Vorerst gescheitert
Karl-Theodor zu Guttenberg im Gespräch mit Giovanni di Lorenzo. Wie Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Fall und seine Zukunft sieht
Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der "Zeit", unterhält sich mit Karl-Theodor zu Guttenberg über die Plagiats-Affäre und ihre Folgen. Themen sind auch Guttenbergs Herkunft und Familie, seine Zeit nach dem Rücktritt - und der Zustand...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Vorerst gescheitert “
Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der "Zeit", unterhält sich mit Karl-Theodor zu Guttenberg über die Plagiats-Affäre und ihre Folgen. Themen sind auch Guttenbergs Herkunft und Familie, seine Zeit nach dem Rücktritt - und der Zustand der "schlechten" deutschen Politik.
SPIEGEL Bestseller!
Klappentext zu „Vorerst gescheitert “
Erstmals seit seinem Rücktritt von allen Ämtern steht Karl-Theodor zu Guttenberg Rede und Antwort. Mit "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo spricht er offen und ausführlich über seinen aufsehenerregenden Fall und seine Zukunft.In einem Schlagabtausch unterhalten sich Giovanni di Lorenzo und Karl-Theodor zu Guttenberg über die Plagiats-Affäre und deren Folgen. Sie sprechen über zu Guttenbergs Herkunft und seine Familie, über die Zeit als politischer Überflieger im Wirtschafts- sowie im Verteidigungsministerium, über seinen Umgang mit den eigenen Fehlern, über die Zeit nach dem Rücktritt; und über die Voraussetzungen für die Rückkehr eines immer noch enorm populären Politikers. Es geht auch um die großen Themen der Zeit: der schlechte Zustand der deutschen Politik und Parteien und was dagegen getan werden müsste, die Macht und die Mechanismen der Medien sowie notwendige Schritte in der Europa- und Außenpolitik. Ein Buch, das die Person Guttenberg beleuchtet, neue Einsichten inseinen Fall bietet und gleichzeitig Ausblick auf das gibt, was eines der größten politischen Talente gegenwärtig und in Zukunft bewegt.
Lese-Probe zu „Vorerst gescheitert “
Vorerst gescheitert von Karl-Theodor zu Guttenberg und Giovanni di LorenzoVorwort
... mehr
Karl-Theodor zu Guttenberg sagt, er habe sich wenigstens seinen Abschied aus Deutschland etwas unauffälliger gewünscht. Es war ein Augusttag am Flughafen Tegel, vor dem Schalter von Air Berlin. Seine Frau war schon nach Amerika geflogen, nun wollte der Rest der Familie nachkommen, von New York aus weiter nach Connecticut fahren, wo das Ehepaar Guttenberg mit seinen beiden Töchtern mittlerweile schon seit einem Vierteljahr lebt Das Problem waren zwei Hunde, einer davon eine mehr als 60 Kilo schwere Dogge. Guttenberg, nur notdürftig durch eine Baseballmütze getarnt, versuchte, die Tiere in die für den Flug vorgeschriebenen Käfige zu bugsieren, aber die Hunde dachten nicht daran, sich auch nur einen Schritt in diese Richtung zu bewegen.
Inzwischen hatte sich, wie bei einem Boxkampf, eine stattliche Menge von Schaulustigen um ihn, seine beiden Töchter und die Hunde herum gruppiert, der ehemalige Bundesminister war längst erkannt worden. Guttenberg hatte ein Beruhigungsmittel dabei, aber er traute sich vor so vielen Menschen, die schon eifrig fotografierten, nicht, es den Hunden zu verabreichen. Er habe, sagt er, in diesem Moment nur eins gedacht: »Das ist die einzige Schlagzeile, die uns noch fehlt: Guttenberg schläfert seine Hunde ein.«
Also fragte er in die Runde, ob es geboten sei, das Mittel einzusetzen. »Mach' mal«, kam es von einem Zuschauer zurück. In der Aufregung, sagt Guttenberg, habe er es mit der Dosierung wohl übertrieben, die Dogge jedenfalls lag wie vom Schlag gerührt auf dem Boden und bewegte keine Pfote mehr. Zu dritt schoben sie dann die Hunde in die Käfige, wobei die Töchter dem Vater immer wieder zuraunten, wie peinlich diese Situation doch sei.
Diese Anekdote erzählte Karl-Theodor zu Guttenberg am dritten Tag unseres Interview-Marathons, der in der zweiten Oktoberhälfte in einem Londoner Hotel stattfand. Es war der einzige heitere Exkurs, und die Geschichte kam ihm auch erst über die Lippen, als wir schon auf dem Rückweg zum Flughafen Heathrow waren. Guttenberg hatte keine einzige inhaltliche Bedingung für das Gespräch gestellt (das notwendigerweise auch ein Streitgespräch geworden ist), aber er hatte mit Sicherheit unterschätzt, was es für ihn bedeuten würde, den Skandal um seine Dissertation, dazu noch den märchenhaften Aufstieg, der ihm vorausging, in allen Details noch einmal aufleben zu lassen. Man merkte das am Gesprächsfluss, der immer wieder stockte und neu belebt werden musste. Guttenberg sieht heute auch anders aus als zu Beginn dieses Jahres, als er noch Bundesverteidigungsminister war. Er trägt keine Brille mehr, vor allem aber wirkt er älter; in sein Gesicht hat sich ein harter Zug eingegraben.
Wiederholt äußerte er am Rande der Gespräche, ein paar Mal auch während des Interviews, dass er »gezeichnet«, ja sogar ein wenig »traumatisiert« sei. Um gleich wieder die Angst zu äußern, dass man ihm dies als larmoyant auslegen oder ihm gar vorwerfen könnte, er würde die in seinen Augen ungleich schlimmere Traumatisierung, die Bundeswehrsoldaten bei ihrem Einsatz in Afghanistan erfahren hätten, relativieren. Er weiß, dass er jetzt kein Mitleid zu erwarten hat: Zu eklatant war sein Verstoß gegen die Gebote wissenschaftlicher Arbeit, zu verheerend der Umgang mit der Affäre, zu groß die Enttäuschung über ihn, auch in Kreisen, die ihn bis dahin bewundert hatten.
Guttenbergs erstes öffentliches Bekenntnis seit seinem Rücktritt am 1. März ist ein Versuch geworden, das Unbegreifliche an seiner Doktorarbeit besser fassbar zu machen. Es ist eine Reflexion seiner persönlichen und politischen Entwicklung, zu der auch jenseits der Dissertation einiges gehört, was bis heute Fragen aufwirft. Es ist aber auch das Zeugnis eines Mannes, der zu den größten politischen Talenten in Deutschland zählt und der nie aufgehört hat, ein homo politicus zu sein. Es ist unmöglich, dieses Interview so zu lesen, als wolle sich Guttenberg in Zukunft nicht mehr in die Politik einmischen. In welcher Form und wann genau er das tun wird, lässt er noch offen.
Kein Zweiter polarisiert inzwischen so sehr wie Guttenberg, in den Medien überwiegt deutlich die Ablehnung. Doch wer beobachtet hat, wie Deutsche sogar in London spontan auf ihn reagieren, kann gar nicht umhin festzuhalten, dass viele an seinem Werdegang Anteil nehmen und sich offenbar noch einiges von ihm versprechen.
Wer also die Rückkehr des Karl-Theodor zu Guttenberg auf die politische Bühne befürchtet, der fürchtet sich nach diesem Buch vermutlich völlig zu recht.
Giovanni di Lorenzo, im November 2011
Kapitel 1
Aufstieg und Fall
»Die größte Dummheit meines Lebens« - Die Dissertation
Herr zu Guttenberg, seit Ihrem Rücktritt haben Sie alle Interviewanfragen abgelehnt. Nun haben Sie plötzlich eingewilligt und einen engen Zeitrahmen abgesteckt: Sie wollen, dass dieses Gespräch noch vor Jahresende erscheint. Warum diese Eile?
Es sind viele Menschen auf mich zugekommen, die mir gegenüber sehr positiv eingestellt sind, die aber noch viele Fragen an mich haben, vor allem mit Blick auf die Affäre um meine Dissertation. Mir war es wichtig, diese Fragen zu einem Zeitpunkt zu beantworten, an dem meine Erinnerung noch klar genug ist, bevor man also beginnt, die Dinge selbst zu verwischen.
Ist das für Sie jetzt eine Sache von Wochen?
Nein, keine Sache von Wochen. Aber es haben sich in den letzten Monaten Dinge aufgestaut, auch in der selbstkritischen Reflexion dessen, was geschehen ist. Ich wollte mich allerdings nicht früher äußern, weil ich zugegebenermaßen etwas Distanz brauchte.
Welche Fragen sind es denn, die Ihnen die Wohlmeinenden stellen?
Es ist vor allem die Frage, wie es bei jemandem, dessen politische Arbeit man sehr geschätzt hat, zu einer so unglaublichen Dummheit wie dieser Doktorarbeit kommen konnte. Die Menschen, auch Freunde und Bekannte, wollen wissen, was die Gründe dafür waren, dass jemand einen solchen unbegreiflichen Fehler gemacht hat. Und ich hatte noch nicht die Möglichkeit, diese Fragen in aller Offenheit zu beantworten.
Was können Sie denn jetzt in aller Offenheit sagen?
Es steht völlig außer Frage, dass ich einen auch für mich selbst ungeheuerlichen Fehler begangen habe, den ich auch von Herzen bedauere. Das ist in dieser sehr hektischen Zeit damals auch ein Stück weit untergegangen. Ebenso, wie man sich damals bereits entschuldigt hat.
Sie reden von sich selbst in der dritten Person, Sie sprechen davon, dass »man sich damals bereits entschuldigt hat.« Ist es für Sie schwierig zu sagen: »Ich bitte um Entschuldigung«?
Nein, im Gegenteil. Das wurde mir schon mal vorgeworfen, dass ich die dritte Person gebrauche. Faktisch ist das ein ich. Das »man« soll auch keine Distanzierung bedeuten. Es ist ein anerzogener Sprachgebrauch, der sich bei mir wahrscheinlich über die Jahre hinweg eingeschliffen hat, der eine gewisse Form von Zurückhaltung zum Ausdruck bringen soll und den man zu Recht kritisieren kann. Tatsächlich bedauere ich, tatsächlich habe ich mich damals entschuldigt, da habe ich auch nicht von »man« gesprochen. Tatsächlich bin ich verantwortlich für das, was ich im Leben richtig und gelegentlich falsch gemacht habe.
Sie haben die Frage, die Ihnen so oft gestellt wird, noch nicht glaubhaft beantworten können: Wie konnte es zu dem kommen, was Sie einen »ungeheuerlichen Fehler« nennen?
