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  • 5 Sterne

    2 von 4 Kunden fanden diese Bewertung hilfreich

    Elke S., 09.06.2020

    Deutsch-Deutsch spannend verpackt

    „Zu zweit sind mein Vater und ich an vielen Wochenenden die Grenze entlanggefahren und haben sie genau beobachtet. Der Grenzstreifen, die Selbstschussanlagen, das Verhalten der Grenzsoldaten. Er hat viele Zeitungsartikel darüber geschrieben.“

    Publizistikstudent Michael, der in die journalistischen Fußstapfen seines Vaters tritt, hat nicht nur dessen Eloquenz und dessen Interesse für die Entwicklung zwischen DDR und BRD geerbt, sondern erhält durch die Tatsache, dass ihm jemand geheime Informationen in den Briefkasten wirft, brisantes Material, das nichts mehr in der Uni verloren hat, sondern ins Erste Deutsche Fernsehen will. Dort muss er nicht erst mühselig die Karriereleiter nach oben steigen, sondern landet mit seinen Insiderinformationen sofort ganz oben und auf den besten Sendeplätzen. Dass ihn die Stasi dabei instrumentalisieren könnte, auf die Idee kommt er nicht, und auch der Leser weiß lange nicht was deren Pläne sind, die sie mit Genosse Telemann und Genossin Blaschke verwirklichen wollen, bevor die ihren eigenen Interessen nachgehen.

    „Absender Ost-Berlin - Grenzgänger ist ein fiktiv-zeitgeschichtlicher Roman voller überraschender Wendungen, der die untergehende DDR zeitgleich aus Ost- und Westdeutschen Perspektiven in Szene setzt.“ Damit wird für dieses Buch geworben und dieses Versprechen wird gehalten. Ich habe gebannt gelesen, habe viel über Zusammenhänge gerätselt und so manche Überraschung dabei erlebt. Gegen Ende hin habe ich fast selbst auf die Maueröffnung hingefiebert, weil ich so inmitten der Geschichte versunken war.

    Der Roman zeichnet ein Stück Deutsch-Deutsche Geschichte. Man darf mit Michael und den anderen Protagonisten hier die letzten Jahre vor dem Mauerfall erleben, wird Zeuge davon, wie sich der Unmut im Osten zunehmend steigert und der Staatsapparat samt Stasi immer unfähiger wird, die demonstrierenden Massen in den Griff zu bekommen, und schließlich auch wie die Mauer fällt. Aber zudem bekommt man noch ganz viele kleine Highlights aus der gesamten Zeit der zwei deutschen Saaten erzählt, was mir super gut gefallen hat. Endlich einmal nicht ein Abriss der Jahre, wie man ihn im Schulbuch so ähnlich findet, sondern hier heißt es „Und dann kam sein Vater erst so richtig in Fahrt. Malte Bilder mit seinen Worten, die in keine Geschichtsbuch zu finden waren: Welchen Affentanz der derzeitige Staatschef Walter Ulbrich aufgeführt haben musste, als selbst nach chemischen Behandlungen der extra aus Westdeutschland importierten Edelstahloberfläche das christliche Symbol einfach nicht weichen wollte.“. So erfährt man ganz nebenbei nicht nur, dass der Berliner Fernsehturm zwischen maroden Plattenbauten der höchste TV-Turm Europas und der zweithöchste der Welt war, um ein Zeichen der sozialistischen Überlegenheit zu demonstrieren, sondern eben auch, dass sich ungeplant in der Kugel in 230 Meter Höhe bei Sonne ein reflektierendes Kreuz bildet, was in einem religionsfeindlichen Staatsapparat natürlich zu erheblichem Ärger führte. Ein Grinsen konnte ich mir als Leser hier z.B. auch nicht verkneifen, wenn der Autor noch die Information hinterherschiebt, dass zu allem Überfluss kurz vor der Eröffnung auch noch die Amerikaner auf dem Mond gelandet sind. Der Kalte Krieg wird hier so z.B. auch mehr als deutlich spürbar und das ist nur ein Beispiel von Detailwissen, das mich so begeistert hat. Allerdings muss man wohl als Leser stellenweise auch zumindest ein grobes Vorwissen haben, um diese Spitzen, vielleicht auch die eine oder andere Entwicklung im Roman erkennen und nachvollziehen zu können.

