Der Feind in meinem Büro (ePub)
Die großen und kleinen Irrtümer zwischen Chef und Mitarbeiter
Jeder fünfte Mitarbeiter in Deutschland hasst seinen Chef. 88 Prozent aller Mitarbeiter sagen, ihr Chef sei schwierig. Dabei wollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber oft dasselbe. Aber sie reden aneinander vorbei, denn beide leben in ihrer eigenen Welt und...
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Produktinformationen zu „Der Feind in meinem Büro (ePub)“
Jeder fünfte Mitarbeiter in Deutschland hasst seinen Chef. 88 Prozent aller Mitarbeiter sagen, ihr Chef sei schwierig. Dabei wollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber oft dasselbe. Aber sie reden aneinander vorbei, denn beide leben in ihrer eigenen Welt und sprechen ihre eigene Sprache. Dieses Buch leistet Pionierarbeit und öffnet den Streitpartnern den Blick für die jeweils andere Seite. Es hält sich dicht an die Praxis und vermittelt psychologische und soziologische Hintergründe in amüsanten Beispielen. Mit pfiffigen Tips entschärft Martin Wehrle den Sprengstoff des Alltags.
Wenn Sie Martin Wehrle als Redner buchen möchten, kontaktieren Sie bitte die Econ Referenten-Agentur.
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Lese-Probe zu „Der Feind in meinem Büro (ePub)“
Der Feind in meinem Büro von Martin WehrleWelcher Mitarbeiter hat je einen glücklichen Chef gesehen? Auch wenn die Kasse überquillt: Der Umsatz ist zu gering! Auch wenn die Mitarbeiter sich zerreißen: Sie tun zu wenig! Auch wenn die Lohnkosten sinken: Sie sind zu hoch!
Welcher Chef hat je einen zufriedenen Mitarbeiter gesehen? Wann immer sich die Cheftür einen Spalt öffnet, schneit wieder ein Angestellter ins Büro, der mehr Gehalt, flexiblere Arbeitszeiten oder einen strahlungsärmeren Bildschirm haben will.
Nur die Vorwürfe klingen erstaunlich ähnlich. Mitarbeiter behaupten, die Chefs würden sich auf ihre Kosten eine goldene Nase verdienen; Chefs erheben den gleichen Vorwurf gegen ihre Mitarbeiter, nur dass in ihrer Version die Firma die Zeche zahlt.
Dieses Kapitel erklärt, warum sich Chefs und Mitarbeiter wie Katz und Maus aufführen, es aber nicht müssten.
Viele Mitarbeiter sind auf ihre Chefs nicht gut zu sprechen. Die meiste Zeit, so heißt es, sitzen die Vorgesetzten in Meetings, schwingen große Reden, saugen sich weltfremde Ideen aus den Fingern und überlassen das Anpacken und Geldverdienen dann doch vorsichtshalber ihren Mitarbeitern. Mit Lob geizen sie wie die Schotten, mit Kritik halten sie nicht hinterm Berg.
Wer dem Chef seine Meinung sagt, gilt als »Querulant«. Wer sich krankmeldet, macht natürlich blau. Und wer blau ist, womöglich während der Arbeitszeit, hat immer private Probleme - nie liegt es an den Arbeitsbedingungen, nie am katastrophalen Führungsstil des Vorgesetzten (genau das sind aber nach Auffassung der Mitarbeiter die häufigsten Gründe für Krankheit und Unzufriedenheit).
... mehr
Viele Arbeitnehmer fühlen sich vom Chef als potenzielle Faulpelze behandelt, die es mit Peitsche und Zuckerbrot am Einschlafen zu hindern gilt. Interessante Arbeiten werden zur Chefsache erklärt, die gestapelte Langeweile wird delegiert. Gelingt eine Arbeit, war es der Chef allein. Geht sie daneben, waren es seine Untergebenen.
Nach einer Umfrage der Internet-Jobbörse StepStone schämen sich 50 Prozent der Mitarbeiter in Deutschland für ihren Arbeitgeber - womit sicher nicht nur die Firmen gemeint sind, sondern stellvertretend die Chefs. Noch dramatischer ist das Ergebnis einer Studie des geva-Instituts in München:
88 Prozent aller Mitarbeiter halten ihren (Ex-)Chef für schwierig. Jeder Fünfte gibt an, ihn zu hassen.
Wie denkt die Gegenseite? Oft erleben Chefs ihre Belegschaft als Drückeberger und Faulenzer, die nur dann richtig zupacken, wenn sie nach der Lohntüte greifen. Statt dankbar zu sein, dass sie überhaupt einen Arbeitsplatz haben, stellen die Arbeitnehmer angeblich am laufenden Band Forderungen. Sie wollen mehr Gehalt, mehr Anerkennung, mehr Freizeit. Sie wollen einen Chef, der unfehlbar wie ein Gott ist, sind aber weit entfernt davon, ihn anzubeten. Vielmehr soll er sich jeder Kritik, auch wenn sie ihm wie Gotteslästerung erscheinen mag, mit buddhistischer Gelassenheit stellen.
