Zerrissenes Herz
Roman. Deutsche Erstveröffentlichung
Daisy Bellamy lebt am idyllischen Willow Lake. Und sie hat eine schwere Entscheidung zu treffen: Sie muss sich zwischen zwei Männern entscheiden. Zwischen dem verantwortungsvollen Logan, dem Vater ihres Sohnes. Und dem abenteuerlustigen Justin, ihrer Jugendliebe.
Leider schon ausverkauft
versandkostenfrei
Taschenbuch
8.99 €
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Produktdetails
Produktinformationen zu „Zerrissenes Herz “
Daisy Bellamy lebt am idyllischen Willow Lake. Und sie hat eine schwere Entscheidung zu treffen: Sie muss sich zwischen zwei Männern entscheiden. Zwischen dem verantwortungsvollen Logan, dem Vater ihres Sohnes. Und dem abenteuerlustigen Justin, ihrer Jugendliebe.
Klappentext zu „Zerrissenes Herz “
Es gibt Tage am Willow Lake, da ist der Wind so still und das Wasser so ruhig, dass man nur den eigenen Herzschlag hört. Auch Daisy Bellamy lauscht, doch sie kann anhand des Klopfens nicht herausfinden, für wen ihr Herz stärker schlägt. Für den verantwortungsvollen Logan, den Vater ihres Sohnes? Oder den abenteuerlustigen Justin, den sie seit ihrer Jugend liebt?Diese Entscheidung wird ihr auf schicksalhafte Weise abgenommen. Daisy stürzt sich in ihre Arbeit als Fotografin - und in die Arme des Mannes, der ihr und ihrem Sohn ein stabiles Zuhause geben kann. Langsam kehrt eine gewisse Ruhe in ihr Herz und in ihr Leben ein. Bis mit einem Mal der Mann vor ihr steht, den sie nie vergessen konnte. Wie wird sie sich jetzt entscheiden?
Lese-Probe zu „Zerrissenes Herz “
Zerrissenes Herz von Susan WiggsDer Bräutigam sah so gut aus, dass Daisy Bellamys bei seinem Anblick beinahe das Herz geschmolzen wäre. Bitte, dachte sie. Oh bitte, lass es dieses Mal richtig sein. Er schenkte ihr ein kurzes, nervöses Lächeln.
"Komm schon", flüsterte sie kaum hörbar. "Noch einmal mit Gefühl. Sag Ich liebe dich so, als wurdest du es auch meinen. Zeig mir, was du fühlst!"
Er war der Märchenprinz in seinem taubengrauen Smoking, kein Haar tanzte aus der Reihe, aus jeder Pore strahlte Bewunderung. Er schaute ihr tief in die Augen und sagte mit vor Ernsthaftigkeit brechender Stimme: "Ich liebe dich."
"Ja", flüsterte Daisy. "Ich hab's", fügte sie dann hinzu und senkte die Kamera. "Genau davon habe ich gesprochen. Gut gemacht, Brian!"
Der Videograph kam näher, um die Reaktion der frischgebackenen Braut einzufangen, eine errötende, hübsche junge Frau namens Andrea Hubble. Als wäre die Kamera gar nicht anwesend, lockte Zach Alger das Pärchen mit einem oder zwei leisen Worten, und schon sprachen sie auf ganz vertraute Weise über ihre Liebe, ihre Hoffnungen und Träume, ihr Glück an diesem herrlichen Tag.
Daisy gelang eine ungestellte Aufnahme von den beiden, als sie einander den Kopf für einen Kuss zuneigten. Im Hintergrund erhob sich ein Seetaucher aus dem Willow Lake, Wassertropfen glitzerten im Licht der frühen Abenddämmerung. Die Schönheit der Natur machte den Augenblick noch romantischer. Und Daisy war gut darin, Romantik mit der Kameralinse einzufangen. Im wahren Leben hingegen ...
... mehr
Sie sehnte sich danach, die Freude zu finden, die sie in den Gesichtern ihrer Kunden sah, aber ihre romantische Vergangenheit bestand aus einer Aneinanderreihung von Fehlern und verpassten Chancen. Sie selbst nannte sich eine Vermasslerin, weil sie so viel in ihrem Leben vermasselt hatte. Eine Vermasslerin, die alles versuchte, um ihr Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. Denn sie hatte einen kleinen Sohn, der nicht ahnte, dass seine Mutter eine Vermasslerin war. Eine mit verantwortungsvollem Beruf, die in sich die Sehnsucht nach etwas verspürte, das sie nicht haben konnte - die schimmernde Liebe, die ihre Kamera durch die sehr teure Linse beobachtete.
"Ich denke, wir sind hier fertig", sagte Zach und warf einen Blick auf die Uhr. "Und ihr zwei werdet, glaub ich, dringend auf einer Feier erwartet."