    Gut gefallen hat mir auch, dass der Autor kein Schwarz-Weiß pinselt, oft bei seinen Charakteren Gedanken nur ins Rollen bringt und Wertungen nur zwischen den Zeilen zu lesen sind. Da kann schon mal ein Reflektieren der Art, „Ich war so etwas wie ein Westler im Osten. Die Widersprüche, die Absurditäten und trotzdem das hehre Ziel. […] Ja, im Prinzip ja keine schlechte Idee. Nur so stümperhaft umgesetzt. Ganz zu Schweigen von der üblen Reklame. […] Diese billige Werben für den vermeindlichen Arbeiter- und Bauernstaat. Und dann noch auch noch dieses aufgesetzte autoritäre Verhalten gegenüber uns West-Deutschen. Als sollten wir und in der DDR besonderes mies fühlen. Und trotzdem habe ich es geliebt.“ , oder auch zu schwärmenden Erinnerungen wie, „Ich hätte gern eines dieser blauen Halsbänder getragen, wäre gerne mitmarschiert bei den farbenfrohen Paraden zum Ersten Mai. Ich trank gern die pinkfarbene Brause. Und das Sandmännchen war sowieso viel besser als das des Westfernsehens. Deshalb empfand ich den Braunkohlegeruch nicht als Gestank, sondern als Indiz. Ein Indiz für eine Umgebung, die einfach anders roch, anders aussah und in der man einfach anders lebte.“, kommen.

    Thomas Pohl beschreibt äußerst anschaulich und mit vielen Bildern, sodass ich mir alles bis ins Detail vorstellen konnte und deutlich vor Augen hatte. „Der erste Grenzkontrolleur fragte nach den Papieren. Ausweise, Visa, Zollerklärung. Dann nahm er sie in die Hand, kontrollierte die Gesichter, sortierte die Papiere auf immer die gleiche Art und gab sie einem Kollegen durch eine Luke in einem lächerlich kleinen Häuschen. Überhaupt schien hier alles irgendwie wie selbstgebaut. Die Papiere wurden tatsächlich über eine kleine Seilbahn mit handgesägten Holzgondeln transportiert. Jede Gondel sah anders aus. Wie ein unikates Kunstwerk aus Kinderhand.“ Das ist nur ein Beispiel, bei dem ich das Gefühl hatte selbst beim Grenzübergang und der anschließenden mehr als ausgiebigen Kontrolle, bei der zur Gängelung sogar die Bananen ins Röntgengerät kamen, mit dabei gewesen zu sein. „Die Ironie, die Eloquenz und Michaels Frechheit waren so ganz nach seinem Geschmack,“, sind Dr. Planks Gedanken bei ihrem ersten Treffen im Café Einstein und diese waren nicht nur nach seinem, sondern auch nach meinem. Durch Michaels Redegewandtheit und Schlagfertigkeit ergeben sich in der Geschichte unheimlich viele pointierte Dialoge, die mir das Lesen zum großen Vergnügen gemacht haben. „Suchen Sie sich etwas aus. Heute zahlt der zwangsverpflichtete GEZ-Zahler.“ – „Dann esse ich sozusagen auf eigene Kosten.“, „Wenn sie zehn Fernseher und fünf Autoradios in Ihrer Villa angemeldet haben, kommt das ja fast hin.“, ist nur ein Beispiel dafür.

    Die Mitspieler sind gelungen gezeichnet, zu viel darf man gar nicht verraten, weil sich hier vieles erst nach und nach offenbart und man sonst die Spannung nehmen würde. Klar, dass einen Michael sein grandioser Erfolg ein wenig überheblich machen muss, seine Wortgewandtheit hat ihn mir aber stets trotzdem sympathisch gemacht. Auch viele der Nebenrollen konnten mich überzeugen, bei Fernsehchef Dr. Plank mit seinem inneren Neid auf Michaels einnehmendes Auftreten angefangen, bis hin zu Studienkollegin und Freundin Anna mit ihrem Gefühls-Hin-und-Her, das auch einen Karl plagt.

    Alles in allem bekommt der Grenzgänger, der mich gefesselt lesen lassen und mir einiges an Detailwissen beschert hat, von mir gerne fünf Sterne.

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  • 5 Sterne

    Uli P., 10.08.2020

    Der Roman von Thomas Pohl ließ mich in eine Sichtweise der deutsch-deutschen Geschichte eintauchen, die ich so noch nicht vor Augen hatte. Mit gleichzeitigen Blick auf beide Seiten des geteilten Staates, mit Figuren, die sich durch ihre innere Zerrissenheit die Aufmerksamkeit des Lesers einfordern. Und trotz der vielen geschichtlichen Hintergründe und Details steht die Unterhaltung im Vordergrund. "Absender Ost-Berlin" besticht durch seine vielen überraschenden Wendungen. Der Roman verzahnt dabei die Themen Aufrichtigkeit, vertane und verlockende Gelegenheiten, Liebe und Geschichte zu einem großartigen Leseerlebnis.
    Das Buch ist ein echter Geheimtipp.

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