Unendlicher Spaß
Roman. Ausgezeichnet mit dem Hieronymusring 2009 und dem Preis der Leipziger Buchmesse, Kategorie Übersetzung 2010
DAS literarische Ereignis in diesem Jahr!
Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace, einer der wichtigsten Vertreter der amerikanischen Literatur, das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum...
Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace, einer der wichtigsten Vertreter der amerikanischen Literatur, das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum...
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Produktinformationen zu „Unendlicher Spaß “
DAS literarische Ereignis in diesem Jahr!
Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace, einer der wichtigsten Vertreter der amerikanischen Literatur, das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags."Unendlicher Spaß" - so nannte James Incandenza seinen Film, der Menschen, die ihn anschauen, so verhext, dass sie sich nicht mehr von ihm lösen können und dabei verdursten und verhungern. Sein Sohn Hal, ein Tenniswunderkind mit außergewöhnlichen intellektuellen Fähigkeiten, studiert an der Enfield Tennis Academy (ETA), die von seinem Vater gegründet wurde. Hier sowie im nahe gelegenen Ennet-House, einem Entziehungsheim für Drogenabhängige, spielt ein Teil der überbordenden Handlung, die jeden literarischen Kosmos sprengt - in einem leicht in die Zukunft versetzten Amerika, das mit Kanada und Mexiko die "Organisation der nordamerikanischen Nationen" bildet und von radikalen Separatisten in Kanada bekämpft wird.1996 erschien "Infinite Jest" in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Nicht allein der schiere Umfang, sondern vor allem die sprachliche Kreativität, die ungeheure Themenvielfalt, die treffsichere Gesellschaftskritik, scharfe Analyse sowie der Humor machen den Roman zum Meilenstein der amerikanischen Literatur. Namhafte Autoren von Dave Eggers bis Jonathan Franzen sehen in diesem Buch ein Vorbild für ihr Schaffen. Ulrich Blumenbach hat sechs Jahre lang an der Übersetzung gearbeitet, und seine kongeniale Übertragung ins Deutsche gibt deutschsprachigen Lesern nun endlich die Möglichkeit, das Buch kennenzulernen.
Vor einem Jahr nahm sich David Foster Wallace, einer der wichtigsten Vertreter der amerikanischen Literatur, das Leben. Sechs Jahre lang hat Ulrich Blumenbach an der Übersetzung von Wallaces Opus magnum gearbeitet, dem größten Übersetzungsprojekt in der Geschichte des Verlags."Unendlicher Spaß" - so nannte James Incandenza seinen Film, der Menschen, die ihn anschauen, so verhext, dass sie sich nicht mehr von ihm lösen können und dabei verdursten und verhungern. Sein Sohn Hal, ein Tenniswunderkind mit außergewöhnlichen intellektuellen Fähigkeiten, studiert an der Enfield Tennis Academy (ETA), die von seinem Vater gegründet wurde. Hier sowie im nahe gelegenen Ennet-House, einem Entziehungsheim für Drogenabhängige, spielt ein Teil der überbordenden Handlung, die jeden literarischen Kosmos sprengt - in einem leicht in die Zukunft versetzten Amerika, das mit Kanada und Mexiko die "Organisation der nordamerikanischen Nationen" bildet und von radikalen Separatisten in Kanada bekämpft wird.1996 erschien "Infinite Jest" in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Nicht allein der schiere Umfang, sondern vor allem die sprachliche Kreativität, die ungeheure Themenvielfalt, die treffsichere Gesellschaftskritik, scharfe Analyse sowie der Humor machen den Roman zum Meilenstein der amerikanischen Literatur. Namhafte Autoren von Dave Eggers bis Jonathan Franzen sehen in diesem Buch ein Vorbild für ihr Schaffen. Ulrich Blumenbach hat sechs Jahre lang an der Übersetzung gearbeitet, und seine kongeniale Übertragung ins Deutsche gibt deutschsprachigen Lesern nun endlich die Möglichkeit, das Buch kennenzulernen.
Klappentext zu „Unendlicher Spaß “
»Unendlicher Spaß vereint literarische Innovation und Lesbarkeit auf eigene, unerhörte, markerschütternde Weise.« Frankfurter Allgemeine Zeitung»Unendlicher Spaß« - so nannte James Incandenza seinen Film, der Menschen, die ihn anschauen, so verhext, dass sie sich nicht mehr von ihm lösen können und dabei verdursten und verhungern. Sein Sohn Hal, ein Tenniswunderkind mit außergewöhnlichen intellektuellen Fähigkeiten, studiert an der Enfield Tennis Academy (ETA), die von seinem Vater gegründet wurde. Hier sowie im nahe gelegenen Ennet-House, einem Entziehungsheim für Drogenabhängige, spielt ein Teil der überbordenden Handlung, die jeden literarischen Kosmos sprengt - in einem leicht in die Zukunft versetzten Amerika, das mit Kanada und Mexiko die »Organisation der nordamerikanischen Nationen« bildet und von radikalen Separatisten in Kanada bekämpft wird.
1996 erschien »Infinite Jest« in den USA und machte David Foster Wallace über Nacht zum Superstar der Literaturszene. Nicht allein der schiere Umfang, sondern vor allem die sprachliche Kreativität, die ungeheure Themenvielfalt, die treffsichere Gesellschaftskritik, scharfe Analyse sowie der Humor machen den Roman zum Meilenstein der amerikanischen Literatur. Namhafte Autoren von Dave Eggers bis Jonathan Franzen sehen in diesem Buch ein Vorbild für ihr Schaffen. Ulrich Blumenbach hat sechs Jahre lang an der Übersetzung gearbeitet, und seine kongeniale Übertragung ins Deutsche wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Mehr: https://www.unendlicherspass.de/
Lese-Probe zu „Unendlicher Spaß “
Unendlicher Spaß von David Foster Wallace0
Jahr des Glad-Müllsacks
Ich befinde mich in einem Büro, umgeben von Körpern und Köpfen. Meine Haltung kongruiert bewusst der Form des harten Stuhls, auf dem ich sitze. Es ist ein kaltes Zimmer, das zur Universitätsverwaltung gehört, holzgetäfelt, remingtonbehängt und doppelverglast gegen die Novemberhitze, durch das Empfangsareal draußen von Verwaltungsgeräuschen abgeschirmt. Dort wurden Onkel Charles, Mr deLint und ich vorhin empfangen.
Ich bin hier drin.
Auf der anderen Seite des Konferenztischs aus poliertem Kiefernholz, der im spinnfädigen Mittagslicht von Arizona glänzt, schälen sich über leichten Sommersakkos und halben Windsors drei Gesichter heraus. Sie gehören den drei Kommissionsleitern – Zulassung, Studiendekanat und Hochschulsport. Welches wem gehört, weiß ich nicht. Ich glaube, ich wirke neutral, vielleicht sogar liebenswürdig, dabei wurde mir eingebläut, neutral zu bleiben und nicht zu versuchen, eine mir liebenswürdig erscheinende Miene aufzusetzen oder gar zu lächeln.
Ich schlage sorgfältig, so hoffe ich, die Beine übereinander, Knöchel auf Knie, Hände im Schoß der Hose. Meine verschränkten Finger sehen aus wie eine Serie des Buchstaben X im Spiegelkabinett. Im Sitzungszimmer sind außerdem: der Literarische Gutachter der Fakultät, der Universitäts-Tennistrainer und der Prorektor Mr A. deLint. C. T. sitzt neben mir; die anderen sitzen bzw. stehen und stehen am Rand meines Gesichtsfeldes. Der Tennistrainer klimpert mit Kleingeld in der Tasche. Ein leicht digestiver Geruch liegt im Zimmer. Die Profilsohle meines von Nike gesponserten Turnschuhs ist parallel ausgerichtet zum ausgelatschten Loafer des Halbbruders meiner Mutter, anwesend in seiner Eigenschaft als Rektor. Er sitzt auf dem Stuhl, so hoffe
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ich, gleich rechts neben mir und sieht ebenfalls die Kommissionsleiter an.