Das Brautpaar drückte einander die Hände. Ihre Gesichter waren ein einziges großes Lächeln. Daisy spurte die aufgeregte Vorfreude, die von ihnen ausging. "Die größte Party unseres Lebens", sagte Andrea. "Ich will, dass alles perfekt ist."
Das wird es aber nicht, dachte Daisy. Sie hielt die Kamera immer noch so, dass sie jederzeit auf den Auslöser drucken konnte. Die besten Fotos entstanden in Momenten, in denen sich die Menschen unbeobachtet fühlten. Und die kleinen Makel waren es, die eine Hochzeit besonders und erinnerungswürdig machten. Der Glanz der Unvollkommenheit gehörte zu den ersten Entdeckungen, die Daisy in ihrer Anfangszeit als Hochzeitsfotografin gemacht hatte. Jedes Ereignis, egal wie sorgfältig es auch geplant worden war, hatte seine Unvollkommenheiten. Es wurde immer einen Trauzeugen geben, der mit dem Gesicht in der Punschschüssel landete, ein zusammenbrechendes Pavillonzelt, Haare, die in Brand gesetzt wurden, weil sich jemand zu weit ober eine Kerze gebeugt hatte, eine übergewichtige, ohnmächtig werdende Tante, ein weinendes Baby.
Das waren die Dinge, die das Leben interessant machten. Und als alleinerziehende Mutter hatte Daisy das Ungeplante zu schätzen gelernt. Denn einige der schönsten Erlebnisse ihres Lebens waren passiert, als sie es am wenigsten erwartet hatte - die kleinen Hände ihres Sohns, als sie ihre umklammert und sie viel starker auf dem Boden gehalten hatten als die Schwerkraft. Einige der schlimmsten allerdings auch - ein Zug, der aus dem Bahnhof gefahren und sie allein mit ihren Träumen zurückgelassen hatte -, aber sie versuchte, nicht allzu lang darüber nachzudenken.
Sie schlug vor, dass die Frischverheirateten Hand in Hand ober die große Wiese am Willow Lake gingen. Während des Zweiten Weltkrieges hatte es hier einen Victory Garden gegeben - ein Garten, in dem Gemüse und Kräuter angepflanzt wurden, um die Bevölkerung zu versorgen und die Moral zu stärken. Jetzt war die Wiese eine von Daisys liebsten Fotokulissen, vor allem zu dieser goldenen Stunde des Tages, wenn die Zeit zwischen Nachmittag und Abend schwebte.
Die letzten rosa- und bernsteinfarbenen Strahlen der Sonne fielen auf die Wiese. Dieser Moment war für Andrea und Brian einfach perfekt. Die Braut ging ein kleines Stückchen vor ihrem Mann, das Kinn stolz erhoben. Die Haltung des Bräutigams war beschützend, und zugleich strahlte jede seiner Gesten pure Freude aus. Der Wind hob ihr Kleid an, sodass die Schatten die beiden wie ein zartes Netz miteinander verbanden. Das ungeprobte Schauspiel der Bewegung fiel mit dem wie Gewehrfeuer klingenden Klicken des Kameraauslösers zusammen.
Als Daisy sich die Bilder auf dem Display anschaute, wusste sie, dass sie das Foto dieses Pärchens gemacht hatte - das Bild, das für immer an diesen Tag erinnern würde.
Obwohl ... Sie zoomte einen kleinen Fleck am Horizont naher heran. "Verdammt", murmelte sie.
"Was?" Zach beugte sich ober ihre Schulter.
"Jake, der Hund der Fritchmans, ist wieder ausgerissen." Sie sah ihn in all der hochauflösenden Pracht, ein Scherenschnitt vor dem Himmel, der gerade ein Häufchen machte.
"Ein Klassiker", merkte Zach an und machte sich wieder daran, seine Kabel
zusammenzurollen und seine Ausrüstung für die Feier zusammenzupacken.
Daisy drückte einen Knopf, um das Bild für spätere Retuschen zu markieren. "Bereit?", fragte sie Zach.
"Zeit weiterzufeiern", antwortete er. Sie folgten dem Brautpaar den Weg am See entlang zum Hauptgebäude des Camp Kioga, wo die Hochzeitsfeier stattfinden würde. Das Pärchen zog sich noch kurz zurück, um sich für ihren Auftritt frisch zu machen. Währenddessen bereitete sich Daisy darauf vor, die Feier fotografisch festzuhalten.
