Jean Paul: Siebenkäs
Im ersten Eheroman der deutschen Literaturgeschichte problematisiert Jean Paul zugleich die Idee der Unsterblichkeit angesichts des aufkommenden Atheismus. Der Kontrast psychologisch-realistischer Details und philosophischer Ideen ist ein Charakteristikum...
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Klappentext zu „Jean Paul: Siebenkäs “
Im ersten Eheroman der deutschen Literaturgeschichte problematisiert Jean Paul zugleich die Idee der Unsterblichkeit angesichts des aufkommenden Atheismus. Der Kontrast psychologisch-realistischer Details und philosophischer Ideen ist ein Charakteristikum seiner humoristischen Literatur.Inhalt: Der volle Titel - Blumen-, Frucht- und Dornenstücke oder Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten F. St. Siebenkäs - gibt die ungewöhnliche Reihenfolge der Abläufe vor. Zunehmende Entbehrungen kennzeichnen den ehelichen Alltag des in einem schwäbischen Provinzstädtchen niedergelassenen Armenadvokaten Siebenkäs und seiner Frau Lenette, einer »Putzmacherin«, die der Armut mit einer rigiden Besessenheit fürs Putzen und Fegen begegnet. Ihr Mann verfasst unterdessen, gestört vom ebenso braven wie unverständigen Versuch seiner Frau, die häusliche Ordnung wiederherzustellen, die Auswahl aus des Teufels Papieren (eine Satiresammlung, die Jean Paul 1789 anonym und mit wenig Erfolg veröffentlicht hatte). Das Schreiben ist die einzige, kärgliche Einnahmequelle, denn keinen anderen Prozess wird der Anwalt im Roman zu führen genötigt sein als seinen eigenen: Ein Namenstausch mit dem Freund und Doppelgänger Leibgeber, einem kritischen Freigeist, lässt den Verwalter der Erbschaft von 1200 Gulden, den Geheimen Rat von Blaise, an der Rechtschaffenheit des Mündels zweifeln. Um der wirtschaftlichen Misere und der für gescheitert geltenden Ehe zu entkommen, sieht Siebenkäs keinen anderen Ausweg, als einen Scheintod zu sterben. Lenette wird finanziell versorgt, verbindet sich dem biederen Schulrat Stiefel, stirbt jedoch im Kindbett. Siebenkäs nimmt unterdessen die Identität des sich auf Wanderschaft begebenden Leibgebers an (also seine eigene, wiedererhaltene) und heiratet die ihm seelenverwandte Natalie.Aufbau: Aus einer geplanten Sammlung kleinerer philosophisch-poetischer Arbeiten
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wuchs das satirische »Dornenstück« der Eheszene zu einer eigenständigen Handlung, welcher »Blumen-« (surrealistische Traumsequenzen) und »Fruchtstücke« (philosophische Abhandlungen) beigegeben sind. Die aus der Kunstgeschichte entlehnten Begriffe deuten auf die Metaphern-Theorie von Jean Paul, wonach der poetischen Sprache durch ihre im Menschen erzeugten Bilder jene Transzendenz gelinge, die für den Übergang vom Diesseits ins Jenseits nicht mehr verbürgt werden könne. Die Zweifel an der Unsterblichkeit formuliert Jean Paul in der Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei, einem literarischen Zeugnis des europäischen Nihilismus, das in der zweiten Auflage des Siebenkäs von 1818 in der Mitte platziert ist. Im Gegensatz hierzu erfährt der Armenadvokat seinen Scheintod nicht als Schrecknis, sondern als Befreiung und Wiederherstellung seines wahren Ichs. Der Dualismus Siebenkäs / Leibgeber ist indes ein Spiegel des humoristischen Erzählers, der sich, wie in allen Werken von Jean Paul, unter dessen Namen einmischt, mit Realität und Fiktion spielt sowie das Erzählte als ebenso geistreiche wie kunstvolle dichterische Collage ausweist.Wirkung: Siebenkäs zählte zu den größten Erfolgen von Jean Paul und übte nicht nur wegen seiner sozialkritischen, realistischen Schilderungen Einfluss auf zahlreiche Schriftsteller aus, sondern vor allem wegen der oft aus dem Romankontext gelösten und in zahlreiche Sprachen überSetzten Rede des toten Christus, deren apokalyptische Vision das die europäische Literatur im 19. Jahrhundert bestimmende Nihilismus-Erlebnis dichterisch vorwegnahm. C. Z.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Jean Paul
- 1991, 597 Seiten, Maße: 22 x 30,1 cm, Gebunden, Deutsch
- Herausgegeben: Klaus Pauler
- Verlag: edition text + kritik
- ISBN-10: 3883772747
- ISBN-13: 9783883772745
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