Der Fehler war bereits relativ früh angelegt. Ich habe im Jahr 1999 mit einer Doktorarbeit begonnen, und schon damals war eine Doppelbelastung absehbar Ich bin bereits während des Studiums von der Familie erheblich mit in die Pflicht genommen worden, in unserem Unternehmen. Ich habe mit meinem Doktorvater Peter Häberle über diese Doppelbelastung gesprochen, und wir waren beide der Meinung, die Dissertation sei trotzdem zu schaffen. Im Jahr 2001 habe ich mich dann entschieden, in die Politik zu gehen, und bin diese Herausforderung mit voller Kraft angegangen. Darunter hat natürlich die Beschäftigung mit der Doktorarbeit sehr gelitten.
Was heißt das?
Das heißt, dass es nach einer Anfangsphase, in der ich mich intensiver mit der Dissertation beschäftigt habe, plötzlich Zeiträume von mehreren Monaten bis zu einem Jahr gab, in denen ich mich teilweise überhaupt nicht mehr mit dieser Arbeit befasst habe und im Grunde immer wieder von vorne anfangen musste. In dieser Zeit ist bereits ein grundlegender Fehler angelegt, nämlich meine Arbeitsweise.
Wie haben Sie gearbeitet?
Ich war ein hektischer und unkoordinierter Sammler. Immer dann, wenn ich das Gefühl hatte, dass etwas zu meinem Thema passt, habe ich es ausgeschnitten oder kopiert oder auf Datenträgern sofort gespeichert oder direkt übersetzt.
Wie sind Sie denn dabei vorgegangen? Haben Sie Copy und Paste gedrückt und die Bausteine abgespeichert? Oder haben Sie die Zitate eigenhändig eingetippt?
Ganz unterschiedlich, in allen Formen. Ich habe Dinge abgeschrieben und in den Computer eingegeben; ich habe Kopien gemacht, abgelegt und gesagt, das wird später noch bearbeitet. Oder ich habe es sofort bearbeitet. Später habe ich gewisse Textstellen auch mal aus dem Internet herausgezogen, auch diese abgespeichert, wieder auf unterschiedlichen Datenträgern. Eigentlich war das eine Patchworkarbeit, die sich am Ende auf mindestens 80 Datenträger verteilt hat.
80 Datenträger?
Ich habe für jedes Kapitel eine Diskette angefertigt, ich habe unterschiedliche Ordner angefertigt, ich habe über die Jahre hinweg auf vier unterschiedlichen Computern gearbeitet, die an unterschiedlichen Orten waren. Übersetzungen habe ich manchmal auf langen Flügen vorgenommen. Ich habe auf Reisen an der Dissertation gearbeitet, manchmal in Universitätsbibliotheken oder wenn ich bei einem Think-Tank unterwegs war. Irgendwann hatte ich einen Wust an Informationen, der allerdings, abgesehen von den Gliederungspunkten, keinerlei innere Ordnung mehr hatte.
Und was genau war Ihrer Meinung nach der Fehler?
Ich habe insbesondere am Anfang, aber auch später den Fehler begangen, dass ich auf diesen Datenträgern sowohl an eigenen Texten gearbeitet als auch fremde Texte übernommen habe. Ich wollte diese Quellen später entsprechend aufarbeiten. Tatsächlich ist das nur sehr mangelhaft geschehen. Das ist etwas, was sich über die Jahre hinweg aufgebaut hat. Ich hatte einen großen Text- und Gedankensteinbruch, habe immer mal wieder von Datenträger zu Datenträger gewechselt, eigene und fremde Texte nach Themen aufgegliedert und an unterschiedlichen Stellen als Rohlinge geparkt. Ich habe nie chronologisch, sondern immer an einem Kapitel gearbeitet. Dann war ein Jahr Pause, und ich habe im Grunde wieder von vorn begonnen. Der größte Fehler war, dass ich den Zitaten- und Fußnotenapparat nicht gleichzeitig oder wenigstens zeitnah abgeschlossen hatte. Ich wusste offensichtlich später auch nicht mehr, an welchem Text ich selbst bereits gearbeitet hatte, welcher Text mein eigener und welcher möglicherweise ein Fremdtext war, insbesondere beim Zusammenfügen dieser Bruchstücke. In juristischen Dissertationen ist es übrigens durchaus üblich, mit vielen Fremdtexten zu arbeiten, allerdings müssen die Quellen klar gekennzeichnet sein.
Haben Sie so von Anfang an gearbeitet, auch als Sie noch nicht in der Politik waren?
Ja, auch in den ersten eineinhalb bis zwei Jahren, als ich sehr viel Zeit und Kraft in die Doktorarbeit investiert habe und sie für mich Priorität hatte. Mit Blick auf diese Arbeitsweise kann man mir fraglos mehrere sehr berechtigte Vorwürfe machen, die ich mir selber auch mache.
Nämlich?
Der erste Vorwurf ist der, dass ich während meines vollen beruflichen Engagements komplett den Zeitpunkt verpasst habe zu sagen: Ich schaffe diese Arbeit nicht mehr. Ich hatte nicht die Kraft, mir das selbst und meinem Professor gegenüber einzugestehen.
Welches Verhältnis hatten Sie zu Ihrem Doktorvater?
Ich mochte und mag ihn sehr. Zwischen uns ist damals ein großes Vertrauensverhältnis gewachsen. Dass ich ihm Schmerzen zugefügt habe, ist etwas, das mich tief bewegt und erschüttert.
