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  • 5 Sterne

    26 von 31 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    liesmal, 07.09.2018

    Gewalt ist keine Option - Schornsteine, die nicht mehr rauchen, Überreste von Schienen und verlassene Fabriken erinnern an das Leben vor der Wiedervereinigung und erzählen davon, wie das Leben der Menschen früher verlaufen ist.
    Im Jahr 2000 freuen sich Vater und Mutter mit ihren Söhnen Philipp und Tobias über den Neubau ihres Hauses in Neschwitz, einer Kleinstadt in Sachsen, und damit auch auf ihr neues Leben. Doch die Zukunft mit ihren Wünschen und Plänen sieht anders aus als in ihren Vorstellungen. Großen Anteil daran hat das Weltgeschehen.

    Die Geschichte ist in 3 Bücher eingeteilt. Das erste erzählt aus den Jahren 2000 bis 2004, das zweite aus 2004 bis 2006 und das dritte aus 2013 bis 2015.
    Der Autor, selbst in Ostsachsen geboren, erzählt die Geschichte eher sachlich und unverschnörkelt, aber realitätsnah.
    Wie leicht man auf eine Bahn gerät, auf der man gar nicht sein möchte, und Dinge – auch mit eigener Beteiligung – geschehen lässt, nur um dazuzugehören, ist einfach erschreckend, wird aber sehr glaubhaft vermittelt.
    Philipp und Tobias leben in einer Familie, in der keine Liebe zu spüren ist. Der Vater lässt offen seinen Fremdenhass spüren. Tobias, der Jüngste, muss erfahren, dass seine selbstgemachten Geschenke nichts wert sind. Das lässt ihn so wütend werden, dass er sie nicht verschenkt, sondern mit den Füßen zertrampelt. Irgendwann gibt es keine Perspektiven mehr.
    Der Bezug zum Weltgeschehen, besonders die Aufnahme vieler Flüchtlinge und das Zusammenleben mit ihnen, ist ein Problem vieler Menschen, nicht nur in Sachsen, sondern leider in unserem ganzen Land.
    Am Ende des Romans angelangt und durch das Beispiel das Wissen zu haben, wie sich Hass aufbauen kann, verstehe ich, dass man manchmal am liebsten „Mit der Faust in die Welt schlagen“ möchte.
    Doch Gewalt ist keine Option!
    Die hochaktuelle Geschichte lässt mich nachdenklich zurück.
    Sehr empfehlenswertes Buch!

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  • 5 Sterne

    10 von 13 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    hennie, 29.09.2018

    MEIN APPELL: LEST DIESES BUCH UND REDET MITEINANDER!
    Neschwitz, so heißt der Ort der Handlung und befindet sich nordwestlich von Bautzen in der sächsischen Oberlausitz. Es ist auch das Siedlungsgebiet der Sorben, auch Wenden genannt, die im Buch eine Rolle spielen. Die Landeshauptstadt Dresden ist ca. 60 km entfernt.
    Mir fiel es sehr leicht in das Buch hineinzukommen. Für mich besticht es durch seine bündige, ab und zu verknappte, präzise Sprache. Der sehr junge Autor (Jahrgang 1994) erzählt aus der Draufsicht, wertet nicht, läßt seine Worte wirken. Seine Schilderungen sind detailreich und erzeugten bei mir eine bedrückende Atmosphäre. Für mich stand vieles zwischen den Zeilen. Die Thematik beschäftigte mich weiter, wenn ich das Buch aus der Hand gelegt hatte. Ich vermute, dass Lukas Rietzschel eine Menge von seinem eigenen Erleben mit in den Roman eingebracht hat, da sein Geburtsort in der Nähe von Neschwitz liegt.
    Der Roman ist in drei Teile/Bücher gegliedert: Buch 1 - die Jahre von 2000 bis 2004, Buch 2 - 2004 bis 2006, Buch 3 - 2013 bis 2015. Die Handlung erstreckt sich also über 15 Jahre. Es beginnt mit dem Hausbau der Familie Zschornack, elf Jahre nach der Wende. Der Vater ist von Beruf Elektriker, die Mutter Krankenschwester. Sie haben zwei Söhne, beide in den 90er Jahren geboren. Philipp ist der Ältere und Tobias, genannt Tobi, ungefähr im gleichen Alter wie der Autor. Alles scheint zunächst in Ordnung zu sein. Aber unter der Oberfläche eines normalen Alltags brodelt es gewaltig. Recht bald empfand ich die Tristesse, die Langeweile, die aus fast jeder Zeile spricht. Mich berührte sehr unangenehm die Sprach-, ja irgendwie Teilnahmslosigkeit der Erwachsenen. Die Großeltern und Eltern der Jungen hätte ich schütteln mögen. Warum werden die Fragen der Kinder nicht beantwortet? Das Umfeld wirkt wie erstarrt und es erfolgt kein normaler, geschweige altersgerechter Umgang mit den Kindern, weder zu Hause noch in der Schule. Philipp und Tobias erhalten keine Antworten auf ihre Fragen, ihre Probleme. Nicht zum Zustand des Nachbarn Uwe, nicht zu den rußgeschwärzten Wänden des Ausländerwohnblocks in Hoyerswerda, keine Erklärungen zu Wörtern, die als Schimpfworte benutzt werden wie „Jude“, „Judensau“. Hakenkreuzschmierereien werden vor der Schule zugehangen von einer Lehrerin! Es wird viel zu viel totgeschwiegen, ignoriert, unangenehme Situationen werden vermieden, man geht ihnen aus dem Weg, klärende Gespräche finden nicht statt, geschweige denn ein vernünftiger Meinungsaustausch. Vorherrschend sind Gleichgültigkeit, Abgestumpftheit, Desinteresse, Verharmlosung.
    Lukas Rietzschel zeigt in „Mit der Faust in die Welt schlagen“ anhand der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen in dem kleinen Lausitzort eine brandaktuelle Situation auf. Er beleuchtet mögliche Ursachen für den zunächst latenten und dann immer offener werdenden Rassismus. Er bringt jede Menge Erklärungsversuche für die Radikalisierung einer Gruppe von Jugendlichen, darunter die Brüder Tobias und Philipp Zschornack. Ihr „Anführer“ heißt Menzel, ein junger Erwachsener, ein Neonazi. Tobias läßt sich von ihm immer mehr beeinflussen, während es Philipp zum Ende hin gelingt, sich von Menzel zu lösen.
    Ich fragte mich wiederholt: Woher kommt die unbändige Wut auf alles Fremde? Warum geht man auf die Sorben los, die schon ewig dort leben? Wie kommt ein junger Mann wie Tobias zu einer so unglaublichen Aussage:
    „Es braucht mal wieder einen richtigen Krieg.“ S. 294
    Meiner Meinung nach fühlt er sich von allen verlassen und gerät immer mehr in den Sog der Gewalt mit rohen, zerstörerischen Handlungen gegen Menschen und Sachen. Wer oder was kann Tobias noch stoppen? Das läßt der Roman offen.
    Ein Roman kann nur bedingt die Wirklichkeit abbilden. Aber ich verstehe das Werk Rietzschels als Mahnung, als Aufforderung hinzuschauen. Dringendst notwendig erachte ich, dass in den Schulen mehr deutsche Geschichte gelehrt wird, vor allem die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg! Da hat unsere Jugend Nachholbedarf und große Defizite!

