Bevor der Wecker läutet (ePub)

Etwas ungewöhnlich, muss ich sagen, ist das Buch schon. Es passieren den am meisten verhassten Menschen der Hauptperson tödliche (teilweise bizarre) Unfälle. Und dies mit ihm als einzigen Zeugen. Ich habe mich gefragt, ob das Ganze ein Krimi sein soll (dafür fehlen ihm aber die parallelen Handlungsstränge) oder eine Beschäftigung mit dem Thema "Glück" an sich. Bei genauen Hinschauen entdeckte ich die Hinweise, dass es Zweiteres ist. Ich habe das Buch dann gleich noch einmal gelesen. Da machte es noch mehr Spaß. Es hebt sich wirklich erfreulich von dem Einerlei ab, sollte aber nur gelesen werden, wenn man Freude an Skurillem und Gedankenspielen hat und auf Episches verzichten kann. Richtig beschrieben ist nichts, echte Bezüge zum Alltag finden auch nicht statt. Insofern kann die Handlung hier und heute spielen, genauso aber auch vor zwanzig Jahren in Argentinien.

Ich kann mich den anderen Urteilen nur anschließen. Ein Buch zum Schmunzeln und Nachdenken. Es steht weit abseits von dem Üblichen. Ich dachte nicht, dass es noch Bücher gibt, die sich interessanter Themen annehmen, ohne Moralkeule, ohne Schicksalsduselei. Ich habe das Gefühl, eine neue alte Welt interessanter Literatur zu betreten und trotzdem keinem Humorverbot zu unterliegen. Ich wünschte, es würden sich andere gute Autoren aus dem Lokalkrimi verabschieden und sich von Buddrus anschließen.

Das ist aus meiner Sicht echte Gegenwartsliteratur! Kein Krimi, kein Science-Fuction, kein Harry-Potter, kein Selbstmitleid, keine Esoterik. Es ist eine handfeste, unterhaltsame wie anspruchsvolle und moderne Erzählung. Sie hat einen bemerkenswerten eigenen Stil: Schnörkellos.
Die Botschaft: Das Unglück anderer, dass Du Dir so herbeisehnst, bedeutet für Dich noch lange kein Glück.

Auf der Suche nach "Futter" für meinen neuen Tolino (Geschenk meiner Frau) habe ich es mir nicht leicht gemacht. Da ich die "antiquierte" Weise, Bücher zu lesen (anzufassen und zu besitzen) nicht aufgeben will, bedufte es mehrerer Nachfragen meiner Frau, bis ich mich entschied, Inhalten eine Chance zu geben, an die ich ausschließlich elektronisch herankomme. Was für eine gute Entscheidung! Und was für eine Überraschung! Denke ich bei "Selbstveröffentlichern" immer an autobiografischen Schmus oder literarische Kopierversuche, in jedem Fall aber an sprachliche Peinlichkeiten, wurde ich einigermaßen überrascht.: Der Autor (Frank Maria von Buddrus, mir absolut unbekannt) zeigt, dass es auch anders geht. Und wie! Mit einer rabenschwarzen Geschichte, einem ganz eigenwilligen Schreibstil und einer Prise Humor hat er es geschafft, dass ich meiner Frau für ihr Geschenk (wirklich) dankbar bin.

Hammer!