Die Braut war ihr von Anfang an sympathisch gewesen, und Camp Kioga liebte sie sowieso. Das ruhige Ressort am See war ein historisches Wahrzeichen und gehörte Daisys Großeltern. Inmitten der Wildnis von Ulster County und in der Nähe des Städtchens Avalon gelegen, war Camp Kioga als Zufluchtsort für die Elite aus New York City gegründet worden - ein Ort, an dem die gut Betuchten der drückenden Sommerhitze der Stadt entfliehen konnten.
Inzwischen war Camp Kioga von Daisys Cousine Olivia zu einem Luxusressort umgebaut worden. Letztes Jahr war das neu eröffnete Ressort auf www.Iamthebeholder.com erwähnt worden, und seitdem war es stets gut gebucht. Für Daisy war Camp Kioga mehr als nur ein schöner Ort. Sie hatte hier die schönsten - und schmerzvollsten - Augenblicke ihres Lebens erlebt, und die Landschaft hatte ihre Auffassung von ästhetischer Fotografie geprägt.
Die Firma, für die sie arbeitete, seit sie den Collegeabschluss hatte, hieß Wendela's Wedding Wonders und war in der Region fast eine Institution geworden. Daisy war sehr dankbar für den Job. Die Aufträge kamen stetig, die Arbeitszeiten waren verrückt, das Einkommen war angemessen, wenn auch nicht üppig. Es würde nie an Menschen mangeln, die heiraten wollten. Aber ja, sie gab es zu, sie träumte davon, Hochzeiten und Portraits hinter sich zu lassen. Denn ihre tiefste Liebe galt der erzählenden Naturfotografie, wie sie es nannte.
Denn im Grunde genommen war sie eine Geschichtenerzählerin. Ihre Fotos boten intime Einblicke durch die Kameralinse. Daisy fing die zerbrechliche, vergängliche Natur der sie umgebenden Welt mit Bildern ein, die sie tief bewegten und starke Gefühle weckten, allein durch die Anmut von Baumen, die ihre Äste ins Wasser tauchten, durch die Fülle eines grünschattigen Waldes im Frühling oder durch die epischen Formen der Granitklippen ober einem Abgrund. Im College hatte sie immer unter Zeitdruck gelitten, weil die Abgabetermine festgestanden, die Motive sich aber nicht hatten drangen lassen - Kaulquappen, die sich verwandelten, ein Rehkitz, das sich einen Weg ober eine Lichtung suchte, ein regungslos in den sumpfigen Ebenen stehender Fischreiher, der auf seine nachste Mahlzeit lauerte.
In der Fotografie hatte sie ihre künstlerische Stimme gefunden und die Leidenschaft für ihre Arbeit. Die Faszination hatte mit einer geschenkten Kodakkamera zu ihrem achten Geburtstag angefangen. Daisy hatte ein Foto von ihrer Grandma geschossen, die an jenem Tag gelernt hatte, wie man Hula Hoop tanzt. Dieses Erlebnis hatte sie mit so viel Befriedigung erfüllt, dass es sich beinahe wie eine Segnung angefühlt hatte. Es war ein Augenblick gewesen, der nie wiederkehren würde; sie hatte ihn für alle Zeiten eingefangen. Und obwohl es ein Foto ihrer Großmutter war, hatte das Bild etwas Universelles, das jeder verstand.
In jenem Moment hatte sie die Macht der Fotografie verstanden. Heute wünschte Daisy sich oft mehr Zeit, um mit ihrer Kamera wahre Kunst herzustellen, aber sogar bildende Künstler - und deren kleinen Söhne - mussten essen. Für eine alleinstehende Mutter stach ein geregeltes Einkommen jede hohe Kunst aus. Und die Snobs unter den Fotografen schienen eine Tatsache zu vergessen: Inmitten einer Hochzeit boten sich unzählige Gelegenheiten, einen oberirdischen Moment zu finden. Ein guter Fotograf wusste einfach, wo man Ausschau hielt und wie man diese Momente einfing. Auf einer Hochzeit waren die Menschen am echtesten. Die gleiche Geschichte spielte sich auf unendlich viele und verschiedene Weisen ab, und das war es, was Daisy faszinierte.
Sie war gefesselt von der geheimnisvollen Alchemie, die ein Paar zueinander zog und es veranlasste, gemeinsam die Reise durchs Leben anzutreten. Wenn sie richtig bedient wurde, konnte eine Kamera die Geschichte wieder und wieder erzählen, in all ihren unterschiedlichen Ausprägungen.
Vielleicht lag es daran, dass Daisy es selber so gerne verstanden hatte. Wenn sie die weltbeste Expertin im Einfangen der glücklichsten Augenblicke des Lebens wurde, dann kam sie vielleicht darauf, wie sie selbst das Glück finden konnte.