Hatten Sie zwischendurch nie das Gefühl, dass Sie die Doktorarbeit nicht schaffen konnten?
Das Gefühl hatte ich zwischendurch durchaus, wenn ich merkte, dass ich jedes Mal von vorn beginnen musste. Aber ich habe den Hochmut besessen zu glauben, das schaffe ich. Ja, ich war so leichtsinnig zu glauben, dass ich das irgendwie hinbekomme, nachdem es mir ja auch gelungen war, einen einigermaßen erfolgreichen politischen Weg zu gehen. Und dann hatte ich vielleicht fälschlicherweise das Gefühl, das andere sei mit einem Federstrich auch machbar. Mir hat komplett die notwendige Selbstreflexion gefehlt. Ich hätte etwas aufgeben müssen, das bereits fehlerhaft angelegt war.
Was ist der zweite Vorwurf, den Sie sich machen?
Der zweite Vorwurf, der mit dem ersten zusammenhängt, ist, dass ich die Augen vor der Überforderung verschlossen habe. Das politische Leben hat mich nicht überfordert, wohl aber die parallele wissenschaftliche Arbeit. Das hätte ich sehen müssen. Nachdem ich in die Politik gegangen war, konnte ich, wenn überhaupt, nur noch in den Nachtstunden an der Dissertation arbeiten. Meine Arbeitsweise konnte man dann irgendwann nur noch chaotisch nennen. Insbesondere in der Endphase der Arbeit lag der Schwerpunkt nicht mehr auf der notwendigen wissenschaftlichen Sorgfalt, sondern auf Inhalt und Schlüssigkeit meiner Aussagen. Ich wollte mit dem Ineinander-fügen der unterschiedlichen Kapitel ein geschlossenes intellektuelles Ganzes abliefern. Ich hätte mir die wissenschaftliche Kärrnerarbeit antun müssen. Die sorgfältige Detailarbeit, gerade das korrekte Einarbeiten und Zitieren fremder Quellen, ist wiederholt unterblieben. Diese Arbeiten hätten niemals unter Zeitdruck stattfinden dürfen.
Hat Ihnen die ganze Zeit über niemand dabei geholfen?
Mein Doktorvater hat sicher sein Bestes versucht. Allerdings hatte ich viel zu wenig Zeit, mich mit ihm rückzukoppeln. Wir hatten zwar ein von großer Herzlichkeit geprägtes Verhältnis und eine klassische Lehrer-SchülerBindung, aber wenn es hoch kam, haben wir uns vielleicht einmal im Jahr gesehen.
Ich meinte eigentlich: Hat jemand für Sie die Arbeit geschrieben, zumindest in Teilen?
Nein, wer sollte auch? Es gab in meiner unmittelbaren Umgebung keinen Juristen und niemanden, der sich mit der Materie befasst hätte. Das war ja ein Thema, mit dem ich immer wieder konfrontiert wurde - die europäische Verfassungsentwicklung, die Fragen des Gottesbezugs, haben mich in diesen Jahren politisch begleitet. Deshalb hatte ich immer wieder Ansatzpunkte, um zu sagen: Ich mach das Ding doch weiter! Ein wesentlicher Fehler war, dass ich mir nicht eingestanden habe, damit überfordert zu sein. Das hatte sicherlich auch mit Hochmut zu tun und mit einem gerüttelt Maß an Eitelkeit. All das ergibt eine ziemlich verheerende Kombination.
Die im Ernst sieben Jahre anhält?
Ja. Natürlich hatte ich nicht das Gefühl, dass das sieben Jahre lang andauert. Wenn Sie ein Jahr lang mal wieder nicht an etwas herumschreiben, sind Sie gar nicht damit befasst. Es kommt in Ihrem Kopf gar nicht vor, es kehrt erst in dem Moment wieder zurück, in dem Sie sich wieder darauf konzentrieren oder ein motivierendes Gespräch mit Ihrem Professor führen.
Ist Ihnen bewusst, dass es selbst in Kreisen, die Ihnen wohlgesinnt sind, kaum jemand glauben kann, dass Sie Ihre Arbeit allein zusammengestöpselt haben?
Ich habe davon gelesen, und natürlich ist mir in der damaligen Zeit das Schmunzeln vergangen. Aber man hätte wahrscheinlich darüber schmunzeln müssen: Ich habe den Blödsinn wirklich selber verfasst, und ich stehe auch dazu.
Sie würden auch unter Eid und vor Gott sagen, dass das niemand für Sie geschrieben hat?
Ja, selbstverständlich. Das wiederum können meine Familie und mein unmittelbares Umfeld am allerbesten bezeugen.
Haben Sie vorsätzlich getäuscht?
Das ist der Vorwurf, der mich am meisten trifft, ein Vorwurf, dem ich begegnen will und begegnen muss: Wenn ich die Absicht gehabt hätte, zu täuschen, dann hätte ich mich niemals so plump und dumm angestellt, wie es an einigen Stellen dieser Arbeit der Fall ist.
Oliver Lepsius, der Nachfolger auf dem Lehrstuhl Ihres Doktorvaters, hat Sie schlicht einen Betrüger genannt.
Was übrigens bemerkenswert ist für einen Juristen. Es zeugt nicht von großer juristischer Kunstfertigkeit, einen Betrugsvorwurf zu zimmern, wenn jeder Jurist sofort weiß, es kann rechtlich kein Betrug sein, ganz egal, wie man zu Guttenberg steht. Ich war über diesen Herrn schon erstaunt.
