Schluss mit Kummer, Liebes! / Ullstein eBooks (ePub)
Geschichten vom Herzschmerz und wie er verging
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Schluss mit Kummer, Liebes! von Elena-Katharina SohnVorwort
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Liebe Leserin, lieber Leser,
wenn Sie dieses Buch in Ihren Händen halten, weil Sie an Liebeskummer leiden, habe ich nur einen einzigen Wunsch: Es soll Ihnen ein Trost sein.
Es soll Ihnen sagen Ich verstehe dich. Es soll Ihnen beistehen und zeigen Du bist nicht allein! Es soll Ihnen erzählen So war das bei mir mit dem Kummer und Ihnen Mut machen mit der Erkenntnis Ein gebrochenes Herz kann man heilen!
Die folgenden 21 Geschichten sind wahr. Sie sind das Ergebnis von beinahe 100 Interviews, die ich im vergangenen Jahr mit Frauen und Männern über ihren Liebeskummer geführt habe. Natürlich wurden einige Handlungsdetails verfremdet, die Namen geändert, genauso wie Alter, Ort, Beruf und andere soziodemografische Daten. Das dient der Anonymität der Erzählenden sowie involvierter dritter Personen.
Leider konnte ich nicht jedem der Interviewten ein eigenes Kapitel widmen, das hätte den Rahmen dieses Projekts gesprengt. Umso mehr möchte ich mich an dieser Stelle bei all jenen bedanken, die Zeit und Emotionen in lange Gespräche mit mir investiert haben. Ihre ehrlichen und offenherzigen Berichte sind in jede Zeile von Schluss mit Kummer, Liebes eingeflossen! Ohne sie wäre es mir niemals möglich gewesen, das Gefühl Liebeskummer in so vielen Facetten zu beschreiben.
Als ich vor zwei Jahren meine Agentur Die Liebeskümmerer gründete, hatte ich eine Vision: Ich wollte dazu beitragen, dass sich kein Mensch mit seinem Liebeskummer allein oder unverstanden zu fühlen braucht. Außerdem erschien es mir völlig verrückt, wie selten unter Erwachsenen offen über die Tragweite von Liebeskummer gesprochen wurde - obwohl er wirklich schlimme Lebenskrisen auslöst und so gut wie jede und jeder ihn kennt. Auch auf diese Tatsache möchte ich mit Schluss mit Kummer, Liebes aufmerksam machen.
Vor einigen Jahren hatte ich selbst solchen Liebeskummer, dass mein Leben völlig aus den Fugen geriet. Das war eine sehr schwere Zeit, doch im Rückblick betrachtet möchte ich sie keinesfalls missen. Denn ich habe damals mehr über mich erfahren als jemals zuvor. Liebeskummer lohnt sich eben doch, my Darling! So fürchterlich er auch ist - er bedeutet so gut wie immer auch eine Chance.
In allen psychologischen Einschätzungen oder Ratschlägen, die in den Geschichten auftauchen, beziehe ich mich auf das Wissen meiner großartigen Kolleginnen. Denn ich bin selbst keine Therapeutin, sondern lediglich jemand, der weiß, wie man sich fühlt, wenn einem das Herz bricht.
Nun hoffe ich sehr, dass Schluss mit Kummer, Liebes Ihnen einige bereichernde Lesemomente beschert, und freue mich jederzeit über Ihre Gedanken und Ihre Meinung. Schreiben Sie mir: elena@die-liebeskuemmerer.de.
