Wahn und Willkür
Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt
Ein Mann, der Schwarzgeldgeschäfte anzeigt, wird in die Psychiatrie gesperrt - der Justizskandal um Gustl Mollath, der bundesweit für Schlagzeilen sorgte, ist nur einer von vielen spektakulären Fällen, mit denen Wilhelm...
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Produktinformationen zu „Wahn und Willkür “
Ein Mann, der Schwarzgeldgeschäfte anzeigt, wird in die Psychiatrie gesperrt - der Justizskandal um Gustl Mollath, der bundesweit für Schlagzeilen sorgte, ist nur einer von vielen spektakulären Fällen, mit denen Wilhelm Schlötterer sich beschäftigt. Anhand brisanter, teils unveröffentlichter Dokumente charakterisiert er ein System, in dem nicht Recht und Ordnung, sondern Skrupellosigkeit und persönliche Interessen das Handeln bestimmen. - Eine Lektüre, bei der jedem Demokraten die Haare zu Berge stehen.
Als Ministerialrat und zeitweise oberster Steuerfahnder in Bayern hat Wilhelm Schlötterer jahrzehntelang aus nächster Nähe feststellen können, dass die Politik von Strauß und seinen Nachfolgern geprägt ist von Korruption, Mobbing, Strafvereitelung und Begünstigung auf Kosten des Staates. Mit seinem Bestseller »Macht und Missbrauch« hat er eine Lawine losgetreten. Denn in der Folge wurden ihm immer neue brisante Informationen über Missstände zugespielt, die er detailreich mit Fakten belegt. Schlötterer beschreibt unter anderem, wie ein bekannter Gastronom durch gute Beziehungen zur Politik seine Steuerschuld von 100 auf drei Millionen reduzieren konnte, wie Spitzen aus Wirtschaft und Politik beim Flug nach Zürich über vorteilhafte Geldanlagen in der Schweiz diskutierten und wie gut situierte Steuerhinterzieher vor pflichtbewussten Finanzbeamten in Schutz genommen werden.
Klappentext zu „Wahn und Willkür “
Die skrupellosen Machenschaften von Politik und JustizEin Mann, der Schwarzgeldgeschäfte anzeigt, wird in die Psychiatrie gesperrt - der Justizskandal um Gustl Mollath, der bundesweit für Schlagzeilen sorgte, ist nur einer von vielen spektakulären Fällen, mit denen Wilhelm Schlötterer sich beschäftigt. Anhand brisanter, teils unveröffentlichter Dokumente charakterisiert er ein System, in dem nicht Recht und Ordnung, sondern Skrupellosigkeit und persönliche Interessen das Handeln bestimmen. - Eine Lektüre, bei der jedem Demokraten die Haare zu Berge stehen.
Als Ministerialrat und zeitweise oberster Steuerfahnder in Bayern hat Wilhelm Schlötterer jahrzehntelang aus nächster Nähe feststellen können, dass die Politik von Strauß und seinen Nachfolgern geprägt ist von Korruption, Mobbing, Strafvereitelung und Begünstigung auf Kosten des Staates. Mit seinem Bestseller "Macht und Missbrauch" hat er eine Lawine losgetreten. Denn in der Folge wurden ihm immer neue brisante Informationenüber Missstände zugespielt, die er detailreich mit Fakten belegt. Schlötterer beschreibt unter anderem, wie ein bekannter Gastronom durch gute Beziehungen zur Politik seine Steuerschuld von 100 auf drei Millionen reduzieren konnte, wie Spitzen aus Wirtschaft und Politik beim Flug nach Zürich über vorteilhafte Geldanlagen in der Schweiz diskutierten und wie gut situierte Steuerhinterzieher vor pflichtbewussten Finanzbeamten in Schutz genommen werden.
Lese-Probe zu „Wahn und Willkür “
Wahn und Willkür von Wilhelm Schlötterer Vorwort
Nach dem Buch Macht und Missbrauch habe ich nun ein zweites geschrieben. Denn Aufklärung tut not. in nahezu jeder meiner über 100 Lesungen und Vorträge wurde ich von Zuhörern gedrängt, weiteres Wissen preiszugeben, sie wollten noch mehr erfahren über die politischen Skandale. neben dem Milliardendesaster der Landesbank wurde ich immer wieder befragt zum Thema Strauß: zur Starfighter-Affäre, zum DDR-Milliardenkredit, zu Schalck-Golodkowski und der Fleischfirma März, dem mysteriösen Tod der Marianne Strauß und dem Verschwinden der Festplatte von Max Strauß.
Manchen Skandal, den ich bereits im ersten Buch offengelegt habe, musste ich nochmals aufgreifen, weil sich inzwischen nicht wenige vertrauensvoll an mich gewandt hatten, um mir dazu Wichtiges mitzuteilen, insbesondere zu Strauß. ihnen sei Dank und Anerkennung für ihren Mut und ihre Bereitschaft, sich für Rechtsstaatlichkeit einzusetzen. Der Kampf gegen Amtsmissbrauch und Korruption bedarf des Engagements vieler. Manche Umstände musste ich nochmals erwähnen, um das Schaubild zu vervollständigen. Das sind die Gründe für Wiederholungen.
Das vorliegende Buch wird viele fassungslos machen, es berichtet Unglaubliches, teils Unmenschliches. Wer an der Spitze des Staates steht, darüber aber gleichgültig oder gar billigend hinweggeht, weiter gewähren lässt und gegen Schuldige nichts unternimmt, sollte abtreten. Wer als Amtsträger Straftaten begangen, gefördert oder verdeckt hat, sollte vor Gericht gestellt werden.
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Klargestellt sei: Wie schon das Buch Macht und Missbrauch ist auch dieses keineswegs ein Angriff auf die CSU, es zielt nur auf einige wenige Spitzenpolitiker der Partei. »Der kleine Mann in der CSU ist schon in Ordnung«, sagte in einem Interview vor Jahren der frühere Kultusminister Prof. Hans Maier. in keiner Partei sonst gibt es eine so tiefe Kluft zwischen den einfachen Parteimitgliedern und den wenigen, die die CSU beherrschen, sie für ihre Karriere benutzen, wie bei der CSU. Die Basis wird von oben für ihren Einsatz mit warmen Worten gelobt, hat aber nichts zu sagen, sie wird nur mit den nicht anstößigen Informationen versorgt. nicht einmal die Landtagsfraktion hat etwas zu melden; wie schon unter Strauß und Stoiber führt sie auch unter Seehofer ein Schattendasein.
Die ehemaligen CSU-Spitzenpolitiker Günther Beckstein und Alois Glück haben jüngst fromme Bücher geschrieben. Becksteins Werk heißt Die Zehn Gebote. Dass er diese als stellvertretender Präsident der Evangelischen Landessynode in Bayern kennt, ist löblich. Befremdlich ist die erbauliche Lektüre dennoch: Sie lässt nicht erkennen, dass die Zehn Gebote auch in der bayerischen Politik gelten. Denn sündhafte Verstöße erzählt Beckstein nicht. Wüsste man es nicht besser, könnte man meinen, er sei ganz woanders Innenminister und kurzzeitig Ministerpräsident gewesen. Oder die Zehn Gebote seien neben den Gesetzen schon von Amts wegen stets eingehalten worden - kraft der Richtlinienkompetenz des jeweiligen christlichen Ministerpräsidenten.
Der stellvertretende Vorsitzende der Augsburger FDP, Toni resch, lud mich für den 6. September 2010 zu einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung ins Gögginger Jugendstiltheater ein, wo der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement eine »rede zur Freiheit« hielt. anschließend wollte mich resch einigen Politikern vorstellen, die in einer Runde beieinandersaßen. Zu meiner Überraschung war auch Günther Beckstein dabei. als er sich erhob, sagte ich zu ihm: »Sie sind jetzt wahrscheinlich bei der Nennung meines namens erschrocken.« Darauf Beckstein: »Etwas schon, aber nicht sehr. Denn ich komme ja in ihrem Buch nicht oft vor und auch nicht sehr schlecht.« Er fügte hinzu: »ich habe mich bei meiner Amtsführung immer darum bemüht, dass Recht und Gesetz eingehalten wurden.« ich sagte nichts.
Warum wir uns ändern müssen lautet der umwälzend programmatische Titel von Alois Glücks Buch. Wenn Glück wirklich sich und seinesgleichen gemeint hat, muss man ihm nachdrücklich zustimmen. rätselhaft aber ist, warum er erst jetzt einsichtig wird - nachdem er den hohen Stuhl des Präsidenten des Deutschen Katholikentags erklommen hat. auf diesem Stuhl saß früher der integre Kultusminister Prof. Hans Maier, eine geistige und moralische Instanz. ich habe in Glücks Buch geblättert und mir dann seine Lektüre erspart.
Im Oktober 2012 veröffentlichte Edmund Stoiber seine Memoiren, ebenfalls ein frommes Buch - im Sinn der Selbstbeweihräucherung. Weil die Welt sich ändert lautet der Titel. Zu den Memoiren Stoibers bemerkte Horst Seehofer in einem Grußwort, Stoiber habe darin ein hohes Maß an Rücksicht auf die politische Familie genommen: »alles, was du schreibst, stimmt. nur schreibst du auch über vieles nicht, was stimmt.« Die SZ kommentierte, die Memoiren würden so große Lücken aufweisen, als hätten sich die Motten vor der Drucklegung durchs Manuskript gefressen. Warum sah Stoiber sich veranlasst, so vieles auszublenden?
Die Scheinheiligkeit war immer schon das Kennzeichen bestimmter Hauptprotagonisten der CSU. Man tarnt sich als bekennender Christ, trägt die christlichen Werte wie eine Monstranz vor sich her, in Wirklichkeit aber schreckt man auch vor menschenverachtenden Praktiken mitunter nicht zurück. Man gibt vor, das Wohl der Bürger zu fördern, hat aber vor allem den Machterhalt und die eigene Karriere im Sinn. Man gibt vor, den sozialen Ausgleich zu wollen, begünstigt aber klammheimlich die reichen und Superreichen. Man spiegelt Rechtsstaatlichkeit vor, praktiziert aber das Unrecht, schützt Straftäter und verfolgt Unschuldige. Tarnung und Täuschung sind das pseudopolitische Lebenselixier.
Die an Gustl Mollath verübte Schandtat ist die abscheulichste Ausgeburt dieser Skrupellosigkeit: Es war kein Justizirrtum, alle bekannten Fakten lassen auf vorsätzliches Handeln schließen! Den arglosen gilt es die Augen zu öffnen. Doch es geht nicht allein darum, das Verwerfliche anzuprangern, sondern eine Umkehr zu erzwingen. Nach meinem ersten Buch prophezeite mir sarkastisch Erich Riedl, der frühere CSU-Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium: »Der Titel ihres nächsten Buches wird bestimmt heißen: ›Es geht alles so weiter wie bisher!‹« Dieser Titel wäre in der Tat ebenso zutreffend wie der gewählte.
Aber es darf nicht so weitergehen!
Einführung
1. Das Echo auf das Buch »Macht und Missbrauch«
Die Präsentation des Buches
Im voll besetzten großen Saal des Literaturhauses in München wird am 9. Juli 2009 mein Buch Macht und Missbrauch vorgestellt. Unter den Zuhörern befinden sich mehrere Landtagsabgeordnete, hohe Beamte und viele Journalisten. Jürgen Horbach, der Vorstandsvorsitzende der VEMAG-Verlagsgruppe, in deren Fackelträger Verlag mein Buch erschienen ist, verweist in seinen einführenden Worten auf die Brisanz des Buches und das hohe Risiko zu erwartender Gegenschläge. Michael Stiller, über lange Jahre leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung für den Bereich der bayerischen Landespolitik, rückt in seiner Rede meinen früheren Widerstand gegen die massiven Gesetzwidrigkeiten bestimmter Spitzenpolitiker in den Vordergrund.
Fast 30 Jahre war ich im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen tätig. Als ich mich 1977 wegen rechtswidriger Machenschaften bei Entscheidungen von Steuerfällen mit Bezügen zu F.J.Strauß an den Bayerischen Landtag wandte, löste ich einen großen Skandal aus. Der Landtag setzte einen Untersuchungsausschuss ein, der Rechnungshof bestätigte jedoch meine Vorwürfe. Daraufhin verfolgte mich Strauß mit Disziplinarverfahren und Zwangsversetzung und verhinderte jahrelang meine Beförderung zum Ministerialrat. Diese konnte ich aber 1980 im Zuge seiner Kanzlerkandidatur erreichen. Großes Aufsehen erregte ich ein zweites Mal, als ich mich 1993 erneut an den Landtag wandte und meine durch Strauß veranlasste Diskriminierung schilderte. Strafverfahren und Disziplinarverfahren, die man daraufhin gegen mich einleitete, scheiterten kläglich. Jetzt, nach meiner Pensionierung, legte ich in meinem Buch diese und viele andere Missbräuche der Macht offen.
Als das Publikum nach der Lesung Fragen an mich stellt und von mir wissen will, was mich dazu veranlasst hat, dieses Enthüllungsbuch zu schreiben, antworte ich, dass ich den Gesetzwidrigkeiten und Straftaten bestimmter Spitzenpolitiker der CSU entgegenwirken und diese für die Zukunft verhindern sowie den Bürgern, die den Politikern bisher blind vertraut hätten, die Augen öffnen wolle. Darüber hinaus war es mein Anliegen, jenen Beamten, die pflichtgemäß Recht und Gesetz anwenden wollten, dafür aber »von oben« abgestraft wurden, eine Hilfestellung zu geben.
Lange hatte ich gebangt, ob das Buch wirklich erscheinen würde! Wer alles wurde doch darin angegriffen, bloßgestellt, teilweise schwerer Verfehlungen beschuldigt: Strauß, Streibl, Stoiber, mehrere Finanzminister und Justizminister, Ministerialdirektoren im Finanz- und im Justizministerium, ein Generalstaatsanwalt, Oberstaatsanwälte. außerdem hatte ich aufs Korn genommen: Leo Kirch, Otto Beisheim, Karl Diehl, Eduard Zwick, Friedrich Jahn, Karl-Friedrich Flick, Franz Beckenbauer und weitere prominente Steuerpflichtige. Immer wieder fragte ich mich, ob nicht doch am Ende den Verlag der Mut verlassen würde.
Natürlich war jedes Wort, das ich geschrieben hatte, wohl überlegt. Der Vorstandsvorsitzende des Verlags und der Lektor waren mit mir Seite für Seite durchgegangen. Eine spezialisierte Anwaltskanzlei überprüfte zweimal Satz für Satz, verlangte vielfach die Vorlage von Beweisen. Um Gegenschläge zu erschweren, wurde das erstellte Personenverzeichnis im Buch nicht abgedruckt. Da zu befürchten war, jemand könnte versuchen, das Erscheinen des Buches zu verhindern, wurde es vom Verlag nicht in der halbjährlichen Vorschau, die an die Buchhandlungen versandt wird, sondern erst 14 Tage vor dem Erscheinungstermin per E-Mail und per Telefon angekündigt.
Das Buch hatten vor seiner Veröffentlichung überdies zwei Spitzenpolitiker der CSU begutachtet. Der eine, ein hoch angesehener früherer Minister, schrieb nach Durchsicht an den Verlag: »Das Buch ist notwendig und wichtig.« Der andere sagte auf meine Frage, ob ich irgendetwas in dem Buch falsch dargestellt oder ob ihn etwas überrascht hätte: »nein, es sind die Fakten, nur die Fakten. Das Buch ist okay. Es sollte unbedingt veröffentlicht werden.«
Die Öffentlichkeit sollte durch zwei anzeigen in der Süddeutschen Zeitung kurz vor der Präsentation im literaturhaus auf das Buch hingewiesen werden. Doch unmittelbar vor Erscheinen der Annonce verlangte die Süddeutsche plötzlich vom Fackelträger Verlag die Abgabe einer zweiseitigen haftungs- und Freistellungserklärung für den Text des Inserats. als Jürgen Horbach, der Vorstandsvorsitzende des Verlags, empört der Süddeutschen vorhielt, so etwas habe er noch nie erlebt, man habe ja offensichtlich nur Angst vor der CSU, zog die Zeitung das Verlangen wieder zurück.
Die Reaktion der Politiker und Spitzenbeamten
Die CSU schwieg. Normalerweise reagieren Ministerpräsident und Minister auf Vorwürfe durch ihre Pressesprecher innerhalb von Stunden. Wie ich bald von Journalisten, aber auch aus der CSU erfuhr, soll Ministerpräsident Horst Seehofer die Order ausgegeben haben, kein Wort über das Buch zu verlieren. Die darin schwer angegriffenen einstigen Größen Edmund Stoiber, Erwin Huber und Günther Beckstein rührten sich nicht, Gerold Tandler und Georg von Waldenfels blieben stumm. Gesammeltes Schweigen allerorts. Huber soll jedoch ahnungsvoll und bedrückt schon nach der ersten Annonce in der Süddeutschen Zeitung, die das Buch ankündigte, gegenüber einem Journalisten geäußert haben, er sei es gewesen, der mich rehabilitiert habe, indem er ein von seinem Vorgänger von Waldenfels gegen mich eingeleitetes Disziplinarverfahren niedergeschlagen habe.
Stellten die früheren Justizminister Hermann Leeb und Manfred Weiß, der Justizministerialdirektor Wolfgang Held und der Generalstaatsanwalt Hermann Froschauer gegen mich einen Strafantrag wegen Verleumdung? Das Strafgesetzbuch war schließlich ihr Revier gewesen. Sie hüteten sich. Das überraschte mich nicht, war ich mir doch sicher, unumstößliche Beweise angeführt zu haben.
Distanzierten sich wenigstens Ministerpräsident Horst Seehofer und die Justizministerin Beate Merk von den im Buch beschriebenen Machenschaften und Verfehlungen bis hin zu Straftaten? Nein, sie schwiegen. Drückten sie den Opfern öffentlich ihr Bedauern aus? Mitnichten. Bemühte man sich um Wiedergutmachung oder Korrektur, soweit diese noch möglich war? keineswegs, im Gegenteil. Die Steueramtsrätin Ingrid Meier, die bei dem Rüstungskonzern Diehl rechtswidrig daran gehindert worden war, 60 Millionen Mark an Steuern nachzufordern und wegen ihres Widerstands hiergegen beruflich abqualifiziert worden war (s. »Ursache Nr. 1: Politische Protektion in bestimmten Einzelfällen«, S. 212), erhielt von Finanzminister Georg Fahren- schon den Bescheid, sie sei überhaupt nicht benachteiligt worden. Der Regierungsdirektor Fischer-Stabauer, der sich erkühnt hatte, gegen Gerold Tandler ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung im Skandalfall des »Bäderkönigs « Eduard Zwick einzuleiten, und dem daraufhin die zuerkannte Eignung als Finanzamtsvorsteher wieder aberkannt worden war, erhielt keine Entschädigung, ja nicht einmal ein Wort der Entschuldigung. Und der frühere, ebenso mutige wie hervorragende Augsburger Staatsanwalt Winfried Maier, der trotz massiver Behinderung von oben die Strafverfahren gegen Holger Pfahls, Max Strauß, Walther Leiser Kiep, Karlheinz Schreiber und die Thyssen-Manager Hastert und Maaßmann durchgesetzt hatte, musste weiterhin auf der Position verharren, auf die man ihn, mutmaßlich weil er dort ungefährlich war, manövriert hatte: auf einer richterstelle beim Oberlandesgericht München, wo er sich mit Familienrecht befassen durfte.
Dass Horst Seehofer keinerlei Mitgefühl mit Staatsdienern zeigte, denen bitteres Unrecht zugefügt wurde, war bemerkenswert und umso erstaunlicher, als er selbst früher ein kleiner Beamter an einem Landratsamt gewesen war.
Nach dem Erscheinen des Buches bestätigten mir Alfred Sauter, der wegen der ihm fälschlicherweise angelasteten Millionenverluste der landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft Bayern (LWS) als Justizminister zum Rücktritt gezwungen wurde, sowie der Staatssekretär a. D. im Bundeswirtschaftsministerium Erich Riedl, der beschuldigt wurde, vom Lobbyisten Karlheinz Schreiber 500 000 Mark Schmiergeld im Zusammenhang mit der Lieferung von Bundeswehr-Spürpanzern der Marke Fuchs an Saudi-Arabien erhalten zu haben, die sie betreffenden Sachverhalte seien völlig korrekt dargestellt.
Ein von mir im Buch nicht erwähntes früheres Kabinettsmitglied zeigte sich erschüttert und versicherte mir: »Ich stehe voll auf ihrer Seite. Ich bin ihr Mitstreiter.« Er verschenkte an Weihnachten mehrere von mir signierte Buchexemplare. Ein ehemaliger Staatssekretär äußerte nach der Lektüre gegenüber einem Kollegen: »Es ist unglaublich, was da alles passiert ist. Da war man dabei und wusste doch nichts.« Frühere CSU-Mitglieder des Landtages und des Bundestags kamen auf mich zu und bekundeten ihre Solidarität. in allen Gesprächen kam einer besonders schlecht weg: Edmund Stoiber. immer wieder wurde sein eiskaltes, rücksichtsloses Verhalten gerügt.
Auf der anderen Seite stand eine Äußerung von Staatskanzleiminister Siegfried Schneider. Er soll auf die Frage, ob er das Buch gelesen habe, geantwortet haben: »Ja, aber da steht nichts Bewegendes drin.« Es war aufschlussreich, dass das, was die meisten Leser erschütterte, für ihn anscheinend ziemlich normal war.
Der Münchner Presseclub lud mich zu einer Lesung ein, zugleich versuchte er, einen CSU-Politiker als Widerpart in der Diskussion zu gewinnen. Doch seltsam: kein einziger hatte Zeit, weder Günther Beckstein noch Alois Glück, Thomas Goppel und etliche andere, an die man herantrat. Die Geschäftsführung des Presseclubs sagte mir, so etwas habe es noch nie gegeben.