    Das Titelbild des Buches ist durch das blaue Kreuz über das gesamte Cover sehr auffällig. Dahinter befindet sich ein Landschaftsgemälde (Hügel mit Bruchacker bei Dresden )– ein Bild vom bedeutendsten Künstler der deutschen Frühromantik, Caspar David Friedrich, um 1824 gemalt. Ich finde die Gestaltung sehr gut gewählt. Sie unterstützt den Inhalt des Buches, soll heißen, dass es keine Spur von Romantik, Poesie, Edelmenschentum mehr gibt. Auch das läßt viel Spielraum für Diskussionen.

    Ich bin begeistert von dem reifen Werk, das Debüt!!!! des 24jährigen Lukas Rietzschel und bewerte es mit fünf von fünf Sternen. Meine Empfehlung gilt für alle!

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  • 5 Sterne

    10 von 14 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Gartenkobold, 30.08.2018

    Beklemmend ehrlich
    Lukas Rietzschel`s Roman „Mit der Faust in die Welt schlagen" schildert und erzählt die Geschichte zweier Brüder die an der Grenze zu Polen aufwachsen, nach kurz der Wende: Philipp und Tobias wachsen in sehr unsicheren Zeiten auf, viele Arbeitsplätze verschwinden, Läden schließen, die Eltern bauen ein Haus, beide müssen arbeiten, um das Haus abzuzahlen und im Dorf bietet sich den Jugendlichen nur wenig Abwechslung, die Stimmung ist trostlos, der ideale Nährboden für Frustration und Aggression….
    Nüchtern, sachlich und sehr realistisch beschrieben, der Leser spürt beim Lesen die Hoffnungslosigkeit der Jugendlichen, aus der sie irgendwie versuchen auszubrechen, als sie sich dem Neo-Nazi Menzel anschließen, der im Dorf auftaucht. Klar beschrieben und nüchtern geschildert die Perspektivlosigkeit, die sie nach allem greifen lässt, was sich bietet, um ihr zu entrinnen.
    Beklemmend ehrlich, sachlich und auf den Punkt gebracht. Ein Roman, der zum Nachdenken anregt und lange nachwirkt. Eine klare Leseempfehlung.

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  • 3 Sterne

    13 von 19 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    coffee2go, 10.09.2018

    Kurze Inhaltszusammenfassung:
    Die beiden Brüder Philipp und Tobias leben in Sachsen und begleiten uns von ihrer Einschulungszeit bis ins junge Erwachsenenalter. Zu Beginn ist überall Aufbruchsstimmung und finanzieller Aufstieg spürbar, doch mit der Zeit ändert sich die Stimmung drastisch und am Ende bleiben Rassismus, Hass und Feindseligkeiten übrig.

    Meine Meinung zum Buch:
    Mich hat die Aktualität des Themas sofort angesprochen und so wie es im Fall von Philipp und Tobias Veränderungen – erst im positiven, dann im negativen – gibt, finde ich sehr authentisch und über einen längeren Lebensabschnitt kontinuierlich dargestellt. Auch die jeweilige Stimmung wurde sehr gut aufgegriffen und beschrieben – zuerst von Hoffnung, Geld, Aufstieg bis hin zur rassistischen Gesinnung, Wut, Ausweglosigkeit und Abstieg. Es wurden auch unterschiedliche Ebenen angesprochen – von der finanziellen über die persönliche bis hin zu ethnischen und auch das Familiengefüge hat sich im Laufe der Jahre verändert. Teilweise war mir die sprachliche Ausdrucksweise zu vereinfacht und simpel dargestellt, auch wenn es aus Sichtweise von Philipp und Tobias geschildert wurde, so hatte ich mir aufgrund des „literarischen Etiketts“ eine etwas gehobenere Ausdrucksweise gewünscht.

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  • 5 Sterne

    7 von 11 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    liesmal, 07.09.2018 bei bewertet

    Gewalt ist keine Option - Schornsteine, die nicht mehr rauchen, Überreste von Schienen und verlassene Fabriken erinnern an das Leben vor der Wiedervereinigung und erzählen davon, wie das Leben der Menschen früher verlaufen ist.
    Im Jahr 2000 freuen sich Vater und Mutter mit ihren Söhnen Philipp und Tobias über den Neubau ihres Hauses in Neschwitz, einer Kleinstadt in Sachsen, und damit auch auf ihr neues Leben. Doch die Zukunft mit ihren Wünschen und Plänen sieht anders aus als in ihren Vorstellungen. Großen Anteil daran hat das Weltgeschehen.

    Die Geschichte ist in 3 Bücher eingeteilt. Das erste erzählt aus den Jahren 2000 bis 2004, das zweite aus 2004 bis 2006 und das dritte aus 2013 bis 2015.
    Der Autor, selbst in Ostsachsen geboren, erzählt die Geschichte eher sachlich und unverschnörkelt, aber realitätsnah.
    Wie leicht man auf eine Bahn gerät, auf der man gar nicht sein möchte, und Dinge – auch mit eigener Beteiligung – geschehen lässt, nur um dazuzugehören, ist einfach erschreckend, wird aber sehr glaubhaft vermittelt.
    Philipp und Tobias leben in einer Familie, in der keine Liebe zu spüren ist. Der Vater lässt offen seinen Fremdenhass spüren. Tobias, der Jüngste, muss erfahren, dass seine selbstgemachten Geschenke nichts wert sind. Das lässt ihn so wütend werden, dass er sie nicht verschenkt, sondern mit den Füßen zertrampelt. Irgendwann gibt es keine Perspektiven mehr.
    Der Bezug zum Weltgeschehen, besonders die Aufnahme vieler Flüchtlinge und das Zusammenleben mit ihnen, ist ein Problem vieler Menschen, nicht nur in Sachsen, sondern leider in unserem ganzen Land.
    Am Ende des Romans angelangt und durch das Beispiel das Wissen zu haben, wie sich Hass aufbauen kann, verstehe ich, dass man manchmal am liebsten „Mit der Faust in die Welt schlagen“ möchte.
    Doch Gewalt ist keine Option!
    Die hochaktuelle Geschichte lässt mich nachdenklich zurück.
    Sehr empfehlenswertes Buch!