...
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2011
Karl-Theodor zu Guttenberg sagt, er habe sich wenigstens seinen Abschied aus Deutschland etwas unauffälliger gewünscht. Es war ein Augusttag am Flughafen Tegel, vor dem Schalter von Air Berlin. Seine Frau war schon nach Amerika geflogen, nun wollte der Rest der Familie nachkommen, von New York aus weiter nach Connecticut fahren, wo das Ehepaar Guttenberg mit seinen beiden Töchtern mittlerweile schon seit einem Vierteljahr lebt Das Problem waren zwei Hunde, einer davon eine mehr als 60 Kilo schwere Dogge. Guttenberg, nur notdürftig durch eine Baseballmütze getarnt, versuchte, die Tiere in die für den Flug vorgeschriebenen Käfige zu bugsieren, aber die Hunde dachten nicht daran, sich auch nur einen Schritt in diese Richtung zu bewegen.
Inzwischen hatte sich, wie bei einem Boxkampf, eine stattliche Menge von Schaulustigen um ihn, seine beiden Töchter und die Hunde herum gruppiert, der ehemalige Bundesminister war längst erkannt worden. Guttenberg hatte ein Beruhigungsmittel dabei, aber er traute sich vor so vielen Menschen, die schon eifrig fotografierten, nicht, es den Hunden zu verabreichen. Er habe, sagt er, in diesem Moment nur eins gedacht: »Das ist die einzige Schlagzeile, die uns noch fehlt: Guttenberg schläfert seine Hunde ein.«
Also fragte er in die Runde, ob es geboten sei, das Mittel einzusetzen. »Mach' mal«, kam es von einem Zuschauer zurück. In der Aufregung, sagt Guttenberg, habe er es mit der Dosierung wohl übertrieben, die Dogge jedenfalls lag wie vom Schlag gerührt auf dem Boden und bewegte keine Pfote mehr. Zu dritt schoben sie dann die Hunde in die Käfige, wobei die Töchter dem Vater immer wieder zuraunten, wie peinlich diese Situation doch sei.
Diese Anekdote erzählte Karl-Theodor zu Guttenberg am dritten Tag unseres Interview-Marathons, der in der zweiten Oktoberhälfte in einem Londoner Hotel stattfand. Es war der einzige heitere Exkurs, und die Geschichte kam ihm auch erst über die Lippen, als wir schon auf dem Rückweg zum Flughafen Heathrow waren. Guttenberg hatte keine einzige inhaltliche Bedingung für das Gespräch gestellt (das notwendigerweise auch ein Streitgespräch geworden ist), aber er hatte mit Sicherheit unterschätzt, was es für ihn bedeuten würde, den Skandal um seine Dissertation, dazu noch den märchenhaften Aufstieg, der ihm vorausging, in allen Details noch einmal aufleben zu lassen. Man merkte das am Gesprächsfluss, der immer wieder stockte und neu belebt werden musste. Guttenberg sieht heute auch anders aus als zu Beginn dieses Jahres, als er noch Bundesverteidigungsminister war. Er trägt keine Brille mehr, vor allem aber wirkt er älter; in sein Gesicht hat sich ein harter Zug eingegraben.
Wiederholt äußerte er am Rande der Gespräche, ein paar Mal auch während des Interviews, dass er »gezeichnet«, ja sogar ein wenig »traumatisiert« sei. Um gleich wieder die Angst zu äußern, dass man ihm dies als larmoyant auslegen oder ihm gar vorwerfen könnte, er würde die in seinen Augen ungleich schlimmere Traumatisierung, die Bundeswehrsoldaten bei ihrem Einsatz in Afghanistan erfahren hätten, relativieren. Er weiß, dass er jetzt kein Mitleid zu erwarten hat: Zu eklatant war sein Verstoß gegen die Gebote wissenschaftlicher Arbeit, zu verheerend der Umgang mit der Affäre, zu groß die Enttäuschung über ihn, auch in Kreisen, die ihn bis dahin bewundert hatten.
Guttenbergs erstes öffentliches Bekenntnis seit seinem Rücktritt am 1. März ist ein Versuch geworden, das Unbegreifliche an seiner Doktorarbeit besser fassbar zu machen. Es ist eine Reflexion seiner persönlichen und politischen Entwicklung, zu der auch jenseits der Dissertation einiges gehört, was bis heute Fragen aufwirft. Es ist aber auch das Zeugnis eines Mannes, der zu den größten politischen Talenten in Deutschland zählt und der nie aufgehört hat, ein homo politicus zu sein. Es ist unmöglich, dieses Interview so zu lesen, als wolle sich Guttenberg in Zukunft nicht mehr in die Politik einmischen. In welcher Form und wann genau er das tun wird, lässt er noch offen.
Kein Zweiter polarisiert inzwischen so sehr wie Guttenberg, in den Medien überwiegt deutlich die Ablehnung. Doch wer beobachtet hat, wie Deutsche sogar in London spontan auf ihn reagieren, kann gar nicht umhin festzuhalten, dass viele an seinem Werdegang Anteil nehmen und sich offenbar noch einiges von ihm versprechen.
Wer also die Rückkehr des Karl-Theodor zu Guttenberg auf die politische Bühne befürchtet, der fürchtet sich nach diesem Buch vermutlich völlig zu recht.
