Abgehängt oder angedockt? (ePub)

Vor sechs Jahren habe ich ein Buch mit einer ähnlichen Zielsetzung geschrieben ("Den Segen weitergeben", über die letzten Tage von zwölf bekannten Menschen der Bibel). Da war ich natürlich ausserordentlich gespannt, was Eckart zur Nieden über seine elf "Senioren der Bibel" herausgefunden hat. Und ich bin fündig geworden, nicht nur, weil er zum Teil andere Personen ausgewählt hat, sondern weil er mit einem völlig anderen Stil und viel seelsorgerlichem Flair an seine Aufgabe herangegangen ist.
Als Sprachkünstler entpuppt sich der Autor schon im Inhaltsverzeichnis. Die Titel der einzelnen Kapitel beginnen alle mit "Ab…". Das beginnt schon auf dem Cover: "Abgehängt oder angedockt", Noah ist abgestürzt, Mirjam wurde abgestraft, Elia abgeholt usw. In diesen kleinen Details zeigt sich etwas von der originellen Art des Verfassers, Denkhilfen zu vermitteln.
Die elf Biografien aus dem Alten Testament geben eine Fülle von Stoff zum Erzählen, wenn jemand gut beobachten kann. Eckart zur Nieden hat eine blühende Fantasie! Was er zum Bespiel aus dem betrunkenen Noah und seinen Söhnen gemacht hat – meisterhaft. Vielleicht auch ein wenig überzeichnet, denkt man an die Jahre, die Noah nach der Flut noch lebte. Ein Fehltritt in 350 Jahren, wer kann ihm da einen Strick drehen? Der Verfasser beobachtet die biblischen Texte sehr genau und entdeckt manchmal Details, die man beim "normalen" Lesen leicht überliest. Und immer wieder zieht er die Linien hinein in den zum Teil ereignislosen Alltag der Senioren.
Der Autor macht optisch einen Unterschied zwischen seinen fantasievollen Ausschmückungen und den Texten der Bibel. Zum Beispiel schildert er ausführlich die dramatische Situation, als Mose und Aaron die Ältesten des Volkes überzeugen wollen, dass Gott Israel aus Ägypten herauslösen und in das versprochene Land führen will. Nach diesem Exkurs in diese denkbare Auseinandersetzung fährt er – jetzt nicht mehr kursiv, sondern in normaler Schrift – weiter und zeichnet die von der Bibel vorgegebene Spur nach.
In den Schlussworten der elf Biografien merkt man, dass der Verfasser selber zur älteren Generation gehört. Mit grossem Einfühlungsvermögen macht er auf die Gefahren der letzten Lebensphase aufmerksam und gibt unaufdringlich Tipps gegen ein gefährliches Abdriften, sogar von gestandenen Christen, die ein Leben lang auf gutem Kurs waren. Ein erfolgreicher Glaube in jüngeren Jahren bewahrt nicht vor einem Glaubensverlust, wenn man zum Nichtstun verurteilt wird, zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen.