Tausendundeine Nacht
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Die nächtlichen Erzählungen von Schahrasad, mit denen sie ihren königlichen Gatten verzaubert und so ihre Tötung immer wieder aufschiebt, entführen den Leser in die Welt der Basare und Karawansereien, der weisen Kalifen und verschlagenen Händler, der vornehmen Damen und klugen Ehefrauen, der mächtigen Zauberinnen, Dschinnen und bösen Dämonen. Sie berichten von erotischen Vergnügen und harten Schicksalsschlägen. Wie kein anderes Werk ist Tausendundeine Nacht Inbegriff eines romantischen, exotischen Orientbildes. Dieses Orientbild geht allerdings nicht unmittelbar auf Tausendundeine Nacht zurück, sondern wurde seit dem 18. Jahrhundert von Europäern in die verschiedenen Übersetzungen und Sammlungen hineingetragen. Zudem wurden die Erzählungen dem europäischen Geschmack angepaßt, indem die zuweilen derbe Ausdrucksweise und unverblümte Erotik des Originals durch einen biederen Märchenstil ersetzt wurden. Nachdem Muhsin Mahdi 1984 die weitaus älteste Handschrift aus dem 14./15. Jahrhundert ediert hat, ist es jedoch möglich, die Geschichten aus Tausendundeiner Nacht in einer von allen Übermalungen, Ausschmückungen und Prüderien der letzten Jahrhunderte freien Form kennenzulernen.
Tausendundeine Nacht
Leseprobe
Die sechsunddreißigsteNacht
Und als die nächste Nacht gekommen war, sagte Dinarasad zu ihrer Schwester Schahrasad:«Ach, Schwester, erzähle uns doch die Geschichte von den Mädchen zu Ende!» Und Schahrasad sagte:
Die Leute behaupten, o König, daß die Dame, nachdemsie das dritte Lied gehört hatte, einen lauten Schrei ausstieß. «Bei Gott, daswar gut!» rief sie, griff mit der Hand an ihr Kleid und zerrißes, worauf sie ohnmächtig zu Boden fiel. Unter ihren Kleidern und auf ihrerBrust waren wieder Spuren von Stockschlägen zu sehen.
«Wären wir doch niemals hier hereingekommen! » murmelten die drei Bettelmöncheuntereinander. «Wir hätten besser auf den Abfallplätzen nächtigen sollen. Jetztist alles verdorben, denn wir müssen uns etwas ansehen, das uns die Lebernzerreißt.» - «Warum denn das?» fragte der Kalif, der ihr Gespräch mit angehörthatte und jetzt zu ihnen trat. «Ehrenwerter Herr», antworteten sie, «dieseSache hier beunruhigt uns sehr.» - «Ja, gehört ihr etwa nicht hier zum Haus?»erkundigte sich der Kalif erstaunt. «Ich hatte gehofft, daßihr mir vielleicht etwas erzählen könnt über diese beiden schwarzenHündinnen, die drei Damen und ihre Vorgeschichte.» - «Bei Gott, wir kennen vonniemandem hier irgendeine Vorgeschichte», beteuerten sie, «und diesen Ort hierhaben wir bis zu dieser Stunde noch nie gesehen!»
Der Kalif wunderte sich und meinte: «Vielleicht weiß ja dieser Mann, der nochbei euch ist, etwas darüber?» Also winkten sie den Träger herbei, indem sie ihmmit den Augen zublinzelten, und fragten ihn, was hier vorginge. «Beimallmächtigen Gott», seufzte der Träger, «uns geht es, wie das Sprichwort sagt: In der Luft sind wir alle gleich! Ich bin zwar in Bagdad groß geworden, aberdieses Haus habe ich in meinem ganzen Leben noch nie betreten. Daß ich heute hier hereingekommen bin, hat sich aufmerkwürdige Weise ergeben. Weil ich mir darüber Gedanken gemacht hatte, daß sie nur Frauen waren und ihnen die Männer fehlten,durfte ich bei ihnen sitzen bleiben.» - «Bei Gott, wir hatten geglaubt, daß du zu ihnen gehörst!» erwiderten sie erstaunt. «Undjetzt kommt heraus, daß es dir genauso geht wie uns!»- «Hört her, wir sind mit Dschaafar und Masrur sieben Männer», sagte der Kalif. «Sie sind nur dreiMädchen, die nicht einmal einen vierten bei sich haben. Laßtuns hingehen und fragen, was das alles zu bedeuten hat. Wenn sie nichtfreiwillig antworten, dann eben mit Gewalt!»