Die Hochzeit war nicht perfekt. Mitten in ihrer Ansprache versagte Andrea Hubbles Mutter die Stimme, und sie war in Tränen aufgelöst. Der Champagner ging schon nach einer Stunde zur Neige, und dem DJ brannte ein Lautsprecher durch. Eine der Brautjungfern bekam aufgrund einer Lebensmittelallergie einen Ausschlag. Der Fünfjährige, der die Ringe getragen hatte, wurde verzweifelt gesucht und schließlich schlafend unter einem der Banketttisch gefunden.
Daisy wusste, dass innerhalb weniger Stunden nichts mehr davon wichtig sein würde. Als der DJ seine Anlage abbaute und die Arbeiter die Tische auseinandernahmen, entschwand das überglückliche Pärchen in die Nacht in Richtung Summer Hideaway, der am einsamsten gelegenen Hotte des Ressorts. Die letzte Aufnahme des Tages, erhellt vom Mond und von Daisys Lieblingsblitz, zeigte sie auf dem Weg zur Hotte. Der Bräutigam hob den Arm und wirbelte seine Braut im Kreis herum. Keine Frage, die Nacht wird für die beiden gut verlaufen, dachte Daisy und packte ihre Sachen mit einem rastlosen Seufzen ein.
Die Hochzeitsgäste hatten die anderen Unterkünfte von Camp Kioga in Beschlag genommen - alte Schlafbaracken, A-förmige Hotten oder luxuriöse Zimmer im Hauptgebäude.
Auf dem Heimweg öffnete Zach im Lieferwagen eine Bierdose, die er aus der Bar entwendet hatte, und hielt sie Daisy hin.
Sie schüttelte den Kopf. "Nein, danke. Hast du ganz für dich allein." Auch wenn sie jung war und gerade erst das College hinter sich hatte, war sie kein großer Freund von Alkohol. Was vermutlich daran lag, dass der bei ihr nie zu etwas Gutem geführt hatte. Unter anderem war Alkohol der Grund dafür, dass sie mit neunzehn Mutter geworden war. Wenn Charlie sie jemals fragte, woher Babys kommen, würde sie einen Weg finden müssen, ihm zu erklären, dass zur Entstehung lediglich ein Übermaß an Bowle und ein ganzes Wochenende voller dummer Entscheidungen nötig waren.
"Dann trinke ich auf dich", sagte Zach. "Und auf Mr und Mrs Glücklich-bis-ans-Lebensende. Mögen sie lange genug zusammenbleiben, um die Hochzeit abzubezahlen."
"Sei nicht so zynisch!", schalt Daisy ihn. Zach Alger hatte es bisher nicht leicht gehabt. Aber sie waren ein gutes Team. Er war mehr als nur ihr Assistent und Videograf. Er war einer ihrer liebsten - und widerwilligsten - Fotomodels, was an seinen starken, kantigen Gesichtszogen und seinem ungewöhnlich nordischen Teint lag. Er war so blass, dass er manchmal für ein Albino gehalten wurde. Er war total unsicher wegen seines weißblonden Haars, das die Farbe von anderen Quellen zu absorbieren schien. Daisy hatte es schon immer cool gefunden. Einige der Bilder, die sie von ihm gemacht hatte, waren für Werbezwecke gekauft worden. Offensichtlich war sein Look - der blasse Teint und die Winteraugen - in Japan und Südkorea sehr beliebt. Irgendwo im Fernen Osten verkaufte sein Gesicht Aftershave und Handyverträge.
Allerdings reichte das nicht, um seine Rechnungen zu bezahlen. Er war auch gerade erst mit dem College fertig und sehr begabt mit allem, was mit High-Tech und Medien zu tun hatte. Was sie jedoch am meisten an Zach mochte, war, dass er ihr ein guter Freund war, keine Vorurteile hatte und ein guter Gesprächspartner war.
"Ich meine ja nur ..."
"Mach dir keinen Kopf", sagte sie. "Du machst dir immer viel zu viele Sorgen." "Ja, genau. Und du nicht, oder was?"
Damit hatte er sie. Als Mutter fand Daisy es allerdings auch schwierig, absolut sorgenfrei durchs Leben zu gehen.
"Wenn wir unsere Sorgen zusammenschmeißen", schlug sie vor, "haben wir bestimmt fast genug Energie, um diesen Wagen anzutreiben." "Ich brauche nur genug, um es bis zum Ende des Monats zu schaffen." Zach trank das Bier, rülpste und schwieg. Er schaute aus dem Fenster und blickte in das absolute Nichts, dem Avalon bei Nacht glich. Die Einheimischen machten Witze darüber, dass die Bürgersteige um neun Uhr abends hochgeklappt würden, aber das war eine Übertreibung. Acht Uhr traf es eher.