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  • 4 Sterne

    8 von 13 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    herrzett, 23.09.2018

    “Mit der Faust in die Welt schlagen” – ein Roman der aktueller nicht sein könnte und irgendwie den Kopf auf den Nagel trifft, ohne die großen nazistisch, fremdenfeindlichen Aufmärsche zu fokussieren. Lukas Rietzschel setzt nämlich früher an. Die Kindheit. Das Aufwachsen. Das Hineinwachsen am Rande von Spaß und Unverständnis.

    “Tobi wachte auf und ging zum Schreibtisch, wo er sich einen kleinen Zettel nahm. Er malte einen Panzer, wie er sich einen Panzer vorstellte, und ließ ihn durch eine rote Pfütze fahren. Er schrieb mit dem selben roten Stift >Krieg< darüber. Daneben ein Fragezeichen.”

    Eine Provinz in Sachsen, deren Schicksal eigentlich schon nach der Wende klar wurde. Menschen, die sich scheinbar verlassen und im Stich gelassen fühlen. Während die letzten industriellen Werke der DDR schließen, entwickelt sich auch bei den Menschen nach und nach eine Angst vor dem Verlust und der Perspektivlosigkeit. Wir begleiten zunächst eine Familie bei ihrem Hausbau, der vermeintlich für ein besseres Leben stehen soll. Doch schon während der Schulzeit scheinen Philipp und Tobias nach und nach abzudriften und immer mehr mit rechten Meinungen konfrontiert zu werden. Ihr Umgang wird fraglicher, auch wenn es ihnen anfangs vieles noch nicht so bewusst oder mehr wie Spaß erscheint. “Ich bin kein Nazi […] Ich auch nicht […] und Menzel, Ramon und die anderen auch nicht.” Doch als die Situation sich zuspitzt und ihr Heimatort Flüchtlinge aufnehmen soll, zeigt die Wut ganz andere Richtungen und der Ton wird rauer. Während Philipp sich zurückzieht, sucht Tobias nach dem Ventil für seine Wut und um ihn herum fällt scheinbar alles zusammen.

    “Und jetzt stell dir mal vor, diese sogenannten Menschen werden Lehrer oder Ärzte oder Politiker. Kannst du dir das vorstellen? Weißt du, wie Deutschland dann aussieht? Wie sie uns behandeln werden? Wir wurden alleingelassen. Seit Jahren schon”

    Lukas Rietzschel schafft es mit seinem Roman ein großes Feld an Gedanken und Ursprünglichkeiten hervorzurufen und genau das finde ich beinahe großartig, denn heutzutage geht es oftmals hauptsächlich um die Verurteilung der “Fremdenhasser”, statt um den Ursprung ihres Gedankenguts oder Verhaltens. Der Ursprung liegt nämlich oftmals in der Erziehung, der Verdrängung, den Vorurteilen, der Verharmlosung und der Egalität. Und dennoch ist grade dies das fatale an dieser Einstellung. Aus Spaß wird schnell Ernst und aus einzelnen Gedanken und Wut ein großer Schwall an rechtem Gedankengut, das man nicht einfach so ignorieren oder löschen kann. Und gerade dies wächst von unten, langsam, bis das Licht an der Oberfläche das verheerende Ausmaß des Ganzen verdeutlicht. Früher wie heute. Und Schuld? Ja, schuld sind immer die anderen.
    Dieser Roman greift für mich einzelne entscheidende Punkte hinter der Oberfläche auf. Leicht distanziert und trotzdem sehr treffend in einem Konstrukt aus Trostlosigkeit und der Suche nach einem Ausweg und der Hoffnung. Sprachlich sehr fein und klar thematisiert und dennoch recht emotional ergreifend. Zumindest ich war beim Lesen häufiger wütend, genervt oder saß unverstehend da, auf der Suche nach dem Sinn und vergleichend mit meinen Gedanken zur heutigen Situation. Alles in allem ein spannendes Buch, in dem nun auf den ersten Blick keine weltbewegenden Szenen vorherrschen oder leicht unterhaltend präsentiert werden, aber dafür weitreichend in den Gedanken nachhallen und weitere Gedanken und etwas Verständnis schaffen.

    “Diese Gesellschaft, wo niemand mehr sagen kann, was er will. Wo dir vorgeschrieben wird, was du essen, wie viel du trinken und wie schnell du fahren darfst. Du bist ein Rassist, du bist ein Sexist! Die sollen alle mal die Fresse halten!”

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  • 5 Sterne

    7 von 12 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Runar RavenDark, 12.10.2018

    Das Buch "Mit der Faust in die Welt schlagen" von Lukas Rietzschel hat einen Umfang von 329 Seiten und ist über Ullstein erschienen

    Das Buch gibt es als Hardcover- und Ebookausgabe, sowie als Hörbuch. In der Hardcoverausgabe hat es einen abnehmbaren Schutzumschlag und eine sehr gute Gesamtqualität.

    Zwei Brüder wachsen in Ostsachsen auf und werden so stark durch die Umgebung und Zustände geprägt, dass die innere Wut überschäumt und sich im Ausländerhass den Weg bedrohlich bahnt.

    Das Buch ist unheimlich atmosphärisch und dicht. Es ist unglaublich authentisch geschrieben und beschreibt Umgebung, Alltag und Menschen perfekt. Die drückende, perspektivlose Stimmung wird von Anfang bis Ende beibehalten und macht das Buch nicht gerade leicht zu lesen. Es regt aber unheimlich zum Nachdenken an und zeigt wie junge Menschen durch ein asoziales, armes Umfeld mit wenig Bildung und Vernachlässigung, sowie unbedachten, dummen Sprüchen von Mitmenschen, geprägt werden. Ein sehr bewegendes Werk, was gerade in unserer momentanen politischen Situation (2018) sehr gut passt, wo so viele sich im Flüchtlingshass verlaufen und eine braune Partei zu viel Zufluss hat, besonders in der Region wo diese Geschichte spielt. Mich verwundert es, dass dieses Buch nicht für den deutschen Buchpreis nominiert wurde. Ein sehr wichtiges Werk!

    Fazit: Sehr authentisch und dicht widergegebene Verhältnisse und bedrückende Atmosphäre bis zum Schluss. Das Buch regt zum Nachdenken an und ist sehr wichtig und passt perfekt in die momentane Flüchtlingsdebatte. Außerordentliche Leseempfehlung!

