eindringling in seine Privatsphäre. Er konnte sie zwar nicht daran hindern, im Meer zu schwimmen. Doch zum Strand konnte sie nur über Watsons Grundstück gelangt sein, also widerrechtlich. Nicholas verglich Eindringlinge stets mit Kaninchen. Wenn man sie gewähren ließ, vermehrten sie sich mit Lichtgeschwindigkeit. In Nicholas' jetziger Lage war es angebracht, jede Auseinandersetzung zu vermeiden. Doch noch wichtiger war ihm, hier nicht gestört zu werden. Wenn das Grundstück seines Freundes erst zum Tummelplatz für Touristen oder Einheimische wurde, die einen ruhigen Platz zum Schwimmen suchten, dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis ihn jemand sah, erkannte und die Presse auf ihn hetzte. Diese Vorstellung versetzte Nicholas in Wut. Die traurige Gleichgültigkeit, die ihn seit Wochen erfüllt hatte, war verschwunden. Wenn dort draußen eine Frau schwamm, musste er dafür sorgen, dass sie nie wiederkam. Dieses Grundstück sollte seine alleinige Oase sein, einen ganzen Monat lang. Er wollte sie nicht mit einer Fremden teilen, die sein Leben wieder der unbarmherzigen Öffentlichkeit ausliefern könnte. Nicholas reckte die Schultern und marschierte entschlossen zum Strand.
MIRA Taschenbuch Band 25469 © 1987 BY EMILIE RICHARDS MCGEE Originaltitel: Aloha Always Übersetzung: Charlotte Korber
Deborah lächelte versöhnt. In ihrer Welt existierten nur ganz gute oder ganz böse Menschen. Entweder mochte sie jemanden von vornherein, oder sie lehnte ihn sofort ab. Es gab für sie kaum etwas, das dazwischen lag, und sie änderte ihre Meinung nur selten. Tina gehörte zu den Menschen, die Deborah sofort in ihr Herz geschlossen hatte. Sie gefiel ihr sehr. Tina hatte ihr Leben in Kansas aufgegeben und war nach Hawaii gekommen, um hier für ihre Stiefschwester und ihren Stiefbruder zu sorgen, obwohl sie die beiden nie gesehen und bis vor kurzer Zeit überhaupt nichts von deren Existenz gewusst hatte. Jetzt leitete Tina mit großem Geschick das Aikane-Hotel und war schon nach kurzer Zeit bei allen Gästen außerordentlich beliebt. Sie war stets heiter und gut gelaunt und besaß sehr viel Charme. Auch Deborah war diesem Charme sofort erlegen. Schon nach dem ersten Kennenlernen wäre sie bereit gewesen, alles für ihre neue Freundin zu tun. Davon war sie selbst zunächst etwas überrascht gewesen, hatte dann aber nicht mehr weiter darüber nachgedacht. "Es gibt Tee, heißes Kokosnussbrot, Obstsalat und weichgekochte Eier", verriet Deborah. "Dann habe ich mich nicht getäuscht, als ich heute Morgen aufwachte und das Gefühl hatte, im Paradies zu sein." "Oh, ich bin sicher, dass du dieses Gefühl auch in Sibirien hättest. Nach dem Aufwachen wärest du sicher froh darüber, einen Schneemann bauen zu können." Deborah machte sich auf den Weg zurück zum Hotel. "Wenn ich mich nicht beeile, fällt noch das Frühstück aus." "Habe ich dir jemals gesagt, wie froh ich bin, dass du unsere Chefköchin werden wolltest?", rief Tina ihr nach. "Jeden Tag." Tina beobachtete, wie Deborah in dem nächstgelegenen Flügel des wie ein großes U gebauten Hotelkomplexes verschwand. Sie bewegte sich beinahe anmutig, und ihre stattliche Figur, die dunkle Haut, das