Was ich liebte
Durch die Schicksalsschläge...
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Durch die Schicksalsschläge ihrer Kinder nehmen sie eine unvorhersehbare Wendung.
''Siri Hustvedts eindrucksvollster Roman.''
Frankfurter Rundschau
Zwei befreundete Künstlerfamilien im New Yorker Stadtteil Soho. Siri Hustvedt erzählt vom Aufbrechen und Ankommen, von Idealen und Lebensentwürfen, von Eltern und Kindern - und davon, wie ein tragischer Unfall ein sorgsam geplantes Glück jäh zerstört.
Was ich liebte von Siri Hustvedt
LESEPROBE
Am folgenden Sonntag tauchte Mark inder Wohnung seiner Mutter auf. Bill und Violet sagten, er habe darauf beharrt,das Haus vorher nie verlassen zu haben. Die Geschichte mit Rafael deklarierteer zu "totalem Mist". Er erklärte, er sei abgehauen, um ein paarFreunde zu treffen, weil er sich "gelangweilt" habe. Eine Wochespäter war er wieder in der Wohnung seiner Mutter und ging zur Schule. JedenFreitag holten Bill oder Violet ihn von der Bahn ab, fuhren mit ihm mit derU-Bahn zur Therapie zu Dr. Monk, warteten auf ihn und brachten ihn zurück indie Greene Street. Sein Hausarrest wurde fortgesetzt.
In den folgenden Monaten nahm MarksVerhalten ein erkennbares Muster an, für das ich die Bezeichnung "Kreislaufdes Schreckens" erfand. Wochenlang schien alles gut zu gehen. Er bekamhervorragende Noten in der Schule, war kooperativ, hilfsbereit und nett undzahlte mir seine wöchentliche Rate von seinem Taschengeld. Bill und Violetberichteten, dass ihre langen Gespräche mit ihm über Vertrauen, Ehrlichkeitund das Einhalten des Vertrages Wirkung zu zeigen schienen, ihm halfen, "beider Stange" zu bleiben. Er erleichterte sich bei Dr. Monk, die mit seinem"Fortschritt" zufrieden war. Und dann, gerade als die Leute um ihnherum so weit eingelullt waren, dass sie sich einen vorsichtigen Optimismuserlaubten, machte Mark alles zunichte. Im Oktober fand Violet sein Bett mittenin der Nacht leer vor, und in ihrem Portemonnaie fehlte das gesamte Bargeld. AmSonntagvormittag tauchte er wieder auf. Im November bemerkte sein StiefvaterPhilip, als er zur Arbeit fahren wollte, eine große Delle in seinem Auto. ImDezember lud Bill Mark zum Mittagessen ein. Nachdem sie Hamburger bestellthatten, entschuldigte sich Mark, um zur Toilette zu gehen, und tauchte dreiTage später bei Lucille wieder auf. Im Februar fand ihn sein Geschichtslehrerin der Jungentoilette, als er sich übergab; in seinem Rucksack fand sich einLiter Wodka, und in seiner Hosentasche hatte er Valium.
Jeder Zwischenfall spielte sich nachderselben Vorlage ab. Erstens: das Entdecken der Tat; zweitens: der Wutausbruchder geschädigten Person; drittens: Marks Wiederauftauchen undleidenschaftliches Leugnen. Ja, er sei durchgebrannt, aber er habe nichtswirklich Schlimmes getan. Er habe in der Stadt herumgelungert. Sonst nichts. Erhabe allein sein müssen. Er habe Philips Auto nicht mitten in der Nachtgenommen. Wenn die Tür eingedrückt sei, dann müsse jemand anders den Kombigestohlen haben. Ja, er sei in jener Nacht von zu Hause abgehauen, aber erhabe kein Geld gestohlen. Violet müsse sich irren. Sie habe es vielleichtselbst ausgegeben oder sich verrechnet. Marks empörte Unschuldsbeteuerungenwaren erstaunlich irrational. Erst wenn er mit eindeutigen Beweisen konfrontiertwurde, gab er seine Schuld zu. Rückblickend waren Marks Handlungen zumErbrechen vorhersehbar, aber keiner von uns blickte damals zurück, und obwohlsein Verhalten zyklisch verlief, merkten wir nichts. Der Tag des nächstenAusbruchs konnte nicht vorhergesagt werden.
