Abgespeist
Gift in Lebensmitteln ist legal, Konsumenten werden systematisch betrogen. Gesunde Lebensmittel, die nicht die Umwelt zerstören, gibt es nur für Leute mit Geld. Dagegen können sich Verbraucher nicht wehren - schon gar nicht mit einer "Politik des...
Gift in Lebensmitteln ist legal, Konsumenten werden systematisch betrogen. Gesunde Lebensmittel, die nicht die Umwelt zerstören, gibt es nur für Leute mit Geld. Dagegen können sich Verbraucher nicht wehren - schon gar nicht mit einer "Politik des Einkaufswagens" -, denn sie sind recht- und machtlos. Die Ursache dafür ist nicht die viel gescholtene "Geiz- ist Geil"-Mentalität der Verbraucher, sondern verantwortlich sind die Regeln des Lebensmittelmarktes, die vor allem den Interessen der Nahrungsmittelindustrie dienen.
Der Umwelt- und Verbraucherschutzaktivist Thilo Bode rollt erstmals die politischen Hintergründe dieser Zustände auf. Er fordert Verbraucherrechte als fundamentale Bürgerrechte und zeigt was sich politisch ändern muss. Sein Appell: Verbraucher müssen sich gemeinsam zur Wehr zu setzen und für ihre Rechte kämpfen.
Der Umwelt- und Verbraucherschutzaktivist Thilo Bode rollt erstmals die politischen Hintergründe dieser Zustände auf. Er fordert Verbraucherrechte als fundamentale Bürgerrechte und zeigt was sich politisch ändern muss. Sein Appell: Verbraucher müssen sich gemeinsam zur Wehr zu setzen und für ihre Rechte kämpfen.
Abgespeist von Thilo Bode
LESEPROBE
Einleitung
Wenn einAutohersteller Fahrzeuge mit defekten Bremsschläuchen ausliefert, dann ist einesofortige Rückrufaktion selbstverständlich. Genauso verdonnert sind Hersteller,Schadensersatz zu zahlen, wenn es zu Unfällen wegen der defekten Bremsschläuchekommt. Wenn Urlauber ein Hotelzimmer mit Blick aufs Meer gebucht haben, abervor ihrem Balkon eine Müllkippe entdecken, werden sie den Reiseveranstalterverklagen und angemessen entschädigt. Und wenn der Stromverbrauch derWaschmaschine nach zwei Jahren plötzlich doppelt so hoch ist wie angegeben,gilt die Garantie: Geld zurück oder ein neues Gerät. Das ist ganzselbstverständlich. Doch was in anderen Bereichen gilt, trifft ganz und garnicht für den Nahrungsmittelmarkt zu. Hier ist seit langem der Skandal nichtdie Ausnahme, sondern der Normalfall. Eine »Original Münchner Weißwurst« hatmit München nur wenig zu tun. Der Darm stammt aus China, das Kalbfleisch ausUngarn, das Schweinefleisch aus Polen und die Petersilie aus Südafrika. Auch inSpeiselokalen gehobener Klasse serviert man den Gästen Gulasch ausGammelfleisch, und die Speisegelatine in Gummibärchen wird aus ungenießbarenSchlachtabfällen hergestellt. Das »natürliche« Aroma im Erdbeerjoghurt ist ausHolzrinde destilliert, und hat jemand ein mit krebsauslösendem und erbgutveränderndemDioxin verseuchtes Putenschnitzel gekauft, steht ihm als Schadensersatzlediglich ein Putenschnitzel zu, das nicht mit Dioxin belastet ist.
BeimEinkaufen von Lebensmitteln und beim Essen werden wir systematisch getäuschtund betrogen. Wir werden nicht informiert, mehr noch, wir werden gezielt desinformiert. Wir haben keine Wahl zwischen guten undschlechten Lebensmitteln, weil der Preis nicht zwingend etwas über die Qualitätaussagt, billig muss nicht schlecht und teuer nicht gut sein. Unsere Gesundheitwird geschädigt, aber wir haben keine Chance, diese Schädigung zu vermeiden.Dieser Zustand ist kein Zufall, sondern hat System. Auch sind nicht einige »schwarzeSchafe« die Ursache.
Dieses Buchwill die Hintergründe dieses Systems erläutern und dessen Spielregeln erklären.Ein Hersteller, der so ehrlich ist, offen anzugeben, wie viel Zucker seinKindermilchdrink enthält und diesen nicht hinter harmlos klingenden Aufschriftenwie »Kohlehydrate« versteckt, muss mit Umsatzrückgang für sein Produkt rechnen.Denn die Kunden werden dann die Angebote der Konkurrenten kaufen, die denwahren Zuckergehalt einfach nicht ausweisen, weil man das verschleiern darf.Die Folge: Die Kunden wiegen sich in der Annahme, sie kauften ein besseresProdukt. Das Fazit: Auf dem Lebensmittelmarkt lohnt es sich weder fürHersteller, ehrlich zu sein, noch Qualitätsware anzubieten. Im Gegenteil, eslohnt sich, Etikettenschwindel zu betreiben. Ungestraft kann sich eine minderwertigeTütensuppe mit dem Attribut »Naturpur« schmücken, einmit die Zähne schädigender Zitronensäure versetztes Fruchtsaftkonzentrat »zurgesunden Entwicklung des Kindes beitragen« und jede beliebige Milch gefahrlosdamit werben, sie stamme von »artgerecht« gehaltenen Tieren. Wer Gammelfleischzu Döner oder Gulasch verarbeitet, den erwarten Gewinnspannen von 1000 Prozent.Das Risiko erwischt zu werden ist minimal, und selbst wenn man erwischt wird,die Strafen sind es auch. Der Lebensmittelmarkt ist ein Markt, auf dem es lukrativist, zu betrügen, zu täuschen und die Gesundheit der Verbraucher zu gefährden.Die Spielregeln eines funktionierenden Marktes sind auf dem Lebensmittelmarktaußer Kraft gesetzt. Der Markt steuert sich nicht selber, zum Wohle der Verbraucherund der Anbieter von Qualität. Der Grund dafür ist, dass Verbraucher auf diesemMarkt recht- und machtlos sind.