Die Reaktion der Medien und Bürger
Über das Buch berichteten zunächst nur die größeren Zeitungen. Der Chefredakteur des konservativen Rheinischen Merkur, Michael Rutz, CSU-Mitglied seit Jahrzehnten, schrieb: Das Buch »macht es zwingend notwendig, das Kapitel Strauß vollständig neu aufzuarbeiten. Das gilt für die CSU, wenn denn Parteichef Seehofer tatsächlich - wie versprochen - einen kompletten Neuanfang für die Partei vorhat. Das gilt aber auch für die Staatsanwaltschaft in Bayern.« Ich wurde um zahlreiche Interviews gebeten: von der Presse, vom Rundfunk und von privaten Fernsehsendern. Das Bayerische Fernsehen hingegen blendete sich vollständig aus. Offenkundig sah sich der für seine linientreue berüchtigte Chefredakteur Sigmund Gottlieb verpflichtet, das kolportierte Schweigegebot Seehofers einzuhalten.
Immer mehr Leute kauften das Buch, es wurde ein Bestseller und verkauft sich auch heute noch gut. Gleichzeitig brach über mich eine Welle von Telefonanrufen und Zuschriften herein. Hatte ich viele Schmähungen und Anfeindungen erwartet, so wurde ich vom Gegenteil überrascht: allseits begeisterte Zustimmung und Anerkennung für den Mut, das Buch geschrieben zu haben. Viele äußerten, sie hätten schon immer das Gefühl gehabt, dass etwas faul sei, aber dass es so schlimm sei, hätten sie nicht gedacht. Das Erstaunliche war, dass die Absender und Anrufer durchwegs bekannten, sie seien langjährige CSU-Wähler oder CSU-Mitglieder. Es waren oft Unternehmer, leitende Angestellte, Professoren, Beamte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Notare, Gymnasiallehrer, Ärzte und ähnliche gehobene Berufe. Es schien, als hätte das Buch einen Bann gebrochen. Aus den Reihen der CSU erhielt ich nur einen einzigen Schmähbrief, er kam aus Durach bei Kempten und war in fehlerhaftem Deutsch geschrieben.
Wurde ich zunächst von Buchhandlungen zu Lesungen eingeladen, so folgten bald Einladungen der SPD, des Evangelischen Arbeitskreises für Arbeitnehmerfragen, des Bundes deutscher Kriminalbeamter, der Gewerkschaft ver.di, verschiedener Clubs, der Freien Wähler, der FDP-nahen Thomas-Dehler- Stiftung und insbesondere von Bündnis 90/Die Grünen.
Als ich im Dezember 2009 auf Einladung der letzteren im Landtag eine Lesung hielt, forderte unter großem Beifall der Landtagsabgeordnete Sepp Dürr, den Münchner Franz-JosefStrauß- Flughafen umzubenennen. »Ein Krimineller taugt nicht als Namensgeber«, sagte er. In der Diskussion bestätigten zwei frühere Richter die von mir gerügten Missstände in der Justiz. Und eine Beamtin der Steuerstrafsachen- und Steuerbußgeldstelle München bekannte mutig, dass meine Schilderung der rechtswidrigen Eingriffe »von oben« zutreffe.
Der stellvertretende Vorsitzende der Bayerischen Finanzgewerkschaft schrieb in der Mitgliederzeitschrift, das Buch bringe »weitestgehend Fakten«. Er erinnerte daran, dass die Finanzgewerkschaft 1993 in einem an Finanzminister von Waldenfels gerichteten Protestschreiben gegen die »politische Protektion« gerügt hatte, dass durch rechtswidrige Weisungen »von oben« Millionenbeträge an Steuern bei bestimmten Steuerpflichtigen nicht festgesetzt oder erlassen wurden. Der Finanzminister habe sich gegen diesen Vorwurf in einem »geharnischten Schreiben« verwahrt.
Ein früherer Kollege aus dem Innenministerium, ebenfalls CSU-Mitglied seit Jahrzehnten, beklagte: »Strauß hat die Korruption nach Bayern gebracht, Stoiber hat den Niedergang des Staatsvermögens verschuldet.« Ja, man begann in der CSU über die eigenen Spitzenleute nachzudenken.
Der Salvatorprobe des Jahres 2010 sah die Öffentlichkeit mit Spannung entgegen. Wegen der unfassbaren Misswirtschaft führender CSU-Politiker in Sachen Landesbank erwartete man allseits eine geharnischte Fastenpredigt des Bruders Barnabas (Michael Lerchenberg). am Donnerstag, dem 5. März, war es dann so weit. ich schaltete den Fernseher ein.
Bruder Barnabas hatte seine »Nockher-Bergpredigt« bereits begonnen. Satz für Satz prangerte er die Missstände und Missgriffe an, geißelte er die zwanghaft süßsauer lächelnden Politiker. Plötzlich streckte er den Arm aus, deutete auf Horst Seehofer und Finanzminister Fahrenschon und rief: »Haben Sie ihren Schlötterer schon gelesen?« Fahrenschon nickte. »Und Sie trauen sich das auch noch zuzugeben!«, setzte Bruder Barnabas nach. »Weil«, fuhr er fort, »der Herr Ministerpräsident hat ja die immerwährende Anbetung des schwarzen Götzen und Flugbenzin- Buddhas angeordnet« (gemeint war Strauß). Dann holte er unter dem Pultdeckel das Buch Macht und Missbrauch hervor, hielt es Seehofer entgegen, der verdutzt schaute. Der Fastenprediger weiter: »Aber damit niemals mehr ein bayerischer Finanzminister lügen muss: Hier, Herr Seehofer, für Sie, da Geben seliger ist denn nehmen, ein Exemplar Schlötterer, als Parteispende gewissermaßen, zur Buße und inneren Reinigung. Und wenn Sie das Buch gelesen haben, dann werden Sie die Worte unseres Herrn Jesus verstehen, die da lauten: Die Sünden der Väter werden vergolten bis ins dritte und vierte Glied.«
Notgedrungen erhob sich Seehofer und nahm das Buch entgegen. Sich umdrehend, wollte er es sogleich weiterreichen, aber niemand nahm ihm die schwere Last ab. So legte er es vor sich auf den Tisch. Das Publikum lachte schallend. Seehofer, der, wie erwähnt, die Anweisung gegeben haben soll, über das Buch zu schweigen, wurde quasi höchst unfreiwillig zum prominentesten Werbeträger für das Buch. Das Fernsehen blendete die Titelseite des Buches mit dem Bild von F.J.Strauß in Großaufnahme ein.
Mich aber erfüllte eine innige Freude.
2 Der Feldzug der Geschwister Strauß
Ankündigungen
Mein Versuch, das riesendenkmal ihres Vaters in die Luft zu sprengen, provozierte, was vorhersehbar war, einen massiven verbalen Gegenschlag der Strauß-Abkömmlinge. Wie sie dabei zu Werke gingen, gereichte ihrem Erzeuger zur Ehre.
Franz Georg Strauß kündigte in Briefen an die Presse an: »Wir werden gegen das Traktat von Herrn Schlötterer vorgehen, das fanatisch, inhaltlich falsch und in seinen Schlussfolgerungen für einen Juristen einfach nur peinlich ist.« Sein Vater habe gemeint, »man könne die Menschen einteilen in kluge und dumme, andererseits in fleißige und faule. Daraus ergäben sich vier verschiedene Kombinationen. Am schlimmsten sei die Kombination dumm und fleißig. Hier sind wir bei Herrn Schlötterer angekommen. « Von der Presse um Stellungnahme gebeten, lehnte ich eine Diskussion darüber ab, welche der genannten Eigenschaften tatsächlich auf mich zutreffen und weshalb man mir fälschlicherweise nicht vorhandene zuschreiben wollte. Da die Gründe offenkundig waren, lehnte ich auch die Ergreifung rechtlicher Schritte gegen diese Herabwürdigung ab.
Der als Rechtsberater wegen Beihilfe zum Betrug in der Affäre der Firma WABAG, bei der rund 1000 Anleger mindestens 100 Millionen Mark verloren, rechtskräftig verurteilte Sohn Max Strauß warf Horst Seehofer in einem Interview mit der Bayerischen Staatszeitung vor, »dass seine Staatsregierung Herrn Schlötterer wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses hätte anzeigen müssen«. Er kündigte an: »Wir werden aber auf jeden Fall klagen. Was da verbreitet wird, ist knallfalsch, eine systematische Verleumdung.« Zum Vermögen der Familie Strauß in der Schweiz erklärte er: »Meine Eltern haben diese Konten stets vollständig bei der Steuer angegeben.« nach ihrem Tod sei das Erbe angemeldet und versteuert worden, auch das Geld auf den Schweizerkonten.
Auf einem CSU-Parteitag in Nürnberg am 17./18. Juli 2009 traf Monika Hohlmeier mit dem früheren SZ-redakteur Michael Stiller zusammen, der den Klappentext zu meinem Buch geschrieben hatte. Sie sei sehr aufgeregt gewesen, habe, so Stiller später, geradezu gejapst. Zunächst rügte sie, dass das Andenken Verstorbener - sie meinte ihren Vater - in Deutschland gesetzlich unzureichend geschützt sei. Wütend hielt sie Stiller sodann vor, das halbe Buch habe doch er geschrieben. Stiller erwiderte wahrheitsgemäß, von ihm stamme kein einziger Satz, er habe lediglich das Buch vor seinem Erscheinen gelesen. Einige Minuten später sprach eine Journalistenkollegin Stiller an, Monika Hohlmeier habe ihr gerade bei einem Zusammentreffen vor der Damentoilette mitgeteilt, dass er, Stiller, ihr gegenüber soeben zugegeben habe, das halbe Buch geschrieben zu haben! Stiller stellte daraufhin Hohlmeier zur Rede.
Die ausgeprägte Wahrheitsliebe der Strauß-Tochter hatte schon früher öffentliches Aufsehen erregt. Nachdem sie wegen der sogenannten Wahlfälschungsaffäre und ihrer Affäre um das von ihr gefertigte Dossier mit angeblichem Belastungsmaterial gegen Münchner CSU-Parteifreunde, die gegen sie Front machten, als Kultusministerin und CSU-Bezirksvorsitzende von München hatte zurücktreten müssen, wurde sie von einem Untersuchungsausschuss des Landtags vorgeladen. Nach ihrer Aussage äußerte der heutige Kultusminister Ludwig Spaenle: »Frau Hohlmeier lügt wie gedruckt.« Hans Podiuk, der frühere Vorsitzende der Münchner CSU-Stadtratsfraktion, erklärte zornig: »Das ist ein Abgrund von Lüge und Täuschung.«
Auf dem Parteitag in Nürnberg wurde der Bundestagsabgeordnete und frühere Umweltminister Peter Gauweiler von einem Journalisten darauf angesprochen, ob er als Anwalt für die Familie Strauß gegen das Buch tätig werde. Seine überraschende Antwort: Nein, aber wenn er ihr Anwalt wäre, würde er dringend raten, davon die Finger zu lassen. Außerdem sei Schlötterer ein anständiger Mensch, der überdies die Landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft Bayern, die schwere finanzielle Verluste erlitten hatte, gerettet habe (Anmerkung: Ersteres trifft zu, letzteres war zu viel der Ehre). In gleicher Weise soll sich Gauweiler anderen gegenüber geäußert haben.