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  • 5 Sterne

    7 von 12 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Paul S., 05.09.2018

    Bleierne Hoffnungslosigkeit
    Nachwendezeit in einem Dorf in der Lausitz. Wir begleiten die Brüder Philipp und Tobias 17 Jahre lang und bekommen Einblick in einige wichtige Lebensabschnitte vom Kinderhort bis zum Erwachsenenleben. Lukas Rietschel beschreibt die Situation leidenschaftslos real. Man begreift, wie auf diesem Nährboden Radikalismus entstehen kann. Philipp, der ältere der Brüder, ist zunächst offen für die Parolen von Menzel, einem Neonazi, der sich im Dorf einfindet. Nach einiger Zeit merkt er, dass ihn die Parolen nicht weiter bringen und wendet sich mehr und mehr von Menzel ab. Philipps Bruder Tobias aber geht völlig in der Parolenwelt auf. Platte Aussagen, die jeder Grundlage entbehren, werden zur Zielvorgabe. Die alte Schule, in der Flüchtlinge untergebracht werden sollen, soll brennen.

    Rietschel beschreibt eine bleierne Zeit der Perspektivlosigkeit. Eine Rundumschau der Situation sozusagen. Manchmal denkt man, dass er etwas stringenter hätte schreiben können. Aber er hat schon Recht. Es kommt auf das Gesamtbild an und er beleuchtet es ausführlich von allen Seiten. Ein trostloses Buch ohne Spannung aber passend. Man begreift einige Zusammenhänge besser, als sie einem schlaue Wissenschaftler erklären könnten. Lesenswert.

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  • 2 Sterne

    10 von 18 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    StefanieFreigericht, 28.09.2018

    Komplette Entmutigung

    Philipp und sein jüngerer Bruder Tobias wachsen in Sachsen auf, in Neschwitz in der Nähe von Dresden. Das Buch begleitet sie vom Vorschulalter bis sie junge Erwachsene sind, von „9/11“ bis zum Einmarsch Russlands auf der Krim.

    Das wäre die Inhaltsangabe zum Buch… was der Klappentext auf der linken inneren Klappe verheißt, mag ich nicht wiederfinden, denn nach Dresden geht es nur zu einem völlig friedlichen Fußballspiel. Ja, ohne Zweifel wird hier beschrieben, wie die Jungs sich in ziemlich nationalistischer Gesellschaft bewegen. Es wird aber mir nicht klar, wie es dazu kommt, DAS wäre interessant. Ich vermag nicht zu sagen „sie rutschen dahin ab“, wie könnte ich, wenn sie im Haushalt mit einem Vater aufwachsen, der lamentiert über „Polacken-LKW“, „unsere bescheuerten Straßen“, wenn das Umfeld die Sorben diskriminiert und in der Schule viele meinen, die USA hätten 9/11 verdient. Meine Güte, die Eltern haben Arbeit! Die Jungs haben ihre Ausbildungen!

    Zur Verortung, weil ich an der Stelle die Unterstellungen kenne: Ich bin Wessi. Mein Mann ist Ossi. Wir leben „im Westen“ – NEIN, wir leben in Hessen. Leute, das ist wirklich mehr als nur ein paar Jahre her mit dem Ende der DDR und mit einem gemeinsamen Land und ich höre immer noch diesen Müll, von wegen abgehängt. Ich komme ursprünglich aus einer Kleinstadt im (West-)Norden, inzwischen ohne Bahnhof, ohne Kino, 10 km bis zur Autobahn, 35 km bis zur nächsten größeren Stadt, keine Fachärzte, die meisten pendeln, abends ist wenig los, viele Wohnungen stehen leer. „Früher“, in den 80ern, war das auch dort noch anders. Ja, in den 80ern hatten die Menschen, Ost WIE West, Anstellungen meistens auf Lebenszeit und das hat sich geändert, sie lebten mehrheitlich dort, wo sie arbeiteten, die Schulen waren sauberer - alles gut und schön („früher gab's 'nen Kaiser“ sagte dazu meine Oma, früher).

    Im Buch bekomme ich die deprimierende Atmosphäre, aber keine Erklärung für die Entwicklung der Protagonisten – zum Phänomen der Hooligans konnte „Hool“ von Winkler mir das noch bieten, für mich völlig überraschend. Hier kann ich einfach nur passiv mit dabei sein, so passiv, wie ich die Brüder empfinde. Es heißt im Klappentext, der eine Bruder kann sich zurückziehen. Welcher das sein wird, scheint fast willkürlich, denn dabei bei den wirren Treffen waren beide irgendwann. Vielleicht ist das der Sinn des Buches: es passiert einfach? Überhaupt, wirre Treffen: rechte oder linke Extremisten als wirre Säufer dazustellen, finde ich reichlich harmlos für eine teils erschreckend gut organisierte Szene.

    Das reicht mir nicht. Dazu kommt der Schreibstil, der mit den etwas seltsamen Sätzen, oft ohne Verb, dafür Aufzählungen: „Die Musik wurde lauter mit jedem Schritt, den die Vierergruppe dem Feuer näher kam. Der Platz kreisrund. In der Mitte das Feuer. Der hintere Teil durch Bauzäune abgesperrt, wo der Steinbruch angrenzte.“ S. 70 Dazu gibt es zeitliche Sprünge, auf einer Seite ist jemand noch ein Kumpel, auf der nächsten Meth-süchtig, dem ist oft schwer zu folgen, es wirkt künstlich.

    Das Buch ließ sich fix lesen, deprimierte mich aber über alle Maße und strengte mich mit seinem Stil noch dazu an. Es rüttelt nicht auf, es bietet weder Ausblick noch Erklärungen. Es nervt mich einfach. Und das Schlimme: ich kenne ausreichend „Wessis“, für die die beschriebene Einstellung im Buch genau mit ihrem „Ost-Klischee“ zusammenpasst, während sie über die gleichen Dinge jammern. Ja, zur Zeit steht Chemnitz im Fokus. Aber es geht ähnliches um in Kandel und das ist nicht im Osten. DAS alles sollte noch mehr Angst machen.

    2 Sterne.

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  • 4 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    dj79, 17.09.2018

    Schonungslos ehrlich wird in diesem Roman die Gefühlswelt der Nachwendejugend anhand der beiden ostsächsischen Brüder, Philipp und Tobias, herausgearbeitet.

    Mit der Wende eröffneten sich für die Erwachsenen, Jugendlichen und die Kinder seinerzeit schier unendliche Möglichkeiten: freie Meinungsäußerung, Reisen in ferne Länder, schicke Autos, coole Klamotten und so Vieles mehr. Der Zugang zu den materiellen Dingen bleibt vielen aus finanziellen Gründen jedoch verwehrt. Gleichzeitig ist die Wahrheit von „gestern“ heute eine Lüge. Massenhaft Leute verlieren ihre Jobs. Die Beständigkeit des Lebens wird aus den Angeln gerissen.