Giovanni di Lorenzo, im November 2011
Kapitel 1
Aufstieg und Fall
»Die größte Dummheit meines Lebens« - Die Dissertation
Herr zu Guttenberg, seit Ihrem Rücktritt haben Sie alle Interviewanfragen abgelehnt. Nun haben Sie plötzlich eingewilligt und einen engen Zeitrahmen abgesteckt: Sie wollen, dass dieses Gespräch noch vor Jahresende erscheint. Warum diese Eile?
Es sind viele Menschen auf mich zugekommen, die mir gegenüber sehr positiv eingestellt sind, die aber noch viele Fragen an mich haben, vor allem mit Blick auf die Affäre um meine Dissertation. Mir war es wichtig, diese Fragen zu einem Zeitpunkt zu beantworten, an dem meine Erinnerung noch klar genug ist, bevor man also beginnt, die Dinge selbst zu verwischen.
Ist das für Sie jetzt eine Sache von Wochen?
Nein, keine Sache von Wochen. Aber es haben sich in den letzten Monaten Dinge aufgestaut, auch in der selbstkritischen Reflexion dessen, was geschehen ist. Ich wollte mich allerdings nicht früher äußern, weil ich zugegebenermaßen etwas Distanz brauchte.
Welche Fragen sind es denn, die Ihnen die Wohlmeinenden stellen?
Es ist vor allem die Frage, wie es bei jemandem, dessen politische Arbeit man sehr geschätzt hat, zu einer so unglaublichen Dummheit wie dieser Doktorarbeit kommen konnte. Die Menschen, auch Freunde und Bekannte, wollen wissen, was die Gründe dafür waren, dass jemand einen solchen unbegreiflichen Fehler gemacht hat. Und ich hatte noch nicht die Möglichkeit, diese Fragen in aller Offenheit zu beantworten.
Was können Sie denn jetzt in aller Offenheit sagen?
Es steht völlig außer Frage, dass ich einen auch für mich selbst ungeheuerlichen Fehler begangen habe, den ich auch von Herzen bedauere. Das ist in dieser sehr hektischen Zeit damals auch ein Stück weit untergegangen. Ebenso, wie man sich damals bereits entschuldigt hat.
Sie reden von sich selbst in der dritten Person, Sie sprechen davon, dass »man sich damals bereits entschuldigt hat.« Ist es für Sie schwierig zu sagen: »Ich bitte um Entschuldigung«?
Nein, im Gegenteil. Das wurde mir schon mal vorgeworfen, dass ich die dritte Person gebrauche. Faktisch ist das ein ich. Das »man« soll auch keine Distanzierung bedeuten. Es ist ein anerzogener Sprachgebrauch, der sich bei mir wahrscheinlich über die Jahre hinweg eingeschliffen hat, der eine gewisse Form von Zurückhaltung zum Ausdruck bringen soll und den man zu Recht kritisieren kann. Tatsächlich bedauere ich, tatsächlich habe ich mich damals entschuldigt, da habe ich auch nicht von »man« gesprochen. Tatsächlich bin ich verantwortlich für das, was ich im Leben richtig und gelegentlich falsch gemacht habe.
Sie haben die Frage, die Ihnen so oft gestellt wird, noch nicht glaubhaft beantworten können: Wie konnte es zu dem kommen, was Sie einen »ungeheuerlichen Fehler« nennen?
Der Fehler war bereits relativ früh angelegt. Ich habe im Jahr 1999 mit einer Doktorarbeit begonnen, und schon damals war eine Doppelbelastung absehbar Ich bin bereits während des Studiums von der Familie erheblich mit in die Pflicht genommen worden, in unserem Unternehmen. Ich habe mit meinem Doktorvater Peter Häberle über diese Doppelbelastung gesprochen, und wir waren beide der Meinung, die Dissertation sei trotzdem zu schaffen. Im Jahr 2001 habe ich mich dann entschieden, in die Politik zu gehen, und bin diese Herausforderung mit voller Kraft angegangen. Darunter hat natürlich die Beschäftigung mit der Doktorarbeit sehr gelitten.
Was heißt das?
Das heißt, dass es nach einer Anfangsphase, in der ich mich intensiver mit der Dissertation beschäftigt habe, plötzlich Zeiträume von mehreren Monaten bis zu einem Jahr gab, in denen ich mich teilweise überhaupt nicht mehr mit dieser Arbeit befasst habe und im Grunde immer wieder von vorne anfangen musste. In dieser Zeit ist bereits ein grundlegender Fehler angelegt, nämlich meine Arbeitsweise.
Wie haben Sie gearbeitet?
Ich war ein hektischer und unkoordinierter Sammler. Immer dann, wenn ich das Gefühl hatte, dass etwas zu meinem Thema passt, habe ich es ausgeschnitten oder kopiert oder auf Datenträgern sofort gespeichert oder direkt übersetzt.
Wie sind Sie denn dabei vorgegangen? Haben Sie Copy und Paste gedrückt und die Bausteine abgespeichert? Oder haben Sie die Zitate eigenhändig eingetippt?
Ganz unterschiedlich, in allen Formen. Ich habe Dinge abgeschrieben und in den Computer eingegeben; ich habe Kopien gemacht, abgelegt und gesagt, das wird später noch bearbeitet. Oder ich habe es sofort bearbeitet. Später habe ich gewisse Textstellen auch mal aus dem Internet herausgezogen, auch diese abgespeichert, wieder auf unterschiedlichen Datenträgern. Eigentlich war das eine Patchworkarbeit, die sich am Ende auf mindestens 80 Datenträger verteilt hat.