Entgegen ihrer martialischen Ankündigung unternahmen die Geschwister Strauß jedoch zunächst nichts. Somit durfte ich hoffen, meine letzten Lebensjahre in Freiheit verbringen zu können, ohne auf eine Begnadigung durch den Ministerpräsidenten Horst Seehofer angewiesen zu sein.
Ein Strafantrag
Bei meinen Lesungen wies ich stets darauf hin, dass es zahlreiche Indizien dafür gebe, dass F.J.Strauß sich illegal ein großes Vermögen verschafft und es weitgehend der Steuer entzogen habe. Außerdem soll er sogar die CSU betrogen haben, indem er Geld, das der Partei zustand oder ihr zugedacht war, nicht abgeführt habe. Ob davon bei seinem ableben noch etwas vorhanden war und, wenn ja, in welcher Höhe, ist nicht bekannt. F.J.Strauß hat zwar nahezu während seiner ganzen Karriere unter dem Verdacht der Korruption gestanden, aber erst mit seinen Verbindungen zu den zu Gefängnisstrafen verurteilten Waffenhändlern Karlheinz Schreiber und Dieter Holzer sowie zu dem - einem Beamten des Bundeskriminalamts zufolge - »gefährlichsten und größten Waffen- und Drogenhändler der Welt«, dem Syrer Monzer al Kassar, wurden zahlreiche Verdachtsmomente angeführt, die Strauß massiv belasteten.
Man kann vermuten, dass diese Lesungen den Geschwistern Strauß nicht gefallen haben. Plötzlich, im März 2010, stellten sie gegen mich Strafantrag wegen Verleumdung und Verletzung des Steuergeheimnisses. Sie empörten sich, ich hätte das Andenken ihres Vaters verunglimpft. Denn ich hätte wahrheitswidrig behauptet, ihr Vater habe illegal ein Vermögen von 400 Millionen Mark vereinnahmt, Steuerhinterziehung begangen, von Waffenhändlern Provisionszahlungen bezogen und auf sechs Schweizer Konten große Geldmengen vor der deutschen Steuer verborgen. aber auch sie selbst hätte ich verleumdet, indem ich behauptet hätte, sie hätten jeder 150 Millionen Mark geerbt und das ererbte Vermögen nicht versteuert.
All das hatte ich weder geschrieben noch gesagt, sondern lediglich ausgeführt, dass gegen F.J.Strauß ein entsprechender Verdacht bestehe, und dabei auf zahlreiche einschlägige Fakten und Angaben Dritter verwiesen. Das war rechtlich eindeutig zulässig - ein aus Tatsachen abgeleiteter Verdacht ist keine unwahre Behauptung!
Die Geschwister hatten den Strafantrag vermutlich nicht nur wegen der angeblichen Verunglimpfung ihres Vaters gestellt, schließlich war er jahrzehntelang dem Verdacht der Korruption ausgesetzt gewesen. In Wirklichkeit handelten sie wohl auch und vor allem aus einem ganz anderen Motiv heraus: Sie fürchteten offensichtlich eine Untersuchung. Dieser Eindruck drängte sich durch verschiedene Argumente des Strafantrags auf. So erklärten sie, es gebe das Vermögen nicht, somit gebe es auch keine Pflicht zur Versteuerung. Die von mir geforderte öffentliche Untersuchung, gegebenenfalls durch das Parlament, sei »juristischer Unsinn«. außerdem seien die Zeugen bereits alle verstorben, behaupteten sie wahrheitswidrig. Meine Forderung nach einer Einziehung des Vermögens sei »juristischer Unfug«. Dafür gebe es aufgrund der Verjährungsregelungen mehr als 20 Jahre nach seinem Entstehen »keine rechtliche Handhabe«. Was sollte es, all das vorzubringen? Es machte nur Sinn, wenn Strauß tatsächlich ein großes Vermögen aufgehäuft und vererbt hatte. Was sollte zudem der Vorwurf einer Verletzung des Steuergeheimnisses, wenn ein zu versteuerndes Vermögen angeblich gar nicht existierte? Für mich wirkte das so, als seien sie in Panik geraten.
Ihren Strafantrag garnierten die Geschwister mit Schmähungen wie »notorischer Querulant, scheinheilig, Amoklauf«. Sie bescheinigten mir das Fehlen »wesentlicher menschlicher Eigenschaften «. Die mir zur Last gelegten Straftaten bezogen sich auf zwei meiner Lesungen: Von der einen, die im Presseclub München stattgefunden hatte, legten sie einen Mitschnitt vor, der übrigens ohne Genehmigung entstanden war, und von der anderen - einer Lesung in Dachau auf Einladung von Bündnis 90/Die Grünen - einen Bericht, den zwei Beobachter verfasst hatten. Diese waren sofort dem Landtagsabgeordneten Martin Runge aufgefallen, weshalb er sie vorsorglich fotografiert hatte, was sogar in der örtlichen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung stand. Die im Mitschnitt wiedergegebenen Äußerungen waren rechtlich nicht zu beanstanden, dagegen hatte ich die im Bericht der beiden Zuhörer niedergeschriebenen Bemerkungen überhaupt nicht gemacht.
Von der Staatsanwaltschaft wurde ich aufgefordert, mich zu den Vorwürfen zu äußern. Ich beauftragte daraufhin einen Rechtsanwalt, der kurioserweise einer der beiden Anwalte war, die den Waffenhändler und Strauß-Freund Karlheinz Schreiber verteidigt hatten. Das war ein Zufall, der dadurch bedingt war, dass die presserechtliche Abteilung seiner Anwaltskanzlei ständig für meinen Verlag arbeitete. Ende Juni 2010 übersandte mein Anwalt der Staatsanwaltschaft eine Stellungnahme. Da der Fall wegen F.J.Strauß gewaltige politische Bedeutung hatte, wurde er in der sogenannten politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft bearbeitet. Dort besteht üblicherweise stets Berichtspflicht »nach oben«. Das hieß dann, dass aller Wahrscheinlichkeit nach Generalstaatsanwalt Christoph Strötz und Justizministerin Beate Merk eingeschaltet wurden.
Durch meinen Anwalt beantragte ich die Beiziehung sämtlicher Strauß-Steuerakten einschließlich derer des Finanzministeriums. Die Steuerakten konnten Aufschluss geben über das, was Strauß an Vermögen angesammelt hatte, was er an Einkünften deklariert und was er eventuell nicht versteuert hatte. Die Brisanz dieser Akten hatte das Finanzministerium nach dem Tod von F.J.Strauß sogleich erkannt. Deshalb erschien bei der für die Erhebung der Erbschaftsteuer zuständigen Sachbearbeiterin des Finanzamts ein Beamter des Finanzministeriums und ordnete die Herausgabe der Akten an, wofür er eine Empfangsquittung ausstellte. Die Sachbearbeiterin hörte nie mehr etwas von dem Erbschaftsteuerfall Strauß. Warum entzog man ihr den Fall, obwohl sie zuständig war? Wer erließ den Steuerbescheid, gegebenenfalls nach welchen Weisungen »von oben«?
Durch ihren meines Erachtens eher unbedachten Strafantrag erzwangen die Strauß-Geschwister nunmehr Ermittlungen zu Fragen, deren Beantwortung bis dahin verweigert worden war. So hatte zum Beispiel im vom Landtag eingesetzten »Amigo- Untersuchungsausschuss«, der sich mit umstrittenen, vom Flugunternehmer Burkhart Grob finanzierten reisen von Max Streibl, mit meiner Verfolgung durch Strauß und mit fragwürdigen Einkünften von Strauß befasste, die SPD-Abgeordnete Carmen König 1994 die Frage gestellt, ob F.J.Strauß die von der Friedrich-Baur-Stiftung bezogenen Testamentsvollstreckervergütungen von insgesamt 1,3 Millionen Mark wenigstens versteuert habe. Die Frage wurde als unzulässig wegen des Steuergeheimnisses abgewiesen, jedoch zu Unrecht. Denn das Steuergeheimnis kann durchbrochen werden, wenn ein legitimes öffentliches Interesse besteht. Und im Fall des Ministerpräsidenten Strauß war dies in jedem Fall zu bejahen. Im Buch hatte ich ebenfalls die Frage aufgeworfen, ob er die Einnahmen aus der Baur-Stiftung versteuerte. Im Strafantrag schwiegen sich die Geschwister Strauß dazu aus. Sie behaupteten nur ganz pauschal, der Vater habe immer alle Einkünfte versteuert. Die nunmehr beizuziehenden Steuerakten würden darüber Aufschluss geben.
Eine Überraschung hatte der Strafantrag bereits in einem ganz anderen Punkt gebracht. Öffentlich behauptete Monika Hohlmeier, sie wohne im oberfränkischen Staffelstein. Während sich vor der Europawahl im Frühjahr 2009 die anderen CSU-Bezirksverbände weigerten, die Strauß-Tochter als Kandidatin aufzustellen, erklärte sich der CSU-Bezirksverband Oberfranken, vermutlich unter Druck von Seehofer und dem damaligen CSU-Generalsekretär zu Guttenberg, schließlich dazu bereit, jedoch unter der Bedingung, dass sie auch tatsächlich in Oberfranken ihren Wohnsitz haben müsse. Hohlmeier versprach dies. Die soliden Oberfranken waren offenbar dennoch sauer, dass ihnen die abgehalfterte, skandalbeladene Hohlmeier aufgebürdet wurde. Die CSU erlitt deshalb bei der Europawahl herbe Verluste. Da Monika Hohlmeier aber durch einen guten Listenplatz abgesichert war, schaffte sie es dennoch ins Europaparlament. überschwänglich gratulierte ihr zu Guttenberg: »Moni, du bist nicht nur in Oberfranken angekommen, du bist Oberfränkin.« Diese verstiegene Mutation war ihr selbst jedoch nicht bewusst. Denn im Strafantrag nannte sie weiterhin als Wohnsitz Vaterstetten bei München.
Hochkarätige Hilfe
»Auf zum letzten Gefecht« titelte die Süddeutsche Zeitung. Die Strauß-Geschwister versuchten, ihrem Strafantrag gegen mich öffentliche Wucht zu verleihen: Sie informierten die Presse. Diese berichtete in großen Artikeln. Monika Hohlmeier wurde zitiert: »auf vielen Veranstaltungen hat er meinen verstorbenen Vater - der sich nicht mehr wehren kann - verunglimpft und als kriminellen verleumdet.« Die Behauptung, ihr Vater habe 400 Millionen Euro vererbt, sei »völliger Humbug«. Und weiter: »Wir wollen klarstellen, dass der Mann ein Verleumder ist.« Franz Georg Strauß steuerte dazu bei: »Wir wollen, dass er dafür seine Quittung bekommt.«
In einem Schreiben vom 2. April 2010 an die Staatsanwaltschaft deklarierte er sich und seine Geschwister als »Opfer der Verbrechen Schlötterers«. In einem Brief vom 23. November 2010 an die WDR-intendantin Monika Piel bezeichnete er mich als »kriminellen« und »kriminellen Denunzianten«, der durch Bayern zieht und »lügen über unsere Familie verbreitet«. Ich ließ es an mir abtropfen. Mein Anwalt schlug vor, Strafantrag zu stellen. Ich wollte mich nicht auf diese Ebene hinunterbegeben und schrieb zurück, ein Strafantrag habe den Nachteil, dass er mich dann nicht mehr beleidige - was Besseres könne mir im Hinblick auf die Öffentlichkeit doch gar nicht passieren.