Ihre Elena-Katharina Sohn
Silberhochzeit
Jutta, 55 Jahre
Zwischen Hauptgang und Dessert klopfte jemand an sein Glas. Plingpling machte es und, damit es auch alle hörten, noch einmal, plingpling. Die fröhlich durcheinanderschwirrenden Gespräche verebbten, und an die siebzig Augenpaare richteten sich gespannt auf einen Mann mittleren Alters, der sich in einem schwarzen, schmal geschnittenen Einreiher von seinem Stuhl erhob. »Liebe Jutta, lieber Paul! Es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen, aber tatsächlich sind 25 Jahre vergangen, seit wir zuletzt in dieser Runde hier saßen und eure Hochzeit gefeiert haben. Es war ein wunderschöner Sommertag, genau wie heute! Der Himmel war blau, und die Sonne strahlte mit den Augen meiner großen Schwester um die Wette. Ich weiß noch genau, wie ich dort hinten in der Ecke stand, euch beiden beim Tanzen zusah und dachte, was für unglaubliche Glückspilze ihr seid, dass ihr euch gefunden habt. Hätte mich damals jemand gefragt, ob wir uns 25 Jahre später hier wieder sehen, hätte ich ohne jeden Zweifel gesagt Natürlich - und auch noch in fünfzig! Liebes Schwesterherz, lieber Schwager, ich bin happy, heute mit euch feiern zu dürfen. Und ich möchte euch sagen, dass ihr für mich, und ich denke, da spreche ich stellvertretend für viele andere, immer ein Vorbild gewesen seid. Der Fels in der Brandung unserer Zeit, die so voll von Beziehungswirrungen ist! Ich freue mich auf die nächsten 25 Jahre mit euch und erhebe mein Glas auf euer Wohl und auf das meiner beiden wundervollen Nichten!« Zustimmende Rufe und Toasts erklangen aus dem ganzen Raum, die Champagnergläser klirrten. Erst als Juttas Bruder um den runden Tisch ging, an dem die Familie saß, und zunächst sie und dann ihren Mann Paul umarmte, schwoll das Stimmengewirr allmählich wieder an.
Nach dem Dessert packten einige Musiker aus dem Freundeskreis ihre Instrumente aus, Pauls Cousine sang. Der Eröffnungssong sollte der gleiche sein wie vor 25 Jahren. Stand by me von Ben E. King. Als die ersten Takte erklangen und das Brautpaar Hand in Hand die Tanzfläche betrat, formten die Gäste einen großen Kreis. Langsam wiegte Paul Jutta im Rhythmus der Musik, ihre Bewegungen harmonierten, als wären sie eins. Ein paar Zuschauerinnen zogen Tempos aus ihren Handtäschchen, um die Tränen der Rührung aufzufangen. Der nächste Titel Love is in the air traf die Stimmung im Saal auf den Punkt. Binnen Sekunden füllte sich die Tanzfläche mit ausgelassen feiernden Frauen und Männern.
Das Fest ging bis in die frühen Morgenstunden. Zuletzt war es noch der harte Kern, der übrigblieb, wie immer. Die Wege von Gastgebern und Gästen trennten sich erst auf dem Parkplatz vor dem Restaurant, wo schon Taxen bereitstanden. »Ein großes Fest für ein großes Paar! Kommt, lasst euch mal drücken!«, rief Oskar, Pauls Geschäftspartner, leicht lallend und zog Jutta schon an seine Brust. Paul erwischte er nicht rechtzeitig, denn nach ihm wurde im selben Moment von der anderen Seite verlangt: »Paul! Jutta! Guckt mal her, ihr beiden! So frisch wie jetzt seht ihr in 25 Jahren garantiert nicht mehr aus!« Juttas Freundin Marion lachte. Sie hatte ihre Kamera in der Hand. Jutta ließ sich von Paul in den Arm nehmen, der Blitz leuchtete auf, einmal, zweimal, dreimal. »Ihr Lieben, es war ein sehr, sehr schöner Abend, danke«, sagte Jutta und begann, sich von den sechs Freunden zu verabschieden. »Ja, kommt gut nach Hause, ihr beiden, wir hören uns morgen!«, lächelte Marion und gab Jutta einen Kuss rechts, einen Kuss links auf die Wange. »So machen wir's.« Jutta wendete sich schnell dem nächsten zu.