Mark wurde zu einem schwer deutbarenRätsel. Es gab nach meinem Empfinden zwei Möglichkeiten, sein Verhalten zu erklären,beide dualistisch geprägt. Die erste war manichäisch. Marks Doppelleben ähnelteeinem Pendel, das zwischen Hell und Dunkel hin- und herschwang. Ein Teil vonihm hatte die ehrliche Absicht, gut zu sein. Er liebte seine Eltern und seineFreunde, doch in regelmäßigen Abständen wurde er von einem plötzlichen Drangüberwältigt und handelte danach. Bill glaubte fest an diese Version derGeschichte. Das andere Modell für Marks Verhalten könnte mit geologischenSchichten verglichen werden. Die so genannten guten Impulse bildeten eine hochentwickelte Oberfläche, die das, was darunter lag, größtenteils verbarg. VonZeit zu Zeit drängten die darunter liegenden ruhelosen Kräfte vulkanartighervor und brachen aus. Ich gewann den Eindruck, dass das Violets Theorie war,oder vielmehr die Theorie, die sie ängstigte.
© Rowohlt Verlag
Übersetzung: Uli Aumüller, EricaFischer, Grete Osterwald u.a.
Autoren-Porträt vonSiri Hustvedt
Siri Hustvedt wurde am 19.02.1955 in Northfield, Minnesota, als älteste von vier Töchtern einesnorwegisch-amerikanischen Professors für Skandinavistik und einer norwegischenEinwanderin geboren. Nach dem Besuch des St. Olaf College in Northfield, das sie 1977 mit B.A. in Geschichte abschloss,arbeitete sie zunächst als Kellnerin. 1978 ging sie zum Studium nach New York.1979 erwarb sie an der Columbia University den M.A. in Anglistik. 1986 wurdesie mit einer Arbeit über Charles Dickens («Figuresof Dust. A Reading of 'Our mutual friend'»)zum PhD promoviert. Im Februar 1981 lernte sie denSchriftsteller Paul Auster kennen, den sie 1983 heiratete und mit dem sie einenStiefsohn und eine Tochter hat. Heute arbeitet Siri Hustvedtals Schriftstellerin, Essayistin und Übersetzerin aus dem Norwegischen.
Was ich liebte von Siri Hustvedt
LESEPROBE
Am folgenden Sonntag tauchte Mark inder Wohnung seiner Mutter auf. Bill und Violet sagten, er habe darauf beharrt,das Haus vorher nie verlassen zu haben. Die Geschichte mit Rafael deklarierteer zu "totalem Mist". Er erklärte, er sei abgehauen, um ein paarFreunde zu treffen, weil er sich "gelangweilt" habe. Eine Wochespäter war er wieder in der Wohnung seiner Mutter und ging zur Schule. JedenFreitag holten Bill oder Violet ihn von der Bahn ab, fuhren mit ihm mit derU-Bahn zur Therapie zu Dr. Monk, warteten auf ihn und brachten ihn zurück indie Greene Street. Sein Hausarrest wurde fortgesetzt.