Daisy und Zach mussten die Stille nicht mit sinnlosem Gerede füllen. Sie kannten einander seit der Highschool, und sie beide hatten Prüfungen hinter sich. Während sie als Teenager Mutter geworden war, hatte Zach sich mit dem finanziellen Ruin seines Vaters und der folgenden Verhaftung wegen Korruption herumschlagen müssen. Nicht unbedingt ein Rezept für Gelassenheit.
Doch irgendwie hatten sie sich durchgekämpft und waren ein wenig lädiert, aber immer noch heil aus allem herausgekommen. Zach arbeitete methodisch einen Berg von Studentendarlehen ab, während Daisy damit lebte, eine Reihe schlechter Entscheidungen getroffen zu haben. Sie fühlte sich, als würde sie ihr Leben verkehrt herum leben, angefangen damit, dass sie so früh Mutter geworden war. Dann waren Schule und Arbeit gekommen, und inzwischen hatte sie alles ins Gleichgewicht gebracht. Doch eines fehlte ihr noch. Das, was sie beinahe jedes Wochenende fotografierte, was ihre stetig wechselnden Kunden feierten und hochleben ließen. Liebe und Ehe. Das sollte ihr nicht so viel bedeuten. Sie wünschte, sie könnte glauben, dass ihr Leben im Moment genau richtig war. Aber damit machte sie sich nur selbst etwas vor.
Übersetzung: Ivonne Senn
© 2011 by Susan Wiggs
Sie sehnte sich danach, die Freude zu finden, die sie in den Gesichtern ihrer Kunden sah, aber ihre romantische Vergangenheit bestand aus einer Aneinanderreihung von Fehlern und verpassten Chancen. Sie selbst nannte sich eine Vermasslerin, weil sie so viel in ihrem Leben vermasselt hatte. Eine Vermasslerin, die alles versuchte, um ihr Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. Denn sie hatte einen kleinen Sohn, der nicht ahnte, dass seine Mutter eine Vermasslerin war. Eine mit verantwortungsvollem Beruf, die in sich die Sehnsucht nach etwas verspürte, das sie nicht haben konnte - die schimmernde Liebe, die ihre Kamera durch die sehr teure Linse beobachtete.
"Ich denke, wir sind hier fertig", sagte Zach und warf einen Blick auf die Uhr. "Und ihr zwei werdet, glaub ich, dringend auf einer Feier erwartet."
Das Brautpaar drückte einander die Hände. Ihre Gesichter waren ein einziges großes Lächeln. Daisy spurte die aufgeregte Vorfreude, die von ihnen ausging. "Die größte Party unseres Lebens", sagte Andrea. "Ich will, dass alles perfekt ist."
Das wird es aber nicht, dachte Daisy. Sie hielt die Kamera immer noch so, dass sie jederzeit auf den Auslöser drucken konnte. Die besten Fotos entstanden in Momenten, in denen sich die Menschen unbeobachtet fühlten. Und die kleinen Makel waren es, die eine Hochzeit besonders und erinnerungswürdig machten. Der Glanz der Unvollkommenheit gehörte zu den ersten Entdeckungen, die Daisy in ihrer Anfangszeit als Hochzeitsfotografin gemacht hatte. Jedes Ereignis, egal wie sorgfältig es auch geplant worden war, hatte seine Unvollkommenheiten. Es wurde immer einen Trauzeugen geben, der mit dem Gesicht in der Punschschüssel landete, ein zusammenbrechendes Pavillonzelt, Haare, die in Brand gesetzt wurden, weil sich jemand zu weit ober eine Kerze gebeugt hatte, eine übergewichtige, ohnmächtig werdende Tante, ein weinendes Baby.
Das waren die Dinge, die das Leben interessant machten. Und als alleinerziehende Mutter hatte Daisy das Ungeplante zu schätzen gelernt. Denn einige der schönsten Erlebnisse ihres Lebens waren passiert, als sie es am wenigsten erwartet hatte - die kleinen Hände ihres Sohns, als sie ihre umklammert und sie viel starker auf dem Boden gehalten hatten als die Schwerkraft. Einige der schlimmsten allerdings auch - ein Zug, der aus dem Bahnhof gefahren und sie allein mit ihren Träumen zurückgelassen hatte -, aber sie versuchte, nicht allzu lang darüber nachzudenken.
Sie schlug vor, dass die Frischverheirateten Hand in Hand ober die große Wiese am Willow Lake gingen. Während des Zweiten Weltkrieges hatte es hier einen Victory Garden gegeben - ein Garten, in dem Gemüse und Kräuter angepflanzt wurden, um die Bevölkerung zu versorgen und die Moral zu stärken. Jetzt war die Wiese eine von Daisys liebsten Fotokulissen, vor allem zu dieser goldenen Stunde des Tages, wenn die Zeit zwischen Nachmittag und Abend schwebte.
