Stehaufmännchen
Markus Marias Tagebuch. Originalausgabe
"25. März 1960. 10 Uhr 3. Eine Stimme reißt mich aus meinen Träumen. 'Pressen! Pressen!' Ich presse wie verrückt, aber offenbar bin ich gar nicht gemeint. Plötzlich sehe ich ein weißes Licht am Ende des Tunnels - ist dies schon das Ende?"
Im Gegenteil!...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Stehaufmännchen “
Klappentext zu „Stehaufmännchen “
"25. März 1960. 10 Uhr 3. Eine Stimme reißt mich aus meinen Träumen. 'Pressen! Pressen!' Ich presse wie verrückt, aber offenbar bin ich gar nicht gemeint. Plötzlich sehe ich ein weißes Licht am Ende des Tunnels - ist dies schon das Ende?"Im Gegenteil! Erbarmungslos ehrlich und mit unvergleichlichem Witz gewährt uns Markus Maria Profitlich in seinen Tagebüchern einen tiefen Einblick in die wichtigsten Abschnitte seines Lebens. Von seiner Geburt, über Kindheit und Jugend, bis zu den Anfängen seiner Comedy-
Karriere erfahren wir alles über die Geschichte des beliebten Komikers bis hin zu der Erkenntnis, nach der er zu leben gelernt hat: Kein Fettnapf ist klein genug, um daneben zu treten!
Lese-Probe zu „Stehaufmännchen “
Stehaufmännchen von Markus Maria Profitlich1. Ankunft
25. März 1960, 10 Uhr 3
Eine Stimme reißt mich aus meinen Träumen. »Pressen! Pressen!« Ich presse wie verrückt, aber anscheinend bin ich gar nicht gemeint. Plötzlich sehe ich am Ende des Tunnels ein Licht -
ist das schon mein Ende?
10 Uhr 8
Zum ersten Mal im Leben blicke ich in ein anderes Gesicht - das einer 70jährigen Nonne. Bin sehr erschrocken. Das soll meine Mama sein? Will sofort wieder zurück! Die Nonne hat sich auch erschrocken, denn sie brüllt: »Mein Gott, was für ein Riesenbaby!« Frage mich, wen sie damit meint.
10 Uhr 12
Die Nonne haut mir auf den Hintern. Obwohl ich gar nix gemacht hab! Haue zurück und gebe meine erste Äußerung von mir. Einen Schrei. Alle freuen sich.
Im Bett liegt eine Frau, die mich anlächelt. Das ist also Mama. Schon besser. Will zu ihr, darf aber nicht. Stattdessen rennt die blöde Nonne aufgeregt mit mir raus und zeigt mich überall rum. Alle gucken mich an und lachen. Mein erster Auftritt. Beschließe, Komiker zu werden. Bin sicher, dass der Erfolg bei meinem Publikum mit meinem gewinnenden Lächeln zu tun hat und nicht, wie die blöde Nonne sagt, mit meinem Gewicht von knapp vierzehn Pfund.
10 Uhr 16
Die Vorstellung ist vorbei und ich darf endlich zu Mama. An ihrer Brust nehme ich die erste Mahlzeit meines Lebens ein. Lecker, was da so rauskommt! Und praktisch, dass sie gleich zwei davon hat. So kann ich mir direkt einen Nachschlag
holen.
11 Uhr
Lerne Papa kennen. Ist okay. Allerdings hat er keine Brüste.
26. März 1960
Gegessen. Geschlafen. Gegessen. Bäuerchen gemacht. Geschlafen. Windel voll gemacht. Frische Windel bekommen. Geschlafen.
... mehr
27. März 1960
Gegessen. Geschlafen. Gegessen. Bäuerchen gemacht. Geschlafen. Windel voll gemacht. Frische Windel bekommen. Geschlafen.
28. März 1960
Gegessen. Geschlafen. Gegessen. Bäuerchen gemacht. Geschlafen. Windel voll gemacht. Frische Windel bekommen. Geschlafen.
29. März 1960
Bringe etwas Abwechslung in mein Leben. Gegessen. Geschlafen. Windel voll gemacht. Frische Windel bekommen. Windel direkt wieder voll gemacht. Geschlafen. Prima! Wenn mein Leben so weitergeht, bin ich zufrieden!
2. Leben auf dem Lande
2. August 1964
Wir wohnen auf dem Lande, und das kommt, weil unser Haus in einem Dorf steht. Dörfer findet man nämlich eher auf dem Lande als in der Stadt. Unser Haus ist ein Musterhaus. Musterhäuser schaut man sich an, wenn man ein Haus kaufen möchte, das genauso aussieht wie ein Musterhaus. So, wie wenn Mama sich im Katalog erst mal Bilder anguckt, bevor sie was kauft. Nur, dass unser Musterhaus nicht im Katalog steht, sondern auf einer Wiese.
