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Peter Wohlleben: Das geheime Band zwischen Mensch und Natur

Der Weltbestseller über "Das geheime Leben der Bäume" kommt ins Kino | Interview

Die Natur – unser Lebensraum, für den wir geschaffen wurden

Peter Wohlleben kommt in die Kinos

Als im Sommer 2019 das letzte Buch von Deutschlands Lieblingsförster Peter Wohlleben erschien, eroberte es sofort Platz 1 in den Sachbuch-Bestsellerlisten. Nach seinen Büchern „Das geheime Leben der Bäume“, „Das Seelenleben der Tiere“ und „Das geheime Netzwerk der Natur“ widmet sich der Autor in „Das geheime Band“ besonders der Beziehung zwischen uns Menschen und der Natur. Leidenschaftlich vertritt der Förster die These, dass der Mensch sich als Teil der Natur begreifen sollte.

Zum Start des Jahres 2020 ist Deutschlands "Oberförster" unterwegs und präsentiert seinen Kinofilm zum Weltbestseller über "Das geheimeLeben der Bäume". Das Publikum ist begeistert, die Wissenschaft diskutiert.

Waldbaden versus Wälder abholzen

Es ist in den letzten Jahren tatsächlich eine „Renaissance des Naturerlebens" zu beobachten. Das sogenannte „Waldbaden" gibt es in Japan als Therapie sogar auf Krankenschein. Dennoch werden weltweit rücksichtslos Wälder abgeholzt. Eine Widersprüchlichkeit, die es uns schwer macht, unseren Platz in der Natur wiederzufinden, erklärt Wohlleben in seinem Buch. Obwohl keiner vorsätzlich die Umwelt zerstören will, sind wir dennoch in unserem konsumorientierten Alltag gefangen.

Mit dem Wald das Klima retten

Doch eine pessimitische Weltsicht in Sachen Klima ist nicht sein Ding. "Auf den Wald und die Natur bezogen kann ich sagen: Da gibt es viele Lösungen, und mit positiven Botschaften bewegt man mehr als mit Horrorszenarien", so Wohlleben kürzlich in der Süddeutschen und fordert ein Umsteuern. Eine Greta Thunberg dürfe sich beschweren, sie sei ein Kind, aber "in unserem Alter ist Beschweren doof. Da sollte man schon sagen: Vielleicht tun wir mal was" (SZ vom 18.1.2020) fordert er nachdrücklich von der Gesellschaft. Im Interview mit Weltbild sagt Peter Wohlleben klar, wie seine Vorstellung aussieht: „Mein ganz persönliches Ziel ist es, dass Klimaschutz künftig durch Reduzierung des Verbrauchs und gleichzeitig durch die Renaturierung möglichst vieler Waldflächen vorangetrieben wird. Denn Urwälder sind nun mal unsere stärksten."

Schreibender Förster und leidenschaftlicher Naturschützer

Wie Peter Wohlleben das Umdenken befördern will? Nicht mit Mahnungen. Stattdessen zeigt er die Wunder der Natur – speziell die Wunder des Waldes. Diese Faszination begleitet Wohlleben, geboren 1964, schon von Kindesbeinen an: Er wollte Naturschützer werden, studierte dann Forstwirtschaft und arbeitete über 20 Jahre für die Landesforstverwaltung Rheinland-Pfalz.

Zugunsten seiner Waldvision gab er den Beamtenstatus aber wieder auf. Und schuf in seinem Revier in der Eifel-Gemeinde Wershofen innerhalb von 15 Jahren einen urwaldähnlichen Laubwald. Mit Pferden bewirtschaftet statt mit Holzerntemaschinen, um den Waldboden zu schonen. Und natürlich ohne Einsatz von Chemie. Ein sanft bewirtschafteter Mischwald ist derzeit in aller Munde, weil er in die hiesigen Breitengrade passt und ein gesunder Wald unentbehrlich ist, um der Klimakrise etwas entgegen zu setzen.

Außerdem gründete Wohlleben mit Partnern eine Waldakademie, die mit Führungen und Events Wissen rund um den Wald bietet und sich international für den Schutz und Erhalt der Wälder einsetzt.

Im Interview erklärt Peter Wohlleben, woher die enge Bindung zwischen Mensch und Natur kommt und was Urwälder gegen die Erderwärmung ausrichten können.

Peter Wohlleben: „Die Alternative zu Plastik heißt nicht Papiertüte, sondern Baumwolltasche"

Herr Wohlleben, in Ihrem Buch „Das geheime Band" geht es um die Verbindung zwischen dem Menschen und der Natur. Obwohl es häufig so scheint, als hätte sich die moderne Zivilisation von der Natur entfremdet, schreiben Sie, dass das Band zwischen den beiden nach wie vor intakt ist. Woher kommt diese Verbindung und warum spüren wir sie häufig gar nicht?