80 Datenträger?
Ich habe für jedes Kapitel eine Diskette angefertigt, ich habe unterschiedliche Ordner angefertigt, ich habe über die Jahre hinweg auf vier unterschiedlichen Computern gearbeitet, die an unterschiedlichen Orten waren. Übersetzungen habe ich manchmal auf langen Flügen vorgenommen. Ich habe auf Reisen an der Dissertation gearbeitet, manchmal in Universitätsbibliotheken oder wenn ich bei einem Think-Tank unterwegs war. Irgendwann hatte ich einen Wust an Informationen, der allerdings, abgesehen von den Gliederungspunkten, keinerlei innere Ordnung mehr hatte.
Und was genau war Ihrer Meinung nach der Fehler?
Ich habe insbesondere am Anfang, aber auch später den Fehler begangen, dass ich auf diesen Datenträgern sowohl an eigenen Texten gearbeitet als auch fremde Texte übernommen habe. Ich wollte diese Quellen später entsprechend aufarbeiten. Tatsächlich ist das nur sehr mangelhaft geschehen. Das ist etwas, was sich über die Jahre hinweg aufgebaut hat. Ich hatte einen großen Text- und Gedankensteinbruch, habe immer mal wieder von Datenträger zu Datenträger gewechselt, eigene und fremde Texte nach Themen aufgegliedert und an unterschiedlichen Stellen als Rohlinge geparkt. Ich habe nie chronologisch, sondern immer an einem Kapitel gearbeitet. Dann war ein Jahr Pause, und ich habe im Grunde wieder von vorn begonnen. Der größte Fehler war, dass ich den Zitaten- und Fußnotenapparat nicht gleichzeitig oder wenigstens zeitnah abgeschlossen hatte. Ich wusste offensichtlich später auch nicht mehr, an welchem Text ich selbst bereits gearbeitet hatte, welcher Text mein eigener und welcher möglicherweise ein Fremdtext war, insbesondere beim Zusammenfügen dieser Bruchstücke. In juristischen Dissertationen ist es übrigens durchaus üblich, mit vielen Fremdtexten zu arbeiten, allerdings müssen die Quellen klar gekennzeichnet sein.
Haben Sie so von Anfang an gearbeitet, auch als Sie noch nicht in der Politik waren?
Ja, auch in den ersten eineinhalb bis zwei Jahren, als ich sehr viel Zeit und Kraft in die Doktorarbeit investiert habe und sie für mich Priorität hatte. Mit Blick auf diese Arbeitsweise kann man mir fraglos mehrere sehr berechtigte Vorwürfe machen, die ich mir selber auch mache.
Nämlich?
Der erste Vorwurf ist der, dass ich während meines vollen beruflichen Engagements komplett den Zeitpunkt verpasst habe zu sagen: Ich schaffe diese Arbeit nicht mehr. Ich hatte nicht die Kraft, mir das selbst und meinem Professor gegenüber einzugestehen.
Welches Verhältnis hatten Sie zu Ihrem Doktorvater?
Ich mochte und mag ihn sehr. Zwischen uns ist damals ein großes Vertrauensverhältnis gewachsen. Dass ich ihm Schmerzen zugefügt habe, ist etwas, das mich tief bewegt und erschüttert.
Hatten Sie zwischendurch nie das Gefühl, dass Sie die Doktorarbeit nicht schaffen konnten?
Das Gefühl hatte ich zwischendurch durchaus, wenn ich merkte, dass ich jedes Mal von vorn beginnen musste. Aber ich habe den Hochmut besessen zu glauben, das schaffe ich. Ja, ich war so leichtsinnig zu glauben, dass ich das irgendwie hinbekomme, nachdem es mir ja auch gelungen war, einen einigermaßen erfolgreichen politischen Weg zu gehen. Und dann hatte ich vielleicht fälschlicherweise das Gefühl, das andere sei mit einem Federstrich auch machbar. Mir hat komplett die notwendige Selbstreflexion gefehlt. Ich hätte etwas aufgeben müssen, das bereits fehlerhaft angelegt war.
Was ist der zweite Vorwurf, den Sie sich machen?
Der zweite Vorwurf, der mit dem ersten zusammenhängt, ist, dass ich die Augen vor der Überforderung verschlossen habe. Das politische Leben hat mich nicht überfordert, wohl aber die parallele wissenschaftliche Arbeit. Das hätte ich sehen müssen. Nachdem ich in die Politik gegangen war, konnte ich, wenn überhaupt, nur noch in den Nachtstunden an der Dissertation arbeiten. Meine Arbeitsweise konnte man dann irgendwann nur noch chaotisch nennen. Insbesondere in der Endphase der Arbeit lag der Schwerpunkt nicht mehr auf der notwendigen wissenschaftlichen Sorgfalt, sondern auf Inhalt und Schlüssigkeit meiner Aussagen. Ich wollte mit dem Ineinander-fügen der unterschiedlichen Kapitel ein geschlossenes intellektuelles Ganzes abliefern. Ich hätte mir die wissenschaftliche Kärrnerarbeit antun müssen. Die sorgfältige Detailarbeit, gerade das korrekte Einarbeiten und Zitieren fremder Quellen, ist wiederholt unterblieben. Diese Arbeiten hätten niemals unter Zeitdruck stattfinden dürfen.
Hat Ihnen die ganze Zeit über niemand dabei geholfen?