Abends bringt Papa ein Huhn statt Geld von der Arbeit mit. Mama meint, von einem Huhn kann sie nix zu essen kaufen. Papa meint, wir sollten doch das Huhn essen. Huhn essen find ich gut. Mama fragt, wer das Huhn denn schlachten soll. Huhn schlachten find ich nicht gut und fange an zu weinen. Frage, ob man das Huhn auch essen kann, ohne es zu schlachten. Nein, das ginge nicht. Papa meint, heute sei es zu spät, aber morgen will er das Huhn schlachten. Bestimmt.
3. August 1964
Papa hat keine Zeit, das Huhn zu schlachten, weil er ja einen Stall für das Huhn bauen muss. Das sei jetzt dringender. Aber er will es morgen schlachten. Bestimmt.
4. August 1964
Papa hat wieder keine Zeit. Diesmal muss er dringend weg. Zu einem Termin. Frage, ob ich mit kann, denn ich habe noch nie einen Termin gesehen. Papa meint, ich soll besser zuhause bleiben und aufpassen, dass dem Huhn nichts passiert.
5. August 1964
Mama fragt, was jetzt mit dem Huhn ist. Sie würde gerne Hühnchen machen. Papa sagt, man könnte ja statt Hühnchen die Eier essen, die es legt. Stimme zu, denn Eier esse ich auch gern, und man muss sie vor dem Essen nicht schlachten. Nur köpfen.
12. August 1964
Letzte Woche hat das Huhn kein einziges Ei gelegt. Vielleicht ist es ja verstopft. Pule mit dem Finger hinten im Huhn rum, um die Verstopfung zu lösen. Habe Erfolg. Es kommt tatsächlich ein Ei. Aber kein richtiges, sondern nur so eine Art Rührei.
16. August 1964
Unser Huhn heißt jetzt Else und legt immer noch keine richtigen Eier. Mama meint, es reicht, und Papa soll es endlich schlachten. Papa sagt, er könne kein Tier mit einem Namen
schlachten.
17. August 1964
Papa hat von der Arbeit einen Kumpel für Else mitgebracht. Taufe den Kumpel direkt auf den Namen Herbert. So kann ihn niemand schlachten.
2. September 1964
Papa hat den Stall weiter ausgebaut. Wir haben jetzt zwölf Hühner. Keines legt ein Ei.
10. September 1964
Mama hat Papa gestern verboten, noch mehr Hühner mitzubringen. Papa gehorcht und bringt stattdessen eine Sau mit. Trotzdem ist Mama irgendwie sauer. Die Sau soll bei uns zu Wurst werden. Vorher baut Papa ihr einen Stall.
16. September 1964
Die Hühner legen immer noch keine Eier. Die Sau auch nicht. Dafür stinkt sie. Mama meint, im Dorf würde man schon über den Gestank reden. Habe Angst, dass die Sau wegkommt, und besprenkele sie mit Kölnisch Wasser. Damit sie besser
riecht. Das macht Tante Gerda auch immer so, wenn sie schwitzt und anfängt, streng zu riechen. Damit die Sau nicht geschlachtet wird, gibt es eine Nottaufe. Weil mir in der Eile kein anderer Name einfällt, taufe ich die Sau auf den Namen Gerda.
18. September 1964
Tante Gerda ist zu Besuch. Stolz erzähle ich, dass unsere Sau denselben Namen hat wie sie. Und dass das kein Zufall sei, sondern daran läge, dass sie genauso riecht wie unsere Sau. Ich glaube, Tante Gerda ist sehr gerührt, denn sie fängt vor Freude an zu weinen.
26. September 1964
Mama sagt, Gerda muss weg. Die Sau, nicht die Tante. Am Abend ist sie wirklich weg. Hatte wohl vergessen, nach dem Füttern den Stall zu schließen. Wir veranstalten eine Treibjagd durchs Dorf. Komme mir vor wie ein Indianer auf Büffeljagd. Nur dass Büffel nicht nach Kölnisch Wasser riechen.
28. September 1964
Ein Mann mit einer Schürze kommt, um Gerda abzuholen. Frage ihn, wohin er sie bringt. Der Mann antwortet, dass sie in den Fleischwolf kommt. Mama erklärt ganz schnell, dass Fleischwolf der Name eines sehr, sehr schönen Schweinetiergartens wäre. Bin misstrauisch. Mama und der Mann gucken sich komisch an. Dann sagt der Mann, dass Mama Recht hätte, und schenkt mir zum Trost eine Knackwurst. Jetzt bin ich überzeugt, denn ein Mann, der eine so leckere Knackwurst macht, kann bestimmt nicht lügen.
