Am ersten Tag
Roman
Zwei Menschen auf der Suche. Zwei Schicksale, die sich kreuzen. Ein Geheimnis, das alles verändern wird.
Keira und Adrian finden in einem erloschenen Vulkan einen rätselhaften Stein, der sie für immer aneinanderbinden...
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Produktinformationen zu „Am ersten Tag “
Zwei Menschen auf der Suche. Zwei Schicksale, die sich kreuzen. Ein Geheimnis, das alles verändern wird.
Keira und Adrian finden in einem erloschenen Vulkan einen rätselhaften Stein, der sie für immer aneinanderbinden wird. Doch jemand will um jeden Preis verhindern, dass sie sein Geheimnis lüften.
Klappentext zu „Am ersten Tag “
Am ersten Tag erwacht die Liebe ...Wo erwacht der Morgen? Wo endet die Nacht? Er ist Astrophysiker und sucht den ersten Stern. Sie ist Archäologin und sucht den ersten Menschen. Zusammen finden sie in einem erloschenen Vulkan einen rätselhaften Stein, der sie für immer aneinanderbinden und den Lauf ihres Lebens verändern wird. Doch jemand will um jeden Preis verhindern, dass Keira und Adrian das Geheimnis lüften, denn es würde alles in Frage stellen, was wir über den Ursprung der Welt und der Menschheit zu wissen glauben. Für die beiden leidenschaftlichen Wissenschaftler beginnt ein gefährlicher Wettlauf um ihr Leben, aber auch um ihre Liebe ...
Zwei Menschen auf der Suche. Zwei Schicksale, die sich kreuzen. Ein Geheimnis, das alles verändern wird.
'Am ersten Tag ist eine Einladung zum Reisen - durch die Zeit, den Himmel und die Welt. Marc Levy erzählt zwei Schicksale, die sich kreuzen: Eine Archäologin auf der Suche nach dem ersten Menschen und ein Astrophysiker auf der Suche nach dem Ursprung der Welt. Dieser schnelle und spannende Roman ist sowohl eine Liebesgeschichte als auch die Geschichte unseres Strebens nach fundamentalen Antworten." -- L'Est Républicain
"Intelligenter Liebesroman, der die großen Fragen des Lebens aufgreift." -- InStyle
'Spannender Liebesroman, der Antworten auf fundamentale Fragen zu geben versucht.' -- clivia
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Lese-Probe zu „Am ersten Tag “
Am ersten Tag von Marc LevyPROLOG
»Wo beginnt die Morgendämmerung?«
Ich war gerade mal zehn Jahre alt, als ich meine krankhafte Schüchternheit überwand, um diese Frage zu stellen. Der Naturkundelehrer drehte sich resigniert um, zuckte nur mit den Schultern und schrieb weiter die Hausaufgaben an die Tafel, so als existiere ich gar nicht.
Ich senkte den Kopf, starrte auf meine Schulbank und tat so, als würde ich die grausamen und spöttischen Blicke meiner Klassenkameraden nicht bemerken, die, was diese Frage betraf, auch nicht mehr wussten als ich.
Wo beginnt die Morgendämmerung? Wo endet der Tag? Warum erleuchten Millionen von Sternen das Himmelszelt, ohne dass wir die Welten, denen sie angehören, sehen können? Wie hat alles angefangen?
In meiner Kindheit stand ich, wenn meine Eltern schliefen, nachts heimlich auf und schlich auf Zehenspitzen ans Fenster, drückte die Nase an die Scheibe und betrachtete den Himmel. Ich heiße Adrianos, doch seit langem schon nennt man mich Adrian, außer in dem Dorf, in dem meine Mutter geboren wurde. Ich bin Astrophysiker, Spezialist für extrasolare Galaxien.
Mein Büro liegt am Gower Court, innerhalb der Mauern der London University, Abteilung Astronomie; doch ich halte mich dort nur selten auf. Die Erde ist rund, der Raum ist gekrümmt, und will man die Geheimnisse des Universums ergründen, so muss man reisen, ständig auf dem Planeten unterwegs sein auf der Suche nach den einsamsten Gefilden, den optimalsten Beobachtungspunkten, der vollständigsten Dunkelheit, fern von den großen Städten.