In den folgenden Monaten nahm MarksVerhalten ein erkennbares Muster an, für das ich die Bezeichnung "Kreislaufdes Schreckens" erfand. Wochenlang schien alles gut zu gehen. Er bekamhervorragende Noten in der Schule, war kooperativ, hilfsbereit und nett undzahlte mir seine wöchentliche Rate von seinem Taschengeld. Bill und Violetberichteten, dass ihre langen Gespräche mit ihm über Vertrauen, Ehrlichkeitund das Einhalten des Vertrages Wirkung zu zeigen schienen, ihm halfen, "beider Stange" zu bleiben. Er erleichterte sich bei Dr. Monk, die mit seinem"Fortschritt" zufrieden war. Und dann, gerade als die Leute um ihnherum so weit eingelullt waren, dass sie sich einen vorsichtigen Optimismuserlaubten, machte Mark alles zunichte. Im Oktober fand Violet sein Bett mittenin der Nacht leer vor, und in ihrem Portemonnaie fehlte das gesamte Bargeld. AmSonntagvormittag tauchte er wieder auf. Im November bemerkte sein StiefvaterPhilip, als er zur Arbeit fahren wollte, eine große Delle in seinem Auto. ImDezember lud Bill Mark zum Mittagessen ein. Nachdem sie Hamburger bestellthatten, entschuldigte sich Mark, um zur Toilette zu gehen, und tauchte dreiTage später bei Lucille wieder auf. Im Februar fand ihn sein Geschichtslehrerin der Jungentoilette, als er sich übergab; in seinem Rucksack fand sich einLiter Wodka, und in seiner Hosentasche hatte er Valium.
Jeder Zwischenfall spielte sich nachderselben Vorlage ab. Erstens: das Entdecken der Tat; zweitens: der Wutausbruchder geschädigten Person; drittens: Marks Wiederauftauchen undleidenschaftliches Leugnen. Ja, er sei durchgebrannt, aber er habe nichtswirklich Schlimmes getan. Er habe in der Stadt herumgelungert. Sonst nichts. Erhabe allein sein müssen. Er habe Philips Auto nicht mitten in der Nachtgenommen. Wenn die Tür eingedrückt sei, dann müsse jemand anders den Kombigestohlen haben. Ja, er sei in jener Nacht von zu Hause abgehauen, aber erhabe kein Geld gestohlen. Violet müsse sich irren. Sie habe es vielleichtselbst ausgegeben oder sich verrechnet. Marks empörte Unschuldsbeteuerungenwaren erstaunlich irrational. Erst wenn er mit eindeutigen Beweisen konfrontiertwurde, gab er seine Schuld zu. Rückblickend waren Marks Handlungen zumErbrechen vorhersehbar, aber keiner von uns blickte damals zurück, und obwohlsein Verhalten zyklisch verlief, merkten wir nichts. Der Tag des nächstenAusbruchs konnte nicht vorhergesagt werden.
Mark wurde zu einem schwer deutbarenRätsel. Es gab nach meinem Empfinden zwei Möglichkeiten, sein Verhalten zu erklären,beide dualistisch geprägt. Die erste war manichäisch. Marks Doppelleben ähnelteeinem Pendel, das zwischen Hell und Dunkel hin- und herschwang. Ein Teil vonihm hatte die ehrliche Absicht, gut zu sein. Er liebte seine Eltern und seineFreunde, doch in regelmäßigen Abständen wurde er von einem plötzlichen Drangüberwältigt und handelte danach. Bill glaubte fest an diese Version derGeschichte. Das andere Modell für Marks Verhalten könnte mit geologischenSchichten verglichen werden. Die so genannten guten Impulse bildeten eine hochentwickelte Oberfläche, die das, was darunter lag, größtenteils verbarg. VonZeit zu Zeit drängten die darunter liegenden ruhelosen Kräfte vulkanartighervor und brachen aus. Ich gewann den Eindruck, dass das Violets Theorie war,oder vielmehr die Theorie, die sie ängstigte.
© Rowohlt Verlag
Übersetzung: Uli Aumüller, EricaFischer, Grete Osterwald u.a.
- Autor: Siri Hustvedt
- 2015, 31. Aufl., 480 Seiten, Maße: 11,4 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Uli Aumüller, Erica Fischer, Grete Osterwald
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499233096
- ISBN-13: 9783499233098
- Erscheinungsdatum: 25.03.2004
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
5 von 5 Sternen
5 Sterne 1Schreiben Sie einen Kommentar zu "Was ich liebte".
Kommentar verfassen