Nextopia (ePub)
Freu dich auf die Zukunft - du wirst ihr nicht entkommen!
Leider schon ausverkauft
eBook (ePub)
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenloser tolino webreader
Produktdetails
Produktinformationen zu „Nextopia (ePub)“
Lese-Probe zu „Nextopia (ePub)“
NICHT UNBEDINGT BESSER, ABER GANZ BESTIMMT ANDERS Dieses Buch war einige Zeit lang ein fortlaufendes Projekt und begann in Form des (für mich jedenfalls) unbezahlbaren Blogs Nextopia (www.nextopia.info). Schon früh entdeckte ein Business-Magazin den damit verbundenen Hype und schrieb eine Reportage über den "dystopischen Blog" - schwerpunktmäßig über jene Beiträge, die sich mit unserer Unfähigkeit befassten, länger als drei Monate am Stück glücklich zu sein, und mit der Tatsache, dass wir uns selbst immer mehr unter Druck setzen und immer mehr verlangen, je mehr wir erreichen und bekommen. Das Business-Magazin erkannte allerdings nicht, dass Glücklichsein zwar zusehends schwieriger wird, Glücklichwerden jedoch aufgrund der Weiterentwicklung der Gesellschaft, der wachsenden Zahl von Möglichkeiten und unserer zunehmenden Fähigkeit, sie zu nutzen, leichter ist als je zuvor. Die Welt verändert sich mit einer Geschwindigkeit, die niemand mehr begreifen kann. Durch die globalen Verknüpfungen werden Zeitzonen aufgehoben, und Begriffe wie "hier" und "jetzt" verlieren an Bedeutung. Das Gestern ist nur von geringem Interesse, wenn wir überhaupt in der Lage sind, es zu verstehen. Wir leben also in einer Erwartungsgesellschaft. Morgen ist der einzige relevante Zeitrahmen, und unser Alltags-, Geschäfts- und Liebesleben kreist um die Erwartungen an die Zukunft. Um ein Forschungsergebnis aus der vorletzten Episode dieses Buches vorwegzunehmen (wo Leute beim Genuss von Grapefruitsaft Orangen schmecken, weil sie genau das erwarten), könnte man sagen, dass die Methoden und Gesetzmäßigkeiten der Erwartungsgesellschaft nicht unbedingt besser, aber ganz bestimmt anders sind: Wir führen unser Leben als kommendes Werk, kämpfen für die Verlängerung unserer fünfzehn Millisekunden Ruhm, können uns niemals auf unseren vergangenen Leistungen ausruhen und drängen uns immer dazu, mit unseren nächsten Leistungen besonders herauszuragen. Eine Gesellschaft, in der wir nicht lange glücklich sein
... mehr
können, anscheinend eine dystopische Gesellschaft. Aber dies ist ein fröhliches Buch. Mithilfe von Sex, Drugs und Rock'n'Roll - fundamental für unsere menschliche Funktionsweise und die Art, sie auszudrücken - und zusätzlicher Unterstützung von iPads über den Simpsons-Film bis hin zu einem Abendessen mit Cameron Diaz werde ich Ihnen am Ende der Lektüre hoffentlich verständlich gemacht haben, warum. Erwarten Sie eine aufregende Reise! EPISODE 1 Willkommen in der Erwartungsgesellschaft "You've got great expectations You'd even sell me your soul" Kiss (aus dem Song Great Expectations vom Album Destroyer) Analsex. Was hat Analsex mit dem iPad von Apple, mit Disneys animierten Kinofilm-Autos und dem US-Präsidenten Barack Obama gemeinsam? Antwort: Es sind alles Symptome unserer sich ändernden Verhaltensweisen und einer Evolution, die seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts in den meisten Teilen der Welt stattfindet, zunächst nur als Flüstern, dann kontinuierlich lauter werdend, bis sie während der letzten paar Jahre zu einem Brüllen wurde. Sie sind Markenzeichen der Gesellschaft, in der wir heute leben, und eine Vorschau darauf, wie sich Alltag, Geschäftliches und Liebe in Zukunft entwickeln werden. Sie sind Ausblicke auf die Erwartungsgesellschaft. Stellen Sie sich vor, Sie hätten heute Abend ein Date. Wie fühlen Sie sich dabei? Höchstwahrscheinlich sind Sie aufgeregt und erwarten die beste Verabredung, die Sie je hatten. In der Erwartungsgesellschaft freuen sich Menschen auf der ganzen Welt auf ein für heute Abend geplantes Rendezvous und eilen in Richtung Nextopia, wo das jeweils nächste Date das beste aller Zeiten ist. Nextopia verspricht uns, dass unsere nächste Verabredung, unser nächster Job, das nächste Produkt, das wir kaufen, das nächste Irgendwas besser sein wird als alles, was wir bisher erlebt haben. In einer Welt, in der buchstäblich alles heute verfügbar ist, steigt unser Interesse an dem, was als Nächstes kommt, und auf unserem Weg nach Nextopia bauen wir Stein für Stein, Erwartung für Erwartung eine Erwartungsgesellschaft auf. Die Erwartungsgesellschaft bietet zahlreiche Möglichkeiten, um glücklich zu werden. Tatsächlich war es noch nie leichter, Glück zu erfahren. Gleichzeitig war es auch noch nie schwieriger, glücklich zu bleiben. In der Erwartungsgesellschaft lebt ein Drittel aller italienischen Männer noch bei den Eltern. Es ist eine Gesellschaft, in der Erfolg so leicht ist wie nie zuvor, doch es ist schwerer als jemals, erfolgreich zu bleiben. Es ist ein Ort und eine Zeit, in der Andy Warhols Versprechen der "fünfzehn Minuten Ruhm" wie eine Ewigkeit erscheinen. In der Erwartungsgesellschaft ist verheiratet zu sein gleichbedeutend mit "gebunden, aber Ausschau haltend" - wenn man überhaupt verheiratet ist. Es ist eine Gesellschaft, in der man niemals besser ist als mit seinem nächsten Erfolg. In der Erwartungsgesellschaft stellt sich Steve Jobs vor einer Gruppe ausgewählter Reporter aus aller Welt auf eine Bühne. Es ist der 27. Januar 2010, ein frischer, aber sonniger Mittwochmorgen mitten im Winter. Ein kalter Tag, der die Welt zum Brodeln bringen wird. Stumme Erwartung beherrscht den Raum, als Steve um 9 Uhr Ortszeit die Bühne betritt. Feierlich berichtet er über die Weiterentwicklung des vergangenen Jahres und präsentiert Produktverbesserungen für das iPhone, den letzten großen Wurf des Unternehmens. Etwa eine halbe Stunde lang sitzt das Publikum still da, während Steve die Informationen abspult. Dann lässt er die Bombe platzen. Apple wird ein revolutionäres neues Gerät herausbringen. Während Steve erklärt, es sei "ein fantastisches neues Produkt eine Mischung aus Laptop und Smartphone", erscheinen auf der riesigen Leinwand hinter ihm vier Buchstaben, begleitet von Rauch und einem ohrenbetäubenden Knall: iPad. Die anwesenden Journalisten überschütten den Mann auf der Bühne mit Beifall wie religiös Bekehrte. Gleichzeitig rasen auf der ganzen Welt Finger über Tastaturen, um die Neuigkeit wie einen Buschbrand im Internet zu verbreiten. Endlich bestätigten sich die Gerüchte, die seit 2007 zirkulierten, als Jobs auf ähnliche Weise das iPhone vorgestellt und öffentlich erklärt hatte, das sei erst der Anfang. Innerhalb von zwei Monaten hält das iPad Einzug in den Wortschatz des Durchschnittsamerikaners (und des mit ihm verbundenen Weltbürgers) und ergibt über 75 Millionen Treffer bei Google. In dem Moment, da das Produkteinführungsdatum 31. März an diesem kühlen Januarmorgen über Steve Jobs' Lippen kommt, ist das iPad ebenso greifbar wie jedes andere Produkt auf dem Markt, greifbarer sogar als sämtliche anderen Produkte, die Apple bereits hervorgebracht hat. Noch greifbarer als all die Laptops und Smartphones, die Menschen auf aller Welt in ihren Händen und Taschen haben. So greifbar, dass mit Erreichen des Vorbestellungsdatums für die USA am 19. März, zwölf Tage vor der eigentlichen Einführung, sämtliche Server zusammenbrechen, weil Hunderttausende 499 Dollar für ein Produkt bezahlen, das sie weder gesehen noch ausprobiert haben, ein Produkt, das noch nicht existiert. Ein Produkt, das augenblicklich Gebote in zehnfacher Höhe des Kaufpreises bei eBay und anderen Auktionsplattformen weltweit auslöst. Ein Produkt, das die Nachfrage in Hysterie verwandelt, als Apple einen Monat später die Markteinführung in Europa um einige Wochen verschiebt und stattdessen Vorbestellungen entgegennimmt. Schon nach kurzer Zeit gehen die Verkaufszahlen für das noch nicht erhältliche iPad in die Millionen. Mit dem iPad wiederholt sich die moderne Geschichte. Erinnern Sie sich noch an jenen anderen Morgen mit Steve Jobs nur drei Jahre zuvor, als er gleichermaßen gemächlich zur Sache kommt? Doch um 9.43 Uhr ist der Augenblick für die große Neuigkeit dieses und der folgenden Tage erreicht. Steve Jobs präsentiert "einen iPod, ein Telefon, ein mobiles Internet-Kommunikationsgerät Es handelt sich NICHT um drei verschiedene Geräte. Und wir nennen es iPhone". Wow. Im Mai 2007, zwei Monate vor der Einführung, führt eine führende Zeitschrift für Verbrauchertechnologie eine Umfrage unter amerikanischen Kunden durch und stellt fest, dass das iPhone das bestbewertete Mobiltelefon ist. Die Verbraucher geben dem iPhone bessere Noten als den Geräten, die sie bereits besitzen. Noch vor dem Juni berichtet der zentrale Vertrieb von Apple über mehr als 1 Million Produktanfragen. Gleichzeitig hat sich der Aktienpreis im Laufe des Jahres mehr als verdoppelt. Schließlich wird am 29. Juni, einem schwülen Freitagabend, in New York City das begehrteste Handy der Welt eingeführt. Die ersten Exemplare sind sofort ausverkauft (es werden Maßnahmen ergriffen, um Hamster- und Wiederverkäufe zu vermeiden). Die Welt verlangt lauthals nach mehr iPhones zu 599 Dollar das Stück. Zwei Monate später, am 5. September, senkt Apple den Preis auf 399 Dollar. Die Geschichte des iPads und des iPhones könnten einem wie Märchen oder wenigstens wie außergewöhnliche Ereignisse vorkommen. Und es war einmal vor langer Zeit, da wären sie zu seltsam gewesen, um wahr zu sein. Heute werden sie jedoch von zahlreichen weiteren Geschichten und Ereignissen in den Schatten gestellt, die man im letzten Jahrhundert als "außergewöhnlich" bezeichnet hätte. Apple spielt besser mit Erwartungen als jeder andere Technologiehersteller. Durch extreme Verschwiegenheit im Hinblick auf künftige Projekte und die Herausgabe kleiner Informations- und Fehlinformationshäppchen schraubt Apple die Erwartungen ins Unermessliche hoch. So hoch, dass viele bei der Einführung der tatsächlichen Geräte Enttäuschung empfinden. Solange das Gerät nur in Nextopia existiert, macht es alles, was man sich wünscht. Wenn es dann auf den Markt kommt, kann es nur enttäuschen. Aber dann beginnt Apple mit dem nächsten Erwartungsspiel: Wann ist das iPad oder iPhone endlich zu haben? In einer Abfolge von langen Wartezeiten, Vorbestellungen, begrenzten Lieferungen und ausverkauften Geschäften schießen die Erwartungen wieder in die Höhe. Und wenn Sie das Gerät dann endlich in Händen halten und ihm gängige Funktionen wie 3G, MMS oder ein Kalender fehlen, macht Apple es noch einmal: "Warten Sie einfach auf unser nächstes Update, das enthält alles, was Sie sich wünschen. Wir müssen es bloß perfekt machen." Das Rezept: erst ein legendäres Gerücht, dann unmöglich zu kriegen und schließlich nur ein Update von der Perfektion entfernt. Wiederholung. Hervorragendes nextopianisches Marketing. Die Erwartungsgesellschaft ist ein Ort, an dem "in Kürze" ein Synonym für "jetzt" sein könnte, wo ein Animationsfilm, der in vier Jahren erscheinen soll, eine Milliarden Dollar schöpfende Realität ist. Denken Sie an einen anderen Morgen zurück als jenen, an dem Steve Jobs das iPad vorstellte. Die Inhaber von Spielzeuggeschäften auf der ganzen Welt hatten keine Ahnung, dass sie noch am selben Tag von Horden kreischender Kinder belagert werden würden, als sie an diesem Aprilmorgen im Jahr 2008 ihre Läden öffneten. Der 8. April war sehr kühl, und es wurde nur allmählich hell. Noch schien der Sommer so weit entfernt, dass die meisten Kinder nicht ans Spielen dachten, während sie sich aus ihren Betten kämpften. Doch das sollte sich innerhalb weniger Stunden ändern. Dick Cook, der Geschäftsführer von Disney Studios, und John Lasseter, der Kreativdirektor, sind von ihren Hauptquartieren in Kalifornien aus quer durch das Land gereist. Ein langer Nachmittag beginnt, als sie in New York City die Bühne für eine minutiös geplante Pressekonferenz betreten. Die beiden Männer bringen die ausgewählten Journalisten und Medienvertreter aus aller Welt zum Schweigen, die hierher eingeladen wurden, und eröffnen dann das mehrstündige Event. Nach und nach verraten die beiden ihrem Publikum, welche neuen Kinofilme des Unternehmens demnächst Premiere feiern werden, geben kurze Handlungsüberblicke, kündigen voller Stolz an, welche Prominenten jeweils als Synchronsprecher verpflichtet werden konnten, und zeigen eine Reihe kurzer Vorabausschnitte. Schließlich räuspert sich John Lasseter zum großen Finale: "Es wird auch eine mitreißende, hochoktanige neue Folge von Cars geben!" Obwohl Cars 2 nicht vor dem Sommer 2011 ins Kino kommen soll, sorgt der Film innerhalb weniger Stunden rund um den Globus für Schlagzeilen und lässt Scharen von Kindern weltweit über sämtliche geöffneten Spielzeuggeschäfte herfallen. Ungeachtet der Tatsache, dass sie in vier Jahren wahrscheinlich zu alt dafür und aus der Zielgruppe herausgewachsen sein werden, setzen sie ihre Erwartungen in den Kauf von Cars-Spielzeugen, Cars-Kleidungsstücken und Cars-Dekoartikeln um, was in der Branche für einen beispiellosen, monatelangen Multimillionen-Dollar-Umsatz sorgt. Unter Vorwegnahme der Zukunft werden die Kinder noch jahrelang die neuen Produkte rund um die Hauptcharaktere Lightning McQueen und Mater kaufen, alles in Erwartung des Filmstarts 2011. ................................................. Die Tribute von Panem - The Hunger Games Als der mit Spannung erwartete Film The Hunger Games am 23. März 2012 seine Premiere feierte, sorgte er gleich für einen neuen Rekord an den Kinokassen. Lange bevor er überhaupt veröffentlicht wurde, war der Film schon der erfolgreichste Kinofilm in den USA. Da man die Tickets schon einen Monat vor der Premiere bestellen konnte, machte The Hunger Games über 80 Prozent des Umsatzes des amerikanischen Vorverkaufsportals Fandango aus. Das heißt, für einen Film, der noch nicht einmal lief, wurden vier Mal so viele Tickets verkauft, wie für alle anderen bereits laufenden Filme zusammen. Der Hype wurde durch nicht weniger als vier verschiedene Trailer angestachelt. Der erste wurde bereits ein Jahr zuvor gesendet und heimste fast 30 Millionen Klicks auf YouTube ein. Und es überrascht nicht, dass die Filmemacher - im Sinne von Nextopia - den Termin für eine Fortsetzung ankündigen, die erst 18 Monate später in die Kinos kommen soll. Und zwar bevor der erste Teil überhaupt Premiere feierte. Weitere Fortsetzungen nicht ausgeschlossen. Ein Klassiker aus Nextopia. ................................................. In der Erwartungsgesellschaft ist die größte Führungspersönlichkeit der Welt immer die nächste. Fragen Sie beispielsweise nur all die vielen Leute, die sich an wieder einem anderen Morgen auf der National Mall in Washington versammelt haben. Pünktlich um 10 Uhr am 27. Januar 2009 beginnt die Amtseinführung des 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Trotz der winterlichen Jahreszeit fühlt sich dieser sonnige Tag wie Frühling an. Höchstwahrscheinlich geht ein Großteil der ungewöhnlichen Wärme auf die Masse von über 1,8 Millionen Zuschauern zurück, die sich von der National Mall bis zum Washington-Denkmal erstrecken, wie man später auf Satellitenbildern sieht. Diese beispiellose Zahl an einem Ort versammelter Menschen erhält noch Verstärkung durch über 60 Millionen Zuschauer im Internet und vor Fernsehbildschirmen auf aller Welt. Der Amtseid, den Barack Obama vor einem freudig erregten, nahezu hysterischen Millionenpublikum ablegt, kennzeichnet den Beginn seiner Präsidentschaftszeit und gleichzeitig das Ende seiner Regentschaft als beliebteste Führungspersönlichkeit aller Zeiten. Während der knapp acht Monate seiner Präsidentschaftskampagne erzeugte Barack Obama ein Interesse an seiner Person, wie es noch kein Politiker vor ihm erfahren hat. Tagtäglich fand er sich weltweit in Schlagzeilen und auf Titelseiten wieder, die 80 Millionen Google-Treffer zu seinem Namen waren fast das Doppelte von dem, was der noch regierende Präsident George W. Bush während seiner achtjährigen Amtszeit erreicht hatte. Anders als seine Rivalen um das Präsidentenamt und anders als alle vorhergehenden Präsidenten sagt Obama nichts über seine zurückliegenden Errungenschaften. Indem er sich als Präsident der Zukunft positioniert, gelingt es ihm, bei einer Umfrage der Washington Post sowohl von Amerikanern als auch im Ausland zum beliebtesten Präsidenten aller Zeiten gewählt zu werden - zwei Monate vor der Wahl, zwei Monate bevor er überhaupt zum Präsidenten gewählt worden ist. An jenem wunderschönen Januarmorgen seiner Vereidigung erreichen die Erwartungen ihren Höhepunkt, und sein Beliebtheitsgrad liegt bei rekordverdächtigen 83 Prozent. Im Frühling, weniger als 100 Tage nach diesem ruhmreichen Wintermorgen, wird der Beliebtheitsgrad des dann regierenden Präsidenten auf rekordverdächtige 28 Prozent gesunken sein. Erkennen Sie das Muster bereits? Oder möchten Sie erst noch etwas über Analverkehr lesen, bevor Sie eins und eins zusammenzählen? So wie Sie gerade die Erwartung hegen, bald etwas über Analsex zu lesen, erzeugten Menschen auf der ganzen Welt 75 Millionen Google-Treffer zu einem technischen Gerät, das gar nicht existierte. In einer Zeit, da Laptops, Smartphones und digitale Geräte dutzendweise zu haben sind, waren die Leute total verrückt nach dem einzigen Apparat, der ihnen nicht zur Verfügung stand. Millionen von Menschen begeisterten sich dafür und waren überzeugt, dies sei das beste Produkt, das sie je besessen hätten. Oder besser gesagt: das sie zu besitzen erwarteten. Genau wie die Erwartungen an ein nicht existierendes technisches Gerät die Menschen in Begeisterung versetzten, erzeugte das Versprechen einer Filmpremiere in vier Jahren unverzüglich Milliardenumsätze und hielt die Spielzeugbranche auf Trab. Da die Kinder der Zeit nicht vorgreifen