Darauf verständigten sich alle, nur Dschaafar wardagegen. «Das ist keine gute Idee», meinte er, «laßtsie lieber in Ruhe, denn wir sind nur Gäste hier, und sie haben uns, wie ihr wißt, eine Bedingung gestellt. Ich glaube, es ist besser,wenn wir über diese Sache schweigen. Die Nacht ist doch schon fast vorüber, undin kurzer Zeit trennen wir uns ohnehin, und jeder von uns geht seiner Wege!»Dann blinzelte er dem Kalifen zu. «Beherrscher der Gläubigen!» sagte er leisezu ihm. «Gedulde dich noch diese eine, letzte Nachtstunde. Gleich morgen frühgehe ich in die Stadt hinaus und bringe sie alle vor dich. Dann werden sie unsihre Geschichte schon erzählen.» - «Wehe dir!» herrschte ihn der Kalif an.«Meine Geduld ist absolut am Ende! Jetzt, auf der Stelle, mußich wissen, was hier vorgeht. Die Bettelmönche sollen sie fragen!» - «Das istkeine gute Idee!» warnte Dschaafar erneut. Und soberatschlagten sie hin und her und wechselten viele Worte darüber, wer zuerstgehen und sie fragen sollte. Schließlich einigten sie sich darauf, daß der Träger sie fragen sollte.
Während sie noch hitzig weitersprachen, wurde dieeine Dame auf sie aufmerksam. «Was macht ihr da? Was habt ihr?» fragte sie. Datrat der Träger vor. «Ach, meine Dame», sagte er, «die anderen wollen, daß ihr ihnen von den zwei schwarzen Hündinnen erzählt,warum du sie erst prügelst und anschließend Tränen um sie vergießt. Außerdemwollen sie wissen, was es mit deiner Schwester auf sich hat und warum sieStriemen von Stockschlägen am Körper trägt, wie sie normalerweise nur Männertragen. Nicht mehr und nicht weniger als das verlangen sie.» - «Ist das wahr?»wandte sich die Dame an die Gesellschaft. «Stimmt es, was er über euch sagt?» -«Ja», antworteten alle außer Dschaafar, der den Mundhielt und nichts sagte.
«Liebe Gäste», sagte da die Dame, «ihr tut uns unrecht. Haben wir euch etwanicht von Anfang an unsere Bedingung mitgeteilt: Wer über etwas spricht, dasihn nichts angeht, der wird etwas hören, das ihm nicht gefällt ? Unter dieserBedingung haben wir euch in unser Haus eingelassen und unser Essen mit euchgeteilt. Jetzt habt ihr unser Gesetz übertreten und euch gegen uns gestellt.Aber euch trifft dennoch keine Schuld; Schuld ist der, der euch zu uns geführtund euch hereingelassen hat.» Mit diesen Worten streifte sie sich die Ärmelhoch, schlug dreimal kräftig auf die Erde und rief dazu: «Macht schnell!»
Kaum hatte sie das ausgesprochen, öffnete sich die Tür eines anderen Schrankes,und heraus kamen sieben schwarze Sklaven mit gezückten Schwertern in denHänden. Jeder Sklave überwältigte einen der Gäste, warf ihn mit dem Gesichtnach unten zu Boden und fesselte ihm die Hände hinter dem Rücken. In einemeinzigen Augenblick hatten die sieben Sklaven die sieben Gäste festgenommen,und nun banden sie sie aneinander, legten sie in eine Reihe, nahmen sie hochund trugen sie hinunter in die Mitte der Festhalle. Dort stellten sich diesieben Sklaven so auf, daß jeder mit dem Schwert inder Hand am Kopf eines der Gefangenen zu stehen kam. «O hoher Schirm undunüberwindlicher Schutzschild!» sagten sie zu der Dame. «Erlaube uns, ihnen dieKöpfe abzuschlagen!» - «Nicht so eilig!» erwiderte sie. «Laßtsie noch ein bißchen leben, damit ich sie über ihreVergangenheit befragen kann, bevor wir ihnen die Köpfe abschlagen.» - «LiebeHerrin», jammerte der Träger, «bestrafe mich nicht für die Schuld der anderen!Alle anderen haben euer Gesetz übertreten und sich schuldig gemacht, aber ichnicht! Bei Gott», fuhr er fort, «wie schön hätte unser Tag zu Ende gehenkönnen, wenn nicht diese Bettelmönche gekommen wären,diemit ihrem einen Auge jede Stadt, die sie betreten, in Schutt und Asche legenund in einen Sündenpfuhl und eine Mördergrube verwandeln!» Und schluchzendstimmte er die folgenden Verse an:
«Wie schön ist s, wenn ein Mächtiger verzeiht,
Besonders, wo kein Helfer steht bereit.
Ich bitte dich, um unsrer Freundschaft willen,
Schlagt nicht den ersten für den letzten breit!»