Peter Wohlleben: Die Verbindung existiert, seit es Menschen gibt. Schließlich ist die Natur unser Lebensraum, für den wir geschaffen wurden, und nicht das Büro oder die Wohnzimmercouch. Deshalb verwundert es nicht, dass unsere Sinne keineswegs verkümmert oder gegenüber anderen Arten benachteiligt sind, ganz im Gegenteil. Kaum eine Art kann Farben so gut sehen wie wir, und selbst unser Geruchssinn übertrifft den von Hunden, zumindest dann, wenn es um Früchte geht.

Bäume können untereinander kommunizieren, schreiben Sie. Können auch wir Menschen mit Bäumen kommunizieren?

Peter Wohlleben: Bisher gibt es darauf keinen Hinweis. Aber allein die Vorstellung, dass sich Buchen und Eichen prinzipiell über sehr viele Dinge austauschen können, ist doch schon faszinierend. Und immerhin können wir passiv an der Unterhaltung teilnehmen, also quasi zuhören. Der leckere Duft nach Orangeat, den Sie in Nadelwäldern im Sommer riechen, besteht aus Signalen. Meistens geht es dabei um die Abwehr von Insekten oder Pilzen, aber uns Menschen erinnert das oft an einen Urlaub in Spanien.

In einem TV-Beitrag des WDR konnten Sie eindrucksvoll zeigen, wie sich der Wald positiv auf den Blutdruck von Moderatorin Bettina Böttinger auswirkte. Können Sie kurz erklären, was hinter dem Effekt steckt? Und warum funktioniert das nur in bestimmten, „echten“ Wäldern?

Peter Wohlleben: Der Aufenthalt im Wald beruhigt. Es sind die Duftbotschaften der Bäume, und je weniger sich diese über Gefahren „unterhalten“, desto eher entspannen wir uns. Da natürliche, intakte Wälder bei uns aus alten Eichen und Buchen bestehen, gelingt die Entspannung unter solch gesunden Exemplaren besonders gut. Die Erklärung: Wir erfassen instinktiv wie in grauer Vorzeit, welches Ökosystem intakt und damit ein guter Ort zum Leben ist.

Warum ist es besser, den Wald mehr sich selbst zu überlassen, weniger einzugreifen?

Peter Wohlleben: Ein Wald regelt seine Bedürfnisse seit 300 Millionen Jahren perfekt selber. Wir haben ja noch nicht einmal alle Arten entdeckt, selbst in Mitteleuropa nicht. Wie sollten wir da verstehen, wie alles zusammenhängt, gar, wie man das verbessern kann?

Bei Weltbild entdecken

In der Diskussion um Plastikmüll gelten Holz und Papier als nachhaltige Alternativen. Warum sehen Sie das kritisch?

Peter Wohlleben: Plastikmüll ist als Abfall problematisch, Holz und Papier in der Erzeugung. Große Teile der weltweiten Wälder sind mittlerweile Plantagen, um unseren Holzhunger zu befriedigen. Urwald wurde dabei zu monotonen grünen Wüsten degradiert. Bestes Beispiel sind die Kiefernplantagen in Ostdeutschland, die artenarm sind und sehr leicht brennen. Die Alternative zu Plastik heißt nicht Papiertüte, sondern Baumwolltasche.

Sie schreiben, Urwälder seien unsere natürlichen Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel. Wie können Bäume dazu beitragen, die Erderwärmung zu verhindern bzw. zu verlangsamen?

Peter Wohlleben:Es gibt ermutigende Forschungen aus Deutschland, nach denen intakter, alter Laubwald die Umgebungsluft im Sommer um bis zu 10°C herabkühlen kann. Das einzige, was wir dazu machen müssen, ist – nichts. Kein Holzeinschlag, keine neuen Wegetrassen, einfach nichts.

Dass sie „hinaus in den Wald gehen und seine Wunder genießen" wünscht sich Peter Wohlleben von seinen Lesern

Was möchten Sie mit Ihren Büchern – speziell mit Ihrem neuen Buch – beim Leser erreichen? Oder anders gefragt: Was wäre das größte Lob, dass Ihnen die Leser für Ihr neues Buch machen könnten?

Peter Wohlleben: Das größte Lob für mich wäre, wenn Leserinnen und Leser anschließend hinaus in den Wald gehen und seine Wunder noch mehr genießen können.