Mein Doktorvater hat sicher sein Bestes versucht. Allerdings hatte ich viel zu wenig Zeit, mich mit ihm rückzukoppeln. Wir hatten zwar ein von großer Herzlichkeit geprägtes Verhältnis und eine klassische Lehrer-SchülerBindung, aber wenn es hoch kam, haben wir uns vielleicht einmal im Jahr gesehen.
Ich meinte eigentlich: Hat jemand für Sie die Arbeit geschrieben, zumindest in Teilen?
Nein, wer sollte auch? Es gab in meiner unmittelbaren Umgebung keinen Juristen und niemanden, der sich mit der Materie befasst hätte. Das war ja ein Thema, mit dem ich immer wieder konfrontiert wurde - die europäische Verfassungsentwicklung, die Fragen des Gottesbezugs, haben mich in diesen Jahren politisch begleitet. Deshalb hatte ich immer wieder Ansatzpunkte, um zu sagen: Ich mach das Ding doch weiter! Ein wesentlicher Fehler war, dass ich mir nicht eingestanden habe, damit überfordert zu sein. Das hatte sicherlich auch mit Hochmut zu tun und mit einem gerüttelt Maß an Eitelkeit. All das ergibt eine ziemlich verheerende Kombination.
Die im Ernst sieben Jahre anhält?
Ja. Natürlich hatte ich nicht das Gefühl, dass das sieben Jahre lang andauert. Wenn Sie ein Jahr lang mal wieder nicht an etwas herumschreiben, sind Sie gar nicht damit befasst. Es kommt in Ihrem Kopf gar nicht vor, es kehrt erst in dem Moment wieder zurück, in dem Sie sich wieder darauf konzentrieren oder ein motivierendes Gespräch mit Ihrem Professor führen.
Ist Ihnen bewusst, dass es selbst in Kreisen, die Ihnen wohlgesinnt sind, kaum jemand glauben kann, dass Sie Ihre Arbeit allein zusammengestöpselt haben?
Ich habe davon gelesen, und natürlich ist mir in der damaligen Zeit das Schmunzeln vergangen. Aber man hätte wahrscheinlich darüber schmunzeln müssen: Ich habe den Blödsinn wirklich selber verfasst, und ich stehe auch dazu.
Sie würden auch unter Eid und vor Gott sagen, dass das niemand für Sie geschrieben hat?
Ja, selbstverständlich. Das wiederum können meine Familie und mein unmittelbares Umfeld am allerbesten bezeugen.
Haben Sie vorsätzlich getäuscht?
Das ist der Vorwurf, der mich am meisten trifft, ein Vorwurf, dem ich begegnen will und begegnen muss: Wenn ich die Absicht gehabt hätte, zu täuschen, dann hätte ich mich niemals so plump und dumm angestellt, wie es an einigen Stellen dieser Arbeit der Fall ist.
Oliver Lepsius, der Nachfolger auf dem Lehrstuhl Ihres Doktorvaters, hat Sie schlicht einen Betrüger genannt.
Was übrigens bemerkenswert ist für einen Juristen. Es zeugt nicht von großer juristischer Kunstfertigkeit, einen Betrugsvorwurf zu zimmern, wenn jeder Jurist sofort weiß, es kann rechtlich kein Betrug sein, ganz egal, wie man zu Guttenberg steht. Ich war über diesen Herrn schon erstaunt.
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© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2011
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Autoren-Porträt von Karl-Theodor zu Guttenberg, Giovanni di Lorenzo
Geboren am 5. Dezember 1971 in München; römisch-katholisch; verheiratet, zwei Kinder.Abitur. Wehrdienst bei den Gebirgsjägern in Mittenwald, Unteroffizier d. Reserve. Studium der Rechts- und Politikwissenschaften, Prädikatsexamen.
Leitung des Familienbetriebes in München und Berlin, berufliche Stationen in Frankfurt und New York. Geschäftsführender Gesellschafter der Guttenberg GmbH, München. U. a. Freier Journalist bei der Tageszeitung DIE WELT.
Seit Dezember 2007 Vorsitzender des CSU-Bezirks Oberfranken. November 2008 bis Februar 2009 Generalsekretär der CSU.
Mitglied des Bundestages seit 2002. Februar 2009 bis Oktober 2009 Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Oktober 2009 bis März 2011 Bundesminister der Verteidigung, durch Verzicht ausgeschieden am 03. März 2011Giovanni di Lorenzo, 1959 in Stockholm geboren, arbeitete nach Abschluss des Studiums in München zunächst als politischer Reporter und Leiter des Reportageressorts "Die Seite Drei" bei der Süddeutschen Zeitung. Seit 1989 moderiert er die Fernsehtalkshow "3 nach 9" von Radio Bremen. 1999 wurde er zum Chefredakteur der Berliner Tageszeitung "Der Tagesspiegel" berufen. 2004 wechselte er als Chefredakteur zur Wochenzeitung "Die Zeit".
Bibliographische Angaben
- Autoren: Karl-Theodor zu Guttenberg , Giovanni di Lorenzo
- 2011, 207 Seiten, Maße: 13,2 x 20,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Herder, Freiburg
- ISBN-10: 3451305844
- ISBN-13: 9783451305849
Rezension zu „Vorerst gescheitert “
"Wer also die Rückkehr des Karl-Theodor zu Guttenberg auf die politische Bühne befürchtet, der fürchtet sich nach diesem Buch vermutlich völlig zu recht." (Giovanni di Lorenzo)
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