Der Kommissionsleiter zur Linken, ein schmaler, gelblicher Mann, dessen eingefrorenes Lächeln gleichwohl vergänglich ist wie eine Prägung in unnachgiebigem Material, gehört einem Menschentyp an, den ich in letzter Zeit zu schätzen gelernt habe, dem Typ, der seine Neugier auf meine Meinung ungestillt lässt, indem er mir meine Sicht der Dinge darlegt. Der zottelige Löwe von Kommissionsleiter in der Mitte hat ihm einen Stapel Computerausdrucke zugeschoben, und er wendet sich mehr oder weniger an diese Blätter, lächelt auf sie hinab.
»Sie sind Harold Incandenza, achtzehn, Schulabschluss in schätzungsweise einem Monat, Sie besuchen die Enfield Tennis Academy in Enfield, Massachusetts, in deren Internat Sie auch wohnhaft sind.«
Seine Lesebrille ist rechteckig, tennisplatzförmig, der obere und untere Rand bilden die Seitenlinien. »Trainer White und Kommissionsleiter [unverständlich] zufolge sind Sie ein regional, national und kontinental gesetzter Tennisspieler, ein äußerst vielversprechender potenzieller O.N.A.N.C.A.A.-Sportler, der von Trainer White in einem im … Februar dieses Jahres aufgenommenen Schriftwechsel mit Dr. Tavis hier angeworben wurde.« Das jeweils oberste Blatt wird in regelmäßigen Abständen abgehoben und unter den anderen säuberlich auf Stoß gebracht. »Seit Ihrem siebten Lebensjahr sind Sie wohnhaft in der Enfield Tennis Academy.«
Ich frage mich, ob ich es wagen soll, mir den Grützbeutel rechts am Kiefer zu kratzen.
»Trainer White setzt unsere Verwaltung darüber in Kenntnis, dass er dem Programm und den Erfolgen der Enfield Tennis Academy großen Respekt zollt, dass der Tenniskader der University of Arizona schon mehrfach von der Immatrikulation E.T.A-Ehemaliger profitiert hat, zu denen ein gewisser Mr Aubrey F. deLint zählte, der heute an Ihrer Seite hier erschienen ist. Trainer White und seine Leute geben uns Grund –«
Die Diktion des gelben Verwaltungsbeamten ist alles in allem mittelmäßig, aber ich muss zugeben, dass er sich verständlich gemacht hat. Der Literarische Gutachter scheint über mehr als die übliche Anzahl Augenbrauen zu verfügen. Der Kommissionsleiter zur Rechten sieht mich etwas seltsam an.
Onkel Charles sagt, es sei zwar nicht auszuschließen, dass die Kommissionsleitung geneigt sein könnte, seine Behauptungen darauf zurückzuführen, dass er eine Art Cheerleader der E. T. A. sei, er dürfe der versammelten Kommissionsleitung indes versichern, dass das alles der Wahrheit entspreche und dass in der Academy gegenwärtig sage und schreibe ein Drittel der dreißig besten Junioren des Kontinents wohnhaft sei, in nachgerade sämtlichen Altersgruppen, und dass ich hier, der meist »Hal« genannt werde, »sozusagen eines der Sahnehäubchen auf der Crème de la Crème« sei. Rechter und mittlerer Kommissionsleiter lächeln routiniert; deLint und der Trainer neigen die Köpfe, als sich der linke Leiter räuspert:
»– zu der Annahme, dass Sie sogar als Studienanfänger durchaus einen substanziellen Beitrag zum Tennisprogramm dieser Universität leisten könnten. Wir sind erfreut«, sagt oder liest er und hebt ein Blatt ab, »dass ein größerer Wettkampf Sie zu uns geführt hat und uns die Möglichkeit gibt, uns über Ihren Immatrikulationsantrag sowie Ihre potenzielle Anwerbung, Einschreibung und Studienbeihilfe
zu unterhalten.«
»Man hat mich gebeten, darauf hinzuweisen, dass Hal im angesehenen WhataBurger-Southwest-Junior-Gastturnier drüben im Randolph Tennis Center an Nummer 3 im Einzel der Junioren gesetzt ist –«, sagt der mutmaßliche Hochschulsportleiter, und sein schräggelegter Kopf zeigt sommersprossige Kopfhaut.
»Drüben in Randolph Park, in der Nähe des unvergleichlichen El Con Marriott«, wirft C. T. ein, »einem Austragungsort, den die ganze Gruppe erklärtermaßen bislang absolut picobello fand, was –«
»Ganz recht, Chuck, und unserem Chuck zufolge ist Hal seinem Listenplatz bereits gerecht geworden und hat mit einem, wie es scheint, beeindruckenden Sieg heute Vormittag das Halbfinale erreicht. Morgen wird er wieder drüben im Center spielen, und zwar gegen den Sieger des Viertelfinalspiels von heute Abend. Wenn mich nicht alles täuscht, tritt er also morgen Abend um 20.30 an –« »Versuch alles klarzumachen, bevor da draußen diese Affenhitze herrscht. Auch wenn’s natürlich eine trockene Hitze ist.« »– und hat sich offenbar auch schon für das Kontinental-Hallenturnier im kommenden Winter oben in Edmonton qualifiziert, wie Kirk mir sagte –«, bringt den Kopf noch mehr in Schräglage, schaut hoch und nach links zum Tennistrainer rüber, dessen permagrinsende Zähne sich strahlend von einem deftigen Sonnenbrand abheben – »Was echt für ihn spricht.« Er lächelt und sieht mich an. »War das so weit alles richtig, Hal?«
C. T. hat lässig die Arme gekreuzt; im klimatisierten Sonnenlicht erscheinen seine Trizepse wie marmoriert. »Das will ich meinen, Bill.« Er lächelt. Die beiden Hälften seines Schnurrbarts harmonieren nie ganz. »Ich würde gern noch hinzufügen, dass Hal aufgeregt ist, aufgeregt darüber, das dritte Jahr in Folge zum Gastturnier eingeladen zu werden, wieder in einer Gemeinschaft zu sein, der er tiefe Zuneigung entgegenbringt, ihre Ehemaligen und Trainer wiederzusehen, seine hohe Setzung im ja nicht unschwierigen Wettbewerb dieser Woche schon gerechtfertigt zu haben, immer noch, wie es so schön heißt, dabei zu sein, auch wenn man den Tag nicht loben soll, ehe die Vesperglocken verklungen sind, wenn ich mal so sagen darf, am meisten aber natürlich, weil es ihm die Gelegenheit gibt, Sie, meine Herren, kennenzulernen und die hiesigen Anlagen in Augenschein zu nehmen. Alles ist hier absolut vom Feinsten, soweit er gesehen hat.«
Schweigen. DeLint schubbert die Wandtäfelung entlang und verlagert sein Gewicht wieder auf die Körpermitte. Mein Onkel strahlt und strafft sein straffes Uhrarmband. 62,5 % der Gesichter im Raum sehen mich freundlich gespannt an. Mein Herz rumpelt wie ein Wäschetrockner mit Schuhen drin. Ich setze eine Miene auf, die als Lächeln verstanden werden will. Ich wende mich hierhin und dorthin, ganz leicht, um alle Anwesenden an dieser Miene teilhaben zu lassen.
Ein neues Schweigen. Die Augenbrauen des gelben Kommissionsleiters werden zu Zirkumflexen. Die beiden anderen Leiter schauen den für Literarische Gutachten an. Der Tennistrainer ist vor das große Fenster getreten und fährt sich am Hinterkopf über den Bürstenschnitt.
Onkel Charles’ Hand streicht über den Unterarm oberhalb der Armbanduhr. Scharfgeschwungene Palmenschatten gleiten über den glänzenden Kieferntisch, der Schatten des einen Kopfs ein schwarzer Mond.