konnten, wandelten sie ihre Erwartungen in den Konsum jedes flüchtigen Ausblicks um, den sie bis dahin erhaschen konnten. Und so wie die Kinder in Spielzeuggeschäften auf der ganzen Welt einen Blick in die Zukunft warfen, schauten die Menschen hoch zu dem Mann vor dem Washington Memorial, in der Erwartung, die größte Führungspersönlichkeit aller Zeiten zu sehen, den Mann ohne Vergangenheit, doch mit dem Versprechen einer Zukunft, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen würde. Barack Obama ist mehr als der neueste Präsident der Vereinigten Staaten, er ist ein Symbol der Erwartungsgesellschaft. Einer Gesellschaft, die sich nicht darum schert, was gestern war. In der Erwartungsgesellschaft sind die Menschen weniger daran interessiert, was man getan hat, und stärker darauf konzentriert, was man als Nächstes tut. In der Erwartungsgesellschaft dreht sich die Welt ständig um das Bevorstehende. Das Heute ist die neueste Nachricht von gestern, und das Morgen sorgt für die Schlagzeilen von heute. Ruhm geht nicht mit Errungenschaften einher, sondern mit Erwartungen. Die 2.0-Version der Celebritys sind die Expectitys, die Aufsteigenden, das nächste ganz große Ding, die Erfolgsstorys von morgen. Jeder will wissen, wer morgen angesagt ist - und macht ihn damit schon heute angesagt. Jeder will einen Anteil von Google kaufen, dem Unternehmen, das in den letzten paar Jahren eine beispiellose Wertsteigerung erfahren hat, weil die Menschen erwarten, dass dort Gewinn gemacht wird. Genauso hat Google selbst YouTube gekauft in der Erwartung, aus dieser Video-Website einen Riesengewinn zu ziehen (nur dass sie immer noch nicht herausgefunden haben, wie sie das machen sollen). In der Erwartungsgesellschaft liegt die ganze Welt in Ihrer Reichweite. Glück und Erfolg warten gleich um die Ecke, denn es kommt nicht auf Ihre letzte Leistung an, sondern auf Ihre nächste. Das ist eine gute Nachricht: Sie müssen keinen Oscar gewonnen haben, um über den roten Teppich zu laufen; die bloße Möglichkeit, einen Oscar zu gewinnen, ist sogar die bessere Option. Die schlechte Nachricht ist, dass die schon jetzt ziemlich anstrengende Einstellung "Du bist niemals besser als bei deiner letzten Leistung" ersetzt wird durch "Du bist niemals besser als bei deiner nächsten Leistung". Statt den Ruhm zu genießen, nachdem Sie die Erwartungen endlich erfüllt haben, müssen Sie wieder neue Erwartungen wecken, um nicht auf der Strecke zu bleiben. In den meisten Teilen der Welt haben sich sowohl die Anzahl als auch die Häufigkeit glücklicher Momente in den letzten Jahren erhöht, doch dasselbe gilt auch für das Ausmaß der Belastung. Mit der Jahrtausendwende wichen die Generation X und die Generation Y der Generation Stress. Sowohl amerikanische als auch europäische Umfragen belegen, dass die 18- bis 35-Jährigen von heute aufgrund all der Möglichkeiten und Erwartungen, die ihre Umwelt und sie selbst auf sie projizieren, gestresster sind als je zuvor. Zum Glück entwickelt sich eine neue Generation, die Generation Boss, welche die ganze Welt als ihren Spielplatz betrachtet, multinationale Banken in die Knie zwingen kann und gewillt ist, dem Weltkapital ein anderes Gesicht zu geben. In der Erwartungsgesellschaft kann jeder tun, was er will, jederzeit, überall. Süchtig nach der mächtigsten Droge von allen, der Zukunft, leben wir länger, lieben wir mehr und setzen wir uns stärker unter Druck. Im Ansturm auf Nextopia ist nur eines gewiss: Alltag, Geschäftsleben und Liebesbeziehungen werden nie mehr so sein wie früher.