Sie scheren sich einen Teufel um die Kosten der Firma, drucken ihre Briefe grundsätzlich fünfmal aus, statt sie beim ersten Mal sorgfältig zu lesen. Und während sie durch ihr eigenes Auto mit dem Staubsauger robben, hinterlassen sie den gemeinschaftlichen Dienstwagen als Müllhalde, natürlich mit leerem Tank und mit heruntergefahrenen Bremsbelägen.
Im Alltag sitzen sie ihre Zeit ab, machen Dienst nach Vorschrift und erwachen erst dann aus ihrer Lethargie, wenn der Feierabend und das Hobby rufen. Fußball statt Firma, abtanzen statt anpacken!
Auch diese Sicht wird von Daten gestützt. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Gallup gelten nur 13 Prozent der Mitarbeiter in deutschen Betrieben als engagiert. Der Rest macht »Dienst nach Vorschrift« oder gibt zu, »innerlich gekündigt« zu haben.
Chefs und Mitarbeiter: In den Firmen sitzen sie Wand an Wand - und doch trennen sie Welten! Da verbringen sie ihr halbes Leben miteinander, sind von Arbeitseintritt bis zur Rente 50 000 bis 70 000 Stunden aneinander gekettet - aber sie verstehen sich nicht, be kämpfen einander, reiben sich auf.
Miteinander können sie nicht, ohneeinander noch viel weniger. Chefs sind nur Chefs, solange sie Mitarbeiter haben; Mitarbeiter sind nur Mitarbeiter, solange sie Chefs haben. Gemeinsam sitzen sie in der Falle und machen sich das Berufsleben schwer. Fast in allen Unternehmen hängt der Haussegen schief.
Sind die Zeiten, als es noch Herren und Sklaven gab, wirklich vorbei? Oder tobt der alte Kampf noch immer, nur dass mit anderen Mitteln gefochten wird? Heißen die modernen Peitschenhiebe der Arbeitgeber »Nullrunde«, »Einstellungsstopp« und »Arbeitsplatzverlagerung «? Heißt der moderne Aufstand der Arbeitnehmer »innere Emigration« und »Leistungsverweigerung«? Und sagt nicht schon der Begriff »Tarifschlacht«, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich immer noch in einem Krieg gegeneinander wähnen?
Dass alles schief geht, was schief gehen kann - dieses Gesetz von Edward Murphy trifft auf Chefs und Mitarbeiter in vollem Umfang zu. Am Anfang dieser Beziehung war nicht nur das Wort, da war schon das erste Missverständnis. Der sich »Arbeitgeber« nennt, gibt gar keine Arbeit (oder Arbeitsleistung), im Gegenteil: Er nimmt sie. Und zwar von seinem Mitarbeiter, den er irrigerweise zum »Arbeitnehmer« erklärt - obwohl der doch seine Arbeitskraft gibt und dafür nur Gehalt nimmt.
Man könnte dieses Missverständnis abhaken, wäre es nicht so bezeichnend. Herrscht doch zwischen dem Gebenden und dem Nehmenden ein Gefälle. Die Mutter gibt dem Säugling Milch, der Reiche gibt dem Bettler Brot, und der Lehrer gibt seinem Schüler eine Note.
Wer gibt, ist mächtig. Er hat den anderen in der Hand, vor allem durch die Möglichkeit, seine milde Gabe zu verweigern. Dieser Entzug kann den Nehmenden, der oft ein Abhängiger ist, in große Schwierigkeiten bringen. Mancher Mitarbeiter wird jetzt mit dem Kopf nicken und sagen: »Trifft alles auf Arbeitgeber zu! Schließlich können sie über ihre Mitarbeiter verfügen, sie bestrafen und befördern, einstellen und entlassen.«
Arbeitnehmer hängen von Arbeitgebern ab. Aber wie steht es umgekehrt? Schmölze nicht jede Weltfirma über Nacht zur lächerlichen Ich-AG, zöge man die Mitarbeiter ab? Zwar stimmt es, dass Chefs die Köpfe des Unternehmens sein sollten. Aber was bringt ein Schlachtplan, wenn ihn keiner ausführt oder wenn er an der Realität vorbeigeht? Chefs können nur so gut wie ihre Mitarbeiter sein. Es geht ihnen wie Trainern im Fußball: Wenn die Mannschaft versagt, wackelt ihr Stuhl.