»Ist mit Hal alles in Ordnung, Chuck?«, fragt Hochschulsport. »Er schien gerade eine … na ja, Grimasse zu ziehen. Hat er Schmerzen? Hast du Schmerzen, mein Sohn?«
»Hal ist voll auf dem Posten«, lächelt mein Onkel mit einer besänftigenden, saloppen Geste. »Bloß ein kleines, sagen wir, vielleicht nervöses Zucken, weiter nichts, durch all das Adrenalin, weil er hier auf diesem beeindruckenden Campus ist und bewiesen hat, dass seine Setzung richtig war, ohne einen einzigen Satz abzugeben, weil er das offizielle schriftliche Angebot mit einem PAC-10-Briefkopf erhalten hat, in dem ihm Trainer White nicht nur eine Verzichtserklärung zusagt, sondern auch eine Studienbeihilfe, weil er, wie er mir gegenüber angedeutet hat, höchstwahrscheinlich bereit ist, hier und heute und auf der Stelle eine Nationale Absichtserklärung zu unterzeichnen.«
C. T. sieht mich mit furchterregender Milde an. Ich gehe auf Nummer sicher, entspanne jeden einzelnen Muskel im Gesicht, nehme ihm jeden Ausdruck und starre intensiv auf den Kekuléknoten der Krawatte des mittleren Kommissionsleiters.
Meine stumme Reaktion auf das erwartungsvolle Schweigen beeinträchtigt die Atmosphäre. Die von den Lüftungsschächten der Klimaanlage aufgewirbelten Staubpartikel und Sakkoflusen tanzen besoffen in der schräggeschäfteten Sonnensäule, und die Luft über dem Tisch gleicht dem durchsprühten Raum über einem frisch eingeschenkten Mineralwasser. Mit leichtem Akzent, der weder britisch noch australisch ist, erklärt der Trainer C. T., das ganze Antragsprozedere sei normalerweise nur eine harmlose Formalität, wahrscheinlich aber am besten zu fassonieren, wenn der Bewerber persönlich Stellung nähme. Rechter und mittlerer Kommissionsleiter haben die Köpfe zusammengesteckt, verständigen sich leise und bilden ein Tipi aus Haut und Haar. Der Tennistrainer hat wahrscheinlich fassonieren und simplifizieren verwechselt, obgleich forcieren einem nicht nur leichter von den Lippen geht, sondern auch in phonetischer Hinsicht der plausiblere Fehler ist. Der Kommissionsleiter mit dem platten gelben Gesicht hat sich vorgebeugt und bleckt ein wenig die Zähne, was ich für Anteilnahme halte. Seine Hände haben sich auf der Konferenztischplatte aneinandergelegt. Seine Finger sehen aus, als paarten sie sich, während sich mein X-Vierer löst und ich die Stuhllehnen umklammere.
Betreffs potenzieller Probleme mit meinem Antrag müssten wir, sie und ich, ehrlich miteinander sprechen, setzt er an. Er lässt sich über Ehrlichkeit und ihren Nutzen aus.
»Die Fragen, Hal, die Ihre Antragsunterlagen für meinen Stab aufwerfen, betreffen einige Klausurergebnisse.« Er wirft einen Blick auf ein farbenfrohes Blatt mit Standardtestergebnissen im Schützengraben seiner Arme. »Das Immatrikulationspersonal sieht sich mit Standardtestergebnissen Ihrerseits konfrontiert, die, wie Sie sicher wissen und uns erklären können, wie soll ich sagen … subnormal sind.« Ich soll erklären.
Dieser eigentlich ziemlich aufrichtige gelbe Mann links ist eindeutig der Leiter der Zulassungskommission. Mit Sicherheit ist die kleine aviarische Gestalt rechts dann der Hochschulsportleiter, denn die Falten im Gesicht des zotteligen mittleren Kommissionsleiters verziehen sich jetzt degoutiert nach dem Motto »Ich esse etwas, das mich das Getränk dazu so richtig schätzen lehrt«, eine Miene, die von professioneller universitärer Arroganz zeugt. In der Mitte also eine unkomplizierte Treue zu Standards. Mein Onkel sieht Hochschulsport gleichsam verwirrt an. Er rutscht ein wenig auf dem Stuhl hin und her.
Das Missverhältnis zwischen Hand- und Gesichtsfarbe von Immatrikulation ist geradezu krass. »– eine Ausdrucksfähigkeit, die etwas mehr Richtung null tendiert, als uns lieb wäre, verglichen mit einer Schulklausur an der Bildungsanstalt, zu deren Verwaltungsapparat sowohl Ihre Mutter als auch deren Bruder gehören –«, jetzt liest er von dem Papierstoß in der Ellipse seiner Arme ab –, »die im vergangenen Jahr, ja, etwas zurückgegangen ist, womit ich allerdings auf ›hervorragend‹ zurückgegangen meine, nach drei offen gesagt unglaublichen Jahren zuvor.«
»Außer Konkurrenz.«
»Die meisten Bildungsanstalten haben nicht einmal die Note 1 mit multiplen Pluszeichen dahinter«, sagt der Literarische Gutachter mit undurchdringlicher Miene.
»Ein solches … wie soll ich sagen … Missverhältnis«, sagt Immatrikulation mit offener und besorgter Miene, »lässt im Zulassungsprozess Alarmlämpchen potenzieller Bedenken aufblinken, muss ich gestehen.«
»Wir möchten Sie daher ersuchen, diesen Anschein eines Missverhältnisses, um nicht zu sagen einer krummen Tour, aufzuklären.«
Studienberater hat eine dünne Piepsstimme, die bei einem so riesigen Gesicht etwas Lächerliches hat.
»Mit unglaublich meinen Sie bestimmt sehr, sehr, sehr beeindruckend im Gegensatz zu Zitat ›unglaublich‹ Zitatende«, sagt C. T., der scheinbar zuschaut, wie sich der Trainer am Fenster den Nacken massiert.
Das Panoramafenster zeigt nichts als blendendes Sonnenlicht und im Hitzeflirren daliegende rissige Erde. »Des Weiteren liegen uns nicht die von der Hochschulordnung vorgesehenen zwei, sondern neun verschiedene Bewerbungsessays vor, darunter einige von nahezu monographischem Format, ausnahmslos von einer Qualität, die« – neues Blatt – »verschiedene Gutachter zu dem Begriff ich zitiere ›phänomenal‹ greifen lässt –«
Lit. Gut.: »Ich habe in meinem Gutachten bewusst lapidar und ephemer verwendet.«
»– aber aus Sachgebieten und mit Titeln, an die Sie sich gewiss nur zu gut erinnern, Hal: ›Neoklassische Prämissen in zeitgenössischen präskriptiven Grammatiken‹, ›Die Implikationen von Post-Fourier- Transformationen für ein holographisches mimetisches Kino‹, ›Die Herausbildung des heroischen Stillstands in der Rundfunk- und Fernsehunterhaltung‹ –«
»›Die Montague-Grammatik und die Semantik dinglicher Modalitäten‹? «
»›Ein Mann, der argwöhnte, er sei aus Glas‹?«
»›Zur Tertiärsymbolik in justinianischen Erotica‹?«
Breite Streifen zurückgegangenen Zahnfleischs. »Ich begnüge mich mit dem Hinweis, dass dem Empfänger dieser unglücklichen, allenfalls nachvollziehbaren Testergebnisse die ehrliche Frage gestellt werden muss, ob er der alleinige Urheber dieser Essays ist.«
»Ich weiß nicht genau, ob sich Hal bewusst ist, was man ihm damit unterstellt«, sagt mein Onkel. Der Kommissionsleiter in der Mitte nestelt an seinen Sakkoaufschlägen herum, während er skandalöse
Computerdaten interpretiert.