Es wird berichtet: Die Dame mußte darüber, trotzihres Zornes, lachen. Sie trat auf die gefesselten Gäste zu und sagte zu ihnen:«Ich will wissen, wie es mit euch steht und wer ihr seid. Antwortet mir, dennihr habt nur noch ein Stündchen zu leben! Ohne Zweifel seid ihr mächtige Leute,Herrscher eures Volkes oder gewaltige Befehlshaber, die gebieten und verbietenkönnen. Wenn ihr das nicht wärt, hättet ihr euch gar nicht hierher gewagt.» .«He!» sagte der Kalif leise zu Dschaafar. «Kläre siedarüber auf, wer wir sind, sonst werden wir noch irrtümlich getötet!» - «Genaudas haben wir auch verdient!» gab Dschaafar zurück.«Wehe dir!» herrschte ihn der Kalif an. «Ist das die rechte Zeit für Scherze?»
Unterdessen war die Dame auf die drei Bettelmönche zugegangen. «Ich nehme an,ihr seid Brüder?» fragte sie. «Nein, bei Gott, verehrte Herrin, das sind wirnicht», erwiderten sie, «und arme Fakire sind wir auch nicht.» Nun fragte sieeinen von ihnen: «Wurdest du schon einäugig geboren?» - «Nein, bei Gott,verehrte Herrin», antwortete er, «mir ist eine spannende Geschichte widerfahrenund ein aufregendes Abenteuer, das, schriebe man es mit Nadeln in die innerstenAugenwinkel, zu einer Lehre würde für alle, die sich belehren lassen! Wegendieses Abenteuers wurde mir das Auge ausgestochen, so daßich seitdem einäugig herumlaufe. Den Bart habe ich mir selbst abrasiert und binein Bettelmönch geworden.»
Sie stellte dem zweiten Bettelmönch dieselbe Frage. «Mir ist es ebenso ergangenwie ihm!» war die Antwort. Dann fragte sie den dritten, und der sagte: «Bei mirist es genau wie bei den beiden anderen!» - «Bei Gott, unsere Herrin undGebieterin», fuhren sie gemeinsam fort, «jeder von uns stammt aus einer anderenStadt Jeder war der Sohn eines Königs und Herrschers über sein Land und seineUntertanen. »
Nun wandte sich die Dame an die Sklaven und befahl ihnen: «Jeden von ihnen, deruns erzählt, was ihm zugestoßen ist und warum er zu uns kam, den laßt laufen, und er soll seiner Wege gehen. Wer sich aberweigert zu erzählen, dem schlagt den Kopf ab!»
Da erreichte das Morgengrauen Schahrasad, und siehörte auf zu erzählen. «Wie köstlich und wie spannend ist deine Geschichte!»sagte Dinarasad zu ihrer Schwester. «Was ist dasschon», erwiderte sie, «gegen das, was ich euch morgen nachterzähle, wenn ich bis dahin noch lebe und verschont geblieben bin ...»
© Verlag C.H.Beck oHG
Übersetzung: Claudia Ott
- 2009, 10., durchges. Aufl., 697 Seiten, Maße: 17 x 24,5 cm, Leinen, Deutsch
- Übersetzung: Ott, Claudia
- Übersetzer: Claudia Ott
- Verlag: Beck
- ISBN-10: 3406516807
- ISBN-13: 9783406516801
"Sinnlich, exotisch, ohne die Ausschmückungen und Prüderien der letzten Jahrhunderte." SWR-Büchertalk, 12. März 2004
"Während frühere Übersetzer aus Scheherazades Geschichten oft artige Kindermärchen machten, bewahrt Ott viel vom Charakter der arabischen Vorlage." DER SPIEGEL, 26. Januar 2004
"Tatsächlich hat die Übersetzerin eine hervorragende Arbeit geleistet, in Präzision und Nähe zum Original mit keiner anderen Übersetzung zu vergleichen, dabei zeitgenössisch und stilsicher im Ton." Stefan Weidner, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20. März 2004
"Claudia Ott übersetzt mit großer Präzision und in kürzestmöglicher Distanz zur ältesten arabischen Fassung. Sie erklärt auch anschaulich die verschiedenen arabischen Versmaße und Reimschemata." Erich Wiedemann, Spiegel Special, 28. September 2004
"Ihre Sprache ist klarer, übrigens auch erotisch expliziter." Otto Kallscheuer, Die Zeit, 9. Dezember 2004
"Die Orientalistin Claudia Ott hat ein gutes Stück ihres Lebens geopfert, daß sich der deutsche Leser an den Büchern des Paradieses erfreue. Möge Allah ihr Kummer und Pein von der Seele nehmen, möge der böse Blick der Neider an ihrem Schutzpanzer zerschmelzen - Allah segne sie für ihre Großtat und belohne sie mit einer herrlich quellenden Morgenwolke, deren Schatten sie streifen möge." Feridun Zaimoglu, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 8. Februar 2004
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