29. September 1964
Der Mann mit der Schürze ist noch mal gekommen, um uns noch viel mehr Knackwürste zu schenken. Und Braten und Blutwurst. Frage ihn, wie es Gerda geht. Gut, sagt der Mann, schenkt mir wieder eine Knackwurst und sagt, die Wurst sei von Gerda. Freue mich. Hab noch nie etwas von einem Tier geschenkt bekommen. Schon gar nicht von einer Sau. Und erst recht keine Wurst. Gerda muss mich echt lieb haben. Habe Gerda auch lieb. Esse die Wurst. Lecker! Jetzt weiß ich, warum man immer sagt, dass Liebe durch den Magen geht.
2. Oktober 1964
Papa kommt rein und erzählt, dass Gerda im Auto sitzt. Renne raus und rufe begeistert, dass die Sau wieder da ist. Stoße fast mit Tante Gerda zusammen, die mich ernst anguckt. Später reden Mama, Papa und Tante Gerda laut über meine Erziehung.
26. September 1964
Mama sagt, Gerda muss weg. Die Sau, nicht die Tante. Am Abend ist sie wirklich weg. Hatte wohl vergessen, nach dem Füttern den Stall zu schließen. Wir veranstalten eine Treibjagd durchs Dorf. Komme mir vor wie ein Indianer auf Büffeljagd. Nur dass Büffel nicht nach Kölnisch Wasser riechen.
28. September 1964
Ein Mann mit einer Schürze kommt, um Gerda abzuholen. Frage ihn, wohin er sie bringt. Der Mann antwortet, dass sie in den Fleischwolf kommt. Mama erklärt ganz schnell, dass Fleischwolf der Name eines sehr, sehr schönen Schweinetiergartens wäre. Bin misstrauisch. Mama und der Mann gucken sich komisch an. Dann sagt der Mann, dass Mama Recht hätte, und schenkt mir zum Trost eine Knackwurst. Jetzt bin ich überzeugt, denn ein Mann, der eine so leckere Knackwurst macht, kann bestimmt nicht lügen.
29. September 1964
Der Mann mit der Schürze ist noch mal gekommen, um uns noch viel mehr Knackwürste zu schenken. Und Braten und Blutwurst. Frage ihn, wie es Gerda geht. Gut, sagt der Mann, schenkt mir wieder eine Knackwurst und sagt, die Wurst sei von Gerda. Freue mich. Hab noch nie etwas von einem Tier geschenkt bekommen. Schon gar nicht von einer Sau. Und erst recht keine Wurst. Gerda muss mich echt lieb haben. Habe Gerda auch lieb. Esse die Wurst. Lecker! Jetzt weiß ich, warum man immer sagt, dass Liebe durch den Magen geht.
2. Oktober 1964
Papa kommt rein und erzählt, dass Gerda im Auto sitzt. Renne raus und rufe begeistert, dass die Sau wieder da ist. Stoße fast mit Tante Gerda zusammen, die mich ernst anguckt. Später reden Mama, Papa und Tante Gerda laut über meine Erziehung.
3 . Zahnarzt, die erste
14. Juni 1965
Werner und ich spielen Zahnarzt. Werner war schon mal beim Zahnarzt und weiß, wie‘s geht. Er macht den Mund auf und ich muss reingucken. Dann muss ich fragen, ob was wehtut, und Werner sagt nein. Langweilig. Dann bin ich dran mit Mundaufmachen. Werner kennt sich aus, denn er leuchtet mir direkt mit Papas Schreibtischlampe in den Mund. Ich schlucke Staubfussel und Werner fragt, ob's wehtut. Ich sage nein. Dann nimmt Werner einen 17er Maulschlüssel in die Hand und will damit auf meine Zähne klopfen. Ich will was anderes spielen, aber Werner meint, Zahnärzte würden das so machen und sie würden auch so ein Werkzeug benutzen
und schließlich hieße es ja auch Maulschlüssel. Werner klopft vorsichtig und fragt, ob's wehtut. Nein. Werner meint, es muss aber wehtun, sonst hätte die Zahnarztspielerei keinen Sinn, und ob es bestimmt immer noch nicht wehtut. Nein. Werner haut noch stärker zu. Bis jetzt wusste ich nicht, wie sich Zahnschmerzen anfühlen. Jetzt weiß ich es. Werner lobt mich. Ich würde perfekt den Patienten spielen. Ich spiele aber nicht. Der Zahn tut wirklich weh. Und wie beim echten Zahnarzt zieht Werner mit einer Wasserpumpenzange ein kleines Stück Zahn aus meinem Mund. Werner meint, mit
mir Zahnarzt zu spielen würde riesigen Spaß machen. Mir nicht so.