Die letzten rosa- und bernsteinfarbenen Strahlen der Sonne fielen auf die Wiese. Dieser Moment war für Andrea und Brian einfach perfekt. Die Braut ging ein kleines Stückchen vor ihrem Mann, das Kinn stolz erhoben. Die Haltung des Bräutigams war beschützend, und zugleich strahlte jede seiner Gesten pure Freude aus. Der Wind hob ihr Kleid an, sodass die Schatten die beiden wie ein zartes Netz miteinander verbanden. Das ungeprobte Schauspiel der Bewegung fiel mit dem wie Gewehrfeuer klingenden Klicken des Kameraauslösers zusammen.
Als Daisy sich die Bilder auf dem Display anschaute, wusste sie, dass sie das Foto dieses Pärchens gemacht hatte - das Bild, das für immer an diesen Tag erinnern würde.
Obwohl ... Sie zoomte einen kleinen Fleck am Horizont naher heran. "Verdammt", murmelte sie.
"Was?" Zach beugte sich ober ihre Schulter.
"Jake, der Hund der Fritchmans, ist wieder ausgerissen." Sie sah ihn in all der hochauflösenden Pracht, ein Scherenschnitt vor dem Himmel, der gerade ein Häufchen machte.
"Ein Klassiker", merkte Zach an und machte sich wieder daran, seine Kabel
zusammenzurollen und seine Ausrüstung für die Feier zusammenzupacken.
Daisy drückte einen Knopf, um das Bild für spätere Retuschen zu markieren. "Bereit?", fragte sie Zach.
"Zeit weiterzufeiern", antwortete er. Sie folgten dem Brautpaar den Weg am See entlang zum Hauptgebäude des Camp Kioga, wo die Hochzeitsfeier stattfinden würde. Das Pärchen zog sich noch kurz zurück, um sich für ihren Auftritt frisch zu machen. Währenddessen bereitete sich Daisy darauf vor, die Feier fotografisch festzuhalten.
Die Braut war ihr von Anfang an sympathisch gewesen, und Camp Kioga liebte sie sowieso. Das ruhige Ressort am See war ein historisches Wahrzeichen und gehörte Daisys Großeltern. Inmitten der Wildnis von Ulster County und in der Nähe des Städtchens Avalon gelegen, war Camp Kioga als Zufluchtsort für die Elite aus New York City gegründet worden - ein Ort, an dem die gut Betuchten der drückenden Sommerhitze der Stadt entfliehen konnten.
Inzwischen war Camp Kioga von Daisys Cousine Olivia zu einem Luxusressort umgebaut worden. Letztes Jahr war das neu eröffnete Ressort auf www.Iamthebeholder.com erwähnt worden, und seitdem war es stets gut gebucht. Für Daisy war Camp Kioga mehr als nur ein schöner Ort. Sie hatte hier die schönsten - und schmerzvollsten - Augenblicke ihres Lebens erlebt, und die Landschaft hatte ihre Auffassung von ästhetischer Fotografie geprägt.
Die Firma, für die sie arbeitete, seit sie den Collegeabschluss hatte, hieß Wendela's Wedding Wonders und war in der Region fast eine Institution geworden. Daisy war sehr dankbar für den Job. Die Aufträge kamen stetig, die Arbeitszeiten waren verrückt, das Einkommen war angemessen, wenn auch nicht üppig. Es würde nie an Menschen mangeln, die heiraten wollten. Aber ja, sie gab es zu, sie träumte davon, Hochzeiten und Portraits hinter sich zu lassen. Denn ihre tiefste Liebe galt der erzählenden Naturfotografie, wie sie es nannte.
Denn im Grunde genommen war sie eine Geschichtenerzählerin. Ihre Fotos boten intime Einblicke durch die Kameralinse. Daisy fing die zerbrechliche, vergängliche Natur der sie umgebenden Welt mit Bildern ein, die sie tief bewegten und starke Gefühle weckten, allein durch die Anmut von Baumen, die ihre Äste ins Wasser tauchten, durch die Fülle eines grünschattigen Waldes im Frühling oder durch die epischen Formen der Granitklippen ober einem Abgrund. Im College hatte sie immer unter Zeitdruck gelitten, weil die Abgabetermine festgestanden, die Motive sich aber nicht hatten drangen lassen - Kaulquappen, die sich verwandelten, ein Rehkitz, das sich einen Weg ober eine Lichtung suchte, ein regungslos in den sumpfigen Ebenen stehender Fischreiher, der auf seine nachste Mahlzeit lauerte.