Der Fackelträger Verlag nahm mich in Schutz. Das Buch sei seriös, man habe es vorher juristisch prüfen lassen. Das hatte der Verlag im eigenen Interesse getan, er wollte ein Verkaufsverbot vermeiden und sich weder schadensersatzpflichtig noch strafbar machen. Wie sah ich selbst die Sache? Dass die Geschwister Strauß Strafantrag stellten, das hatte ich nicht zu hoffen gewagt. Denn zum einen konnte ich in einem solchen Verfahren durch meinen Anwalt belastende Umstände vorbringen, die ich sonst nur schwerlich hätte beweisen können. Zum anderen war zu erwarten, dass durch die Berichterstattung der Presse mancher aufgerüttelt würde, mir mit eigenem Wissen beizuspringen. Schon das Erscheinen des Buches hatte bewirkt, dass zahlreiche Informanten an mich herantraten.
Andererseits sah ich auch das Risiko. Das Andenken an den bayerischen nationalheiligen Strauß durfte unter keinen Umständen geschändet werden. Das hatte Horst Seehofer klargemacht. Der Staatsapparat würde daher mit Sicherheit dafür eingesetzt, die Wahrheit zu verdecken.
Aber durfte ich nicht wenigstens darauf vertrauen, dass sich die Staatsanwälte und Richter nur dem Recht und Gesetz verpflichtet sehen würden? Die klare Antwort: »nein«. Die Staatsanwälte waren zwar üblicherweise gut qualifizierte Juristen, aber als Staatsdiener von der Justizministerin weisungs- und beförderungsabhängig. Und der Generalstaatsanwalt, üblicherweise eine vom Justizministerium handverlesen ausgesuchte Person, genoss das uneingeschränkte Vertrauen der politischen Spitze. Die Richter waren zwar weisungsunabhängig, aber über ihre Beförderung entschied ebenfalls das Justizministerium. auch wenn nicht auszuschließen war, dass alles ordnungsgemäß ablaufen würde, gab es dafür keine Garantie.
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Klargestellt sei: Wie schon das Buch Macht und Missbrauch ist auch dieses keineswegs ein Angriff auf die CSU, es zielt nur auf einige wenige Spitzenpolitiker der Partei. »Der kleine Mann in der CSU ist schon in Ordnung«, sagte in einem Interview vor Jahren der frühere Kultusminister Prof. Hans Maier. in keiner Partei sonst gibt es eine so tiefe Kluft zwischen den einfachen Parteimitgliedern und den wenigen, die die CSU beherrschen, sie für ihre Karriere benutzen, wie bei der CSU. Die Basis wird von oben für ihren Einsatz mit warmen Worten gelobt, hat aber nichts zu sagen, sie wird nur mit den nicht anstößigen Informationen versorgt. nicht einmal die Landtagsfraktion hat etwas zu melden; wie schon unter Strauß und Stoiber führt sie auch unter Seehofer ein Schattendasein.
Die ehemaligen CSU-Spitzenpolitiker Günther Beckstein und Alois Glück haben jüngst fromme Bücher geschrieben. Becksteins Werk heißt Die Zehn Gebote. Dass er diese als stellvertretender Präsident der Evangelischen Landessynode in Bayern kennt, ist löblich. Befremdlich ist die erbauliche Lektüre dennoch: Sie lässt nicht erkennen, dass die Zehn Gebote auch in der bayerischen Politik gelten. Denn sündhafte Verstöße erzählt Beckstein nicht. Wüsste man es nicht besser, könnte man meinen, er sei ganz woanders Innenminister und kurzzeitig Ministerpräsident gewesen. Oder die Zehn Gebote seien neben den Gesetzen schon von Amts wegen stets eingehalten worden - kraft der Richtlinienkompetenz des jeweiligen christlichen Ministerpräsidenten.
Der stellvertretende Vorsitzende der Augsburger FDP, Toni resch, lud mich für den 6. September 2010 zu einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung ins Gögginger Jugendstiltheater ein, wo der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement eine »rede zur Freiheit« hielt. anschließend wollte mich resch einigen Politikern vorstellen, die in einer Runde beieinandersaßen. Zu meiner Überraschung war auch Günther Beckstein dabei. als er sich erhob, sagte ich zu ihm: »Sie sind jetzt wahrscheinlich bei der Nennung meines namens erschrocken.« Darauf Beckstein: »Etwas schon, aber nicht sehr. Denn ich komme ja in ihrem Buch nicht oft vor und auch nicht sehr schlecht.« Er fügte hinzu: »ich habe mich bei meiner Amtsführung immer darum bemüht, dass Recht und Gesetz eingehalten wurden.« ich sagte nichts.
Warum wir uns ändern müssen lautet der umwälzend programmatische Titel von Alois Glücks Buch. Wenn Glück wirklich sich und seinesgleichen gemeint hat, muss man ihm nachdrücklich zustimmen. rätselhaft aber ist, warum er erst jetzt einsichtig wird - nachdem er den hohen Stuhl des Präsidenten des Deutschen Katholikentags erklommen hat. auf diesem Stuhl saß früher der integre Kultusminister Prof. Hans Maier, eine geistige und moralische Instanz. ich habe in Glücks Buch geblättert und mir dann seine Lektüre erspart.
Im Oktober 2012 veröffentlichte Edmund Stoiber seine Memoiren, ebenfalls ein frommes Buch - im Sinn der Selbstbeweihräucherung. Weil die Welt sich ändert lautet der Titel. Zu den Memoiren Stoibers bemerkte Horst Seehofer in einem Grußwort, Stoiber habe darin ein hohes Maß an Rücksicht auf die politische Familie genommen: »alles, was du schreibst, stimmt. nur schreibst du auch über vieles nicht, was stimmt.« Die SZ kommentierte, die Memoiren würden so große Lücken aufweisen, als hätten sich die Motten vor der Drucklegung durchs Manuskript gefressen. Warum sah Stoiber sich veranlasst, so vieles auszublenden?
Die Scheinheiligkeit war immer schon das Kennzeichen bestimmter Hauptprotagonisten der CSU. Man tarnt sich als bekennender Christ, trägt die christlichen Werte wie eine Monstranz vor sich her, in Wirklichkeit aber schreckt man auch vor menschenverachtenden Praktiken mitunter nicht zurück. Man gibt vor, das Wohl der Bürger zu fördern, hat aber vor allem den Machterhalt und die eigene Karriere im Sinn. Man gibt vor, den sozialen Ausgleich zu wollen, begünstigt aber klammheimlich die reichen und Superreichen. Man spiegelt Rechtsstaatlichkeit vor, praktiziert aber das Unrecht, schützt Straftäter und verfolgt Unschuldige. Tarnung und Täuschung sind das pseudopolitische Lebenselixier.
Die an Gustl Mollath verübte Schandtat ist die abscheulichste Ausgeburt dieser Skrupellosigkeit: Es war kein Justizirrtum, alle bekannten Fakten lassen auf vorsätzliches Handeln schließen! Den arglosen gilt es die Augen zu öffnen. Doch es geht nicht allein darum, das Verwerfliche anzuprangern, sondern eine Umkehr zu erzwingen. Nach meinem ersten Buch prophezeite mir sarkastisch Erich Riedl, der frühere CSU-Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium: »Der Titel ihres nächsten Buches wird bestimmt heißen: ›Es geht alles so weiter wie bisher!‹« Dieser Titel wäre in der Tat ebenso zutreffend wie der gewählte.
Aber es darf nicht so weitergehen!
Einführung
1. Das Echo auf das Buch »Macht und Missbrauch«
Die Präsentation des Buches
Im voll besetzten großen Saal des Literaturhauses in München wird am 9. Juli 2009 mein Buch Macht und Missbrauch vorgestellt. Unter den Zuhörern befinden sich mehrere Landtagsabgeordnete, hohe Beamte und viele Journalisten. Jürgen Horbach, der Vorstandsvorsitzende der VEMAG-Verlagsgruppe, in deren Fackelträger Verlag mein Buch erschienen ist, verweist in seinen einführenden Worten auf die Brisanz des Buches und das hohe Risiko zu erwartender Gegenschläge. Michael Stiller, über lange Jahre leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung für den Bereich der bayerischen Landespolitik, rückt in seiner Rede meinen früheren Widerstand gegen die massiven Gesetzwidrigkeiten bestimmter Spitzenpolitiker in den Vordergrund.
Fast 30 Jahre war ich im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen tätig. Als ich mich 1977 wegen rechtswidriger Machenschaften bei Entscheidungen von Steuerfällen mit Bezügen zu F.J.Strauß an den Bayerischen Landtag wandte, löste ich einen großen Skandal aus. Der Landtag setzte einen Untersuchungsausschuss ein, der Rechnungshof bestätigte jedoch meine Vorwürfe. Daraufhin verfolgte mich Strauß mit Disziplinarverfahren und Zwangsversetzung und verhinderte jahrelang meine Beförderung zum Ministerialrat. Diese konnte ich aber 1980 im Zuge seiner Kanzlerkandidatur erreichen. Großes Aufsehen erregte ich ein zweites Mal, als ich mich 1993 erneut an den Landtag wandte und meine durch Strauß veranlasste Diskriminierung schilderte. Strafverfahren und Disziplinarverfahren, die man daraufhin gegen mich einleitete, scheiterten kläglich. Jetzt, nach meiner Pensionierung, legte ich in meinem Buch diese und viele andere Missbräuche der Macht offen.
Als das Publikum nach der Lesung Fragen an mich stellt und von mir wissen will, was mich dazu veranlasst hat, dieses Enthüllungsbuch zu schreiben, antworte ich, dass ich den Gesetzwidrigkeiten und Straftaten bestimmter Spitzenpolitiker der CSU entgegenwirken und diese für die Zukunft verhindern sowie den Bürgern, die den Politikern bisher blind vertraut hätten, die Augen öffnen wolle. Darüber hinaus war es mein Anliegen, jenen Beamten, die pflichtgemäß Recht und Gesetz anwenden wollten, dafür aber »von oben« abgestraft wurden, eine Hilfestellung zu geben.
Lange hatte ich gebangt, ob das Buch wirklich erscheinen würde! Wer alles wurde doch darin angegriffen, bloßgestellt, teilweise schwerer Verfehlungen beschuldigt: Strauß, Streibl, Stoiber, mehrere Finanzminister und Justizminister, Ministerialdirektoren im Finanz- und im Justizministerium, ein Generalstaatsanwalt, Oberstaatsanwälte. außerdem hatte ich aufs Korn genommen: Leo Kirch, Otto Beisheim, Karl Diehl, Eduard Zwick, Friedrich Jahn, Karl-Friedrich Flick, Franz Beckenbauer und weitere prominente Steuerpflichtige. Immer wieder fragte ich mich, ob nicht doch am Ende den Verlag der Mut verlassen würde.