Abends tut es richtig weh. Im Bett stecke ich den abgebrochenen Zahn in den Mund. Vielleicht wächst er ja wieder an.
15. Juni 1965
Am Morgen liegt der Zahn nicht mehr in meinem Mund. Aber angewachsen ist er auch nicht. Bekomme einen Verdacht. Nach dem großen Geschäft suche ich mit Mamas Fleischgabel in der Kloschüssel nach meinem Zahn. Mama kommt rein und fragt, was ich mache. Ich antworte, dass ich gerade Zahnarzt spiele. Mama guckt mich komisch an und drückt dann die Spülung. Weil mein Zahn jetzt ins Meer schwimmt, muss ich weinen. Mama guckt mich wieder an. Dann schaut sie mir in den Mund und sagt das böse Wort: »Scheiße!«
16. Juni 1965
Bin mit Mama beim Zahnarzt. Wir müssen nicht warten, denn das Wartezimmer ist leer. Prima. Später lerne ich, dass dies kein gutes Zeichen sein muss. Dann darf ich auf den Behandlungsstuhl. Der Zahnarzt kommt und lächelt mich an. In seinem Mund hat er einen Zahn aus Gold. Wahrscheinlich hat er als Kind auch Zahnarzt gespielt. Ich erkläre, dass mein Zahn im Meer schwimmt. Der Zahnarzt lacht. Ich entdecke drei weitere Goldzähne. Dann muss ich den Mund aufmachen. Der Zahnarzt
guckt rein, grunzt ein paarmal und sagt dann das böse Wort. Bin beunruhigt. Er geht mit Mama in eine Ecke und tuschelt mit ihr. Abwechselnd gucken sie mich an. Mama sieht ernst aus.
Bin stark beunruhigt und will aufs Klo. Außerdem tut es plötzlich nicht mehr weh. Bis der Zahnarzt meine Zähne abklopft. Wie Werner. Er benutzt sogar dasselbe Werkzeug. Will weg, aber Mama sagt, der Rest meines weggeschwommenen Zahns müsse raus. Damit der neue besser nachwächst. Mama gibt mir einen verdächtig dicken Kuss und geht ins Wartezimmer. Der Arzt
gibt ihr noch eine Packung Oropax. Wusste nicht, dass sich ein Zahnarzt auch um Ohren kümmert.
Der Zahnarzt kommt mit einer Spritze. Spritzen kenn ich,
denn ich bin schon mal geimpft worden. In den Po. Der Zahnarzt will mir die Spritze aber nicht in den Po stecken, sondern in den Mund. Ich will keine Spritze in meinem Mund, die andere vorher im Po hatten. Ich wehre mich und die Spritze fliegt auf den Boden. Der Arzt sagt das böse Wort und ruft dann Frollein Gisela. Frollein Gisela ist die dicke Frau, die uns begrüßt hat. Frollein Gisela soll mir die Hand halten. Sie hält aber nicht meine Hand, sondern meinen Kopf. Der Arzt hebt die Spritze auf und steckt sie mir in den Mund. Schreie wie am Spieß nach Mama und beschließe, nie wieder Zahnarzt zu spielen.