Die so genannten Arbeitgeber sind auf die so genannten Arbeitnehmer in allerhöchstem Maße angewiesen. Die Mitarbeiter bilden die Brücke zwischen grünem Tisch und klingelnder Kasse. Sie sind es, die Kunden beraten, Computer programmieren, Hämmer schwingen und am Fließband stehen. Sie sorgen für die Produktion und für den Gewinn. Der bekannte Managementautor Peter F. Drucker fordert sogar, dass die Mitarbeiter nicht nur als Kostenfaktor in der Bilanz auftauchen, sondern als Aktiva der Firma - als einziges »Kapital«, durch das sich in Zeiten der Wissensgesellschaft und Globalisierung ein Vorsprung am Markt sichern lässt.
Drucker schreibt in seinem Buch Umbruch im Management: »In den meisten Organisationen wird (...) noch immer geglaubt, was Arbeitgeber im 19. Jahrhundert angenommen haben: Die Mitarbeiter sind viel mehr auf uns angewiesen als wir auf sie. Tatsächlich aber müssen die Organisationen die Mitgliedschaft in ihren eigenen Reihen ebenso schmackhaft machen, wie es bei der Vermarktung ihrer Produkte und Dienstleistungen der Fall ist - wenn nicht sogar darüber hinaus. Sie müssen Menschen anziehen, halten, sie anerkennen und belohnen, Menschen motivieren, sie bedienen und zufrieden stellen.«
Wer kennt nicht das Sprichwort von den Mäusen, die angeblich auf dem Tisch tanzen, sobald die Katze aus dem Haus ist? In vielen Firmen wird es von Chefs und von Mitarbeitern zitiert. Wobei natürlich die Arbeitnehmer als Mäuse gelten, piepsend und winzig - und die Arbeitgeber als Katzen, fauchend und groß.
Dieses Bild offenbart eine interessante Selbstdefinition: Chefs und Mitarbeiter sehen sich als natürliche Feinde! Die Arbeitgeber haben lange Krallen, die Arbeitnehmer müssen sich hüten. Keine Partnerschaft auf einer Augenhöhe, denn Katzen brauchen Mäuse nur, um ihre Bedürfnisse, um Hunger und Spieltrieb, zu befriedigen. Mäuse dagegen gelten als schlau. Sie fressen sich auf Kosten anderer durch. Sie verkriechen sich in Löcher, sobald Gefahr droht. Sie sind schnell und flink. Oft treten sie in Gruppen auf, was die Katze verwirren kann.
Tatsächlich braucht mancher Chef nur das Großraumbüro zu betreten, schon ist die Unbeschwertheit vorbei. Lacher verstummen, Mienen erstarren, Grüppchen lösen sich auf.
Wer gerade noch die Kaffeetasse hielt, greift zur Arbeit. Wer gerade noch ins Telefon geflüstert hat, verabschiedet sich förmlich. Und wer privat im Internet surfte, öffnet blitzschnell ein Dokument mit Arbeit.
Warum sind die Mäuse vor den Augen des Chefs so brav? Weil sie nicht gefressen werden wollen - nicht angebafft, nicht abgemahnt und schon gar nicht gefeuert. Also spielen sie die Musterschüler. Sie trinken ihren Kaffee schneller, schicken einen Druckbefehl nach dem anderen ab und wirbeln auch sonst viel Arbeitsstaub auf. Ihre Albernheiten behalten sie für sich. Der Planet, um den jetzt scheinbar alles kreist, heißt »Arbeit«.
Viele Chefs sind auch noch stolz darauf, dass sie ihre Mitarbeiter so gut »im Griff« haben. Das klingt nach Schraubstock - und ist auch genauso gemeint! Heimlich wird der Mitarbeiter als Faulpelz gesehen, der nur so lange im Takt marschiert, wie man ihm den Marsch bläst.
Das Problem dieser Art von Führung: Sobald sich der Griff lockert, sobald der Chef seinen Mitarbeitern den Rücken zudreht, reagieren diese wie Sprungfedern. Sie schnellen in die entgegengesetzte Richtung - vom Geschäft zum Schnaps, von der Bilanz auf die Lieblingshomepage, vom Arbeiten in den Feierabend.
Wo aber die Mitarbeiter nur nach ihrer Arbeitsleistung beurteilt werden, wo niemand die Pausen stoppt, die Internet-Besuche kontrolliert und an einem privaten Wort Anstoß nimmt, kommen gewöhnlich gar keine Mäuse vor!
Provokant ließe sich sagen: Nur ein Chef, der beim Führen Käse macht, hat tanzende Mäuse als Mitarbeiter!
Ob auf dem Flur, in der Kantine oder am Kopierer: Wo immer Mitarbeiter ihre Köpfe zusammenstecken, ist der Chef ihr Lieblingsthema. Laut Stern-Online lästert der durchschnittliche Mitarbeiter pro Woche vier Stunden über seinen Vorgesetzen. In dieser Zeit könnte man einen Marathon laufen, zwei Spielfilme schauen oder ziemlich viel Arbeit vom Tisch schaffen!
Genüsslich wird der Chef durch die Lästermühle gedreht. Dabei sind alle Typen dran. Die einen Mitarbeiter lassen sich über Chef A aus, weil der grundsätzlich im Alleingang entscheidet. Er gilt als eigensinnig, weltfremd und unbelehrbar. Die nächsten Mitarbeiter ziehen über Chef B her, weil der immer auf andere hört: Hat er denn keine eigene Meinung? Braucht er immer fremden Rat? Wenn ja, hält er sich nicht an die falschen Ratgeber?
Geht ein Chef als Erster nach Hause, ist er für seine Mitarbeiter faul. Sitzt er als Letzter noch am Schreibtisch, ist er Workaholic. Belässt er alles beim Alten, verpasst er den Zug der Zeit. Setzt er Veränderungen durch, sieht man ihn als Hasardeur, der die Zukunft der Firma aufs Spiel setzt. Ein Chef macht alles falsch, weil er der Chef ist. Und seine Mitarbeiter wissen alles besser, weil sie die Mitarbeiter sind. Bei jedem Lästern schwingt außerdem leise die Botschaft mit: »Ich könnte es besser (aber darf ja nicht ran).«
Ist die Kritik der Mitarbeiter denn unbegründet? Nörgeln sie aus Prinzip? Nicht nur! Oft wird ihnen der Lästerstoff auf dem Silbertablett serviert. Wie viele Computersysteme wurden schon eingeführt, Werbekampagnen ausgedacht, Produkte entwickelt und Personalentscheidungen getroffen, deren Unsinn den Mitarbeitern auf den ersten Blick klar war! Entscheidungen fallen oft im Meeting, wo sich die studierte Weltfremdheit der Firma versammelt. Die Praktiker bleiben vor der Tür. Ihre Einwände sind nicht erwünscht, werden oft als »Miesmacherei« gewertet. Ruhe scheint erste Mitarbeiterpflicht zu sein.
Die Arbeitnehmer schlucken ihre Kritik herunter, statt sie offen vorzutragen. Im Alltag baden sie die Fehler der Chefs aus. Doch die Gedanken sind frei, und dem Schlucken folgt das Spucken. Seit Menschengedenken spotten die Unterdrückten über ihre Unterdrücker: die Schüler über ihre Lehrer, die Sklaven über ihre Herren und die Mitarbeiter über ihre Chefs. Gerade autoritäre Vorgesetzte schüren bei Mitarbeitern Angriffe hinter dem eigenen Rücken.
Lästern macht Spaß, man findet dabei schnell Freunde; ein gemeinsamer »Feind« schweißt zusammen. Wer schlecht über einen anderen redet, fühlt sich moralisch überlegen. Außerdem muss er nur sagen, was ihm nicht passt, aber keine konstruktiven Vorschläge machen; Lästern ist leicht.
So baut der Mitarbeiter mit spitzer Zunge seine Aggressionen ab. Aber da der Chef von dieser Kritik offiziell nie etwas erfährt (hinter dem Rücken wird sie ihm natürlich zugetragen!), wird er offiziell nie etwas an den kritisierten Zuständen verändern. Die Missstände bleiben, was höchstens einen vermeintlichen Vorteil hat: Der Stoff zum Lästern geht nie aus.
Wie wäre es, wenn die Mitarbeiter ihre Läster-Energie in eine konstruktive Richtung lenken würden? In meinen Coachings fordere ich viele Klienten dazu auf, in der Mitte eines DIN-A 4-Blattes einen Strich von oben nach unten zu ziehen. Über die linke Spalte schreiben sie: »An meinem Chef passt mir nicht, dass ...« Darunter können sie nach Herzenslust meckern, jammern und kritisieren. Punkt für Punkt. Erfahrungsgemäß reicht ein Blatt nicht aus. Wenn sie Dampf abgelassen haben, schlage ich ihnen vor, über die rechte Spalte zu schreiben: »Statt dessen wünsche ich mir ...« Nun gehen sie die einzelnen Punkte durch. Automatisch wird ihr Blick von der Sackgasse auf das Ziel gelenkt. Wenn links steht: »Mein Chef lobt mich nie!«, schreiben sie rechts zum Beispiel daneben: »Ich wünsche mir eine regelmäßige Rückmeldung.«
Der Vorteil: Solche konstruktiven Wünsche kann man als Mitarbeiter offen vorbringen. So schafft man Probleme aus der Welt, statt sie beim Lästern nur unter die Lupe zu nehmen - und sie größer zu sehen, als sie sind!
»Guten Morgen, Herr Doktor«, flötet Frau Müller, die Vorstandssekretärin, setzt ihr Lächeln auf und fliegt zur Kaffeemaschine, wo sein Lieblingsbecher schon parat steht. Kaum hat der Chef seinen Platz erreicht, kommt sie mit der dampfenden Tasse geeilt, Milch und Zucker inklusive. Während er schon zum Telefon greift, zieht sie sich auf leisen Sohlen zurück, nicht ohne einen entschuldigenden Blick, weil sie noch immer im Büro ist.
© Ullstein eBooks
Viele Arbeitnehmer fühlen sich vom Chef als potenzielle Faulpelze behandelt, die es mit Peitsche und Zuckerbrot am Einschlafen zu hindern gilt. Interessante Arbeiten werden zur Chefsache erklärt, die gestapelte Langeweile wird delegiert. Gelingt eine Arbeit, war es der Chef allein. Geht sie daneben, waren es seine Untergebenen.
Nach einer Umfrage der Internet-Jobbörse StepStone schämen sich 50 Prozent der Mitarbeiter in Deutschland für ihren Arbeitgeber - womit sicher nicht nur die Firmen gemeint sind, sondern stellvertretend die Chefs. Noch dramatischer ist das Ergebnis einer Studie des geva-Instituts in München:
88 Prozent aller Mitarbeiter halten ihren (Ex-)Chef für schwierig. Jeder Fünfte gibt an, ihn zu hassen.
Wie denkt die Gegenseite? Oft erleben Chefs ihre Belegschaft als Drückeberger und Faulenzer, die nur dann richtig zupacken, wenn sie nach der Lohntüte greifen. Statt dankbar zu sein, dass sie überhaupt einen Arbeitsplatz haben, stellen die Arbeitnehmer angeblich am laufenden Band Forderungen. Sie wollen mehr Gehalt, mehr Anerkennung, mehr Freizeit. Sie wollen einen Chef, der unfehlbar wie ein Gott ist, sind aber weit entfernt davon, ihn anzubeten. Vielmehr soll er sich jeder Kritik, auch wenn sie ihm wie Gotteslästerung erscheinen mag, mit buddhistischer Gelassenheit stellen.
Sie scheren sich einen Teufel um die Kosten der Firma, drucken ihre Briefe grundsätzlich fünfmal aus, statt sie beim ersten Mal sorgfältig zu lesen. Und während sie durch ihr eigenes Auto mit dem Staubsauger robben, hinterlassen sie den gemeinschaftlichen Dienstwagen als Müllhalde, natürlich mit leerem Tank und mit heruntergefahrenen Bremsbelägen.
Im Alltag sitzen sie ihre Zeit ab, machen Dienst nach Vorschrift und erwachen erst dann aus ihrer Lethargie, wenn der Feierabend und das Hobby rufen. Fußball statt Firma, abtanzen statt anpacken!
Auch diese Sicht wird von Daten gestützt. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Gallup gelten nur 13 Prozent der Mitarbeiter in deutschen Betrieben als engagiert. Der Rest macht »Dienst nach Vorschrift« oder gibt zu, »innerlich gekündigt« zu haben.
Chefs und Mitarbeiter: In den Firmen sitzen sie Wand an Wand - und doch trennen sie Welten! Da verbringen sie ihr halbes Leben miteinander, sind von Arbeitseintritt bis zur Rente 50 000 bis 70 000 Stunden aneinander gekettet - aber sie verstehen sich nicht, be kämpfen einander, reiben sich auf.
Miteinander können sie nicht, ohneeinander noch viel weniger. Chefs sind nur Chefs, solange sie Mitarbeiter haben; Mitarbeiter sind nur Mitarbeiter, solange sie Chefs haben. Gemeinsam sitzen sie in der Falle und machen sich das Berufsleben schwer. Fast in allen Unternehmen hängt der Haussegen schief.
Sind die Zeiten, als es noch Herren und Sklaven gab, wirklich vorbei? Oder tobt der alte Kampf noch immer, nur dass mit anderen Mitteln gefochten wird? Heißen die modernen Peitschenhiebe der Arbeitgeber »Nullrunde«, »Einstellungsstopp« und »Arbeitsplatzverlagerung «? Heißt der moderne Aufstand der Arbeitnehmer »innere Emigration« und »Leistungsverweigerung«? Und sagt nicht schon der Begriff »Tarifschlacht«, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich immer noch in einem Krieg gegeneinander wähnen?
Dass alles schief geht, was schief gehen kann - dieses Gesetz von Edward Murphy trifft auf Chefs und Mitarbeiter in vollem Umfang zu. Am Anfang dieser Beziehung war nicht nur das Wort, da war schon das erste Missverständnis. Der sich »Arbeitgeber« nennt, gibt gar keine Arbeit (oder Arbeitsleistung), im Gegenteil: Er nimmt sie. Und zwar von seinem Mitarbeiter, den er irrigerweise zum »Arbeitnehmer« erklärt - obwohl der doch seine Arbeitskraft gibt und dafür nur Gehalt nimmt.
Man könnte dieses Missverständnis abhaken, wäre es nicht so bezeichnend. Herrscht doch zwischen dem Gebenden und dem Nehmenden ein Gefälle. Die Mutter gibt dem Säugling Milch, der Reiche gibt dem Bettler Brot, und der Lehrer gibt seinem Schüler eine Note.
Wer gibt, ist mächtig. Er hat den anderen in der Hand, vor allem durch die Möglichkeit, seine milde Gabe zu verweigern. Dieser Entzug kann den Nehmenden, der oft ein Abhängiger ist, in große Schwierigkeiten bringen. Mancher Mitarbeiter wird jetzt mit dem Kopf nicken und sagen: »Trifft alles auf Arbeitgeber zu! Schließlich können sie über ihre Mitarbeiter verfügen, sie bestrafen und befördern, einstellen und entlassen.«
Arbeitnehmer hängen von Arbeitgebern ab. Aber wie steht es umgekehrt? Schmölze nicht jede Weltfirma über Nacht zur lächerlichen Ich-AG, zöge man die Mitarbeiter ab? Zwar stimmt es, dass Chefs die Köpfe des Unternehmens sein sollten. Aber was bringt ein Schlachtplan, wenn ihn keiner ausführt oder wenn er an der Realität vorbeigeht? Chefs können nur so gut wie ihre Mitarbeiter sein. Es geht ihnen wie Trainern im Fußball: Wenn die Mannschaft versagt, wackelt ihr Stuhl.
Die so genannten Arbeitgeber sind auf die so genannten Arbeitnehmer in allerhöchstem Maße angewiesen. Die Mitarbeiter bilden die Brücke zwischen grünem Tisch und klingelnder Kasse. Sie sind es, die Kunden beraten, Computer programmieren, Hämmer schwingen und am Fließband stehen. Sie sorgen für die Produktion und für den Gewinn. Der bekannte Managementautor Peter F. Drucker fordert sogar, dass die Mitarbeiter nicht nur als Kostenfaktor in der Bilanz auftauchen, sondern als Aktiva der Firma - als einziges »Kapital«, durch das sich in Zeiten der Wissensgesellschaft und Globalisierung ein Vorsprung am Markt sichern lässt.
Drucker schreibt in seinem Buch Umbruch im Management: »In den meisten Organisationen wird (...) noch immer geglaubt, was Arbeitgeber im 19. Jahrhundert angenommen haben: Die Mitarbeiter sind viel mehr auf uns angewiesen als wir auf sie. Tatsächlich aber müssen die Organisationen die Mitgliedschaft in ihren eigenen Reihen ebenso schmackhaft machen, wie es bei der Vermarktung ihrer Produkte und Dienstleistungen der Fall ist - wenn nicht sogar darüber hinaus. Sie müssen Menschen anziehen, halten, sie anerkennen und belohnen, Menschen motivieren, sie bedienen und zufrieden stellen.«
Wer kennt nicht das Sprichwort von den Mäusen, die angeblich auf dem Tisch tanzen, sobald die Katze aus dem Haus ist? In vielen Firmen wird es von Chefs und von Mitarbeitern zitiert. Wobei natürlich die Arbeitnehmer als Mäuse gelten, piepsend und winzig - und die Arbeitgeber als Katzen, fauchend und groß.
Dieses Bild offenbart eine interessante Selbstdefinition: Chefs und Mitarbeiter sehen sich als natürliche Feinde! Die Arbeitgeber haben lange Krallen, die Arbeitnehmer müssen sich hüten. Keine Partnerschaft auf einer Augenhöhe, denn Katzen brauchen Mäuse nur, um ihre Bedürfnisse, um Hunger und Spieltrieb, zu befriedigen. Mäuse dagegen gelten als schlau. Sie fressen sich auf Kosten anderer durch. Sie verkriechen sich in Löcher, sobald Gefahr droht. Sie sind schnell und flink. Oft treten sie in Gruppen auf, was die Katze verwirren kann.
Tatsächlich braucht mancher Chef nur das Großraumbüro zu betreten, schon ist die Unbeschwertheit vorbei. Lacher verstummen, Mienen erstarren, Grüppchen lösen sich auf.
Wer gerade noch die Kaffeetasse hielt, greift zur Arbeit. Wer gerade noch ins Telefon geflüstert hat, verabschiedet sich förmlich. Und wer privat im Internet surfte, öffnet blitzschnell ein Dokument mit Arbeit.
Warum sind die Mäuse vor den Augen des Chefs so brav? Weil sie nicht gefressen werden wollen - nicht angebafft, nicht abgemahnt und schon gar nicht gefeuert. Also spielen sie die Musterschüler. Sie trinken ihren Kaffee schneller, schicken einen Druckbefehl nach dem anderen ab und wirbeln auch sonst viel Arbeitsstaub auf. Ihre Albernheiten behalten sie für sich. Der Planet, um den jetzt scheinbar alles kreist, heißt »Arbeit«.
Viele Chefs sind auch noch stolz darauf, dass sie ihre Mitarbeiter so gut »im Griff« haben. Das klingt nach Schraubstock - und ist auch genauso gemeint! Heimlich wird der Mitarbeiter als Faulpelz gesehen, der nur so lange im Takt marschiert, wie man ihm den Marsch bläst.
Das Problem dieser Art von Führung: Sobald sich der Griff lockert, sobald der Chef seinen Mitarbeitern den Rücken zudreht, reagieren diese wie Sprungfedern. Sie schnellen in die entgegengesetzte Richtung - vom Geschäft zum Schnaps, von der Bilanz auf die Lieblingshomepage, vom Arbeiten in den Feierabend.
Wo aber die Mitarbeiter nur nach ihrer Arbeitsleistung beurteilt werden, wo niemand die Pausen stoppt, die Internet-Besuche kontrolliert und an einem privaten Wort Anstoß nimmt, kommen gewöhnlich gar keine Mäuse vor!
Provokant ließe sich sagen: Nur ein Chef, der beim Führen Käse macht, hat tanzende Mäuse als Mitarbeiter!
Ob auf dem Flur, in der Kantine oder am Kopierer: Wo immer Mitarbeiter ihre Köpfe zusammenstecken, ist der Chef ihr Lieblingsthema. Laut Stern-Online lästert der durchschnittliche Mitarbeiter pro Woche vier Stunden über seinen Vorgesetzen. In dieser Zeit könnte man einen Marathon laufen, zwei Spielfilme schauen oder ziemlich viel Arbeit vom Tisch schaffen!
Genüsslich wird der Chef durch die Lästermühle gedreht. Dabei sind alle Typen dran. Die einen Mitarbeiter lassen sich über Chef A aus, weil der grundsätzlich im Alleingang entscheidet. Er gilt als eigensinnig, weltfremd und unbelehrbar. Die nächsten Mitarbeiter ziehen über Chef B her, weil der immer auf andere hört: Hat er denn keine eigene Meinung? Braucht er immer fremden Rat? Wenn ja, hält er sich nicht an die falschen Ratgeber?
Geht ein Chef als Erster nach Hause, ist er für seine Mitarbeiter faul. Sitzt er als Letzter noch am Schreibtisch, ist er Workaholic. Belässt er alles beim Alten, verpasst er den Zug der Zeit. Setzt er Veränderungen durch, sieht man ihn als Hasardeur, der die Zukunft der Firma aufs Spiel setzt. Ein Chef macht alles falsch, weil er der Chef ist. Und seine Mitarbeiter wissen alles besser, weil sie die Mitarbeiter sind. Bei jedem Lästern schwingt außerdem leise die Botschaft mit: »Ich könnte es besser (aber darf ja nicht ran).«
Ist die Kritik der Mitarbeiter denn unbegründet? Nörgeln sie aus Prinzip? Nicht nur! Oft wird ihnen der Lästerstoff auf dem Silbertablett serviert. Wie viele Computersysteme wurden schon eingeführt, Werbekampagnen ausgedacht, Produkte entwickelt und Personalentscheidungen getroffen, deren Unsinn den Mitarbeitern auf den ersten Blick klar war! Entscheidungen fallen oft im Meeting, wo sich die studierte Weltfremdheit der Firma versammelt. Die Praktiker bleiben vor der Tür. Ihre Einwände sind nicht erwünscht, werden oft als »Miesmacherei« gewertet. Ruhe scheint erste Mitarbeiterpflicht zu sein.
Die Arbeitnehmer schlucken ihre Kritik herunter, statt sie offen vorzutragen. Im Alltag baden sie die Fehler der Chefs aus. Doch die Gedanken sind frei, und dem Schlucken folgt das Spucken. Seit Menschengedenken spotten die Unterdrückten über ihre Unterdrücker: die Schüler über ihre Lehrer, die Sklaven über ihre Herren und die Mitarbeiter über ihre Chefs. Gerade autoritäre Vorgesetzte schüren bei Mitarbeitern Angriffe hinter dem eigenen Rücken.
Lästern macht Spaß, man findet dabei schnell Freunde; ein gemeinsamer »Feind« schweißt zusammen. Wer schlecht über einen anderen redet, fühlt sich moralisch überlegen. Außerdem muss er nur sagen, was ihm nicht passt, aber keine konstruktiven Vorschläge machen; Lästern ist leicht.
So baut der Mitarbeiter mit spitzer Zunge seine Aggressionen ab. Aber da der Chef von dieser Kritik offiziell nie etwas erfährt (hinter dem Rücken wird sie ihm natürlich zugetragen!), wird er offiziell nie etwas an den kritisierten Zuständen verändern. Die Missstände bleiben, was höchstens einen vermeintlichen Vorteil hat: Der Stoff zum Lästern geht nie aus.
Wie wäre es, wenn die Mitarbeiter ihre Läster-Energie in eine konstruktive Richtung lenken würden? In meinen Coachings fordere ich viele Klienten dazu auf, in der Mitte eines DIN-A 4-Blattes einen Strich von oben nach unten zu ziehen. Über die linke Spalte schreiben sie: »An meinem Chef passt mir nicht, dass ...« Darunter können sie nach Herzenslust meckern, jammern und kritisieren. Punkt für Punkt. Erfahrungsgemäß reicht ein Blatt nicht aus. Wenn sie Dampf abgelassen haben, schlage ich ihnen vor, über die rechte Spalte zu schreiben: »Statt dessen wünsche ich mir ...« Nun gehen sie die einzelnen Punkte durch. Automatisch wird ihr Blick von der Sackgasse auf das Ziel gelenkt. Wenn links steht: »Mein Chef lobt mich nie!«, schreiben sie rechts zum Beispiel daneben: »Ich wünsche mir eine regelmäßige Rückmeldung.«
Der Vorteil: Solche konstruktiven Wünsche kann man als Mitarbeiter offen vorbringen. So schafft man Probleme aus der Welt, statt sie beim Lästern nur unter die Lupe zu nehmen - und sie größer zu sehen, als sie sind!
»Guten Morgen, Herr Doktor«, flötet Frau Müller, die Vorstandssekretärin, setzt ihr Lächeln auf und fliegt zur Kaffeemaschine, wo sein Lieblingsbecher schon parat steht. Kaum hat der Chef seinen Platz erreicht, kommt sie mit der dampfenden Tasse geeilt, Milch und Zucker inklusive. Während er schon zum Telefon greift, zieht sie sich auf leisen Sohlen zurück, nicht ohne einen entschuldigenden Blick, weil sie noch immer im Büro ist.
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Autoren-Porträt von Martin Wehrle
<strong>Martin Wehrle</strong> war Führungskraft in einem Konzern, ehe seine Erfolgsstory als Karrierecoach begann. Heute leitet er die Karriereberater-Akademie in Hamburg und bildet Karrierecoachs aus. Er hat über ein Dutzend Bücher veröffentlicht, bei Econ zuletzt den aktuellen Bestseller „Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus“ (2012).
Bibliographische Angaben
- Autor: Martin Wehrle
- 2013, 224 Seiten, Deutsch
- Verlag: Ullstein eBooks
- ISBN-10: 3843704775
- ISBN-13: 9783843704779
- Erscheinungsdatum: 12.04.2013
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