Nachdem alle Gäste in ihren Taxen verschwunden waren, stiegen Jutta und Paul auf die Rückbank der letzten gelben Limousine. »In die Sigmaringer Straße 55, bitte«, sagte Paul, »und bitte halten Sie auf dem Weg dorthin am Neustadt Hotel in der Schillerstraße.« Der Taxifahrer nickte und fuhr los. Im Wagen herrschte jetzt Stille. Durch ihr Fenster sah Jutta die vertrauten Straßen ihrer Heimatstadt an sich vorbeiziehen. Sie kamen sogar an dem feuerroten Mehrfamilienhaus vorbei, in dem Paul und sie gelebt hatten, als die Mädchen noch klein waren. Es hatte ein weißes Dach. Was waren das für fröhliche Zeiten gewesen, damals. Pling, pling machte der Blinker des Mercedes, als sie das Neustadt Hotel erreicht hatten und am rechten Fahrbahnrand hielten. »Und nun?«, fragte der Taxifahrer. »Ich steige hier aus«, antwortete Paul. Er blickte zu Jutta, doch sie starrte regungslos in entgegengesetzter Richtung aus dem Fenster. Erst zögerte er einen Moment, als wollte er noch etwas sagen. Doch dann fasste er nach dem Türgriff und stieg aus dem Wagen.
***
»Ich habe mich in eine andere Frau verliebt, und ich möchte mit ihr leben.« Sieben Tage vor der Feier war es gewesen, als Jutta der Schlag traf. Körperlich fühlte es sich an wie irgendetwas zwischen Hörsturz und Herzinfarkt. Paul hatte vor ihr gesessen und sich die Haare gerauft. Sie fragend angesehen.
Aber Jutta wusste nicht mal, welche Frage er ihr da stellte. »Was ist mit unserer Feier«, war das Einzige, was sie irgendwann herausgebracht hatte. Eine Gegenfrage, halb stotternd und zittrig. »Die machen wir, die machen wir, natürlich«, antwortete Paul hastig, seine Stimme überschlug sich fast. »Jutta, du warst mir 25 Jahre lang die beste Frau auf Erden, und ich sehe keinen Grund, das nicht zu feiern, nur weil ... Wir müssen es ja vorher niemandem sagen ... Es tut mir so leid ...« Er begann zu weinen.
Wie glücklich und stolz war Jutta insgeheim immer gewesen. Um sie herum grassierte schon seit ungefähr einem Jahrzehnt die Verjüngungs-Epidemie. Ein Mann nach dem nächsten trennte sich von seiner Frau - für ihr jugendlicheres Double. Jedes Mal, wenn sie von so einem »Fall« hörte, war Jutta wütend und schockiert. Aber sie dachte auch jedes Mal besonders liebevoll an Paul. Er war einer der letzten Guten. Dafür, dass sie ihn hatte finden dürfen, wollte sie dem Schicksal auf Lebzeiten dankbar sein.
An die ersten Tage nach Pauls Geständnis konnte Jutta sich kaum erinnern. Es war, als hätte sie sich aufgespalten. Ein Teil von ihr, der weitaus größere Teil von ihr, war schwer verwundet. In Watte gepackt, stand er irgendwo regungslos in einer Ecke des Hauses. Nur der kleinere, übriggebliebene Teil funktionierte. Er organisierte die letzten Notwendigkeiten für das Jubiläum, war den Töchtern eine ansprechbare Mutter, den Freunden die Jutta, die sie erwarteten. Aber er besaß weder ein Herz noch Hunger und Durst. Das einzige Lebenszeichen, das ihm inne war, war Atmung.
Natürlich lag es nicht nur an Paul, hatte Jutta oft gedacht, sondern an der günstigen Chemie zwischen ihnen beiden, dass ihnen gelungen war, was nur die allerwenigsten schafften: Ihre Ehe, die als rasende Verliebtheit begonnen hatte, war im Lauf der Jahre zu einer tiefen, großen Liebe gewachsen - und die basierte nicht nur auf ihrer gemeinsamen Elternschaft. In erster Linie waren Paul und sie immer ein Paar geblieben. Vor drei Jahren hatte die jüngste Tochter das Haus verlassen, aber die Leere, unter der viele Elternpaare dann litten, hatten sie nicht empfunden. Sie konnten abendelang bei einem Glas Wein sitzen und sich unterhalten, sie trieben gemeinsam Sport und verreisten oft. Selbstverständlich machte dann und wann auch jeder mal seins, aber sie waren durch und durch glücklich. So zumindest war es Jutta vorgekommen.