... weniger
Inhaltsverzeichnis zu „Nextopia (ePub)“
INHALTSVERZEICHNIS Nicht unbedingt besser, aber ganz bestimmt anders 13 EPISODE 1: Willkommen in der Erwartungsgesellschaft 15 EPISODE 2: Warum sind wir hier? 27 Wir können alles haben 29 Freizeitstress 31 Lang(e)Finger 36 EPISODE 3: Die Zeiten sind teurer geworden 37 Zeit ist Geld! 45 Lange Finger tun weh! 46 Sofort ist nicht schnell genug! 48 Gelegenheiten kosten Geld! 50 Keiner kommt davon! 56 Die Zukunft von heute zum Sonderpreis 58 Interessantheit macht das Rennen! 60 EPISODE 4: Alle sind glücklich 63 Was haben finnische Zwillinge mit kanadischen Senioren gemeinsam? 66 Treten wir auf der Stelle? 69 Lass uns heiraten - später! 73 Es ist nicht so schlimm wie erwartet! 74 Je höher, desto besser! 77 Zufriedenheit ist unsere Bestimmung 81 EPISODE 5: ... aber niemand bleibt glücklich 83 Sind Drogen die Antwort? 84 Dann vielleicht Essen oder Sex? 86 Was soll's, wenn es mich glücklich macht? 89 Aber niemand bleibt glücklich 91 Das Glück ist eine Bodenwelle 94 Wir müssen immer weiter! 96 Willkommen auf der Megaschnellstraße des Glücks! 99 Die Hintertür zum Glück 102 EPISODE 6: Nextopia 105 Warum rennen wir weiter? 108 Das Leben in der Zukunft ist eine Nextopie 113 Mach's einfach! 115 Alle Wege führen nach Nextopia 117 Nur darauf kommt es an! 118 Was in Nextopia geschieht, bleibt in Nextopia! 120 Lernen heißt Sterben! 121 Zurückblicken ist schrecklich! 124 EPISODE 7: Leben und Konsum in der Erwartungsgesellschaft 129 Goldene Erwartungen 135 Schlangestehen - ein Paradox des Vergnügens 138 Konsum als Trailerismus 140 Filmtrailer haben zwar einen Anfang, aber kein Ende 142 Wir sind so trendy wie nie zuvor! 145 Sie werden schon sehen! 151 Jeder wirbt für sich allein 154 Es hängt nicht alles an Zahlen 157 Demnächst: Ewige Jugend! 158 Das Mantra der Erwartungsgesellschaft: Du bist niemals besser als deine nächste Leistung 160 Versuch's mal? 162 Besser als alles bisher Dagewesene 164 EPISODE 8: Geschäftsleben in der Erwartungsgesellschaft 167 Die Zukunft verkaufen 174 Leben,
... mehr
als gäbe es kein Heute 178 Ein Abonnement auf die Zukunft 179 Expansion wird zu Nextpansion 185 Die unternehmerische Version der Paparazzi: Blogarazzi 188 Knapp außer Reichweite 190 Episode 9: Prolog 195 Wir übernehmen die Kontrolle 199 Überschallkonsum 202 Erwartungen sind ressourcenschonend 202 Erwartungen fördern die Innovation 203 Wo soll das alles mal enden? 204 Zurück auf Anfang 207 Quellen 237
... weniger
Autoren-Porträt von Micael Dahlén
Als Micael Dahlén mit 34 Jahren einen Lehrstuhl an der Stockholm School of Economics übernahm, war er einer der jüngsten Professoren Schwedens. Sein unkonventioneller Stil machte ihn nicht nur in der akademischen Welt bekannt, er wurde auch zum Medienliebling in Print, TV und Radio.
Bibliographische Angaben
- Autor: Micael Dahlén
- 2013, 1. Auflage, 246 Seiten, Deutsch
- Übersetzer: T. A. Wegberg
- Verlag: CAMPUS VERLAG GMBH
- ISBN-10: 3593419424
- ISBN-13: 9783593419428
- Erscheinungsdatum: 14.02.2013
Abhängig von Bildschirmgröße und eingestellter Schriftgröße kann die Seitenzahl auf Ihrem Lesegerät variieren.
eBook Informationen
- Dateiformat: ePub
- Größe: 8.30 MB
- Ohne Kopierschutz
- Vorlesefunktion
Family Sharing
eBooks und Audiobooks (Hörbuch-Downloads) mit der Familie teilen und gemeinsam genießen. Mehr Infos hier.
Kommentar zu "Nextopia"
0 Gebrauchte Artikel zu „Nextopia“
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Nextopia".
Kommentar verfassen