Es schmeckt bitter in meinem Mund und ich muss brechen, auf Frollein Giselas Schuhe. Jetzt
sagt auch Frollein Gisela das böse Wort. Der Zahnarzt sagt, nach zehn Minuten würde die Betäubung wirken. Zehn Minuten können eine Ewigkeit sein. Nicht hier. Denn nach zwei Minuten kommt der Zahnarzt wieder. In seiner Hand hat er eine Wasserpumpenzange. Wie Werner. Frollein Gisela hält mich fest. Der Zahnarzt steckt die Zange in meinen Mund. Ich schreie. Der Zahnarzt und Frollein Gisela sagen abwechselnd das böse Wort und dass es nicht wehtut. Lüge! Ich wehre mich so heftig, dass der Zahnarzt mit seiner Zange abrutscht. Dann macht es laut »Krack«! Der Zahnarzt zieht einen Zahn aus meinem Mund. Taste vorsichtig mit meiner Zunge nach dem, was von meinen Zähnen übrig ist. Bemerke neben dem abgebrochenen Zahn eine Lücke. Jetzt wäre ich eigentlich dran, das böse Wort zu sagen. Kann aber nicht sprechen. Nur schreien. Der Zahnarzt geht und kommt mit einem Werkzeug wieder, das Papa immer benutzt, um die Radkappen von seinem Käfer zu hebeln. Wenn Papa das Werkzeug benutzt, geht er immer in die Knie. Frollein Gisela kniet sich auch hin. Aber nicht auf den Boden, sondern auf meinen Brustkorb. Weiß nicht, was schlimmer ist: die Zahnschmerzen oder das Gefühl, von Frollein Giselas dicken Brüsten erdrückt zu werden. Bei Winnetou hab
ich gesehen, dass die Indianer ihre Feinde an einen Pfahl binden und sie martern. Die Feinde bleiben aber immer standhaft. Klar, denn sie kannten Frollein Gisela noch nicht. Plötzlich macht es wieder »Krack«. Der Zahnarzt zeigt mir die Reste meines abgebrochenen Zahns und sagt, dass es doch gar nicht wehgetan hätte. Ihm nicht. Aber mir und Frollein Gisela, denn bevor mir der Zahnarzt die Zange in den Mund gesteckt hat, hab ich sie ein paarmal gebissen.
Mama kommt rein. Sie zieht die Oropax aus den Ohren und lobt mich, weil ich so still und tapfer war. Beschließe, nie wieder zum Zahnarzt zu gehen. Am Nachmittag darf ich zur Belohnung einen Eisbecher. Da meine Backe aber um das Zehnfache angeschwollen ist, kriege ich meinen Mund nicht auf.
Schaue zu, wie das Eis schmilzt.
Copyright © 2012 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
27. März 1960
Gegessen. Geschlafen. Gegessen. Bäuerchen gemacht. Geschlafen. Windel voll gemacht. Frische Windel bekommen. Geschlafen.
28. März 1960
Gegessen. Geschlafen. Gegessen. Bäuerchen gemacht. Geschlafen. Windel voll gemacht. Frische Windel bekommen. Geschlafen.
29. März 1960
Bringe etwas Abwechslung in mein Leben. Gegessen. Geschlafen. Windel voll gemacht. Frische Windel bekommen. Windel direkt wieder voll gemacht. Geschlafen. Prima! Wenn mein Leben so weitergeht, bin ich zufrieden!
2. Leben auf dem Lande
2. August 1964
Wir wohnen auf dem Lande, und das kommt, weil unser Haus in einem Dorf steht. Dörfer findet man nämlich eher auf dem Lande als in der Stadt. Unser Haus ist ein Musterhaus. Musterhäuser schaut man sich an, wenn man ein Haus kaufen möchte, das genauso aussieht wie ein Musterhaus. So, wie wenn Mama sich im Katalog erst mal Bilder anguckt, bevor sie was kauft. Nur, dass unser Musterhaus nicht im Katalog steht, sondern auf einer Wiese.
Abends bringt Papa ein Huhn statt Geld von der Arbeit mit. Mama meint, von einem Huhn kann sie nix zu essen kaufen. Papa meint, wir sollten doch das Huhn essen. Huhn essen find ich gut. Mama fragt, wer das Huhn denn schlachten soll. Huhn schlachten find ich nicht gut und fange an zu weinen. Frage, ob man das Huhn auch essen kann, ohne es zu schlachten. Nein, das ginge nicht. Papa meint, heute sei es zu spät, aber morgen will er das Huhn schlachten. Bestimmt.
3. August 1964
Papa hat keine Zeit, das Huhn zu schlachten, weil er ja einen Stall für das Huhn bauen muss. Das sei jetzt dringender. Aber er will es morgen schlachten. Bestimmt.
4. August 1964
Papa hat wieder keine Zeit. Diesmal muss er dringend weg. Zu einem Termin. Frage, ob ich mit kann, denn ich habe noch nie einen Termin gesehen. Papa meint, ich soll besser zuhause bleiben und aufpassen, dass dem Huhn nichts passiert.
5. August 1964
Mama fragt, was jetzt mit dem Huhn ist. Sie würde gerne Hühnchen machen. Papa sagt, man könnte ja statt Hühnchen die Eier essen, die es legt. Stimme zu, denn Eier esse ich auch gern, und man muss sie vor dem Essen nicht schlachten. Nur köpfen.
12. August 1964
Letzte Woche hat das Huhn kein einziges Ei gelegt. Vielleicht ist es ja verstopft. Pule mit dem Finger hinten im Huhn rum, um die Verstopfung zu lösen. Habe Erfolg. Es kommt tatsächlich ein Ei. Aber kein richtiges, sondern nur so eine Art Rührei.