Vielleicht hatte sie gehofft, dass Paul sich besinnen würde in der verbleibenden Woche vor der Feier. Oder spätestens auf der Feier selbst. All die Freunde und Bekanntschaften aus ihrem gemeinsamen Leben, die zu erwartenden Reden auf ihre Ehe, das musste ihn doch berühren. Womöglich war er nur verwirrt. Seinem Vorschlag entsprechend war es daher auch Jutta sinnvoll erschienen, erst mal niemandem etwas zu sagen. Wie auch. Wie sollte sie das Unfassbare ihren Freunden beibringen und vor allem: ihren Kindern? Direkt nach ihrem Gespräch packte Paul ein paar Sachen zusammen und zog ins Hotel.
Dann passierte sieben Tage lang gar nichts.
Schließlich, am Abend der Feier, waren es Nuancen in Pauls Körpersprache, die Juttas letzte Hoffnung Lügen straften. Nuancen, viel zu fein, als dass die Gäste sie hätten bemerken können. Sein Blick, der ihrem nicht lange standhielt. Ein nervöses Flattern seines linken Augenlids während der Ansprachen. Sein Arm beim Tanzen, der sie nicht ganz so fest hielt wie sonst. Jutta wollte ihn schlagen, sie wollte schreien, davonlaufen. Doch nichts davon tat sie. Es erschien ihr nicht rechtens, ihre Vereinbarung zu brechen. Ein paar Mal jedoch
© ullstein
Liebe Leserin, lieber Leser,
wenn Sie dieses Buch in Ihren Händen halten, weil Sie an Liebeskummer leiden, habe ich nur einen einzigen Wunsch: Es soll Ihnen ein Trost sein.
Es soll Ihnen sagen Ich verstehe dich. Es soll Ihnen beistehen und zeigen Du bist nicht allein! Es soll Ihnen erzählen So war das bei mir mit dem Kummer und Ihnen Mut machen mit der Erkenntnis Ein gebrochenes Herz kann man heilen!
Die folgenden 21 Geschichten sind wahr. Sie sind das Ergebnis von beinahe 100 Interviews, die ich im vergangenen Jahr mit Frauen und Männern über ihren Liebeskummer geführt habe. Natürlich wurden einige Handlungsdetails verfremdet, die Namen geändert, genauso wie Alter, Ort, Beruf und andere soziodemografische Daten. Das dient der Anonymität der Erzählenden sowie involvierter dritter Personen.
Leider konnte ich nicht jedem der Interviewten ein eigenes Kapitel widmen, das hätte den Rahmen dieses Projekts gesprengt. Umso mehr möchte ich mich an dieser Stelle bei all jenen bedanken, die Zeit und Emotionen in lange Gespräche mit mir investiert haben. Ihre ehrlichen und offenherzigen Berichte sind in jede Zeile von Schluss mit Kummer, Liebes eingeflossen! Ohne sie wäre es mir niemals möglich gewesen, das Gefühl Liebeskummer in so vielen Facetten zu beschreiben.
Als ich vor zwei Jahren meine Agentur Die Liebeskümmerer gründete, hatte ich eine Vision: Ich wollte dazu beitragen, dass sich kein Mensch mit seinem Liebeskummer allein oder unverstanden zu fühlen braucht. Außerdem erschien es mir völlig verrückt, wie selten unter Erwachsenen offen über die Tragweite von Liebeskummer gesprochen wurde - obwohl er wirklich schlimme Lebenskrisen auslöst und so gut wie jede und jeder ihn kennt. Auch auf diese Tatsache möchte ich mit Schluss mit Kummer, Liebes aufmerksam machen.
Vor einigen Jahren hatte ich selbst solchen Liebeskummer, dass mein Leben völlig aus den Fugen geriet. Das war eine sehr schwere Zeit, doch im Rückblick betrachtet möchte ich sie keinesfalls missen. Denn ich habe damals mehr über mich erfahren als jemals zuvor. Liebeskummer lohnt sich eben doch, my Darling! So fürchterlich er auch ist - er bedeutet so gut wie immer auch eine Chance.