»Die Universität möchte damit sagen, dass es unter streng akademischen Gesichtspunkten ein Zulassungsproblem gibt, bei dessen Ausräumung wir auf Hals Mithilfe angewiesen sind. Der Rang eines Immatrikulanden an der Universität ist und bleibt in erster Linie der eines Studenten. Wir können keinen Studenten zulassen, bei dem zu befürchten steht, dass er auf keinen grünen Zweig kommt, mag er auch auf dem Spielfeld ein noch so großer Gewinn sein.«
»Kommissionsleiter Sawyer meint natürlich auf dem Court, Chuck«, sagt Hochschulsport, den Kopf inzwischen in so bedrohlicher Schieflage, dass er das Wort auch an den hinter ihm stehenden White richtet. »Ganz zu schweigen von O.N.A.N.C.A.A.-Vorschriften und Ermittlern, die auf der Suche nach den kleinsten Anzeichen für Betrug ihre Nase überall reinstecken.«
Der Uni-Tennistrainer wirft einen Blick auf seine Armbanduhr. »Angenommen, die vorliegenden Prüfungsergebnisse sind unbeschönigte Abbilder wahrer Fähigkeiten«, sagt Studiendekanat, die hohe Stimme ernst und gedämpft, den Blick immer noch auf die vor ihm liegende Akte gerichtet, als wäre sie ein Teller mit irgendeiner Ungenießbarkeit, »dann muss ich Ihnen gestehen, dass ich persönlich es nicht fair fände. Es wäre den anderen Antragstellern gegenüber nicht fair. Es wäre der Alma Mater gegenüber nicht fair.« Er sieht mich an. »Und besonders unfair wäre es Hal selbst gegenüber. Die Zulassung eines Jungen, den wir lediglich als sportliche Bereicherung ansehen, liefe auf ein Ausnutzen dieses Jungen hinaus. Wir stehen unter genauester Aufsicht durch Myriaden von Beobachtern, die garantieren sollen, dass wir niemanden ausnutzen. Ihre Prüfungsergebnisse, mein Sohn, erlauben die Vermutung, dass uns vorgeworfen werden könnte, Sie auszunutzen.«
Onkel Charles bittet Trainer White, den Leiter der Hochschulsportkommission zu fragen, ob um die Ergebnisse auch so viel Aufhebens gemacht würde, wenn ich beispielsweise ein einkünftesteigerndes Footballwunder wäre. Die vertraute Panik, missverstanden zu werden, kommt auf, und meine Brust puckert und rast. Ich verwende alle Energie darauf, auf meinem Stuhl absolute Ruhe zu wahren, ausdruckslos dazusitzen, meine Augen zwei große blasse Nullen. Man hat mir versprochen, mich hier durchzubringen.
Onkel C. T. hat jedoch den gequälten Blick eines Menschen, der mit dem Rücken zur Wand steht. Seine Stimme gewinnt ein seltsames Timbre, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht, als schrie er beim Rückzug. »Hals Noten an der E. T. A., die wohlgemerkt eine Academy ist, nicht bloß ein Lager oder eine Fabrik, anerkannt sowohl vom Commonwealth of Massachusetts als auch von der North American Sports Academy Association, bestrebt, sämtliche Bedürfnisse des Sportlers und Schülers zu erfüllen, gegründet von einem Menschen überragender intellektueller Größe, dessen Namen ich hier kaum zu nennen brauche und der sie von Anfang an auf den rigorosen Quadrivium-Trivium-Lehrplan von Oxbridge ausgerichtet hat, eine personell wie technisch bestens ausgestattete Schule mit staatlich geprüftem Personal, dürften zeigen, dass mein Neffe hier jeden PAC-10-Vogel abschießen kann, der abgeschossen werden muss, und dass –«
DeLint geht zum Tennistrainer, der den Kopf schüttelt. »– es möglich wäre, in dieser Angelegenheit ganz entschieden den Unterton eines Vorurteils gegen kleinere Sportarten auszumachen«, sagt C. T. und schlägt abwechselnd die Beine übereinander, während ich gelassen zusehe und lausche.
Das Kohlensäureschweigen im Raum hat eine feindselige Note bekommen. »Es wird wohl Zeit, dass sich der Bewerber selbst in eigener Sache äußert«, sagt Studiendekanat gefährlich ruhig. »In Ihrer Gegenwart scheint das ausgeschlossen zu sein, Sir.«
Hochschulsport lächelt müde hinter der Hand, die seinen Nasenrücken massiert. »Vielleicht entschuldigen Sie uns einen Augenblick und warten draußen, Chuck.«
»Trainer White könnte Mr Tavis und seinen Kollegen zum Empfang hinausbegleiten«, sagt der gelbe Kommissionsleiter und lächelt meine ins Leere starrenden Augen an.
»– hatte Grund zu der Annahme, das alles sei bereits im Vorfeld ausgeräumt worden, von –«, sagt C. T., während deLint und er zur Tür geleitet werden. Der Tennistrainer streckt ihm einen hypertrophen Arm entgegen. Hochschulsport sagt: »Wir sind hier alle Freunde und Kollegen.«
Das geht schief. Mir geht durch den Kopf, dass exit-Schilder auf einen lateinischen Muttersprachler den Eindruck machen würden, als wäre die Aufschrift er geht rot beleuchtet. Ich würde dem Drang, vor ihnen zur Tür zu stürzen, nachgeben, wenn ich davon ausgehen könnte, dass die Anwesenden auch jemanden sehen würden, der zur Tür stürzt. DeLint murmelt dem Tennistrainer etwas zu. Tastaturgeklapper, Telefonklingeln, als die Tür kurz aufgeht und wieder ins Schloss fällt. Ich bin allein unter Bürokraten.
»– uns nicht übelzunehmen«, sagt Hochschulsport, Sakko hellbraun und Krawatte mit winziger Schrift gekennzeichnet – »über bloße sportliche Fähigkeiten hinaus, um die es da draußen geht und die wir, glauben Sie mir, schätzen, wollen, glauben Sie mir.«
»– keine Frage, wären wir nicht so erpicht darauf, uns mit Ihnen direkt zu unterhalten, verstehen Sie?«
»– bei der Bearbeitung diverser früherer Bewerbungen durch Trainer Whites Büro erfahren haben, dass die Enfield School, auf welch beeindruckende Weise auch immer, von Ihren Familienangehörigen geführt wird. Da wäre erstens Ihr Bruder, an den ich mich noch gut erinnere, weil Whites Vorgänger Maury Klamkin den Jungen so umworben hat, und von daher ist die Objektivität von Ergebnissen nur allzu leicht infrage zu stellen –«
»… jedwede Interessenten – N.A.A.U.P., übelgesinnte PAC-10- Programme, O.N.A.N.C.A.A. –«
Die Essays sind alt, zugegeben, aber von mir; de moi. Aber sie sind eben alt und behandeln streng genommen nicht das dem Bewerber vorgegebene Thema der »wichtigsten Bildungserfahrung seines Lebens«. Hätte ich Ihnen einen aus dem letzten Jahr eingereicht, hätten Sie den Eindruck bekommen, ein Kleinkind hätte willkürlich eine Tastatur malträtiert, auch Sie, der Sie jedweder nicht deklinieren können. Und in dieser neuen, kleineren Gemeinschaft erwacht plötzlich der Literarische Gutachter zum Leben, entpuppt sich als Alphamännchen des Rudels und wirkt gleichzeitig weit femininer als zuvor. Er steht da, die Hand in die verdrehte Hüfte gestemmt, lässt beim Gehen die Schultern kreisen, zieht die Hose hoch und klimpert mit Kleingeld, gleitet auf den von C. T.s Gesäß noch warmen Stuhl und schlägt die Beine so übereinander, dass sie ein gutes Stück in meine Privatsphäre hineinragen. Ich sehe multiple Augenbrauentics und Kapillargeäder in den Austern unter seinen Augen und rieche Weichspüler und die sauer gewordenen Reste eines Minzbonbons gegen Mundgeruch.
»… ein intelligenter, zuverlässiger, aber sehr schüchterner Junge. Wir wissen, dass Sie sehr schüchtern sind, Kirk White hat uns berichtet, was Ihr athletisch gebauter, wenn auch recht reservierter Juniortrainer ihm berichtet hat«, sagt der Gutachter leise und legt mir anscheinend eine Hand auf den Sakkobizeps (sicher nicht), »aber schlucken Sie das einfach runter, vertrauen Sie uns und erzählen Sie Ihre Version der Geschichte diesen Herren, die Ihnen nichts tun wollen, sondern nur ihren Job machen und dabei gleichzeitig die Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen versuchen.«
Ich sehe deLint und White vor mir, die mit den Ellbogen auf den Knien in der Defäkationshaltung aller ruhenden Sportler dasitzen. DeLint starrt seine riesigen Daumen an, während C. T. in einer engen Ellipse das Empfangsareal abschreitet und in sein Handy spricht. Ich wurde für diese Sitzung präpariert wie ein Mafia-Don für eine Anhörung unter dem RICO-Gesetz. Neutrales und emotionsloses Schweigen. So ein komplett defensives Spiel wollte Schtitt immer von mir: die beste Verteidigung: Lass alles von dir abprallen; tu nichts. Ich würde Ihnen alles erzählen, was Sie hören wollen, und noch mehr, wenn Sie die von mir produzierten Geräusche hören könnten. Hochschulsport wie ein Vogel mit dem Kopf unter dem Flügel hervor: »– um ein Zulassungsprozedere zu vermeiden, das als primär sportorientiert ausgelegt werden könnte. Das könnte im Schlamassel enden, mein Sohn.«
»Bill meint den äußeren Anschein, nicht unbedingt die wirklich wahren Fakten der Angelegenheit, über die Sie allein uns unterrichten können«, sagt der Literarische Gutachter.
»– den Anschein hoher sportlicher Platzierung, subnormaler Testergebnisse, hyperwissenschaftlicher Essays, die unglaublichen Noten, die aus potenziell nepotistischen Umständen hervorwirbeln.«
Der gelbe Kommissionsleiter hat sich so weit vorgebeugt, dass er seine Krawatte gleich waagerecht über den Tischrand schiebt, sein Gesicht ist fahl, gütig und federlesenslos:
»Schauen Sie, Mr Incandenza, Hal, bitte erklären Sie mir doch, inwiefern sich der Vorwurf entkräften lässt, dass wir Sie ausnutzen, mein Sohn. Inwiefern niemand ankommen und sagen könnte, so geht’s ja nun nicht, University of Arizona, ihr wollt da einen Jungen bloß wegen seines Körpers, einen so schüchternen und introvertierten Jungen, dass er nicht einmal für sich eintreten kann, eine Sportskanone mit geklitterten Noten und einer gekauften Bewerbung.«
Das im Brewster-Winkel von der Tischplatte reflektierte Licht erscheint hinter meinen geschlossenen Lidern rosenrot. Ich kann mich nicht verständlich machen. »Ich bin nicht bloß eine Sportskanone«,
sage ich langsam. Akzentuiert. »Mein letztes Jahreszeugnis ist vielleicht ein bisschen frisiert, aber das sollte mir nur über eine schwierige Zeit hinweghelfen. Die früheren Noten sind de moi.« Meine Augen sind geschlossen; im Raum herrscht Stille. »Ich kann mich jetzt nicht verständlich machen.« Ich spreche langsam und akzentuiert. »Könnte sein, dass ich was Falsches gegessen habe.«
Übersetzung: Ulrich Blumenbach
© 2009 by Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KG, Köln
Der Kommissionsleiter zur Linken, ein schmaler, gelblicher Mann, dessen eingefrorenes Lächeln gleichwohl vergänglich ist wie eine Prägung in unnachgiebigem Material, gehört einem Menschentyp an, den ich in letzter Zeit zu schätzen gelernt habe, dem Typ, der seine Neugier auf meine Meinung ungestillt lässt, indem er mir meine Sicht der Dinge darlegt. Der zottelige Löwe von Kommissionsleiter in der Mitte hat ihm einen Stapel Computerausdrucke zugeschoben, und er wendet sich mehr oder weniger an diese Blätter, lächelt auf sie hinab.
»Sie sind Harold Incandenza, achtzehn, Schulabschluss in schätzungsweise einem Monat, Sie besuchen die Enfield Tennis Academy in Enfield, Massachusetts, in deren Internat Sie auch wohnhaft sind.«
Seine Lesebrille ist rechteckig, tennisplatzförmig, der obere und untere Rand bilden die Seitenlinien. »Trainer White und Kommissionsleiter [unverständlich] zufolge sind Sie ein regional, national und kontinental gesetzter Tennisspieler, ein äußerst vielversprechender potenzieller O.N.A.N.C.A.A.-Sportler, der von Trainer White in einem im … Februar dieses Jahres aufgenommenen Schriftwechsel mit Dr. Tavis hier angeworben wurde.« Das jeweils oberste Blatt wird in regelmäßigen Abständen abgehoben und unter den anderen säuberlich auf Stoß gebracht. »Seit Ihrem siebten Lebensjahr sind Sie wohnhaft in der Enfield Tennis Academy.«
Ich frage mich, ob ich es wagen soll, mir den Grützbeutel rechts am Kiefer zu kratzen.
»Trainer White setzt unsere Verwaltung darüber in Kenntnis, dass er dem Programm und den Erfolgen der Enfield Tennis Academy großen Respekt zollt, dass der Tenniskader der University of Arizona schon mehrfach von der Immatrikulation E.T.A-Ehemaliger profitiert hat, zu denen ein gewisser Mr Aubrey F. deLint zählte, der heute an Ihrer Seite hier erschienen ist. Trainer White und seine Leute geben uns Grund –«
Die Diktion des gelben Verwaltungsbeamten ist alles in allem mittelmäßig, aber ich muss zugeben, dass er sich verständlich gemacht hat. Der Literarische Gutachter scheint über mehr als die übliche Anzahl Augenbrauen zu verfügen. Der Kommissionsleiter zur Rechten sieht mich etwas seltsam an.
Onkel Charles sagt, es sei zwar nicht auszuschließen, dass die Kommissionsleitung geneigt sein könnte, seine Behauptungen darauf zurückzuführen, dass er eine Art Cheerleader der E. T. A. sei, er dürfe der versammelten Kommissionsleitung indes versichern, dass das alles der Wahrheit entspreche und dass in der Academy gegenwärtig sage und schreibe ein Drittel der dreißig besten Junioren des Kontinents wohnhaft sei, in nachgerade sämtlichen Altersgruppen, und dass ich hier, der meist »Hal« genannt werde, »sozusagen eines der Sahnehäubchen auf der Crème de la Crème« sei. Rechter und mittlerer Kommissionsleiter lächeln routiniert; deLint und der Trainer neigen die Köpfe, als sich der linke Leiter räuspert:
»– zu der Annahme, dass Sie sogar als Studienanfänger durchaus einen substanziellen Beitrag zum Tennisprogramm dieser Universität leisten könnten. Wir sind erfreut«, sagt oder liest er und hebt ein Blatt ab, »dass ein größerer Wettkampf Sie zu uns geführt hat und uns die Möglichkeit gibt, uns über Ihren Immatrikulationsantrag sowie Ihre potenzielle Anwerbung, Einschreibung und Studienbeihilfe
zu unterhalten.«
»Man hat mich gebeten, darauf hinzuweisen, dass Hal im angesehenen WhataBurger-Southwest-Junior-Gastturnier drüben im Randolph Tennis Center an Nummer 3 im Einzel der Junioren gesetzt ist –«, sagt der mutmaßliche Hochschulsportleiter, und sein schräggelegter Kopf zeigt sommersprossige Kopfhaut.