16. August 1964
Unser Huhn heißt jetzt Else und legt immer noch keine richtigen Eier. Mama meint, es reicht, und Papa soll es endlich schlachten. Papa sagt, er könne kein Tier mit einem Namen
schlachten.
17. August 1964
Papa hat von der Arbeit einen Kumpel für Else mitgebracht. Taufe den Kumpel direkt auf den Namen Herbert. So kann ihn niemand schlachten.
2. September 1964
Papa hat den Stall weiter ausgebaut. Wir haben jetzt zwölf Hühner. Keines legt ein Ei.
10. September 1964
Mama hat Papa gestern verboten, noch mehr Hühner mitzubringen. Papa gehorcht und bringt stattdessen eine Sau mit. Trotzdem ist Mama irgendwie sauer. Die Sau soll bei uns zu Wurst werden. Vorher baut Papa ihr einen Stall.
16. September 1964
Die Hühner legen immer noch keine Eier. Die Sau auch nicht. Dafür stinkt sie. Mama meint, im Dorf würde man schon über den Gestank reden. Habe Angst, dass die Sau wegkommt, und besprenkele sie mit Kölnisch Wasser. Damit sie besser
riecht. Das macht Tante Gerda auch immer so, wenn sie schwitzt und anfängt, streng zu riechen. Damit die Sau nicht geschlachtet wird, gibt es eine Nottaufe. Weil mir in der Eile kein anderer Name einfällt, taufe ich die Sau auf den Namen Gerda.
18. September 1964
Tante Gerda ist zu Besuch. Stolz erzähle ich, dass unsere Sau denselben Namen hat wie sie. Und dass das kein Zufall sei, sondern daran läge, dass sie genauso riecht wie unsere Sau. Ich glaube, Tante Gerda ist sehr gerührt, denn sie fängt vor Freude an zu weinen.
26. September 1964
Mama sagt, Gerda muss weg. Die Sau, nicht die Tante. Am Abend ist sie wirklich weg. Hatte wohl vergessen, nach dem Füttern den Stall zu schließen. Wir veranstalten eine Treibjagd durchs Dorf. Komme mir vor wie ein Indianer auf Büffeljagd. Nur dass Büffel nicht nach Kölnisch Wasser riechen.
28. September 1964
Ein Mann mit einer Schürze kommt, um Gerda abzuholen. Frage ihn, wohin er sie bringt. Der Mann antwortet, dass sie in den Fleischwolf kommt. Mama erklärt ganz schnell, dass Fleischwolf der Name eines sehr, sehr schönen Schweinetiergartens wäre. Bin misstrauisch. Mama und der Mann gucken sich komisch an. Dann sagt der Mann, dass Mama Recht hätte, und schenkt mir zum Trost eine Knackwurst. Jetzt bin ich überzeugt, denn ein Mann, der eine so leckere Knackwurst macht, kann bestimmt nicht lügen.
29. September 1964
Der Mann mit der Schürze ist noch mal gekommen, um uns noch viel mehr Knackwürste zu schenken. Und Braten und Blutwurst. Frage ihn, wie es Gerda geht. Gut, sagt der Mann, schenkt mir wieder eine Knackwurst und sagt, die Wurst sei von Gerda. Freue mich. Hab noch nie etwas von einem Tier geschenkt bekommen. Schon gar nicht von einer Sau. Und erst recht keine Wurst. Gerda muss mich echt lieb haben. Habe Gerda auch lieb. Esse die Wurst. Lecker! Jetzt weiß ich, warum man immer sagt, dass Liebe durch den Magen geht.
2. Oktober 1964
Papa kommt rein und erzählt, dass Gerda im Auto sitzt. Renne raus und rufe begeistert, dass die Sau wieder da ist. Stoße fast mit Tante Gerda zusammen, die mich ernst anguckt. Später reden Mama, Papa und Tante Gerda laut über meine Erziehung.
26. September 1964
Mama sagt, Gerda muss weg. Die Sau, nicht die Tante. Am Abend ist sie wirklich weg. Hatte wohl vergessen, nach dem Füttern den Stall zu schließen. Wir veranstalten eine Treibjagd durchs Dorf. Komme mir vor wie ein Indianer auf Büffeljagd. Nur dass Büffel nicht nach Kölnisch Wasser riechen.