In der Fotografie hatte sie ihre künstlerische Stimme gefunden und die Leidenschaft für ihre Arbeit. Die Faszination hatte mit einer geschenkten Kodakkamera zu ihrem achten Geburtstag angefangen. Daisy hatte ein Foto von ihrer Grandma geschossen, die an jenem Tag gelernt hatte, wie man Hula Hoop tanzt. Dieses Erlebnis hatte sie mit so viel Befriedigung erfüllt, dass es sich beinahe wie eine Segnung angefühlt hatte. Es war ein Augenblick gewesen, der nie wiederkehren würde; sie hatte ihn für alle Zeiten eingefangen. Und obwohl es ein Foto ihrer Großmutter war, hatte das Bild etwas Universelles, das jeder verstand.
In jenem Moment hatte sie die Macht der Fotografie verstanden. Heute wünschte Daisy sich oft mehr Zeit, um mit ihrer Kamera wahre Kunst herzustellen, aber sogar bildende Künstler - und deren kleinen Söhne - mussten essen. Für eine alleinstehende Mutter stach ein geregeltes Einkommen jede hohe Kunst aus. Und die Snobs unter den Fotografen schienen eine Tatsache zu vergessen: Inmitten einer Hochzeit boten sich unzählige Gelegenheiten, einen oberirdischen Moment zu finden. Ein guter Fotograf wusste einfach, wo man Ausschau hielt und wie man diese Momente einfing. Auf einer Hochzeit waren die Menschen am echtesten. Die gleiche Geschichte spielte sich auf unendlich viele und verschiedene Weisen ab, und das war es, was Daisy faszinierte.
Sie war gefesselt von der geheimnisvollen Alchemie, die ein Paar zueinander zog und es veranlasste, gemeinsam die Reise durchs Leben anzutreten. Wenn sie richtig bedient wurde, konnte eine Kamera die Geschichte wieder und wieder erzählen, in all ihren unterschiedlichen Ausprägungen.
Vielleicht lag es daran, dass Daisy es selber so gerne verstanden hatte. Wenn sie die weltbeste Expertin im Einfangen der glücklichsten Augenblicke des Lebens wurde, dann kam sie vielleicht darauf, wie sie selbst das Glück finden konnte.
Die Hochzeit war nicht perfekt. Mitten in ihrer Ansprache versagte Andrea Hubbles Mutter die Stimme, und sie war in Tränen aufgelöst. Der Champagner ging schon nach einer Stunde zur Neige, und dem DJ brannte ein Lautsprecher durch. Eine der Brautjungfern bekam aufgrund einer Lebensmittelallergie einen Ausschlag. Der Fünfjährige, der die Ringe getragen hatte, wurde verzweifelt gesucht und schließlich schlafend unter einem der Banketttisch gefunden.
Daisy wusste, dass innerhalb weniger Stunden nichts mehr davon wichtig sein würde. Als der DJ seine Anlage abbaute und die Arbeiter die Tische auseinandernahmen, entschwand das überglückliche Pärchen in die Nacht in Richtung Summer Hideaway, der am einsamsten gelegenen Hotte des Ressorts. Die letzte Aufnahme des Tages, erhellt vom Mond und von Daisys Lieblingsblitz, zeigte sie auf dem Weg zur Hotte. Der Bräutigam hob den Arm und wirbelte seine Braut im Kreis herum. Keine Frage, die Nacht wird für die beiden gut verlaufen, dachte Daisy und packte ihre Sachen mit einem rastlosen Seufzen ein.
Die Hochzeitsgäste hatten die anderen Unterkünfte von Camp Kioga in Beschlag genommen - alte Schlafbaracken, A-förmige Hotten oder luxuriöse Zimmer im Hauptgebäude.
Auf dem Heimweg öffnete Zach im Lieferwagen eine Bierdose, die er aus der Bar entwendet hatte, und hielt sie Daisy hin.
Sie schüttelte den Kopf. "Nein, danke. Hast du ganz für dich allein." Auch wenn sie jung war und gerade erst das College hinter sich hatte, war sie kein großer Freund von Alkohol. Was vermutlich daran lag, dass der bei ihr nie zu etwas Gutem geführt hatte. Unter anderem war Alkohol der Grund dafür, dass sie mit neunzehn Mutter geworden war. Wenn Charlie sie jemals fragte, woher Babys kommen, würde sie einen Weg finden müssen, ihm zu erklären, dass zur Entstehung lediglich ein Übermaß an Bowle und ein ganzes Wochenende voller dummer Entscheidungen nötig waren.
"Dann trinke ich auf dich", sagte Zach. "Und auf Mr und Mrs Glücklich-bis-ans-Lebensende. Mögen sie lange genug zusammenbleiben, um die Hochzeit abzubezahlen."
