Mehr Wert / Theorie und Gesellschaft Bd.74 (ePub)
Die Ökonomie des Einzigartigen
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1. Das Problem Die neoklassische Wirtschaftstheorie lässt auch in ihren neuesten Ansätzen eine bestimmte Form von Märkten außer Betracht. Ich möchte deshalb eine Reihe von Instrumenten und Überlegungen vorlegen, die die Realität solcher übersehenen Märkte beschreiben und die ihre Mechanismen sowie ihre Entwicklung erklären können. Es sind die Märkte von singulären, unvergleichlichen und deshalb unvergleichbaren Produkten. Sie stellen kein Randphänomen dar, sondern umfassen all die Austauschvorgänge, in denen es um das »Gute« oder »Richtige« geht - um edle Weine oder um Romane, um Ärzte, Anwälte oder Berater. Es handelt sich, allgemeiner gesagt, um die Märkte für Kunstwerke, Haute-Cuisine-Produkte, Filme, Musikaufnahmen, Luxusgüter, Bücher, Reisen, bestimmte handgefertigte Artikel, freiberufliche Dienstleistungen und besondere Expertisen. Die neoklassische Analyse übersieht die Einmaligkeit dieser Produkte nicht bewusst. Ihr blinder Fleck ergibt sich zwangsläufig aus einem theoretischen Rahmen, der durch seine verallgemeinernde Sicht die Waren (Güter und Dienstleistungen) in einer Form definiert, die den Preis als das letzten Endes maßgebliche Unterscheidungskriterium setzt und alle anderen Merkmale vernachlässigt. Durch die Unterscheidung von standardisierten und differenzierten Produkten werden zum Beispiel singuläre Güter der Masse der differenzierten zugeschlagen und geraten dadurch in ihrer Besonderheit aus dem Blick. Wenn wir sie jedoch adäquat definieren, können wir ihren Unterschied benennen und sie einer bestimmten wirtschaftlichen Koordinationsform zuordnen, die nicht dem klassischen Markt entspricht. Wir müssen deshalb die Terra incognita des Marktes singulärer Produkte oder, wie ich es nennen will, den Markt des Besonderen erkunden und seine Theorie aufstellen: die Ökonomie des Besonderen. Mein Ansatz fügt sich in eine allgemeine Entwicklung ein, die in den letzten dreißig bis vierzig Jahren zu einer Diversifizierung der Marktanalysen geführt hat. Die
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neoklassische Lehre mit ihren Ablegern wie Transaktionskosten-, Prinzipal-Agent- oder Verfügungsrechtstheorie muss mittlerweile ergänzt werden durch eine heterodoxe, also abweichende Ökonomie - Regulationstheorie, Ökonomie der Konventionen, Neue Institutionenökonomik - und durch die Entwicklung der Neuen Wirtschaftssoziologie. Wir werden uns mit diesen Positionen auseinandersetzen. Da die neoklassische Theorie eine zentrale Stellung einnimmt, werden wir uns hauptsächlich auf sie beziehen. Durch die Gegenüberstellung meines Instrumentariums mit ihren Begriffen und Prinzipien lassen sich am besten die Unterschiede aufzeigen und die veränderten Fragestellungen deutlich machen, die singuläre Produkte aufwerfen. Die neoklassische Lehre ist zwar ein weites und vielschichtiges Feld, aber sofern man diese Kritik nicht mit einem Pauschalurteil verwechselt, sondern als einen Versuch versteht, die Unterschiede und das Neuartige sichtbar zu machen, scheint es uns sinnvoll zu sein, allgemein von »der neoklassischen Theorie« zu sprechen. Diese Argumentation schließt auch nicht aus, dass wir uns gelegentlich mit der einen oder anderen konkreten Auffassung kritisch auseinandersetzen. * * * Nach der gängigen Interpretation der Vorgänge in Wirtschaft und Gesellschaft kann die scheinbar unaufhaltsame Ausdehnung des Marktes nur auf Kosten seiner Ränder erfolgen. Marx hat diese Entwicklung klar umrissen: »Der Austausch hat seine eigene Geschichte. Er macht verschiedene Phasen durch. [...] Kam endlich eine Zeit, wo alles, was die Menschen bisher als unveräußerlich betrachtet hatten, Gegenstand des Austausches, des Schachers, veräußert wurde. Es ist dies die Zeit, wo selbst Dinge, die bis dahin mitgeteilt wurden, aber nie ausgetauscht, gegeben, aber nie verkauft, erworben, aber nie gekauft: Tugend, Liebe, Überzeugung, Wissen, Gewissen etc., wo mit einem Wort alles Sache des Handels wurde. Es ist [...] die Zeit, in der jeder Gegenstand, ob physisch oder moralisch, als Handelswert auf den Markt gebracht wird, um auf seinen richtigsten Wert abgeschätzt zu werden.« Und an anderer Stelle: »Dinge, die an und für sich keine Waren sind, z.B. Gewissen, Ehre usw., können ihren Besitzern für Geld feil sein und so durch ihren Preis die Warenform erhalten.« Der Markt stößt an seine Grenzen und drängt sie immer weiter hinaus in eine äußere Sphäre, die nach französischem Recht vor allem Geschenke, unveräußerliche Güter und alles Unentgeltliche umfasst. Gehorcht die Zirkulation von Geschenken einer eigenen, ganz spezifischen Logik, so darf sie in den beiden anderen Fällen nicht zu kommerziellen Zwecken erfolgen. Unveräußerliche Güter und Unentgeltiches unterliegen einem allgemeinen Tabu »der Fähigkeit, von einem Akteur zum anderen zu zirkulieren«, was aber nicht die Unterschiede zwischen beiden Formen verdecken sollte. Unveräußerliche Objekte, seien sie materieller oder ideeller Natur, können anders als unentgeltliche auch bei Zustimmung derer, die über ihre Verwendung entscheiden, nicht Gegenstand kommerzieller Transaktionen werden, ohne dass sie zwangsläufig entwertet werden. Dieses Tabu umfasst insbesondere den menschlichen Körper und seine entnehmbaren Teile (Organe, Zellen), die persönlichen Rechte (Schutz der Privatsphäre, Recht am eigenen Bild), kulturelle Schöpfungen, Sprache, Ideen oder Werke. Die Einheit dieser oft mit dem Oberbegriff »Kultur« bezeichneten Welt liegt einzig und allein in der menschlichen Person. Diese Bindung macht das Besondere aus, während das Kommerzielle die Herrschaft der Äquivalenzen einführt. Die Rechtskonstruktionen sind von Epoche zu Epoche und von Land zu Land unterschiedlich, aber das Prinzip der Trennung von Markt und Kultur findet sich überall - so wie wir heute überall darauf stoßen, dass frühere Tabuierungen in Frage gestellt werden. Die Grenzen sind fließend. Dieser Konflikt äußert sich lebhafter denn je.