»Drüben in Randolph Park, in der Nähe des unvergleichlichen El Con Marriott«, wirft C. T. ein, »einem Austragungsort, den die ganze Gruppe erklärtermaßen bislang absolut picobello fand, was –«
»Ganz recht, Chuck, und unserem Chuck zufolge ist Hal seinem Listenplatz bereits gerecht geworden und hat mit einem, wie es scheint, beeindruckenden Sieg heute Vormittag das Halbfinale erreicht. Morgen wird er wieder drüben im Center spielen, und zwar gegen den Sieger des Viertelfinalspiels von heute Abend. Wenn mich nicht alles täuscht, tritt er also morgen Abend um 20.30 an –« »Versuch alles klarzumachen, bevor da draußen diese Affenhitze herrscht. Auch wenn’s natürlich eine trockene Hitze ist.« »– und hat sich offenbar auch schon für das Kontinental-Hallenturnier im kommenden Winter oben in Edmonton qualifiziert, wie Kirk mir sagte –«, bringt den Kopf noch mehr in Schräglage, schaut hoch und nach links zum Tennistrainer rüber, dessen permagrinsende Zähne sich strahlend von einem deftigen Sonnenbrand abheben – »Was echt für ihn spricht.« Er lächelt und sieht mich an. »War das so weit alles richtig, Hal?«
C. T. hat lässig die Arme gekreuzt; im klimatisierten Sonnenlicht erscheinen seine Trizepse wie marmoriert. »Das will ich meinen, Bill.« Er lächelt. Die beiden Hälften seines Schnurrbarts harmonieren nie ganz. »Ich würde gern noch hinzufügen, dass Hal aufgeregt ist, aufgeregt darüber, das dritte Jahr in Folge zum Gastturnier eingeladen zu werden, wieder in einer Gemeinschaft zu sein, der er tiefe Zuneigung entgegenbringt, ihre Ehemaligen und Trainer wiederzusehen, seine hohe Setzung im ja nicht unschwierigen Wettbewerb dieser Woche schon gerechtfertigt zu haben, immer noch, wie es so schön heißt, dabei zu sein, auch wenn man den Tag nicht loben soll, ehe die Vesperglocken verklungen sind, wenn ich mal so sagen darf, am meisten aber natürlich, weil es ihm die Gelegenheit gibt, Sie, meine Herren, kennenzulernen und die hiesigen Anlagen in Augenschein zu nehmen. Alles ist hier absolut vom Feinsten, soweit er gesehen hat.«
Schweigen. DeLint schubbert die Wandtäfelung entlang und verlagert sein Gewicht wieder auf die Körpermitte. Mein Onkel strahlt und strafft sein straffes Uhrarmband. 62,5 % der Gesichter im Raum sehen mich freundlich gespannt an. Mein Herz rumpelt wie ein Wäschetrockner mit Schuhen drin. Ich setze eine Miene auf, die als Lächeln verstanden werden will. Ich wende mich hierhin und dorthin, ganz leicht, um alle Anwesenden an dieser Miene teilhaben zu lassen.
Ein neues Schweigen. Die Augenbrauen des gelben Kommissionsleiters werden zu Zirkumflexen. Die beiden anderen Leiter schauen den für Literarische Gutachten an. Der Tennistrainer ist vor das große Fenster getreten und fährt sich am Hinterkopf über den Bürstenschnitt.
Onkel Charles’ Hand streicht über den Unterarm oberhalb der Armbanduhr. Scharfgeschwungene Palmenschatten gleiten über den glänzenden Kieferntisch, der Schatten des einen Kopfs ein schwarzer Mond.
»Ist mit Hal alles in Ordnung, Chuck?«, fragt Hochschulsport. »Er schien gerade eine … na ja, Grimasse zu ziehen. Hat er Schmerzen? Hast du Schmerzen, mein Sohn?«
»Hal ist voll auf dem Posten«, lächelt mein Onkel mit einer besänftigenden, saloppen Geste. »Bloß ein kleines, sagen wir, vielleicht nervöses Zucken, weiter nichts, durch all das Adrenalin, weil er hier auf diesem beeindruckenden Campus ist und bewiesen hat, dass seine Setzung richtig war, ohne einen einzigen Satz abzugeben, weil er das offizielle schriftliche Angebot mit einem PAC-10-Briefkopf erhalten hat, in dem ihm Trainer White nicht nur eine Verzichtserklärung zusagt, sondern auch eine Studienbeihilfe, weil er, wie er mir gegenüber angedeutet hat, höchstwahrscheinlich bereit ist, hier und heute und auf der Stelle eine Nationale Absichtserklärung zu unterzeichnen.«
C. T. sieht mich mit furchterregender Milde an. Ich gehe auf Nummer sicher, entspanne jeden einzelnen Muskel im Gesicht, nehme ihm jeden Ausdruck und starre intensiv auf den Kekuléknoten der Krawatte des mittleren Kommissionsleiters.
Meine stumme Reaktion auf das erwartungsvolle Schweigen beeinträchtigt die Atmosphäre. Die von den Lüftungsschächten der Klimaanlage aufgewirbelten Staubpartikel und Sakkoflusen tanzen besoffen in der schräggeschäfteten Sonnensäule, und die Luft über dem Tisch gleicht dem durchsprühten Raum über einem frisch eingeschenkten Mineralwasser. Mit leichtem Akzent, der weder britisch noch australisch ist, erklärt der Trainer C. T., das ganze Antragsprozedere sei normalerweise nur eine harmlose Formalität, wahrscheinlich aber am besten zu fassonieren, wenn der Bewerber persönlich Stellung nähme. Rechter und mittlerer Kommissionsleiter haben die Köpfe zusammengesteckt, verständigen sich leise und bilden ein Tipi aus Haut und Haar. Der Tennistrainer hat wahrscheinlich fassonieren und simplifizieren verwechselt, obgleich forcieren einem nicht nur leichter von den Lippen geht, sondern auch in phonetischer Hinsicht der plausiblere Fehler ist. Der Kommissionsleiter mit dem platten gelben Gesicht hat sich vorgebeugt und bleckt ein wenig die Zähne, was ich für Anteilnahme halte. Seine Hände haben sich auf der Konferenztischplatte aneinandergelegt. Seine Finger sehen aus, als paarten sie sich, während sich mein X-Vierer löst und ich die Stuhllehnen umklammere.
Betreffs potenzieller Probleme mit meinem Antrag müssten wir, sie und ich, ehrlich miteinander sprechen, setzt er an. Er lässt sich über Ehrlichkeit und ihren Nutzen aus.
»Die Fragen, Hal, die Ihre Antragsunterlagen für meinen Stab aufwerfen, betreffen einige Klausurergebnisse.« Er wirft einen Blick auf ein farbenfrohes Blatt mit Standardtestergebnissen im Schützengraben seiner Arme. »Das Immatrikulationspersonal sieht sich mit Standardtestergebnissen Ihrerseits konfrontiert, die, wie Sie sicher wissen und uns erklären können, wie soll ich sagen … subnormal sind.« Ich soll erklären.
Dieser eigentlich ziemlich aufrichtige gelbe Mann links ist eindeutig der Leiter der Zulassungskommission. Mit Sicherheit ist die kleine aviarische Gestalt rechts dann der Hochschulsportleiter, denn die Falten im Gesicht des zotteligen mittleren Kommissionsleiters verziehen sich jetzt degoutiert nach dem Motto »Ich esse etwas, das mich das Getränk dazu so richtig schätzen lehrt«, eine Miene, die von professioneller universitärer Arroganz zeugt. In der Mitte also eine unkomplizierte Treue zu Standards. Mein Onkel sieht Hochschulsport gleichsam verwirrt an. Er rutscht ein wenig auf dem Stuhl hin und her.
Das Missverhältnis zwischen Hand- und Gesichtsfarbe von Immatrikulation ist geradezu krass. »– eine Ausdrucksfähigkeit, die etwas mehr Richtung null tendiert, als uns lieb wäre, verglichen mit einer Schulklausur an der Bildungsanstalt, zu deren Verwaltungsapparat sowohl Ihre Mutter als auch deren Bruder gehören –«, jetzt liest er von dem Papierstoß in der Ellipse seiner Arme ab –, »die im vergangenen Jahr, ja, etwas zurückgegangen ist, womit ich allerdings auf ›hervorragend‹ zurückgegangen meine, nach drei offen gesagt unglaublichen Jahren zuvor.«
»Außer Konkurrenz.«
»Die meisten Bildungsanstalten haben nicht einmal die Note 1 mit multiplen Pluszeichen dahinter«, sagt der Literarische Gutachter mit undurchdringlicher Miene.