Lebensmittelskandalegab es in den letzten Jahren in einer nicht abreißenden Serie. Doch keinSkandal hat die Machtlosigkeit der Verbraucher besser illustriert als dieRinderseuche BSE, die in Deutschland 2001 offiziell wurde, obwohl sie schonlange vorher präsent war. Über 150 Menschen starben in Großbritannien an BSE, niemandwurde dafür belangt. BSE war es, das mich damals zum ersten Mal fragen ließ:Welche Rechte haben Verbraucher eigentlich beim Essen? Wer hat auf dem Lebensmittelmarktdie Macht die Verbraucher oder die Agrar- und Lebensmittelindustrie aufKosten der Verbraucher? Wer ist hier der Souverän? Haben Verbraucher eigentlichdie Möglichkeit, sich zu wehren? Und wenn nicht, was kann man dagegen tun? AlsChemiefabriken noch die Flüsse vergifteten, Stahlwerke noch die Luftverpesteten, wollten Politik und Wirtschaft diese Umweltzerstörung nicht sehen.Es brauchte Aktivisten, die die Abwasserrohre von Bayer verstopften und das»gläserne Abflussrohr« forderten. Es brauchte eine Bewegung, die das Phänomender Umweltzerstörung und die Notwendigkeit des Umweltschutzes in die Parlamentetrug. Wie einst die Umweltbewegung die Zerstörung der Umwelt öffentlich machteund effektive Umweltgesetze erzwang, so brauchen wir jetzt eineVerbraucherbewegung außerhalb der Parlamente. Eine Bewegung, dieVerbraucherechte zum politischen Thema macht und Verbraucherinteressen gegendie mächtige Agrar- und Nahrungsmittelindustrie durchsetzt. Denn von sich auswerden die Politiker nicht aktiv für die Rechte der Verbraucher eintreten. OhneDruck von außen geht gar nichts. Die Umweltbewegung musste dies erfahren, beider Durchsetzung von Verbraucherrechten wird es nicht anders sein. Klar ist fürmich, dass die Verbraucher mit ihrer vermeintlichen Marktmacht als Käufer dieunzureichenden Gesetze des Lebensmittelmarktes nicht ändern können. Sie könnensich vielleicht ein Produkt kaufen, das sie besonders schätzen, aber dieSpielregeln des Marktes können sie nicht ändern. Lug und Trug der Herstellerund des Handels werden weiter bestehen, auch wenn Verbraucher so kundig wiemöglich einkaufen. Wer nicht weiß, wie viel Uran im Mineralwasser ist, kannnicht das Mineralwasser ohne Uran kaufen. Wer die Anbieter von Gammelfleischnicht kennt, kann nicht den Anbieter von gutem Fleisch auswählen. Wer die Behördennicht verklagen kann, weil diese die Lebensmittelgesetze nicht strikt anwenden,ist der Willkür der Lebensmittelindustrie ausgeliefert. Und wer nach demunbeabsichtigten Verzehr eines Dioxinschnitzels keinen Schaden geltend machenkann, kann auch nicht auf Entschädigung klagen.
Im Jahre2002 habe ich deshalb die Organisation »foodwatch«gegründet. foodwatch will den Verbrauchern vermitteln,dass sie machtlos sind, machtlos gegenüber Täuschung und Betrug, machtlosgegenüber der Gefährdung ihrer Gesundheit durch Nahrungsmittel. foodwatch stellt die Frage, wie man den Lebensmittelmarktändern kann. Wenn Verbraucher sich zusammenschließen und organisiert handeln,können sie die Spielregeln verändern zugunsten der Verbraucher. Dieses Buchwill Verbraucher motivieren und ermutigen, sich zu organisieren und zu wehren sich nicht länger abspeisen zu lassen! Um den Markt für Lebensmittel zuanalysieren, gibt es wenig Materialien und Hilfsmittel, kaum Literatur. DasLebensmittelrecht ist ein undurchsichtiger Paragraphendschungel. Es wird voneiner kleinen Anzahl Experten beherrscht, die für die Industrie oder dieBehörden arbeiten. Lebensmittelrechtler, die als Anwälte auch für Verbrauchertätig sind, gibt es kaum, weil es keine Verbraucherorganisationen gibt. AnInformationen und Hintergründe von Skandalen kommt man nicht heran, weil es,anders als im Umweltrecht, eben keine Informationsrechte gibt. Und dieVerzahnung der europäischen Subventionslandwirtschaft mit einerundurchsichtigen Bürokratie und der Nahrungsmittelindustrie macht die ganzeThematik komplex und kaum zu durchdringen. »Abgespeist« schöpft deshalb vorwiegendaus den Erfahrungen und dem angesammelten Wissen des kleinen Teams von foodwatch in den letzten Jahren. Es gründet sich aufzahlreiche Recherchen, Expertisen und Analysen, die zum großen Teil bishernicht veröffentlicht sind. Dass dieses Buch geschrieben werden konnte, geht aufdie gemeinsame Leistung und Anstrengung des foodwatchTeams zurück.
© S.Fischer Verlag
- Autor: Thilo Bode
- 2007, 253 Seiten, Maße: 14 x 21,4 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: S. Fischer Verlag GmbH
- ISBN-10: 3100043073
- ISBN-13: 9783100043078
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