28. September 1964
Ein Mann mit einer Schürze kommt, um Gerda abzuholen. Frage ihn, wohin er sie bringt. Der Mann antwortet, dass sie in den Fleischwolf kommt. Mama erklärt ganz schnell, dass Fleischwolf der Name eines sehr, sehr schönen Schweinetiergartens wäre. Bin misstrauisch. Mama und der Mann gucken sich komisch an. Dann sagt der Mann, dass Mama Recht hätte, und schenkt mir zum Trost eine Knackwurst. Jetzt bin ich überzeugt, denn ein Mann, der eine so leckere Knackwurst macht, kann bestimmt nicht lügen.
29. September 1964
Der Mann mit der Schürze ist noch mal gekommen, um uns noch viel mehr Knackwürste zu schenken. Und Braten und Blutwurst. Frage ihn, wie es Gerda geht. Gut, sagt der Mann, schenkt mir wieder eine Knackwurst und sagt, die Wurst sei von Gerda. Freue mich. Hab noch nie etwas von einem Tier geschenkt bekommen. Schon gar nicht von einer Sau. Und erst recht keine Wurst. Gerda muss mich echt lieb haben. Habe Gerda auch lieb. Esse die Wurst. Lecker! Jetzt weiß ich, warum man immer sagt, dass Liebe durch den Magen geht.
2. Oktober 1964
Papa kommt rein und erzählt, dass Gerda im Auto sitzt. Renne raus und rufe begeistert, dass die Sau wieder da ist. Stoße fast mit Tante Gerda zusammen, die mich ernst anguckt. Später reden Mama, Papa und Tante Gerda laut über meine Erziehung.
3 . Zahnarzt, die erste
14. Juni 1965
Werner und ich spielen Zahnarzt. Werner war schon mal beim Zahnarzt und weiß, wie‘s geht. Er macht den Mund auf und ich muss reingucken. Dann muss ich fragen, ob was wehtut, und Werner sagt nein. Langweilig. Dann bin ich dran mit Mundaufmachen. Werner kennt sich aus, denn er leuchtet mir direkt mit Papas Schreibtischlampe in den Mund. Ich schlucke Staubfussel und Werner fragt, ob's wehtut. Ich sage nein. Dann nimmt Werner einen 17er Maulschlüssel in die Hand und will damit auf meine Zähne klopfen. Ich will was anderes spielen, aber Werner meint, Zahnärzte würden das so machen und sie würden auch so ein Werkzeug benutzen
und schließlich hieße es ja auch Maulschlüssel. Werner klopft vorsichtig und fragt, ob's wehtut. Nein. Werner meint, es muss aber wehtun, sonst hätte die Zahnarztspielerei keinen Sinn, und ob es bestimmt immer noch nicht wehtut. Nein. Werner haut noch stärker zu. Bis jetzt wusste ich nicht, wie sich Zahnschmerzen anfühlen. Jetzt weiß ich es. Werner lobt mich. Ich würde perfekt den Patienten spielen. Ich spiele aber nicht. Der Zahn tut wirklich weh. Und wie beim echten Zahnarzt zieht Werner mit einer Wasserpumpenzange ein kleines Stück Zahn aus meinem Mund. Werner meint, mit
mir Zahnarzt zu spielen würde riesigen Spaß machen. Mir nicht so.
Abends tut es richtig weh. Im Bett stecke ich den abgebrochenen Zahn in den Mund. Vielleicht wächst er ja wieder an.
15. Juni 1965
Am Morgen liegt der Zahn nicht mehr in meinem Mund. Aber angewachsen ist er auch nicht. Bekomme einen Verdacht. Nach dem großen Geschäft suche ich mit Mamas Fleischgabel in der Kloschüssel nach meinem Zahn. Mama kommt rein und fragt, was ich mache. Ich antworte, dass ich gerade Zahnarzt spiele. Mama guckt mich komisch an und drückt dann die Spülung. Weil mein Zahn jetzt ins Meer schwimmt, muss ich weinen. Mama guckt mich wieder an. Dann schaut sie mir in den Mund und sagt das böse Wort: »Scheiße!«
16. Juni 1965
Bin mit Mama beim Zahnarzt. Wir müssen nicht warten, denn das Wartezimmer ist leer. Prima. Später lerne ich, dass dies kein gutes Zeichen sein muss. Dann darf ich auf den Behandlungsstuhl. Der Zahnarzt kommt und lächelt mich an. In seinem Mund hat er einen Zahn aus Gold. Wahrscheinlich hat er als Kind auch Zahnarzt gespielt. Ich erkläre, dass mein Zahn im Meer schwimmt. Der Zahnarzt lacht. Ich entdecke drei weitere Goldzähne. Dann muss ich den Mund aufmachen. Der Zahnarzt
guckt rein, grunzt ein paarmal und sagt dann das böse Wort. Bin beunruhigt. Er geht mit Mama in eine Ecke und tuschelt mit ihr. Abwechselnd gucken sie mich an. Mama sieht ernst aus.