»Ein solches … wie soll ich sagen … Missverhältnis«, sagt Immatrikulation mit offener und besorgter Miene, »lässt im Zulassungsprozess Alarmlämpchen potenzieller Bedenken aufblinken, muss ich gestehen.«
»Wir möchten Sie daher ersuchen, diesen Anschein eines Missverhältnisses, um nicht zu sagen einer krummen Tour, aufzuklären.«
Studienberater hat eine dünne Piepsstimme, die bei einem so riesigen Gesicht etwas Lächerliches hat.
»Mit unglaublich meinen Sie bestimmt sehr, sehr, sehr beeindruckend im Gegensatz zu Zitat ›unglaublich‹ Zitatende«, sagt C. T., der scheinbar zuschaut, wie sich der Trainer am Fenster den Nacken massiert.
Das Panoramafenster zeigt nichts als blendendes Sonnenlicht und im Hitzeflirren daliegende rissige Erde. »Des Weiteren liegen uns nicht die von der Hochschulordnung vorgesehenen zwei, sondern neun verschiedene Bewerbungsessays vor, darunter einige von nahezu monographischem Format, ausnahmslos von einer Qualität, die« – neues Blatt – »verschiedene Gutachter zu dem Begriff ich zitiere ›phänomenal‹ greifen lässt –«
Lit. Gut.: »Ich habe in meinem Gutachten bewusst lapidar und ephemer verwendet.«
»– aber aus Sachgebieten und mit Titeln, an die Sie sich gewiss nur zu gut erinnern, Hal: ›Neoklassische Prämissen in zeitgenössischen präskriptiven Grammatiken‹, ›Die Implikationen von Post-Fourier- Transformationen für ein holographisches mimetisches Kino‹, ›Die Herausbildung des heroischen Stillstands in der Rundfunk- und Fernsehunterhaltung‹ –«
»›Die Montague-Grammatik und die Semantik dinglicher Modalitäten‹? «
»›Ein Mann, der argwöhnte, er sei aus Glas‹?«
»›Zur Tertiärsymbolik in justinianischen Erotica‹?«
Breite Streifen zurückgegangenen Zahnfleischs. »Ich begnüge mich mit dem Hinweis, dass dem Empfänger dieser unglücklichen, allenfalls nachvollziehbaren Testergebnisse die ehrliche Frage gestellt werden muss, ob er der alleinige Urheber dieser Essays ist.«
»Ich weiß nicht genau, ob sich Hal bewusst ist, was man ihm damit unterstellt«, sagt mein Onkel. Der Kommissionsleiter in der Mitte nestelt an seinen Sakkoaufschlägen herum, während er skandalöse
Computerdaten interpretiert.
»Die Universität möchte damit sagen, dass es unter streng akademischen Gesichtspunkten ein Zulassungsproblem gibt, bei dessen Ausräumung wir auf Hals Mithilfe angewiesen sind. Der Rang eines Immatrikulanden an der Universität ist und bleibt in erster Linie der eines Studenten. Wir können keinen Studenten zulassen, bei dem zu befürchten steht, dass er auf keinen grünen Zweig kommt, mag er auch auf dem Spielfeld ein noch so großer Gewinn sein.«
»Kommissionsleiter Sawyer meint natürlich auf dem Court, Chuck«, sagt Hochschulsport, den Kopf inzwischen in so bedrohlicher Schieflage, dass er das Wort auch an den hinter ihm stehenden White richtet. »Ganz zu schweigen von O.N.A.N.C.A.A.-Vorschriften und Ermittlern, die auf der Suche nach den kleinsten Anzeichen für Betrug ihre Nase überall reinstecken.«
Der Uni-Tennistrainer wirft einen Blick auf seine Armbanduhr. »Angenommen, die vorliegenden Prüfungsergebnisse sind unbeschönigte Abbilder wahrer Fähigkeiten«, sagt Studiendekanat, die hohe Stimme ernst und gedämpft, den Blick immer noch auf die vor ihm liegende Akte gerichtet, als wäre sie ein Teller mit irgendeiner Ungenießbarkeit, »dann muss ich Ihnen gestehen, dass ich persönlich es nicht fair fände. Es wäre den anderen Antragstellern gegenüber nicht fair. Es wäre der Alma Mater gegenüber nicht fair.« Er sieht mich an. »Und besonders unfair wäre es Hal selbst gegenüber. Die Zulassung eines Jungen, den wir lediglich als sportliche Bereicherung ansehen, liefe auf ein Ausnutzen dieses Jungen hinaus. Wir stehen unter genauester Aufsicht durch Myriaden von Beobachtern, die garantieren sollen, dass wir niemanden ausnutzen. Ihre Prüfungsergebnisse, mein Sohn, erlauben die Vermutung, dass uns vorgeworfen werden könnte, Sie auszunutzen.«
Onkel Charles bittet Trainer White, den Leiter der Hochschulsportkommission zu fragen, ob um die Ergebnisse auch so viel Aufhebens gemacht würde, wenn ich beispielsweise ein einkünftesteigerndes Footballwunder wäre. Die vertraute Panik, missverstanden zu werden, kommt auf, und meine Brust puckert und rast. Ich verwende alle Energie darauf, auf meinem Stuhl absolute Ruhe zu wahren, ausdruckslos dazusitzen, meine Augen zwei große blasse Nullen. Man hat mir versprochen, mich hier durchzubringen.
Onkel C. T. hat jedoch den gequälten Blick eines Menschen, der mit dem Rücken zur Wand steht. Seine Stimme gewinnt ein seltsames Timbre, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht, als schrie er beim Rückzug. »Hals Noten an der E. T. A., die wohlgemerkt eine Academy ist, nicht bloß ein Lager oder eine Fabrik, anerkannt sowohl vom Commonwealth of Massachusetts als auch von der North American Sports Academy Association, bestrebt, sämtliche Bedürfnisse des Sportlers und Schülers zu erfüllen, gegründet von einem Menschen überragender intellektueller Größe, dessen Namen ich hier kaum zu nennen brauche und der sie von Anfang an auf den rigorosen Quadrivium-Trivium-Lehrplan von Oxbridge ausgerichtet hat, eine personell wie technisch bestens ausgestattete Schule mit staatlich geprüftem Personal, dürften zeigen, dass mein Neffe hier jeden PAC-10-Vogel abschießen kann, der abgeschossen werden muss, und dass –«
DeLint geht zum Tennistrainer, der den Kopf schüttelt. »– es möglich wäre, in dieser Angelegenheit ganz entschieden den Unterton eines Vorurteils gegen kleinere Sportarten auszumachen«, sagt C. T. und schlägt abwechselnd die Beine übereinander, während ich gelassen zusehe und lausche.
Das Kohlensäureschweigen im Raum hat eine feindselige Note bekommen. »Es wird wohl Zeit, dass sich der Bewerber selbst in eigener Sache äußert«, sagt Studiendekanat gefährlich ruhig. »In Ihrer Gegenwart scheint das ausgeschlossen zu sein, Sir.«
Hochschulsport lächelt müde hinter der Hand, die seinen Nasenrücken massiert. »Vielleicht entschuldigen Sie uns einen Augenblick und warten draußen, Chuck.«
»Trainer White könnte Mr Tavis und seinen Kollegen zum Empfang hinausbegleiten«, sagt der gelbe Kommissionsleiter und lächelt meine ins Leere starrenden Augen an.
»– hatte Grund zu der Annahme, das alles sei bereits im Vorfeld ausgeräumt worden, von –«, sagt C. T., während deLint und er zur Tür geleitet werden. Der Tennistrainer streckt ihm einen hypertrophen Arm entgegen. Hochschulsport sagt: »Wir sind hier alle Freunde und Kollegen.«
Das geht schief. Mir geht durch den Kopf, dass exit-Schilder auf einen lateinischen Muttersprachler den Eindruck machen würden, als wäre die Aufschrift er geht rot beleuchtet. Ich würde dem Drang, vor ihnen zur Tür zu stürzen, nachgeben, wenn ich davon ausgehen könnte, dass die Anwesenden auch jemanden sehen würden, der zur Tür stürzt. DeLint murmelt dem Tennistrainer etwas zu. Tastaturgeklapper, Telefonklingeln, als die Tür kurz aufgeht und wieder ins Schloss fällt. Ich bin allein unter Bürokraten.