    In dieser Zeit erfüllen sich die Zschornacks den Traum vom eigenen Haus. Dabei empfinden sie einerseits Scham gegenüber denjenigen, die sich vermutlich niemals ein Haus leisten werden, andererseits Neid auf den Luxus, den sich andere noch zusätzlich gönnen können. Auch Philipp und Tobias nehmen das Scheitern von Bekannten war, sehen sich selbst in ramponierten Billigklamotten, müssen regelmäßig Verzicht üben, wie auf dem Rummel. Im Heranwachsen verfestigt sich ihr Eindruck, dass es egal ist wie sehr sie sich abstrampeln. Sie werden ohnehin nicht das Leben führen können, das sie sich wünschen.

    In dieser Hoffnungslosigkeit ist man gerade als Jugendlicher empfänglich für einfache Ideen, die alle Probleme aus der Welt schaffen, die man selbst nicht zu lösen vermag. Wenn dann gute Redner die jungen Leute im eigenen Umfeld infiziert haben, ist es gar nicht so einfach den „rechten“ Weg nicht mit zu gehen, weil man so schnell allein da steht.

    Dieser begrenzte Ausschnitt aus der ostdeutschen Gesellschaft zeichnet gesichtslose Charaktere, die niemand wahrnimmt, deren Ängste, Nöte und Sorgen keiner würdigt. Was gut ist, um die triste Stimmung zu stützen, machte mir das Auseinanderhalten der jugendlichen Charaktere schwer. Beispielsweise habe ich sehr lange gebraucht bis ich sicher wusste, welcher Bruder der Ältere ist und wer von beiden jetzt welche Meinung vertritt.

    Insgesamt hat mir die nüchterne, nicht anklagende, lediglich beschreibende Auseinandersetzung mit den Ursachen, die die Empfänglichkeit für rechtes Gedankengut in Neschwitz begünstigt haben, gut gefallen.

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  • 3 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Andrea T., 13.09.2018

    Brandaktuell zu hochbrisantem Thema

    Eigentlich kommt dieses Buch genau zur richtigen Zeit. Das Thema könnte vor dem Hintergrund der Pegida-Demonstrationen und der erstarkendem Rechtsbewegung im Osten nicht aktueller sein. Die Geschichte beginnt 11 Jahre nach der Wende. Die beiden Brüder Philipp und Tobias wachsen in Neschwitz, einem kleinen Ort irgendwo in Sachsen auf, und erleben die zunehmende Perspektivlosigkeit sowie den Zusammenbruch ihres sozialen Gefüges, das die DDR hinterlassen hat. Beide versuchen ihre zunehmende Wut über ausstehende Veränderungen in den Griff zu bekommen und finden ein Ventil im rechtsradikalen Gedankengut...

    Das Thema ist sehr spannend und hinterlässt durchaus beim Leser Spuren, auch bei mir. Ich habe sehr mit mir persönlich gerungen, welche Note ich diesem Buch geben möchte. Aber vielleicht ist das genau das, was der Autor erreichen möchte. Er will mit dieser Geschichte nicht gefallen. Er will anecken, kantig unangenehm sein. Mag sein, dass er sich durchaus einiger Klischees bedient, aber er will vor allem, dass wir uns als Leser mit dem Thema und der Perspektivlosigkeit der Menschen auseinandersetzen. Er will sie nicht verteidigen. Im Gegenteil, die Geschichte ist sehr sperrig und nicht für jeden Leser, der einen flüssigen und unterhaltsamen Schreibstil gewohnt ist, geeignet. Ich hatte durchaus meine Schwierigkeiten, meinen Rhythmus zu finden. Ich hatte sehr das Gefühl, im Stil der Bild-Zeitung zu lesen. Kurze, stakkatohafte Sätze, die eine schier endlose Aneinanderreihung von Tatsachen, manchmal auch nur Beobachtungen sind. Und die nicht wirklich beim Leser ein hohes Bildungsniveau erfordern. Man findet nicht wirklich einen Zugang zu den handelnden Figuren Tobias und Philipp und auch das Ende ist sehr offen und überlässt es dem Leser das Urteil über die beiden zu fällen.

    Trotz allem, denke ich, ist der Schreibstil und die Idee der Geschichte, genau das Besondere, was dieses Buch ausmacht. Eben nicht dem Mainstream zu folgen, sondern ungewohnt, unangenehm und in der Art zu (be)schreiben auch mit jedem Satz eine Tristheit und Perspektivlosigkeit zu verbreiten, die es mir als Leser sehr schwer macht zu entscheiden, ob man es liebt oder nicht.

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  • 5 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Gelöschter Benutzer, 03.12.2018

    sehr schönes buch ist empfehlenswert

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  • 1 Sterne

    1 von 1 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Bettinaa, 06.09.2018

    Der Klappentext des Romans machte mich sehr neugierig: Es verspicht einen psychologisch vertieften, differenzierten Einblick in die ostsächsischen Verhältnisse und Strukturen am Beispiel zweier Brüder, fernab von den ewig-gleichen Klischees und vereinfachten Darstellungen bezüglich des politischen Radikalisierungsphänomens in Sachsen. Nur wurden meine Erwartungen hierbei nicht erfüllt - das Buch ist stark simplifizierend und wenig stringent, sodass es mir als Leserin schwerfiel, den Handlungsstrang nachzuvollziehen oder gar ein Verständnis hinsichtlich Handeln und Denken der beiden Brüder Philipp und Tobias, deren Entwicklung vom Jahr 2000 bis 2014 dem Leser illustriert werden soll, aufzubringen. Auch der Schreibstil missfiel mir, denn so hölzern und kurzatmig wie dieser ist, kommt auch der Roman insgesamt daher. Alles in allem leider sehr enttäuschend, insbesondere weil das Buch so viel mehr zu versprechen schien

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  • 4 Sterne

    8 von 15 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Miss.mesmerized, 26.08.2018

    Um die Jahrtausendwende sieht die Welt noch rosig aus, auch wenn in Neschwitz bei Dresden die blühenden Landschaften ausgeblieben sind und die Reste der DDR Industrie nach und nach abgerissen werden. Die Eltern bauen ein Haus, die Söhne Philipp und Tobias sind noch klein und haben das Leben vor sich. Dieses Leben folgt jahrein jahraus denselben Bahnen. Angriff auf das World Trade Center, Hochwasser in Dresden – woanders geschieht etwas, nicht aber in Neschwitz. Die Jungs werden älter, Philipp gerät an falsche Freunde, spielt den Halbstarken, Tobias zieht sich immer mehr zurück, bewundert ein Mädchen seiner Klasse, doch nach der Grundschule trennen sich die Wege, für Kinder wie ihn bleibt nur die Hauptschule. Die versprochenen Perspektiven bleiben aus und zunehmend lehnt sich die Jugend auf, erst gegen die Sorben, dann gegen die anderen Ausländer, die den Westen ihrer geliebten Heimat schon erobert haben. Irgendjemand muss doch etwas dagegen tun, das ist doch reine Selbstverteidigung!