üppige schwarze Haar hatten in Tina immer den Eindruck erweckt, einer der früheren Königinnen von Hawaii gegenüberzustehen. Deborah war für sie ein Teil des ursprünglichen Hawaii, von dem leider fast nichts geblieben war. Tina wandte sich wieder dem Anblick der aufgehenden Sonne zu und schätzte die Zeit ab. Ein Teil ihres morgendlichen Rituals lag noch vor ihr. Sie musste jeden Tag hart arbeiten, um das Hotel in Schwung zu halten. Eine Vielzahl von kleinen und größeren Schwierigkeiten war zu überwinden, Wünsche der Hotelgäste waren zu erfüllen, manchmal auch Streitereien zu schlichten. Daneben hatte sie die anstrengende Rolle einer Ersatzmutter für den zehnjährigen Robin und die achtjährige Lissie zu spielen. Es war ein aufreibendes, verantwortungsvolles Leben. Deshalb hatte sie es sich zur Regel gemacht, jeden Morgen eine gewisse Zeit für sich zu reservieren und den Tag bei Sonnenaufgang am Meer entspannt zu beginnen. Außerdem hatte sie einen herrlichen kleinen Privatstrand in der Nähe entdeckt, an dem sie ganz allein schwimmen konnte. Es störte sie auch nicht, dass sie einen Metallzaun überklettern und ein üppig bewachsenes Privatgrundstück überqueren musste, um an den Strand zu gelangen. Das hatte sie nun schon seit einigen Wochen getan. Es gab ein Gesetz, nach dem jeder Strand auf Hawaii bis zur Hochwasserlinie öffentlich war. Der Zugang durfte nicht versperrt werden. Der Strand, der zu dem Grundstück der Watsons gehörte, war zwar für jedermann zugänglich, aber nur über einen Weg, der über zerklüftete Felsen führte. Es war nicht ungefährlich, diesen Weg zu gehen, und erforderte einiges Geschick. So war es bequemer, den illegalen Weg zum Strand einzuschlagen. Tina war bisher jeden Morgen einige hundert Meter gewandert und dann über den Zaun geklettert. Verglichen mit dem alten Weidenbaum vor dem Fenster ihres Schlafzimmers in Kansas, auf den sie oft gestiegen war, war dieser Zaun ein Kinderspiel für sie. Während der ersten Wochen war auch alles gutgegangen, und niemand hatte sie überrascht. Sie wäre wahrscheinlich auch weiterhin nicht aufgefallen, wenn sie sich nicht eines Tages mit ihrem Lieblingsmuumuu an der Spitze einer Zaunstange verfangen hätte.
Der Verwalter des Grundstücks, ein freundlicher alter Mann, hatte sie entdeckt und ihr geholfen, sich zu befreien. Er war ihr gegenüber sehr nett gewesen. Ganz beiläufig hatte er erwähnt, dass er seine Runde jeden Morgen gegen acht Uhr beginne. "Was sich hier vor acht abspielt, wird in meinen Berichten an Mr. Watson nicht erwähnt", hatte er gesagt, mit dem Finger grüßend gegen den Rand seines verbeulten Strohhuts getippt und war in dem dichten tropischen Buschwerk verschwunden. Tina hatte ihn seither nur noch einmal gesehen. Er hatte eines Morgens um sieben Uhr am Tor auf sie gewartet und ihr erzählt, dass Mr. Watson mit einigen Gästen angekommen sei. Und ihr zu verstehen gegeben, für einige Zeit an einen anderen Strand Schwimmen zu gehen. Tina hatte es geschafft, sich zwei Wochen von Mr. Watsons Grundstück fernzuhalten, hatte dann aber jede Vorsicht außer acht gelassen und seit etwa vier Wochen ihre Besuche über den Zaun wieder aufgenommen, ohne