Bin stark beunruhigt und will aufs Klo. Außerdem tut es plötzlich nicht mehr weh. Bis der Zahnarzt meine Zähne abklopft. Wie Werner. Er benutzt sogar dasselbe Werkzeug. Will weg, aber Mama sagt, der Rest meines weggeschwommenen Zahns müsse raus. Damit der neue besser nachwächst. Mama gibt mir einen verdächtig dicken Kuss und geht ins Wartezimmer. Der Arzt
gibt ihr noch eine Packung Oropax. Wusste nicht, dass sich ein Zahnarzt auch um Ohren kümmert.
Der Zahnarzt kommt mit einer Spritze. Spritzen kenn ich,
denn ich bin schon mal geimpft worden. In den Po. Der Zahnarzt will mir die Spritze aber nicht in den Po stecken, sondern in den Mund. Ich will keine Spritze in meinem Mund, die andere vorher im Po hatten. Ich wehre mich und die Spritze fliegt auf den Boden. Der Arzt sagt das böse Wort und ruft dann Frollein Gisela. Frollein Gisela ist die dicke Frau, die uns begrüßt hat. Frollein Gisela soll mir die Hand halten. Sie hält aber nicht meine Hand, sondern meinen Kopf. Der Arzt hebt die Spritze auf und steckt sie mir in den Mund. Schreie wie am Spieß nach Mama und beschließe, nie wieder Zahnarzt zu spielen.
Es schmeckt bitter in meinem Mund und ich muss brechen, auf Frollein Giselas Schuhe. Jetzt
sagt auch Frollein Gisela das böse Wort. Der Zahnarzt sagt, nach zehn Minuten würde die Betäubung wirken. Zehn Minuten können eine Ewigkeit sein. Nicht hier. Denn nach zwei Minuten kommt der Zahnarzt wieder. In seiner Hand hat er eine Wasserpumpenzange. Wie Werner. Frollein Gisela hält mich fest. Der Zahnarzt steckt die Zange in meinen Mund. Ich schreie. Der Zahnarzt und Frollein Gisela sagen abwechselnd das böse Wort und dass es nicht wehtut. Lüge! Ich wehre mich so heftig, dass der Zahnarzt mit seiner Zange abrutscht. Dann macht es laut »Krack«! Der Zahnarzt zieht einen Zahn aus meinem Mund. Taste vorsichtig mit meiner Zunge nach dem, was von meinen Zähnen übrig ist. Bemerke neben dem abgebrochenen Zahn eine Lücke. Jetzt wäre ich eigentlich dran, das böse Wort zu sagen. Kann aber nicht sprechen. Nur schreien. Der Zahnarzt geht und kommt mit einem Werkzeug wieder, das Papa immer benutzt, um die Radkappen von seinem Käfer zu hebeln. Wenn Papa das Werkzeug benutzt, geht er immer in die Knie. Frollein Gisela kniet sich auch hin. Aber nicht auf den Boden, sondern auf meinen Brustkorb. Weiß nicht, was schlimmer ist: die Zahnschmerzen oder das Gefühl, von Frollein Giselas dicken Brüsten erdrückt zu werden. Bei Winnetou hab
ich gesehen, dass die Indianer ihre Feinde an einen Pfahl binden und sie martern. Die Feinde bleiben aber immer standhaft. Klar, denn sie kannten Frollein Gisela noch nicht. Plötzlich macht es wieder »Krack«. Der Zahnarzt zeigt mir die Reste meines abgebrochenen Zahns und sagt, dass es doch gar nicht wehgetan hätte. Ihm nicht. Aber mir und Frollein Gisela, denn bevor mir der Zahnarzt die Zange in den Mund gesteckt hat, hab ich sie ein paarmal gebissen.
Mama kommt rein. Sie zieht die Oropax aus den Ohren und lobt mich, weil ich so still und tapfer war. Beschließe, nie wieder zum Zahnarzt zu gehen. Am Nachmittag darf ich zur Belohnung einen Eisbecher. Da meine Backe aber um das Zehnfache angeschwollen ist, kriege ich meinen Mund nicht auf.
Schaue zu, wie das Eis schmilzt.
Copyright © 2012 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln
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Bibliographische Angaben
- Autor: Markus Maria Profitlich
- 2012, 1. Aufl. 2012, 272 Seiten, mit Abbildungen, Maße: 12,5 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404606671
- ISBN-13: 9783404606672
- Erscheinungsdatum: 12.03.2012
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