Natürlich war jedes Wort, das ich geschrieben hatte, wohl überlegt. Der Vorstandsvorsitzende des Verlags und der Lektor waren mit mir Seite für Seite durchgegangen. Eine spezialisierte Anwaltskanzlei überprüfte zweimal Satz für Satz, verlangte vielfach die Vorlage von Beweisen. Um Gegenschläge zu erschweren, wurde das erstellte Personenverzeichnis im Buch nicht abgedruckt. Da zu befürchten war, jemand könnte versuchen, das Erscheinen des Buches zu verhindern, wurde es vom Verlag nicht in der halbjährlichen Vorschau, die an die Buchhandlungen versandt wird, sondern erst 14 Tage vor dem Erscheinungstermin per E-Mail und per Telefon angekündigt.
Das Buch hatten vor seiner Veröffentlichung überdies zwei Spitzenpolitiker der CSU begutachtet. Der eine, ein hoch angesehener früherer Minister, schrieb nach Durchsicht an den Verlag: »Das Buch ist notwendig und wichtig.« Der andere sagte auf meine Frage, ob ich irgendetwas in dem Buch falsch dargestellt oder ob ihn etwas überrascht hätte: »nein, es sind die Fakten, nur die Fakten. Das Buch ist okay. Es sollte unbedingt veröffentlicht werden.«
Die Öffentlichkeit sollte durch zwei anzeigen in der Süddeutschen Zeitung kurz vor der Präsentation im literaturhaus auf das Buch hingewiesen werden. Doch unmittelbar vor Erscheinen der Annonce verlangte die Süddeutsche plötzlich vom Fackelträger Verlag die Abgabe einer zweiseitigen haftungs- und Freistellungserklärung für den Text des Inserats. als Jürgen Horbach, der Vorstandsvorsitzende des Verlags, empört der Süddeutschen vorhielt, so etwas habe er noch nie erlebt, man habe ja offensichtlich nur Angst vor der CSU, zog die Zeitung das Verlangen wieder zurück.
Die Reaktion der Politiker und Spitzenbeamten
Die CSU schwieg. Normalerweise reagieren Ministerpräsident und Minister auf Vorwürfe durch ihre Pressesprecher innerhalb von Stunden. Wie ich bald von Journalisten, aber auch aus der CSU erfuhr, soll Ministerpräsident Horst Seehofer die Order ausgegeben haben, kein Wort über das Buch zu verlieren. Die darin schwer angegriffenen einstigen Größen Edmund Stoiber, Erwin Huber und Günther Beckstein rührten sich nicht, Gerold Tandler und Georg von Waldenfels blieben stumm. Gesammeltes Schweigen allerorts. Huber soll jedoch ahnungsvoll und bedrückt schon nach der ersten Annonce in der Süddeutschen Zeitung, die das Buch ankündigte, gegenüber einem Journalisten geäußert haben, er sei es gewesen, der mich rehabilitiert habe, indem er ein von seinem Vorgänger von Waldenfels gegen mich eingeleitetes Disziplinarverfahren niedergeschlagen habe.
Stellten die früheren Justizminister Hermann Leeb und Manfred Weiß, der Justizministerialdirektor Wolfgang Held und der Generalstaatsanwalt Hermann Froschauer gegen mich einen Strafantrag wegen Verleumdung? Das Strafgesetzbuch war schließlich ihr Revier gewesen. Sie hüteten sich. Das überraschte mich nicht, war ich mir doch sicher, unumstößliche Beweise angeführt zu haben.
Distanzierten sich wenigstens Ministerpräsident Horst Seehofer und die Justizministerin Beate Merk von den im Buch beschriebenen Machenschaften und Verfehlungen bis hin zu Straftaten? Nein, sie schwiegen. Drückten sie den Opfern öffentlich ihr Bedauern aus? Mitnichten. Bemühte man sich um Wiedergutmachung oder Korrektur, soweit diese noch möglich war? keineswegs, im Gegenteil. Die Steueramtsrätin Ingrid Meier, die bei dem Rüstungskonzern Diehl rechtswidrig daran gehindert worden war, 60 Millionen Mark an Steuern nachzufordern und wegen ihres Widerstands hiergegen beruflich abqualifiziert worden war (s. »Ursache Nr. 1: Politische Protektion in bestimmten Einzelfällen«, S. 212), erhielt von Finanzminister Georg Fahren- schon den Bescheid, sie sei überhaupt nicht benachteiligt worden. Der Regierungsdirektor Fischer-Stabauer, der sich erkühnt hatte, gegen Gerold Tandler ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung im Skandalfall des »Bäderkönigs « Eduard Zwick einzuleiten, und dem daraufhin die zuerkannte Eignung als Finanzamtsvorsteher wieder aberkannt worden war, erhielt keine Entschädigung, ja nicht einmal ein Wort der Entschuldigung. Und der frühere, ebenso mutige wie hervorragende Augsburger Staatsanwalt Winfried Maier, der trotz massiver Behinderung von oben die Strafverfahren gegen Holger Pfahls, Max Strauß, Walther Leiser Kiep, Karlheinz Schreiber und die Thyssen-Manager Hastert und Maaßmann durchgesetzt hatte, musste weiterhin auf der Position verharren, auf die man ihn, mutmaßlich weil er dort ungefährlich war, manövriert hatte: auf einer richterstelle beim Oberlandesgericht München, wo er sich mit Familienrecht befassen durfte.
Dass Horst Seehofer keinerlei Mitgefühl mit Staatsdienern zeigte, denen bitteres Unrecht zugefügt wurde, war bemerkenswert und umso erstaunlicher, als er selbst früher ein kleiner Beamter an einem Landratsamt gewesen war.
Nach dem Erscheinen des Buches bestätigten mir Alfred Sauter, der wegen der ihm fälschlicherweise angelasteten Millionenverluste der landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft Bayern (LWS) als Justizminister zum Rücktritt gezwungen wurde, sowie der Staatssekretär a. D. im Bundeswirtschaftsministerium Erich Riedl, der beschuldigt wurde, vom Lobbyisten Karlheinz Schreiber 500 000 Mark Schmiergeld im Zusammenhang mit der Lieferung von Bundeswehr-Spürpanzern der Marke Fuchs an Saudi-Arabien erhalten zu haben, die sie betreffenden Sachverhalte seien völlig korrekt dargestellt.
Ein von mir im Buch nicht erwähntes früheres Kabinettsmitglied zeigte sich erschüttert und versicherte mir: »Ich stehe voll auf ihrer Seite. Ich bin ihr Mitstreiter.« Er verschenkte an Weihnachten mehrere von mir signierte Buchexemplare. Ein ehemaliger Staatssekretär äußerte nach der Lektüre gegenüber einem Kollegen: »Es ist unglaublich, was da alles passiert ist. Da war man dabei und wusste doch nichts.« Frühere CSU-Mitglieder des Landtages und des Bundestags kamen auf mich zu und bekundeten ihre Solidarität. in allen Gesprächen kam einer besonders schlecht weg: Edmund Stoiber. immer wieder wurde sein eiskaltes, rücksichtsloses Verhalten gerügt.
Auf der anderen Seite stand eine Äußerung von Staatskanzleiminister Siegfried Schneider. Er soll auf die Frage, ob er das Buch gelesen habe, geantwortet haben: »Ja, aber da steht nichts Bewegendes drin.« Es war aufschlussreich, dass das, was die meisten Leser erschütterte, für ihn anscheinend ziemlich normal war.
Der Münchner Presseclub lud mich zu einer Lesung ein, zugleich versuchte er, einen CSU-Politiker als Widerpart in der Diskussion zu gewinnen. Doch seltsam: kein einziger hatte Zeit, weder Günther Beckstein noch Alois Glück, Thomas Goppel und etliche andere, an die man herantrat. Die Geschäftsführung des Presseclubs sagte mir, so etwas habe es noch nie gegeben.
Die Reaktion der Medien und Bürger
Über das Buch berichteten zunächst nur die größeren Zeitungen. Der Chefredakteur des konservativen Rheinischen Merkur, Michael Rutz, CSU-Mitglied seit Jahrzehnten, schrieb: Das Buch »macht es zwingend notwendig, das Kapitel Strauß vollständig neu aufzuarbeiten. Das gilt für die CSU, wenn denn Parteichef Seehofer tatsächlich - wie versprochen - einen kompletten Neuanfang für die Partei vorhat. Das gilt aber auch für die Staatsanwaltschaft in Bayern.« Ich wurde um zahlreiche Interviews gebeten: von der Presse, vom Rundfunk und von privaten Fernsehsendern. Das Bayerische Fernsehen hingegen blendete sich vollständig aus. Offenkundig sah sich der für seine linientreue berüchtigte Chefredakteur Sigmund Gottlieb verpflichtet, das kolportierte Schweigegebot Seehofers einzuhalten.
Immer mehr Leute kauften das Buch, es wurde ein Bestseller und verkauft sich auch heute noch gut. Gleichzeitig brach über mich eine Welle von Telefonanrufen und Zuschriften herein. Hatte ich viele Schmähungen und Anfeindungen erwartet, so wurde ich vom Gegenteil überrascht: allseits begeisterte Zustimmung und Anerkennung für den Mut, das Buch geschrieben zu haben. Viele äußerten, sie hätten schon immer das Gefühl gehabt, dass etwas faul sei, aber dass es so schlimm sei, hätten sie nicht gedacht. Das Erstaunliche war, dass die Absender und Anrufer durchwegs bekannten, sie seien langjährige CSU-Wähler oder CSU-Mitglieder. Es waren oft Unternehmer, leitende Angestellte, Professoren, Beamte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Notare, Gymnasiallehrer, Ärzte und ähnliche gehobene Berufe. Es schien, als hätte das Buch einen Bann gebrochen. Aus den Reihen der CSU erhielt ich nur einen einzigen Schmähbrief, er kam aus Durach bei Kempten und war in fehlerhaftem Deutsch geschrieben.
Wurde ich zunächst von Buchhandlungen zu Lesungen eingeladen, so folgten bald Einladungen der SPD, des Evangelischen Arbeitskreises für Arbeitnehmerfragen, des Bundes deutscher Kriminalbeamter, der Gewerkschaft ver.di, verschiedener Clubs, der Freien Wähler, der FDP-nahen Thomas-Dehler- Stiftung und insbesondere von Bündnis 90/Die Grünen.
Als ich im Dezember 2009 auf Einladung der letzteren im Landtag eine Lesung hielt, forderte unter großem Beifall der Landtagsabgeordnete Sepp Dürr, den Münchner Franz-JosefStrauß- Flughafen umzubenennen. »Ein Krimineller taugt nicht als Namensgeber«, sagte er. In der Diskussion bestätigten zwei frühere Richter die von mir gerügten Missstände in der Justiz. Und eine Beamtin der Steuerstrafsachen- und Steuerbußgeldstelle München bekannte mutig, dass meine Schilderung der rechtswidrigen Eingriffe »von oben« zutreffe.
Der stellvertretende Vorsitzende der Bayerischen Finanzgewerkschaft schrieb in der Mitgliederzeitschrift, das Buch bringe »weitestgehend Fakten«. Er erinnerte daran, dass die Finanzgewerkschaft 1993 in einem an Finanzminister von Waldenfels gerichteten Protestschreiben gegen die »politische Protektion« gerügt hatte, dass durch rechtswidrige Weisungen »von oben« Millionenbeträge an Steuern bei bestimmten Steuerpflichtigen nicht festgesetzt oder erlassen wurden. Der Finanzminister habe sich gegen diesen Vorwurf in einem »geharnischten Schreiben« verwahrt.