In allen psychologischen Einschätzungen oder Ratschlägen, die in den Geschichten auftauchen, beziehe ich mich auf das Wissen meiner großartigen Kolleginnen. Denn ich bin selbst keine Therapeutin, sondern lediglich jemand, der weiß, wie man sich fühlt, wenn einem das Herz bricht.
Nun hoffe ich sehr, dass Schluss mit Kummer, Liebes Ihnen einige bereichernde Lesemomente beschert, und freue mich jederzeit über Ihre Gedanken und Ihre Meinung. Schreiben Sie mir: elena@die-liebeskuemmerer.de.
Ihre Elena-Katharina Sohn
Silberhochzeit
Jutta, 55 Jahre
Zwischen Hauptgang und Dessert klopfte jemand an sein Glas. Plingpling machte es und, damit es auch alle hörten, noch einmal, plingpling. Die fröhlich durcheinanderschwirrenden Gespräche verebbten, und an die siebzig Augenpaare richteten sich gespannt auf einen Mann mittleren Alters, der sich in einem schwarzen, schmal geschnittenen Einreiher von seinem Stuhl erhob. »Liebe Jutta, lieber Paul! Es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen, aber tatsächlich sind 25 Jahre vergangen, seit wir zuletzt in dieser Runde hier saßen und eure Hochzeit gefeiert haben. Es war ein wunderschöner Sommertag, genau wie heute! Der Himmel war blau, und die Sonne strahlte mit den Augen meiner großen Schwester um die Wette. Ich weiß noch genau, wie ich dort hinten in der Ecke stand, euch beiden beim Tanzen zusah und dachte, was für unglaubliche Glückspilze ihr seid, dass ihr euch gefunden habt. Hätte mich damals jemand gefragt, ob wir uns 25 Jahre später hier wieder sehen, hätte ich ohne jeden Zweifel gesagt Natürlich - und auch noch in fünfzig! Liebes Schwesterherz, lieber Schwager, ich bin happy, heute mit euch feiern zu dürfen. Und ich möchte euch sagen, dass ihr für mich, und ich denke, da spreche ich stellvertretend für viele andere, immer ein Vorbild gewesen seid. Der Fels in der Brandung unserer Zeit, die so voll von Beziehungswirrungen ist! Ich freue mich auf die nächsten 25 Jahre mit euch und erhebe mein Glas auf euer Wohl und auf das meiner beiden wundervollen Nichten!« Zustimmende Rufe und Toasts erklangen aus dem ganzen Raum, die Champagnergläser klirrten. Erst als Juttas Bruder um den runden Tisch ging, an dem die Familie saß, und zunächst sie und dann ihren Mann Paul umarmte, schwoll das Stimmengewirr allmählich wieder an.
Nach dem Dessert packten einige Musiker aus dem Freundeskreis ihre Instrumente aus, Pauls Cousine sang. Der Eröffnungssong sollte der gleiche sein wie vor 25 Jahren. Stand by me von Ben E. King. Als die ersten Takte erklangen und das Brautpaar Hand in Hand die Tanzfläche betrat, formten die Gäste einen großen Kreis. Langsam wiegte Paul Jutta im Rhythmus der Musik, ihre Bewegungen harmonierten, als wären sie eins. Ein paar Zuschauerinnen zogen Tempos aus ihren Handtäschchen, um die Tränen der Rührung aufzufangen. Der nächste Titel Love is in the air traf die Stimmung im Saal auf den Punkt. Binnen Sekunden füllte sich die Tanzfläche mit ausgelassen feiernden Frauen und Männern.