dass etwas passiert war. Auch jetzt machte sie gerade Anstalten, über den Zaun zu klettern. Sie zog den Saum des Muumuu hoch, legte den unteren Teil zu zwei Schwänzen zusammen und verknotete sie sorgfältig um die Taille. Unter dem Gewand trug sie einen einteiligen Badeanzug. Der Zaun war eigentlich dafür gedacht, die Grenze des Grundstücks zu markieren, nicht aber, Eindringlinge fernzuhalten. In wenigen Sekunden hatte Tina ihn mühelos überwunden und stand auf der anderen Seite. Sie war in einem Meer stark duftender Blütenpflanzen gelandet. Tina sog immer wieder genießerisch die Luft ein, bis sie fast benommen war. Sie pflückte eine rosa Blüte von einem Hibiskusstrauch und steckte sie sich ins Haar, während sie zum Strand hinunterwanderte. Die Knoten des Muumuu hatte sie wieder gelöst, und das Gewand schwang locker um ihre Beine. Tina gab sich bewusst Mühe, mit derselben Anmut wie Deborah zu schreiten. Obwohl Tina bereits dreiundzwanzig war, hatte sie immer noch die lebhafte Fantasie eines Kindes. Während sie so durch die Büsche strich, war sie plötzlich eine polynesische Prinzessin, die in einem tropischen Paradies den geliebten Prinzen erwartet. Als sie sich dem Strand näherte, war sie ein kleines Mädchen, das zum ersten Mal das Meer erblickt. Und nachdem sie den Muumuu abgelegt hatte und in die Wellen tauchte, fühlte sie sich wie eine Meeresgöttin. In Wirklichkeit blieb sie weiterhin Tina Fielding, teils Frau, teils Kind, teils Wassergeist. Sie hätte sich auch nie gewünscht, etwas anderes zu sein. Nicholas Chandler saß auf der Veranda im ersten Stock des Landhauses, das George Watson gehörte. Nicholas war von dem sehnlichen Wunsch erfüllt, jemand anders sein zu können, egal wer. Er saß inmitten eines Paradieses, aber er hätte mit jedem getauscht, dessen Name nicht Nicholas Chandler war. Natürlich gab es eine Menge Leute, die auf diesen Tausch sofort eingehen würden, wenn sie die Gelegenheit dazu bekämen. "Was auch immer an Nicholas Chandlers Lage auszusetzen ist, mit einigen seiner Millionen wäre sie erträglich", würden sie sagen. Aber das war ein gewaltiger Irrtum. Es gab Dinge, die man nicht mit Geld kaufen konnte einen guten Ruf, zum Beispiel, oder inneren Frieden, Freiheit. Nicholas stand auf und trat an die Brüstung der Veranda. Er blickte auf die Bucht von Onamahu hinaus und beobachtete fasziniert, wie das Sonnenlicht auf dem Wasser funkelte. Später am Tag würden am Horizont immer mehr windgeblähte Segel auftauchen. Schwimmer und Surfer würden in der Brandung tollen. Doch an dem kleinen Strand, der zu Georges Watsons Grundstück gehörte, würde niemand schwimmen. Der gute George hatte ein Stück Land gekauft, dessen Strand nur für sehr kühne Besucher zugänglich war. Das Grundstück lag so abgeschieden, wie es auf Oahu nur möglich war. Nicholas hätte ebenso gut auf einer einsamen Insel sein können. Diese Aussicht auf völlige Abgeschiedenheit hatte Nicholas dazu bewogen, auf Georges Angebot einzugehen, hier einige Zeit allein zu verbringen. Hawaii war der Ort, an dem er von seiner Heimatstadt am weitesten entfernt war, ohne die Vereinigten Staaten zu verlassen. Denn diese durfte er nicht verlassen.