Ein früherer Kollege aus dem Innenministerium, ebenfalls CSU-Mitglied seit Jahrzehnten, beklagte: »Strauß hat die Korruption nach Bayern gebracht, Stoiber hat den Niedergang des Staatsvermögens verschuldet.« Ja, man begann in der CSU über die eigenen Spitzenleute nachzudenken.
Der Salvatorprobe des Jahres 2010 sah die Öffentlichkeit mit Spannung entgegen. Wegen der unfassbaren Misswirtschaft führender CSU-Politiker in Sachen Landesbank erwartete man allseits eine geharnischte Fastenpredigt des Bruders Barnabas (Michael Lerchenberg). am Donnerstag, dem 5. März, war es dann so weit. ich schaltete den Fernseher ein.
Bruder Barnabas hatte seine »Nockher-Bergpredigt« bereits begonnen. Satz für Satz prangerte er die Missstände und Missgriffe an, geißelte er die zwanghaft süßsauer lächelnden Politiker. Plötzlich streckte er den Arm aus, deutete auf Horst Seehofer und Finanzminister Fahrenschon und rief: »Haben Sie ihren Schlötterer schon gelesen?« Fahrenschon nickte. »Und Sie trauen sich das auch noch zuzugeben!«, setzte Bruder Barnabas nach. »Weil«, fuhr er fort, »der Herr Ministerpräsident hat ja die immerwährende Anbetung des schwarzen Götzen und Flugbenzin- Buddhas angeordnet« (gemeint war Strauß). Dann holte er unter dem Pultdeckel das Buch Macht und Missbrauch hervor, hielt es Seehofer entgegen, der verdutzt schaute. Der Fastenprediger weiter: »Aber damit niemals mehr ein bayerischer Finanzminister lügen muss: Hier, Herr Seehofer, für Sie, da Geben seliger ist denn nehmen, ein Exemplar Schlötterer, als Parteispende gewissermaßen, zur Buße und inneren Reinigung. Und wenn Sie das Buch gelesen haben, dann werden Sie die Worte unseres Herrn Jesus verstehen, die da lauten: Die Sünden der Väter werden vergolten bis ins dritte und vierte Glied.«
Notgedrungen erhob sich Seehofer und nahm das Buch entgegen. Sich umdrehend, wollte er es sogleich weiterreichen, aber niemand nahm ihm die schwere Last ab. So legte er es vor sich auf den Tisch. Das Publikum lachte schallend. Seehofer, der, wie erwähnt, die Anweisung gegeben haben soll, über das Buch zu schweigen, wurde quasi höchst unfreiwillig zum prominentesten Werbeträger für das Buch. Das Fernsehen blendete die Titelseite des Buches mit dem Bild von F.J.Strauß in Großaufnahme ein.
Mich aber erfüllte eine innige Freude.
2 Der Feldzug der Geschwister Strauß
Ankündigungen
Mein Versuch, das riesendenkmal ihres Vaters in die Luft zu sprengen, provozierte, was vorhersehbar war, einen massiven verbalen Gegenschlag der Strauß-Abkömmlinge. Wie sie dabei zu Werke gingen, gereichte ihrem Erzeuger zur Ehre.
Franz Georg Strauß kündigte in Briefen an die Presse an: »Wir werden gegen das Traktat von Herrn Schlötterer vorgehen, das fanatisch, inhaltlich falsch und in seinen Schlussfolgerungen für einen Juristen einfach nur peinlich ist.« Sein Vater habe gemeint, »man könne die Menschen einteilen in kluge und dumme, andererseits in fleißige und faule. Daraus ergäben sich vier verschiedene Kombinationen. Am schlimmsten sei die Kombination dumm und fleißig. Hier sind wir bei Herrn Schlötterer angekommen. « Von der Presse um Stellungnahme gebeten, lehnte ich eine Diskussion darüber ab, welche der genannten Eigenschaften tatsächlich auf mich zutreffen und weshalb man mir fälschlicherweise nicht vorhandene zuschreiben wollte. Da die Gründe offenkundig waren, lehnte ich auch die Ergreifung rechtlicher Schritte gegen diese Herabwürdigung ab.
Der als Rechtsberater wegen Beihilfe zum Betrug in der Affäre der Firma WABAG, bei der rund 1000 Anleger mindestens 100 Millionen Mark verloren, rechtskräftig verurteilte Sohn Max Strauß warf Horst Seehofer in einem Interview mit der Bayerischen Staatszeitung vor, »dass seine Staatsregierung Herrn Schlötterer wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses hätte anzeigen müssen«. Er kündigte an: »Wir werden aber auf jeden Fall klagen. Was da verbreitet wird, ist knallfalsch, eine systematische Verleumdung.« Zum Vermögen der Familie Strauß in der Schweiz erklärte er: »Meine Eltern haben diese Konten stets vollständig bei der Steuer angegeben.« nach ihrem Tod sei das Erbe angemeldet und versteuert worden, auch das Geld auf den Schweizerkonten.
Auf einem CSU-Parteitag in Nürnberg am 17./18. Juli 2009 traf Monika Hohlmeier mit dem früheren SZ-redakteur Michael Stiller zusammen, der den Klappentext zu meinem Buch geschrieben hatte. Sie sei sehr aufgeregt gewesen, habe, so Stiller später, geradezu gejapst. Zunächst rügte sie, dass das Andenken Verstorbener - sie meinte ihren Vater - in Deutschland gesetzlich unzureichend geschützt sei. Wütend hielt sie Stiller sodann vor, das halbe Buch habe doch er geschrieben. Stiller erwiderte wahrheitsgemäß, von ihm stamme kein einziger Satz, er habe lediglich das Buch vor seinem Erscheinen gelesen. Einige Minuten später sprach eine Journalistenkollegin Stiller an, Monika Hohlmeier habe ihr gerade bei einem Zusammentreffen vor der Damentoilette mitgeteilt, dass er, Stiller, ihr gegenüber soeben zugegeben habe, das halbe Buch geschrieben zu haben! Stiller stellte daraufhin Hohlmeier zur Rede.
Die ausgeprägte Wahrheitsliebe der Strauß-Tochter hatte schon früher öffentliches Aufsehen erregt. Nachdem sie wegen der sogenannten Wahlfälschungsaffäre und ihrer Affäre um das von ihr gefertigte Dossier mit angeblichem Belastungsmaterial gegen Münchner CSU-Parteifreunde, die gegen sie Front machten, als Kultusministerin und CSU-Bezirksvorsitzende von München hatte zurücktreten müssen, wurde sie von einem Untersuchungsausschuss des Landtags vorgeladen. Nach ihrer Aussage äußerte der heutige Kultusminister Ludwig Spaenle: »Frau Hohlmeier lügt wie gedruckt.« Hans Podiuk, der frühere Vorsitzende der Münchner CSU-Stadtratsfraktion, erklärte zornig: »Das ist ein Abgrund von Lüge und Täuschung.«
Auf dem Parteitag in Nürnberg wurde der Bundestagsabgeordnete und frühere Umweltminister Peter Gauweiler von einem Journalisten darauf angesprochen, ob er als Anwalt für die Familie Strauß gegen das Buch tätig werde. Seine überraschende Antwort: Nein, aber wenn er ihr Anwalt wäre, würde er dringend raten, davon die Finger zu lassen. Außerdem sei Schlötterer ein anständiger Mensch, der überdies die Landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft Bayern, die schwere finanzielle Verluste erlitten hatte, gerettet habe (Anmerkung: Ersteres trifft zu, letzteres war zu viel der Ehre). In gleicher Weise soll sich Gauweiler anderen gegenüber geäußert haben.
Entgegen ihrer martialischen Ankündigung unternahmen die Geschwister Strauß jedoch zunächst nichts. Somit durfte ich hoffen, meine letzten Lebensjahre in Freiheit verbringen zu können, ohne auf eine Begnadigung durch den Ministerpräsidenten Horst Seehofer angewiesen zu sein.
Ein Strafantrag
Bei meinen Lesungen wies ich stets darauf hin, dass es zahlreiche Indizien dafür gebe, dass F.J.Strauß sich illegal ein großes Vermögen verschafft und es weitgehend der Steuer entzogen habe. Außerdem soll er sogar die CSU betrogen haben, indem er Geld, das der Partei zustand oder ihr zugedacht war, nicht abgeführt habe. Ob davon bei seinem ableben noch etwas vorhanden war und, wenn ja, in welcher Höhe, ist nicht bekannt. F.J.Strauß hat zwar nahezu während seiner ganzen Karriere unter dem Verdacht der Korruption gestanden, aber erst mit seinen Verbindungen zu den zu Gefängnisstrafen verurteilten Waffenhändlern Karlheinz Schreiber und Dieter Holzer sowie zu dem - einem Beamten des Bundeskriminalamts zufolge - »gefährlichsten und größten Waffen- und Drogenhändler der Welt«, dem Syrer Monzer al Kassar, wurden zahlreiche Verdachtsmomente angeführt, die Strauß massiv belasteten.
Man kann vermuten, dass diese Lesungen den Geschwistern Strauß nicht gefallen haben. Plötzlich, im März 2010, stellten sie gegen mich Strafantrag wegen Verleumdung und Verletzung des Steuergeheimnisses. Sie empörten sich, ich hätte das Andenken ihres Vaters verunglimpft. Denn ich hätte wahrheitswidrig behauptet, ihr Vater habe illegal ein Vermögen von 400 Millionen Mark vereinnahmt, Steuerhinterziehung begangen, von Waffenhändlern Provisionszahlungen bezogen und auf sechs Schweizer Konten große Geldmengen vor der deutschen Steuer verborgen. aber auch sie selbst hätte ich verleumdet, indem ich behauptet hätte, sie hätten jeder 150 Millionen Mark geerbt und das ererbte Vermögen nicht versteuert.
All das hatte ich weder geschrieben noch gesagt, sondern lediglich ausgeführt, dass gegen F.J.Strauß ein entsprechender Verdacht bestehe, und dabei auf zahlreiche einschlägige Fakten und Angaben Dritter verwiesen. Das war rechtlich eindeutig zulässig - ein aus Tatsachen abgeleiteter Verdacht ist keine unwahre Behauptung!
Die Geschwister hatten den Strafantrag vermutlich nicht nur wegen der angeblichen Verunglimpfung ihres Vaters gestellt, schließlich war er jahrzehntelang dem Verdacht der Korruption ausgesetzt gewesen. In Wirklichkeit handelten sie wohl auch und vor allem aus einem ganz anderen Motiv heraus: Sie fürchteten offensichtlich eine Untersuchung. Dieser Eindruck drängte sich durch verschiedene Argumente des Strafantrags auf. So erklärten sie, es gebe das Vermögen nicht, somit gebe es auch keine Pflicht zur Versteuerung. Die von mir geforderte öffentliche Untersuchung, gegebenenfalls durch das Parlament, sei »juristischer Unsinn«. außerdem seien die Zeugen bereits alle verstorben, behaupteten sie wahrheitswidrig. Meine Forderung nach einer Einziehung des Vermögens sei »juristischer Unfug«. Dafür gebe es aufgrund der Verjährungsregelungen mehr als 20 Jahre nach seinem Entstehen »keine rechtliche Handhabe«. Was sollte es, all das vorzubringen? Es machte nur Sinn, wenn Strauß tatsächlich ein großes Vermögen aufgehäuft und vererbt hatte. Was sollte zudem der Vorwurf einer Verletzung des Steuergeheimnisses, wenn ein zu versteuerndes Vermögen angeblich gar nicht existierte? Für mich wirkte das so, als seien sie in Panik geraten.