    Lukas Rietzschels Roman zeichnet eine Welt nach, von der man weiß, dass sie existiert, aber die man eigentlich nicht sehen will, weil man sich schämt, dass es sie gibt, weil man sie verachtet, weil man nicht weiß, was man dagegen tun soll. Aus zwei schüchternen Jungs, wohlerzogen und bescheiden, werden Mitläufer und Täter, Rassisten und gewaltbereite Kriminelle. Hätte es eine Alternative zu dieser Entwicklung geben können? Die Oma wusste schon, dass sie keine Chance bei der Lehrerin haben, die hatte die Mutter schon auf dem Kieker, da kann man sich noch so bemühen, es ist ohnehin umsonst.

    „Dieses ganze System ist am Arsch“, sagte Menzel. „Diese Gesellschaft, wo niemand mehr sagen kann, was er will. Wo dir vorgeschrieben wird, was du essen, wie viel du trinken und wie schnell du fahren darfst. Du bist ein Rassist, du bist ein Sexist! Die sollen alle mal die Fresse halten!“
    „Weißt du, was ich glaube?“, sagte Tobias.
    „Hm?“, fragte Menzel.
    „Es braucht mal wieder einen richtigen Krieg.“

    Dieser kurze Dialog gegen Ende des Romans fasst zusammen, was die Figuren empfinden: sie sind abgehängt, haben keinen Einfluss, nicht einmal auf die banalsten Dinge des Alltags, keiner versteht sie, sie werden sofort abgestempelt und wissen nicht, wie sie aus der Nummer rauskommen sollen.

    Rietzschel weckt kein Mitleid für seine beiden Protagonisten, er verurteilt sie auch nicht, er beschreibt neutral einen Schritt nach dem anderen, der dazu führt, dass sie da enden, wo sie schließlich sind. Eine Geschichte, wie es leider zu viele gibt. Kein schöner Roman, auch „unterhaltsam“ trifft es nicht. Brutal bildet er auf seine Weise die Realität ab und wird so zu einem Zeitzeugnis, einem, das niemand sehen will, das man aber nicht ignorieren sollte.

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  • 5 Sterne

    4 von 8 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Anne H., 27.09.2018

    Deprimierend und wichtig

    Neschwitz in Ostsachsen. Ein kleiner Ort, in der Nähe von Kamenz und Bautzen. Hier wachsen Philipp und sein Bruder Tobi auf, geboren Anfang / Mitte der 1990er Jahre. Nachwendezeit, die Eltern bauen ein Haus, raus aus der Platte. Hier gibt es Sorben und zweisprachige Ortsschilder, Steinbrüche und Tongruben im Wald, stillgelegte Fabriken und brachliegende LPG-Betriebe. Viel Platz, viel Leere, die sich auch in den Menschen nach der Wende spürbar findet. Alles ist anders, auch elf Jahre nach der Wiedervereinigung, im Jahr 2000, als die Handlung des Romans einsetzt, fühlt sich das noch so an. Die Mär der blühenden Landschaften im Osten muss sich wie ein Albtraum anfühlen. Und wie Vereinigung schon mal gar nicht. In dieser Atmosphäre erhält der Leser einen Einblick in das Leben der beiden Jungs, man bekommt ein Gespür dafür, wie sich die äußeren Umstände in den Menschen, ihrem Reden und vor allem ihrem Nichtreden, ihrem Fühlen manifestieren. Philipp und Tobi wachsen in einer Welt ohne Antworten auf. Auch wenn sie Fragen stellen, z.B. nach einem ausgebrannten Balkon in Hoyerswerda, fährt der Opa lieber schnell daran vorbei. Aufklärung findet nicht statt. Latenter Rassismus ist oftmals gegenwärtig, man schimpft über die Polacken auf der Autobahn, über die katholischen Sorben, denen es immer viel besser gehe, und die „Bonzen“, Lehrer, Beamte, Ärzte, sind auch nicht viel besser. Rietzschel zeigt in drei Abschnitten des Buches, vereinfacht gesagt, Philipps und Tobis Grundschulalter (2000-2004), Jugendzeit (2004-2006) und jungem Erwachsenenleben (2013-2015), was diese Umstände mit ihnen machen. Wie Sprachlosigkeit und Schweigen sich wandeln in Gewalt, Vandalismus und Fremdenhass. Wie zwei Brüder damit umgehen, was sie in Dingen und Menschen sehen, wie sie sich, ihre Rollen in den gewählten Gruppen und in „ihrem“ Land besetzen und welche Auswirkungen es auf sie hat. Bis zum letzten Abschnitt ist unklar, welcher Bruder mehr zu was tendiert, wer sich tiefer hinab ziehen lässt in rechte Gewalt, wer „nur“ zum Mitläufer taugt, wer zum Täter wird, denn in diese Richtung tendieren zwischenzeitlich beide. Das Buch endet offen. Unklar, wie die Wege der beiden weiter verlaufen, es sieht so aus, als könne sich zumindest einer teilweise lösen, der andere vielleicht nicht. Vielleicht aber doch, weil dann da doch noch ein Fünkchen „mehr“ ist. Etwas auf das man hoffen kann, aber nur vielleicht. Und das ist genauso traurig, wie die Atmosphäre über weite Strecken des Buches. Und auch das passt, denn es ist ein trauriges, ein schwieriges, ein wichtiges Thema und Buch. Happy-End nicht angebracht.
    Man kann sich der dem Buch voran gestellten Meinung des Verlegers nur anschließen: ja, „Mit der Faust in die Welt schlagen“ ist ein wichtiges Buch. Es ist kein einfaches Buch, es deprimiert, es macht mitunter wütend und man schüttelt den Kopf vor Unverständnis. Mich hat es sehr bewegt und ich habe auch immer, wenn ich es zur Seite legte, weiter darüber nachdenken müssen. Es liefert keine Erklärungen, erzählerisch gesehen für mich „show not tell“ in Bestform. Rietzschel schildert Verhältnisse in Ostsachsen, Beziehungen zwischen Menschen, macht auf Sprachlosigkeit, Verschlossenheit und Perspektivlosigkeit aufmerksam, lässt den Leser Tristesse und Ausweglosigkeit der Protagonisten spüren. Er erklärt nicht, „und so wurde aus xy ein Nazi, deshalb ist er in diese Kreise geraten, deshalb macht er da jetzt mit und redet so. Das passiert alles, und der Leser muss es sich für sich selbst finden zu erklären, warum das so ist. Mir hat das sehr gut gefallen, weil für mich das vorherrschende bei diesem Buch wirklich das Fühlen der herrschenden Atmosphäre, die Natur der zwischenmenschlichen Beziehungen und das Fühlen des Einzelnen war, welches dann eben zu etwas führt. Man kann es versuchen anhand dessen nachzuvollziehen (nicht zu verstehen) und zu einem Schluss kommen. Wobei der tatsächliche Schluss des Buches an sich für mich ein offener ist. Ein interpretationsfähiger – zum Glück. Auch wenn mir verschiedene Varianten möglich erscheinen, ist doch eine - vielleicht tatsächlich nur langfristig – positive Deutungsoption enthalten. Und das möchte ich einfach hoffen.
    Fazit: Lesen. Und darüber reden. Das finde ich ganz wichtig. Lest Artikel, die zum Buch erschienen sind oder schaut Berichte an, vor allem wenn ihr aus dem Westen kommt, hier geboren seid und nie im Osten gelebt habt. Mir hat eine Leserunde wirklich sehr beim Verstehen des Gesamtgefüges in Sachsen, der Nachwendezeit geholfen, ohne die ich vieles einfach in meinem Unverständnis der Situation hätte versumpfen lassen müssen, so hat mehr Hintergrundwissen in diesem Fall für mich entscheidend zum Gesamtverständnis des Buches beigetragen.