»– uns nicht übelzunehmen«, sagt Hochschulsport, Sakko hellbraun und Krawatte mit winziger Schrift gekennzeichnet – »über bloße sportliche Fähigkeiten hinaus, um die es da draußen geht und die wir, glauben Sie mir, schätzen, wollen, glauben Sie mir.«
»– keine Frage, wären wir nicht so erpicht darauf, uns mit Ihnen direkt zu unterhalten, verstehen Sie?«
»– bei der Bearbeitung diverser früherer Bewerbungen durch Trainer Whites Büro erfahren haben, dass die Enfield School, auf welch beeindruckende Weise auch immer, von Ihren Familienangehörigen geführt wird. Da wäre erstens Ihr Bruder, an den ich mich noch gut erinnere, weil Whites Vorgänger Maury Klamkin den Jungen so umworben hat, und von daher ist die Objektivität von Ergebnissen nur allzu leicht infrage zu stellen –«
»… jedwede Interessenten – N.A.A.U.P., übelgesinnte PAC-10- Programme, O.N.A.N.C.A.A. –«
Die Essays sind alt, zugegeben, aber von mir; de moi. Aber sie sind eben alt und behandeln streng genommen nicht das dem Bewerber vorgegebene Thema der »wichtigsten Bildungserfahrung seines Lebens«. Hätte ich Ihnen einen aus dem letzten Jahr eingereicht, hätten Sie den Eindruck bekommen, ein Kleinkind hätte willkürlich eine Tastatur malträtiert, auch Sie, der Sie jedweder nicht deklinieren können. Und in dieser neuen, kleineren Gemeinschaft erwacht plötzlich der Literarische Gutachter zum Leben, entpuppt sich als Alphamännchen des Rudels und wirkt gleichzeitig weit femininer als zuvor. Er steht da, die Hand in die verdrehte Hüfte gestemmt, lässt beim Gehen die Schultern kreisen, zieht die Hose hoch und klimpert mit Kleingeld, gleitet auf den von C. T.s Gesäß noch warmen Stuhl und schlägt die Beine so übereinander, dass sie ein gutes Stück in meine Privatsphäre hineinragen. Ich sehe multiple Augenbrauentics und Kapillargeäder in den Austern unter seinen Augen und rieche Weichspüler und die sauer gewordenen Reste eines Minzbonbons gegen Mundgeruch.
»… ein intelligenter, zuverlässiger, aber sehr schüchterner Junge. Wir wissen, dass Sie sehr schüchtern sind, Kirk White hat uns berichtet, was Ihr athletisch gebauter, wenn auch recht reservierter Juniortrainer ihm berichtet hat«, sagt der Gutachter leise und legt mir anscheinend eine Hand auf den Sakkobizeps (sicher nicht), »aber schlucken Sie das einfach runter, vertrauen Sie uns und erzählen Sie Ihre Version der Geschichte diesen Herren, die Ihnen nichts tun wollen, sondern nur ihren Job machen und dabei gleichzeitig die Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen versuchen.«
Ich sehe deLint und White vor mir, die mit den Ellbogen auf den Knien in der Defäkationshaltung aller ruhenden Sportler dasitzen. DeLint starrt seine riesigen Daumen an, während C. T. in einer engen Ellipse das Empfangsareal abschreitet und in sein Handy spricht. Ich wurde für diese Sitzung präpariert wie ein Mafia-Don für eine Anhörung unter dem RICO-Gesetz. Neutrales und emotionsloses Schweigen. So ein komplett defensives Spiel wollte Schtitt immer von mir: die beste Verteidigung: Lass alles von dir abprallen; tu nichts. Ich würde Ihnen alles erzählen, was Sie hören wollen, und noch mehr, wenn Sie die von mir produzierten Geräusche hören könnten. Hochschulsport wie ein Vogel mit dem Kopf unter dem Flügel hervor: »– um ein Zulassungsprozedere zu vermeiden, das als primär sportorientiert ausgelegt werden könnte. Das könnte im Schlamassel enden, mein Sohn.«
»Bill meint den äußeren Anschein, nicht unbedingt die wirklich wahren Fakten der Angelegenheit, über die Sie allein uns unterrichten können«, sagt der Literarische Gutachter.
»– den Anschein hoher sportlicher Platzierung, subnormaler Testergebnisse, hyperwissenschaftlicher Essays, die unglaublichen Noten, die aus potenziell nepotistischen Umständen hervorwirbeln.«
Der gelbe Kommissionsleiter hat sich so weit vorgebeugt, dass er seine Krawatte gleich waagerecht über den Tischrand schiebt, sein Gesicht ist fahl, gütig und federlesenslos:
»Schauen Sie, Mr Incandenza, Hal, bitte erklären Sie mir doch, inwiefern sich der Vorwurf entkräften lässt, dass wir Sie ausnutzen, mein Sohn. Inwiefern niemand ankommen und sagen könnte, so geht’s ja nun nicht, University of Arizona, ihr wollt da einen Jungen bloß wegen seines Körpers, einen so schüchternen und introvertierten Jungen, dass er nicht einmal für sich eintreten kann, eine Sportskanone mit geklitterten Noten und einer gekauften Bewerbung.«
Das im Brewster-Winkel von der Tischplatte reflektierte Licht erscheint hinter meinen geschlossenen Lidern rosenrot. Ich kann mich nicht verständlich machen. »Ich bin nicht bloß eine Sportskanone«,
sage ich langsam. Akzentuiert. »Mein letztes Jahreszeugnis ist vielleicht ein bisschen frisiert, aber das sollte mir nur über eine schwierige Zeit hinweghelfen. Die früheren Noten sind de moi.« Meine Augen sind geschlossen; im Raum herrscht Stille. »Ich kann mich jetzt nicht verständlich machen.« Ich spreche langsam und akzentuiert. »Könnte sein, dass ich was Falsches gegessen habe.«
Übersetzung: Ulrich Blumenbach
© 2009 by Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KG, Köln
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Autoren-Porträt von David Foster Wallace
Foster Wallace, DavidDavid Foster Wallace, 1962 geboren, gilt als einer der wichtigsten Vertreter der amerikanischen Literatur. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. »Unendlicher Spaß«, »Kurze Interviews mit fiesen Männern«, »Der Besen im System« und »Der bleiche König«. David Foster Wallace starb am 12. September 2008.Blumenbach, UlrichUlrich Blumenbach, geboren 1964 in Hannover und aufgewachsen in Lüneburg, hat Anglistik und Germanistik in Münster, Sheffield und Berlin studiert und arbeitet seit 1993 als literarischer Übersetzer aus dem Englischen und Amerikanischen sowie als Gelegenheitslektor und -kritiker.
Bibliographische Angaben
- Autor: David Foster Wallace
- 2009, Nachdruck, 1547 Seiten, Maße: 14,2 x 22,1 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Blumenbach, Ulrich
- Übersetzer: Ulrich Blumenbach
- Verlag: Kiepenheuer & Witsch
- ISBN-10: 3462041126
- ISBN-13: 9783462041125
- Erscheinungsdatum: 24.08.2009
Rezension zu „Unendlicher Spaß “
"Alles und noch mehr' könnte eine Beschreibung dieses Romans sein. Don DeLillo Das Buch ist 1646 Seiten dick, und es gibt nicht einen einzigen müßigen Satz ... Ich las das Buch mit 25 und ich verbrachte einen Monat mit nichts anderem ... Wenn Sie nach einem Monat Lektüre aus diesen Seiten heraustreten, sind Sie ein besserer Mensch. Es ist verrückt, aber auch schwer zu leugnen. Ihr Verstand ist gestärkt, weil er einen Monat lang trainiert wurde, und was noch wichtiger ist, Ihr Herz ist praller. Dave Eggers aus dem Vorwort 2006
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