Ihren Strafantrag garnierten die Geschwister mit Schmähungen wie »notorischer Querulant, scheinheilig, Amoklauf«. Sie bescheinigten mir das Fehlen »wesentlicher menschlicher Eigenschaften «. Die mir zur Last gelegten Straftaten bezogen sich auf zwei meiner Lesungen: Von der einen, die im Presseclub München stattgefunden hatte, legten sie einen Mitschnitt vor, der übrigens ohne Genehmigung entstanden war, und von der anderen - einer Lesung in Dachau auf Einladung von Bündnis 90/Die Grünen - einen Bericht, den zwei Beobachter verfasst hatten. Diese waren sofort dem Landtagsabgeordneten Martin Runge aufgefallen, weshalb er sie vorsorglich fotografiert hatte, was sogar in der örtlichen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung stand. Die im Mitschnitt wiedergegebenen Äußerungen waren rechtlich nicht zu beanstanden, dagegen hatte ich die im Bericht der beiden Zuhörer niedergeschriebenen Bemerkungen überhaupt nicht gemacht.
Von der Staatsanwaltschaft wurde ich aufgefordert, mich zu den Vorwürfen zu äußern. Ich beauftragte daraufhin einen Rechtsanwalt, der kurioserweise einer der beiden Anwalte war, die den Waffenhändler und Strauß-Freund Karlheinz Schreiber verteidigt hatten. Das war ein Zufall, der dadurch bedingt war, dass die presserechtliche Abteilung seiner Anwaltskanzlei ständig für meinen Verlag arbeitete. Ende Juni 2010 übersandte mein Anwalt der Staatsanwaltschaft eine Stellungnahme. Da der Fall wegen F.J.Strauß gewaltige politische Bedeutung hatte, wurde er in der sogenannten politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft bearbeitet. Dort besteht üblicherweise stets Berichtspflicht »nach oben«. Das hieß dann, dass aller Wahrscheinlichkeit nach Generalstaatsanwalt Christoph Strötz und Justizministerin Beate Merk eingeschaltet wurden.
Durch meinen Anwalt beantragte ich die Beiziehung sämtlicher Strauß-Steuerakten einschließlich derer des Finanzministeriums. Die Steuerakten konnten Aufschluss geben über das, was Strauß an Vermögen angesammelt hatte, was er an Einkünften deklariert und was er eventuell nicht versteuert hatte. Die Brisanz dieser Akten hatte das Finanzministerium nach dem Tod von F.J.Strauß sogleich erkannt. Deshalb erschien bei der für die Erhebung der Erbschaftsteuer zuständigen Sachbearbeiterin des Finanzamts ein Beamter des Finanzministeriums und ordnete die Herausgabe der Akten an, wofür er eine Empfangsquittung ausstellte. Die Sachbearbeiterin hörte nie mehr etwas von dem Erbschaftsteuerfall Strauß. Warum entzog man ihr den Fall, obwohl sie zuständig war? Wer erließ den Steuerbescheid, gegebenenfalls nach welchen Weisungen »von oben«?
Durch ihren meines Erachtens eher unbedachten Strafantrag erzwangen die Strauß-Geschwister nunmehr Ermittlungen zu Fragen, deren Beantwortung bis dahin verweigert worden war. So hatte zum Beispiel im vom Landtag eingesetzten »Amigo- Untersuchungsausschuss«, der sich mit umstrittenen, vom Flugunternehmer Burkhart Grob finanzierten reisen von Max Streibl, mit meiner Verfolgung durch Strauß und mit fragwürdigen Einkünften von Strauß befasste, die SPD-Abgeordnete Carmen König 1994 die Frage gestellt, ob F.J.Strauß die von der Friedrich-Baur-Stiftung bezogenen Testamentsvollstreckervergütungen von insgesamt 1,3 Millionen Mark wenigstens versteuert habe. Die Frage wurde als unzulässig wegen des Steuergeheimnisses abgewiesen, jedoch zu Unrecht. Denn das Steuergeheimnis kann durchbrochen werden, wenn ein legitimes öffentliches Interesse besteht. Und im Fall des Ministerpräsidenten Strauß war dies in jedem Fall zu bejahen. Im Buch hatte ich ebenfalls die Frage aufgeworfen, ob er die Einnahmen aus der Baur-Stiftung versteuerte. Im Strafantrag schwiegen sich die Geschwister Strauß dazu aus. Sie behaupteten nur ganz pauschal, der Vater habe immer alle Einkünfte versteuert. Die nunmehr beizuziehenden Steuerakten würden darüber Aufschluss geben.
Eine Überraschung hatte der Strafantrag bereits in einem ganz anderen Punkt gebracht. Öffentlich behauptete Monika Hohlmeier, sie wohne im oberfränkischen Staffelstein. Während sich vor der Europawahl im Frühjahr 2009 die anderen CSU-Bezirksverbände weigerten, die Strauß-Tochter als Kandidatin aufzustellen, erklärte sich der CSU-Bezirksverband Oberfranken, vermutlich unter Druck von Seehofer und dem damaligen CSU-Generalsekretär zu Guttenberg, schließlich dazu bereit, jedoch unter der Bedingung, dass sie auch tatsächlich in Oberfranken ihren Wohnsitz haben müsse. Hohlmeier versprach dies. Die soliden Oberfranken waren offenbar dennoch sauer, dass ihnen die abgehalfterte, skandalbeladene Hohlmeier aufgebürdet wurde. Die CSU erlitt deshalb bei der Europawahl herbe Verluste. Da Monika Hohlmeier aber durch einen guten Listenplatz abgesichert war, schaffte sie es dennoch ins Europaparlament. überschwänglich gratulierte ihr zu Guttenberg: »Moni, du bist nicht nur in Oberfranken angekommen, du bist Oberfränkin.« Diese verstiegene Mutation war ihr selbst jedoch nicht bewusst. Denn im Strafantrag nannte sie weiterhin als Wohnsitz Vaterstetten bei München.
Hochkarätige Hilfe
»Auf zum letzten Gefecht« titelte die Süddeutsche Zeitung. Die Strauß-Geschwister versuchten, ihrem Strafantrag gegen mich öffentliche Wucht zu verleihen: Sie informierten die Presse. Diese berichtete in großen Artikeln. Monika Hohlmeier wurde zitiert: »auf vielen Veranstaltungen hat er meinen verstorbenen Vater - der sich nicht mehr wehren kann - verunglimpft und als kriminellen verleumdet.« Die Behauptung, ihr Vater habe 400 Millionen Euro vererbt, sei »völliger Humbug«. Und weiter: »Wir wollen klarstellen, dass der Mann ein Verleumder ist.« Franz Georg Strauß steuerte dazu bei: »Wir wollen, dass er dafür seine Quittung bekommt.«
In einem Schreiben vom 2. April 2010 an die Staatsanwaltschaft deklarierte er sich und seine Geschwister als »Opfer der Verbrechen Schlötterers«. In einem Brief vom 23. November 2010 an die WDR-intendantin Monika Piel bezeichnete er mich als »kriminellen« und »kriminellen Denunzianten«, der durch Bayern zieht und »lügen über unsere Familie verbreitet«. Ich ließ es an mir abtropfen. Mein Anwalt schlug vor, Strafantrag zu stellen. Ich wollte mich nicht auf diese Ebene hinunterbegeben und schrieb zurück, ein Strafantrag habe den Nachteil, dass er mich dann nicht mehr beleidige - was Besseres könne mir im Hinblick auf die Öffentlichkeit doch gar nicht passieren.
Der Fackelträger Verlag nahm mich in Schutz. Das Buch sei seriös, man habe es vorher juristisch prüfen lassen. Das hatte der Verlag im eigenen Interesse getan, er wollte ein Verkaufsverbot vermeiden und sich weder schadensersatzpflichtig noch strafbar machen. Wie sah ich selbst die Sache? Dass die Geschwister Strauß Strafantrag stellten, das hatte ich nicht zu hoffen gewagt. Denn zum einen konnte ich in einem solchen Verfahren durch meinen Anwalt belastende Umstände vorbringen, die ich sonst nur schwerlich hätte beweisen können. Zum anderen war zu erwarten, dass durch die Berichterstattung der Presse mancher aufgerüttelt würde, mir mit eigenem Wissen beizuspringen. Schon das Erscheinen des Buches hatte bewirkt, dass zahlreiche Informanten an mich herantraten.
Andererseits sah ich auch das Risiko. Das Andenken an den bayerischen nationalheiligen Strauß durfte unter keinen Umständen geschändet werden. Das hatte Horst Seehofer klargemacht. Der Staatsapparat würde daher mit Sicherheit dafür eingesetzt, die Wahrheit zu verdecken.
Aber durfte ich nicht wenigstens darauf vertrauen, dass sich die Staatsanwälte und Richter nur dem Recht und Gesetz verpflichtet sehen würden? Die klare Antwort: »nein«. Die Staatsanwälte waren zwar üblicherweise gut qualifizierte Juristen, aber als Staatsdiener von der Justizministerin weisungs- und beförderungsabhängig. Und der Generalstaatsanwalt, üblicherweise eine vom Justizministerium handverlesen ausgesuchte Person, genoss das uneingeschränkte Vertrauen der politischen Spitze. Die Richter waren zwar weisungsunabhängig, aber über ihre Beförderung entschied ebenfalls das Justizministerium. auch wenn nicht auszuschließen war, dass alles ordnungsgemäß ablaufen würde, gab es dafür keine Garantie.
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Autoren-Porträt von Wilhelm Schlötterer
Wilhelm Schlötterer, geboren 1939 in Regensburg, studierte Jura in Berlin und Würzburg. Nach der Promotion zum Dr. iur. trat er 1968 in die bayerische Finanzverwaltung ein. Von 1973 bis 1974 war er Vertreter des bayerischen Finanzministeriums an der Landesvertretung in Bonn. Anschließend leitete er im Finanzministerium in München das Referat für Steuerfahndung, Steuerstrafrecht, Steuererlass, Abgabenordnung und Außensteuerrecht. Später für andere Referate zuständig, wechselte er schließlich 1998 als Generalbevollmächtigter zur Landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft Bayern, die in dieser Zeit von der Deutschen Kreditbank übernommen wurde. Wilhelm Schlötterer ist inzwischen pensioniert. Er ist Präsident der Società Dante Alighieri München und wurde 2004 vom italienischen Staatspräsidenten mit dem Titel Commendatore ausgezeichnet. Wilhelm Schlötterer ist verheiratet und lebt mit seiner Frau bei München. Er ist seit über 30 Jahren CSU-Mitglied.
Bibliographische Angaben
- Autor: Wilhelm Schlötterer
- 2013, 448 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453200470
- ISBN-13: 9783453200470
- Erscheinungsdatum: 22.07.2013
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