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  • 5 Sterne

    1 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    johannaliest, 09.09.2018

    Ein Buch passend zur derzeit allgegenwertigen Thematik der Flüchtlingsströme.

    Es werden die Hintergründe beleuchtet, durch die junge Menschen aus normalen Familien zu Neonazis werden können.

    Der Roman ist in drei Teile unterteilt.
    Die zwei Protagonisten sind die Brüder Phillipp und Tobias.
    Geschildert wird ihr Heranwachsen in den Jahren 2000 bis 2015 in einer Ostdeutschen Provinz.
    Im ersten Teil erfahren wir etwas über ihre Kindheit.
    Im zweiten Teil wird die Perspektivlosigkeit der beiden immer deutlicher.
    Sie müssen erkennen, dass die Welt oft ungerecht ist.
    Im dritten Teil des Romans vollzieht sich eine Spaltung zwischen den Brüdern.
    Beide reagieren sehr gegensäztlich auf die Flüchtlingskrise.
    Während sich der eine eher nachdenklich zurückzieht, gerät der andere in einen Strudel aus Hass und Wut. Er wird zu einem Sympathisanten der Neonazis.

    Der Autor versucht in seinem Roman die Ursachen für Fremdenhass zu ergründen und welche psychischen Abgründe einen Menschen dazu bewegen können, sich der Neonazi-Szene anzuschließen.
    Dies gelingt ihm meiner Meinung nach hervorragend.
    Man kann die Charaktere nachvollziehen.
    Besonders gut gefällt mir der unkomplizierte prägnante Schreibstil, mit dem die ungeschönte Wahrheit widergegeben wird.

    Eine klare Leseempfehlung von mir!

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  • 5 Sterne

    6 von 12 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    raschke64, 08.10.2018

    Ein kleines Dorf im Osten Sachsens im zweisprachigen Gebiet, nicht weit von der polnischen Grenze entfernt. Tiefste Provinz. Nach der Wende verlieren die Menschen ihre Arbeit, ihre Freunde, ihre Ziele. Jedes neu gebaute Autohaus wird als Aufschwung bejubelt. Dort wachsen die Brüder Philipp und Tobias auf. Erleben den Hausbau der Eltern, das Schließen der Schule und der Geschäfte im Ort, den Tod des Großvaters und die Scheidung der Eltern. Ein Dorffest ist der Jahreshöhepunkt.

    Das Buch ist pure Realität von den abgehängten Dörfern ohne blühende Landschaften, von dem Ausbluten der Dörfer durch den Wegzug in den Westen oder wenigstens in größere Städte und von den übriggebliebenen abgehängten Menschen, besonders ältere Leute und junge perspektivlose Männer. Es ist sehr trocken geschrieben, meistens ohne Bewertung. Es ist eine Beschreibung der wirklichen Entwicklung und der Gefühle der Menschen. Ich fürchte nur, es wird von den Verantwortlichen nicht gelesen werden und es wird weiterhin nur eine schwarz-weiße Beurteilung geben.

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  • 2 Sterne

    1 von 2 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Die Bücher vom Rommelbach, 07.09.2018

    Inhalt:

    Philipp und Tobias sind Brüder, beide leben zusammen mit Ihren Eltern in einem kleinen Dorf zwischen Dresden und Bautzen. Ihrer Eltern sind beide berufstätig und können einen Hausbau finanzieren. 2001 ist es dann so weit, die Familie zieht ins Haus ein und Tobias feiert seine Einschulung, von da an, nimmt das Unheil seinen Lauf. Die beiden Brüder werden immer mehr mit Rechtsradikalismus zusammengebracht, nicht nur durch falsche Freunde, selbst durch Ihre Eltern erfahren Sie schon Früh, Fremdenhass zu schüren. Diese Wut steigert sich bis ins Unermessliche, schon als Teenager hatten die beiden Ihre ersten Schlägereien mit Migranten und als Erwachsene wird Ihr Hass so groß, dass es noch weit über Schlägereien hinaus gehen.
    "Mit der Faust in die Welt schlagen" repräsentiert die Geschichte zweier Brüder, im Zeitraum von 2000 - 2015, welche in Sachsen aufwachsen und den Zerfall Ihrer Heimat mit erleben.

    Mein Fazit:

    Ich habe von diesem Buch sehr viel erwartet, ich habe auf eine tiefsinnige, gesellschaftskritische Massage gehofft, und habe eine langweilige Geschichte über zwei Brüder erhalten.
    Leider war es wirklich nicht mehr als nur eine Geschichte, der Autor schaffte es weder durch seinen Schreibstil, noch durch die Story Spannung aufzubauen. Auf 320 Seiten hat der Autor es nicht geschafft, mich in seinen Bann zu ziehen, weiter gelesen hatte ich nur, weil ich erwartet habe, dass irgendwann etwas passiert. Jedoch passierte eigentlich nichts.
    Natürlich kann es auch sein, dass meine Meinung zu diesem Buch nur so ist, da ich auf die Gleiche weiße aufgewachsen bin und es für mich deshalb nichts Besonderes ist.
    Der einzige Unterschied zwischen mir und den Brüdern ist, dass mir schon schnell bewusst wurde, dass jeder seines Eigenes Glückes Schmied ist und kein Migrant etwas dafürkann, dass man keinen Job bekommt oder in "Armut" leben muss.