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Inhaltsverzeichnis zu „Mehr Wert / Theorie und Gesellschaft Bd.74 (ePub)“
Inhalt Vorbemerkung 9 Erster Teil: Eine übersehene Realität 1. Das Problem 13 2. Singuläre Produkte 20 Was sind »singuläre Produkte«? 20 Ein vorläufiger Überblick 24 Der Markt der Psychoanalyse 27 Zwei Modelle des Besonderen 28 3. Brauchen wir eine neue Theorie des Marktes? 34 Was die herrschende Wirtschaftstheorie übersehen musste 35 Was die New Economics nicht sehen wollte 37 Zweiter Teil: Die Untersuchungsinstrumente 4. Das Urteil 51 Kann Wirtschaftstheorie auf »Information« verzichten? 51 Entscheidung und Urteil 53 Was ist ein Urteil? 56 5. Instanzen der Urteilsbildung 61 Die Funktion der Vertretung 64 Die Funktion der Wissensvermittlung 67 Die Funktion des Wettbewerbs 70 6. Instanzen der Vertrauensbildung 74 Formale Analyse 76 Inhaltliche Analyse 78 7. Homo singularis 88 Wert- und Zweckrationalität 89 Shopping 95 Der Guide Michelin - eine Papiermaschine 100 Wie viele Neunte Symphonien hat Beethoven komponiert? 104 8. Die Metamorphose des Besonderen 111 Die Wirkung der Worte 113 Kann aus Gleichartigkeit Unvergleichlichkeit entstehen? 116 9. Die ökonomischen Koordinationsregime 121 Einteilung der Koordinationsregime 123 Koordinationsregime und Verbraucheraktivität 129 Interludium 133 Ist der selbstregulierende Markt eingebettet? 138 Die Pluralität der Austauschformen 144 Urteil und Kalkulation 146 Einordnung der Ökonomie des Besonderen 154 Dritter Teil: Ökonomische Koordinationsregime Unpersönliche Instanzenregime 10. Das Authentizitätsregime 163 Der Markt für Qualitätsweine 166 Der Hachette-Weinführer und Parker's Wein-Guide 169 Kenner, Laien und Experten 172 Ist der Markt für Qualitätsweine bedroht? 176 11. Das Mega-Regime 180 Megafilme 181 Megalabel für Luxusgüter 190 Megamarken 198 12. Das Expertenmeinungsregime 202 Literaturpreise 203 Trendsetter und Gatekeeper 206 Öffentliche Evaluierungsinstanzen 208 13. Das Popularitätsregime 210 Popmusik 211 Abstimmung durch die Charts 214 Persönliche Instanzenregime 14. Der Netzwerkmarkt 218 Das
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persönliche Netzwerk 219 Das geschäftliche Netzwerk 221 Das Praktikernetzwerk 222 15. Das Beziehungsregime 224 Koordination durch gemeinsame Überzeugungen 224 Koordination durch Glauben an Wundertäter 227 16. Das Professionsregime 232 Varianten des Professionsregimes 234 Varianten des Koordinationsregimes von Anwaltsdienstleistungen 241 17. Preise 247 Konkordanzen 249 Disproportionen 259 Vierter Teil: Schluss 18. Zur Geschichtlichkeit singulärer Produkte 269 Das Gesetz der Produktinnovation 272 Entsingularisierung personalisierter Dienstleistungen 277 Entsingularisierung der Popmusik 283 19. Ökonomie des Besonderen und Individualismus 299 Über den Individualismus 301 Singuläre Produkte und Individualismus 306 Abbildungen und Tabellen 311 Literatur 312
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Autoren-Porträt von Lucien Karpik
Lucien Karpik ist Wirtschaftssoziologe und lehrt an der École nationale supérieure des Mines de Paris, einer der angesehensten Ingenieurhochschulen in Frankreich, sowie am Centre Raymond Aron (EHESS). Mit der Übersetzung des Buches wird einer der wichtigsten französischen Soziologen im deutschsprachigen Raum vorgestellt.
Bibliographische Angaben
- Autor: Lucien Karpik
- 2011, 1. Auflage, 328 Seiten, Deutsch
- Übersetzer: Thomas Aus d. Franz. Laugstien
- Verlag: CAMPUS VERLAG GMBH
- ISBN-10: 3593412306
- ISBN-13: 9783593412306
- Erscheinungsdatum: 14.11.2011
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