Das Fest ging bis in die frühen Morgenstunden. Zuletzt war es noch der harte Kern, der übrigblieb, wie immer. Die Wege von Gastgebern und Gästen trennten sich erst auf dem Parkplatz vor dem Restaurant, wo schon Taxen bereitstanden. »Ein großes Fest für ein großes Paar! Kommt, lasst euch mal drücken!«, rief Oskar, Pauls Geschäftspartner, leicht lallend und zog Jutta schon an seine Brust. Paul erwischte er nicht rechtzeitig, denn nach ihm wurde im selben Moment von der anderen Seite verlangt: »Paul! Jutta! Guckt mal her, ihr beiden! So frisch wie jetzt seht ihr in 25 Jahren garantiert nicht mehr aus!« Juttas Freundin Marion lachte. Sie hatte ihre Kamera in der Hand. Jutta ließ sich von Paul in den Arm nehmen, der Blitz leuchtete auf, einmal, zweimal, dreimal. »Ihr Lieben, es war ein sehr, sehr schöner Abend, danke«, sagte Jutta und begann, sich von den sechs Freunden zu verabschieden. »Ja, kommt gut nach Hause, ihr beiden, wir hören uns morgen!«, lächelte Marion und gab Jutta einen Kuss rechts, einen Kuss links auf die Wange. »So machen wir's.« Jutta wendete sich schnell dem nächsten zu.
Nachdem alle Gäste in ihren Taxen verschwunden waren, stiegen Jutta und Paul auf die Rückbank der letzten gelben Limousine. »In die Sigmaringer Straße 55, bitte«, sagte Paul, »und bitte halten Sie auf dem Weg dorthin am Neustadt Hotel in der Schillerstraße.« Der Taxifahrer nickte und fuhr los. Im Wagen herrschte jetzt Stille. Durch ihr Fenster sah Jutta die vertrauten Straßen ihrer Heimatstadt an sich vorbeiziehen. Sie kamen sogar an dem feuerroten Mehrfamilienhaus vorbei, in dem Paul und sie gelebt hatten, als die Mädchen noch klein waren. Es hatte ein weißes Dach. Was waren das für fröhliche Zeiten gewesen, damals. Pling, pling machte der Blinker des Mercedes, als sie das Neustadt Hotel erreicht hatten und am rechten Fahrbahnrand hielten. »Und nun?«, fragte der Taxifahrer. »Ich steige hier aus«, antwortete Paul. Er blickte zu Jutta, doch sie starrte regungslos in entgegengesetzter Richtung aus dem Fenster. Erst zögerte er einen Moment, als wollte er noch etwas sagen. Doch dann fasste er nach dem Türgriff und stieg aus dem Wagen.
***
»Ich habe mich in eine andere Frau verliebt, und ich möchte mit ihr leben.« Sieben Tage vor der Feier war es gewesen, als Jutta der Schlag traf. Körperlich fühlte es sich an wie irgendetwas zwischen Hörsturz und Herzinfarkt. Paul hatte vor ihr gesessen und sich die Haare gerauft. Sie fragend angesehen.
Aber Jutta wusste nicht mal, welche Frage er ihr da stellte. »Was ist mit unserer Feier«, war das Einzige, was sie irgendwann herausgebracht hatte. Eine Gegenfrage, halb stotternd und zittrig. »Die machen wir, die machen wir, natürlich«, antwortete Paul hastig, seine Stimme überschlug sich fast. »Jutta, du warst mir 25 Jahre lang die beste Frau auf Erden, und ich sehe keinen Grund, das nicht zu feiern, nur weil ... Wir müssen es ja vorher niemandem sagen ... Es tut mir so leid ...« Er begann zu weinen.
Wie glücklich und stolz war Jutta insgeheim immer gewesen. Um sie herum grassierte schon seit ungefähr einem Jahrzehnt die Verjüngungs-Epidemie. Ein Mann nach dem nächsten trennte sich von seiner Frau - für ihr jugendlicheres Double. Jedes Mal, wenn sie von so einem »Fall« hörte, war Jutta wütend und schockiert. Aber sie dachte auch jedes Mal besonders liebevoll an Paul. Er war einer der letzten Guten. Dafür, dass sie ihn hatte finden dürfen, wollte sie dem Schicksal auf Lebzeiten dankbar sein.