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  • 4 Sterne

    Annegret H., 29.09.2018 bei bewertet

    Lukas Rietzschel hat seinen Debütroman in kurzen, knackigen Sätzen und einem nüchternen Stil geschrieben. Mit vielen Ellipsen. So vermittelt er bereits über die Sprache ein deutliches Gefühl von Trostlosigkeit. Dies setzt sich fort in der Beschreibung der Nachwendezeit in einer ländlichen Region in Sachsen: Unternehmen gehen pleite, Läden und Schulen werden geschlossen, viele Menschen ziehen in die Städte, ein Stasiverdacht wird verstohlen ausgesprochen, Freizeitangebote fehlen. Dazu kommen gescheiterte Ehen und andere ganz alltägliche Dramen, die so überall passieren. Die beiden Brüder Tobias und Philipp werden erst kurz nach der Wende geboren, erleben die Auswirkungen der Wiedervereinigung aber selbst. Auch die Opfer-Mentalität der älteren Generation („Es war nicht deine Schuld.“) übernehmen sie gleich mit.

    In diesem tristen Umfeld wachsen die beiden Protagonisten nun auf. Sie erleben trotz der Umbrüche eigentlich eine ziemlich durchschnittliche Kindheit und Jugend. Beide Eltern haben einen Job und bauen ein Haus. Die Jungs gehen zur Realschule und fangen anschließend eine Ausbildung an. Trotzdem werden beide Teil der Neonazi-Szene. Sie rutschen ab in dieses Milieu, wie man so sagt. Genau so fühlt es sich in dem Roman an: Tobi und Philipp werden nach und nach zu Nazis, als wenn das unter diesen Umständen halt normal wäre. Anfangs verstehen die Jungs Symbole und Gesten gar nicht, sondern ahmen sie nur nach, weil es die vermeintlich coolen älteren Jugendlichen tun und weil es die Erwachsenen ärgert. Mögliche Gründe für die Radikalisierung werden wie nebenbei erwähnt. Sie liegen irgendwo zwischen Langeweile, dem Wunsch nach Zugehörigkeit, dem Bedürfnis Grenzen zu testen und einer diffusen, unbegründeten Wut, die sich mal gegen Sorben und mal gegen Ausländer richtet.

    Dem Autor gelingt ein sensibles Portrait der leisen Töne, allerdings ist die Geschichte mehr Beschreibung als tiefgehende Analyse. Einige der Beschreibungen fallen zudem etwas langatmig aus. Genau hier liegt auch mein Problem. Am Ende plappert der eine Bruder die typisch rechten Plattitüden fanatisch nach, während sich der andere apathisch von der Szene zu distanzieren versucht, dabei aber nervig passiv bleibt. Es gibt keinen Widerspruch, die hasserfüllten Aussagen bleiben einfach so stehen und führen zu sinnloser Gewalt. Die Entwicklung der beiden Brüder wirkt einfach banal. Vielleicht ist genau das die Aussage des Romans, dass es für diese Radikalisierung eigentlich keinen triftigen Grund gibt. Nein, ich habe nicht erwartet, dass die Brüder am Ende bekehrt werden und mit ihren neuen Nachbarn aus Syrien Ringelpiez mit Anfassen tanzen. Aber das offene Ende hat mich ziemlich frustriert zurückgelassen. Zum Nachdenken regt der Roman aber allemal an.

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  • 4 Sterne

    Miss.mesmerized, 26.08.2018 bei bewertet

    Um die Jahrtausendwende sieht die Welt noch rosig aus, auch wenn in Neschwitz bei Dresden die blühenden Landschaften ausgeblieben sind und die Reste der DDR Industrie nach und nach abgerissen werden. Die Eltern bauen ein Haus, die Söhne Philipp und Tobias sind noch klein und haben das Leben vor sich. Dieses Leben folgt jahrein jahraus denselben Bahnen. Angriff auf das World Trade Center, Hochwasser in Dresden – woanders geschieht etwas, nicht aber in Neschwitz. Die Jungs werden älter, Philipp gerät an falsche Freunde, spielt den Halbstarken, Tobias zieht sich immer mehr zurück, bewundert ein Mädchen seiner Klasse, doch nach der Grundschule trennen sich die Wege, für Kinder wie ihn bleibt nur die Hauptschule. Die versprochenen Perspektiven bleiben aus und zunehmend lehnt sich die Jugend auf, erst gegen die Sorben, dann gegen die anderen Ausländer, die den Westen ihrer geliebten Heimat schon erobert haben. Irgendjemand muss doch etwas dagegen tun, das ist doch reine Selbstverteidigung!

    Lukas Rietzschels Roman zeichnet eine Welt nach, von der man weiß, dass sie existiert, aber die man eigentlich nicht sehen will, weil man sich schämt, dass es sie gibt, weil man sie verachtet, weil man nicht weiß, was man dagegen tun soll. Aus zwei schüchternen Jungs, wohlerzogen und bescheiden, werden Mitläufer und Täter, Rassisten und gewaltbereite Kriminelle. Hätte es eine Alternative zu dieser Entwicklung geben können? Die Oma wusste schon, dass sie keine Chance bei der Lehrerin haben, die hatte die Mutter schon auf dem Kieker, da kann man sich noch so bemühen, es ist ohnehin umsonst.

    „Dieses ganze System ist am Arsch“, sagte Menzel. „Diese Gesellschaft, wo niemand mehr sagen kann, was er will. Wo dir vorgeschrieben wird, was du essen, wie viel du trinken und wie schnell du fahren darfst. Du bist ein Rassist, du bist ein Sexist! Die sollen alle mal die Fresse halten!“
    „Weißt du, was ich glaube?“, sagte Tobias.
    „Hm?“, fragte Menzel.
    „Es braucht mal wieder einen richtigen Krieg.“

    Dieser kurze Dialog gegen Ende des Romans fasst zusammen, was die Figuren empfinden: sie sind abgehängt, haben keinen Einfluss, nicht einmal auf die banalsten Dinge des Alltags, keiner versteht sie, sie werden sofort abgestempelt und wissen nicht, wie sie aus der Nummer rauskommen sollen.

    Rietzschel weckt kein Mitleid für seine beiden Protagonisten, er verurteilt sie auch nicht, er beschreibt neutral einen Schritt nach dem anderen, der dazu führt, dass sie da enden, wo sie schließlich sind. Eine Geschichte, wie es leider zu viele gibt. Kein schöner Roman, auch „unterhaltsam“ trifft es nicht. Brutal bildet er auf seine Weise die Realität ab und wird so zu einem Zeitzeugnis, einem, das niemand sehen will, das man aber nicht ignorieren sollte.

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