Es war inzwischen zwar schon drei Wochen her, aber immer noch hörte Nicholas die Worte des Bezirksstaatsanwalts in Boston: "Versuchen Sie nicht, das Land zu verlassen, Chandler. Sie sind noch nicht frei. Und wenn es nach mir geht, werden Sie das auch nie mehr sein." So war Nicholas nun hier, umgeben von Blumen, deren Namen er nicht kannte, in der Sonne allein mit seinen Erinnerungen. Wenn er Glück hatte, würden diese Erinnerungen allmählich verblassen. Doch er wusste, dass er sie nie ganz vergessen, dass sie ihn bis an sein Lebensende verfolgen würden. Eine Begegnung am Strand erregte seine Aufmerksamkeit. Er glaubte, eine schlanke Frau am Wasser gesehen zu haben, war sich aber nicht sicher. Nicholas ging die Verandatreppe zum Rasen hinunter und schlenderte zum Strand. Niemand war zu sehen. Er war jetzt sicher, dass seine Einbildungskraft ihm einen Streich gespielt hatte. War er schon so weit, dass er das Bild einer Frau heraufbeschwören musste, die plötzlich auftauchen würde, um alle seine Probleme zu lösen? Nicholas erinnerte sich daran, dass er einem Dasein in Einsamkeit den Vorzug gegeben hatte. Es war jedenfalls einem Leben vorzuziehen, in dem es von Reportern wimmelte. Alleinsein war besser, als in den Gesichtern der angeblichen Freunde zu lesen, wie sie ihn verurteilten. Einsamkeit war ein heilsamer, gesunder Zustand, an dem nichts auszusetzen war. Nicholas blickte auf das Meer hinaus. Falls jemand am Strand gewesen sein sollte, war er sicher inzwischen weit hinausgeschwommen. Die Onamahubucht war gegen die stärkste Brandung geschützt, und an diesem Sommermorgen waren die Wellen besonders sanft. Erst in den kommenden Wintermonaten würde auch hier eine wilde Brandung tosen. Falls jetzt jemand da draußen schwamm, wäre er aus der Ferne nicht mehr zu erkennen. Nicholas wollte gerade wieder auf die Veranda zurückkehren, da wurde ihm etwas bewusst. Wenn dort eine Frau schwamm, war sie auf jeden Fall ein Eindringling in seine Privatsphäre. Er konnte sie zwar nicht daran hindern, im Meer zu schwimmen. Doch zum Strand konnte sie nur über Watsons Grundstück gelangt sein, also widerrechtlich. Nicholas verglich Eindringlinge stets mit Kaninchen. Wenn man sie gewähren ließ, vermehrten sie sich mit Lichtgeschwindigkeit. In Nicholas' jetziger Lage war es angebracht, jede Auseinandersetzung zu vermeiden. Doch noch wichtiger war ihm, hier nicht gestört zu werden. Wenn das Grundstück seines Freundes erst zum Tummelplatz für Touristen oder Einheimische wurde, die einen ruhigen Platz zum Schwimmen suchten, dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis ihn jemand sah, erkannte und die Presse auf ihn hetzte. Diese Vorstellung versetzte Nicholas in Wut. Die traurige Gleichgültigkeit, die ihn seit Wochen erfüllt hatte, war verschwunden. Wenn dort draußen eine Frau schwamm, musste er dafür sorgen, dass sie nie wiederkam. Dieses Grundstück sollte seine alleinige Oase sein, einen ganzen Monat lang. Er wollte sie nicht mit einer Fremden teilen, die sein Leben wieder der unbarmherzigen Öffentlichkeit ausliefern könnte. Nicholas reckte die Schultern und marschierte entschlossen zum Strand.
MIRA Taschenbuch Band 25469 © 1987 BY EMILIE RICHARDS MCGEE Originaltitel: Aloha Always Übersetzung: Charlotte Korber
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Autoren-Porträt von Emilie Richards
Die erfolgreiche Autorin Emilie Richards hat Familienpsychologie studiert, und so sind auch Familien das zentrale Thema in ihren viel gelesenen, spannenden Romanen. Emilie Richards ist mit einem Pfarrer verheiratet, verbrachte mehrere Jahre in Australien und wohnt heute in den USA.
Bibliographische Angaben
- Autor: Emilie Richards
- 2010, 188 Seiten, Maße: 12,4 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Corber, Charlotte
- Übersetzer: Charlotte Corber
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3899417666
- ISBN-13: 9783899417661
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