An die ersten Tage nach Pauls Geständnis konnte Jutta sich kaum erinnern. Es war, als hätte sie sich aufgespalten. Ein Teil von ihr, der weitaus größere Teil von ihr, war schwer verwundet. In Watte gepackt, stand er irgendwo regungslos in einer Ecke des Hauses. Nur der kleinere, übriggebliebene Teil funktionierte. Er organisierte die letzten Notwendigkeiten für das Jubiläum, war den Töchtern eine ansprechbare Mutter, den Freunden die Jutta, die sie erwarteten. Aber er besaß weder ein Herz noch Hunger und Durst. Das einzige Lebenszeichen, das ihm inne war, war Atmung.
Natürlich lag es nicht nur an Paul, hatte Jutta oft gedacht, sondern an der günstigen Chemie zwischen ihnen beiden, dass ihnen gelungen war, was nur die allerwenigsten schafften: Ihre Ehe, die als rasende Verliebtheit begonnen hatte, war im Lauf der Jahre zu einer tiefen, großen Liebe gewachsen - und die basierte nicht nur auf ihrer gemeinsamen Elternschaft. In erster Linie waren Paul und sie immer ein Paar geblieben. Vor drei Jahren hatte die jüngste Tochter das Haus verlassen, aber die Leere, unter der viele Elternpaare dann litten, hatten sie nicht empfunden. Sie konnten abendelang bei einem Glas Wein sitzen und sich unterhalten, sie trieben gemeinsam Sport und verreisten oft. Selbstverständlich machte dann und wann auch jeder mal seins, aber sie waren durch und durch glücklich. So zumindest war es Jutta vorgekommen.
Vielleicht hatte sie gehofft, dass Paul sich besinnen würde in der verbleibenden Woche vor der Feier. Oder spätestens auf der Feier selbst. All die Freunde und Bekanntschaften aus ihrem gemeinsamen Leben, die zu erwartenden Reden auf ihre Ehe, das musste ihn doch berühren. Womöglich war er nur verwirrt. Seinem Vorschlag entsprechend war es daher auch Jutta sinnvoll erschienen, erst mal niemandem etwas zu sagen. Wie auch. Wie sollte sie das Unfassbare ihren Freunden beibringen und vor allem: ihren Kindern? Direkt nach ihrem Gespräch packte Paul ein paar Sachen zusammen und zog ins Hotel.
Dann passierte sieben Tage lang gar nichts.
Schließlich, am Abend der Feier, waren es Nuancen in Pauls Körpersprache, die Juttas letzte Hoffnung Lügen straften. Nuancen, viel zu fein, als dass die Gäste sie hätten bemerken können. Sein Blick, der ihrem nicht lange standhielt. Ein nervöses Flattern seines linken Augenlids während der Ansprachen. Sein Arm beim Tanzen, der sie nicht ganz so fest hielt wie sonst. Jutta wollte ihn schlagen, sie wollte schreien, davonlaufen. Doch nichts davon tat sie. Es erschien ihr nicht rechtens, ihre Vereinbarung zu brechen. Ein paar Mal jedoch
© ullstein
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Inhaltsverzeichnis zu „Schluss mit Kummer, Liebes! / Ullstein eBooks (ePub)“
Vorwort 9Silberhochzeit 11
Überholspur 18
Spurlos 25
Marie 37
Filmreif 48
Herzmissbrauch 58
Ungebunden 70
Liebeslist 83
Tabu 93
Player 102
Zurückgewonnen 114
Freundschaftsdienst 122
Lovesickness 136
Unersetzbar 144
Gefangen 147
Freifahrt 158
Kavalier 175
Knallwach 183
Narziss 188
Nellyweg 200
Geschafft 207
Nachwort 221
Danke 222
Bibliographische Angaben
- Autor: Elena-Katharina Sohn
- 2013, 1. Auflage, 220 Seiten, Deutsch
- Verlag: Ullstein Taschenbuchvlg.
- ISBN-10: 3843706557
- ISBN-13: 9783843706551
- Erscheinungsdatum: 25.10.2013
Abhängig von Bildschirmgröße und eingestellter Schriftgröße kann die Seitenzahl auf Ihrem Lesegerät variieren.
eBook Informationen
- Dateiformat: ePub
- Größe: 0.46 MB
- Ohne Kopierschutz
Family Sharing
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