"Sei nicht so zynisch!", schalt Daisy ihn. Zach Alger hatte es bisher nicht leicht gehabt. Aber sie waren ein gutes Team. Er war mehr als nur ihr Assistent und Videograf. Er war einer ihrer liebsten - und widerwilligsten - Fotomodels, was an seinen starken, kantigen Gesichtszogen und seinem ungewöhnlich nordischen Teint lag. Er war so blass, dass er manchmal für ein Albino gehalten wurde. Er war total unsicher wegen seines weißblonden Haars, das die Farbe von anderen Quellen zu absorbieren schien. Daisy hatte es schon immer cool gefunden. Einige der Bilder, die sie von ihm gemacht hatte, waren für Werbezwecke gekauft worden. Offensichtlich war sein Look - der blasse Teint und die Winteraugen - in Japan und Südkorea sehr beliebt. Irgendwo im Fernen Osten verkaufte sein Gesicht Aftershave und Handyverträge.
Allerdings reichte das nicht, um seine Rechnungen zu bezahlen. Er war auch gerade erst mit dem College fertig und sehr begabt mit allem, was mit High-Tech und Medien zu tun hatte. Was sie jedoch am meisten an Zach mochte, war, dass er ihr ein guter Freund war, keine Vorurteile hatte und ein guter Gesprächspartner war.
"Ich meine ja nur ..."
"Mach dir keinen Kopf", sagte sie. "Du machst dir immer viel zu viele Sorgen." "Ja, genau. Und du nicht, oder was?"
Damit hatte er sie. Als Mutter fand Daisy es allerdings auch schwierig, absolut sorgenfrei durchs Leben zu gehen.
"Wenn wir unsere Sorgen zusammenschmeißen", schlug sie vor, "haben wir bestimmt fast genug Energie, um diesen Wagen anzutreiben." "Ich brauche nur genug, um es bis zum Ende des Monats zu schaffen." Zach trank das Bier, rülpste und schwieg. Er schaute aus dem Fenster und blickte in das absolute Nichts, dem Avalon bei Nacht glich. Die Einheimischen machten Witze darüber, dass die Bürgersteige um neun Uhr abends hochgeklappt würden, aber das war eine Übertreibung. Acht Uhr traf es eher.
Daisy und Zach mussten die Stille nicht mit sinnlosem Gerede füllen. Sie kannten einander seit der Highschool, und sie beide hatten Prüfungen hinter sich. Während sie als Teenager Mutter geworden war, hatte Zach sich mit dem finanziellen Ruin seines Vaters und der folgenden Verhaftung wegen Korruption herumschlagen müssen. Nicht unbedingt ein Rezept für Gelassenheit.
Doch irgendwie hatten sie sich durchgekämpft und waren ein wenig lädiert, aber immer noch heil aus allem herausgekommen. Zach arbeitete methodisch einen Berg von Studentendarlehen ab, während Daisy damit lebte, eine Reihe schlechter Entscheidungen getroffen zu haben. Sie fühlte sich, als würde sie ihr Leben verkehrt herum leben, angefangen damit, dass sie so früh Mutter geworden war. Dann waren Schule und Arbeit gekommen, und inzwischen hatte sie alles ins Gleichgewicht gebracht. Doch eines fehlte ihr noch. Das, was sie beinahe jedes Wochenende fotografierte, was ihre stetig wechselnden Kunden feierten und hochleben ließen. Liebe und Ehe. Das sollte ihr nicht so viel bedeuten. Sie wünschte, sie könnte glauben, dass ihr Leben im Moment genau richtig war. Aber damit machte sie sich nur selbst etwas vor.
Übersetzung: Ivonne Senn
© 2011 by Susan Wiggs
... weniger
Autoren-Porträt von Susan Wiggs
Susan Wiggs, die an der Harvard Universität studiert hat, ist leidenschaftlich gern Autorin. Zudem ist sie Mutter, Ehefrau und überzeugte Feministin. Ihre Hobbys sind lesen, reisen und stricken. Sie lebt mit ihrem Mann, ihrer Tochter und dem Hund auf einer Insel im nordwestlichen Pazifik.Susan Wiggs hat für ihre Romane viele Auszeichnungen erhalten, unter anderem den begehrten RITA Award, der von den Romance Writers of America verliehen wird.
Bibliographische Angaben
- Autor: Susan Wiggs
- 2012, 432 Seiten, Maße: 12,5 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Ivonne Senn
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3862783405
- ISBN-13: 9783862783403
- Erscheinungsdatum: 18.07.2012
Rezension zu „Zerrissenes Herz “
"Eine emotional fesselnde Geschichte." - Booklist
Kommentare zu "Zerrissenes Herz"
0 Gebrauchte Artikel zu „Zerrissenes Herz“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
5 von 5 Sternen
5 Sterne 3Schreiben Sie einen Kommentar zu "Zerrissenes Herz".
Kommentar verfassen