Ich glaube, das, was mich seit so vielen Jahren gedrängt hat, nicht wie die anderen zu leben mit Haus, Frau und Kindern , war die Hoffnung, eines Tages die Antwort auf die Frage zu finden, die immer schon meine Träume beschäftigt hat: Wo beginnt die
... mehr
Morgendämmerung?
Wenn ich heute anfange, dieses Tagebuch zu schreiben, dann mit einer anderen Hoffnung: dass jemand eines Tages diese Seiten und den Mut findet, die Geschichte zu erzählen. Die tiefste Demut eines Wissenschaftlers besteht darin zu akzeptieren, dass nichts unmöglich ist.
Heute weiß ich, wie weit ich von solcher Bescheidenheit entfernt war, bis zu jenem Abend, an dem ich Keira begegnete. Was ich in diesen letzten Monaten durchlebt habe, lässt meine Kenntnisse lächerlich klein erscheinen und hat alles, was ich über die Entstehung der Welt zu wissen glaubte, auf den Kopf gestellt.
ERSTES HEFT
Die Sonne erhob sich über dem östlichen Horn von Afrika. Die archäologische Ausgrabungsstätte im Tal des Omo-Flusses hätte schon in den ersten orangefarbenen Schimmer der aufgehenden Sonne getaucht sein müssen, doch dieser Morgen glich keinem anderen.
Keira hockte, die Hände zum Wärmen um ihren Kaffeebecher gelegt, auf einem Mäuerchen aus getrockneten Lehmsteinen und suchte mit den Augen den noch dunklen Horizont ab. Ein paar Regentropfen prallten vom ausgedörrten Boden ab und wirbelten hier und dort Staubpartikel auf. Ein Junge kam auf sie zugelaufen.
»Du bist ja schon auf«, sagte Keira und strich ihm durchs Haar. Harry nickte.
»Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du in der Ausgrabungsstätte nicht rennen sollst. Wenn du stolperst, könntest du mehrere Wochen Arbeit zerstören. Und was du dabei zerbrechen würdest, wäre unersetzlich. Siehst du diese Wege, die durch Schnüre abgegrenzt sind? Stell dir also vor, es wäre ein Porzellanladen unter freiem Himmel. Ich weiß, es ist nicht der ideale Spielplatz für einen Jungen deines Alters, aber ich kann dir nichts Besseres bieten.«
»Es ist nicht mein Spielplatz, sondern deiner! Und außerdem hat dein Laden eher etwas von einem altem Friedhof.«
Harry deutete mit dem Finger auf die sich nähernde Wolkenfront.
»Was ist das?«, fragte der Junge.
»Ich habe noch nie so einen Himmel gesehen, doch er verheißt nichts Gutes.«
»Es wäre toll, wenn es regnen würde!«
»Es wäre eine Katastrophe, willst du sagen. Hol schnell den Teamchef. Ich möchte das Terrain sichern.«
Der Junge sprintete los und blieb dann unvermittelt stehen.
»Diesmal hast du allen Grund zu rennen. Lauf!«, befahl sie und klatschte in die Hände. In der Ferne wurde der Himmel immer dunkler. Eine Böe riss ein Stück von der Plane weg, die einen Steinhaufen schützte.
»Das hat gerade noch gefehlt«, murmelte Keira und erhob sich von ihrer Mauer. Sie nahm den Pfad, der zum Lager führte, und traf unterwegs den Teamchef, der ihr entgegenkam.
»Falls es regnet, müssen wir möglichst viele Parzellen abdecken. Sichern Sie die Planquadrate, mobilisieren Sie unsere Männer und holen Sie, wenn nötig, Hilfe aus dem Dorf.«
»Das ist kein Regen«, erwiderte der Teamchef resigniert, »und wir können nichts tun. Die Dorfbewohner flüchten schon.«
Ein gewaltiger Sandsturm, vorangetrieben vom Shamal, kam auf sie zu. Unter normalen Umständen weht dieser mächtige Wind, der die Wüste von Saudi-Arabien durchquert, in Richtung Golf von Oman, weiter im Osten, doch es waren keine normalen Zeiten, und der zerstörerische Orkan war nach Westen abgedreht. (...)
»Wo ist Harry?«
»Keine Ahnung«, erwiderte der Teamchef und blickte sich um.
»Ich habe ihn heute Morgen noch nicht gesehen.«
»Hat er Ihnen nicht Bescheid gegeben?«
»Nein, ich habe die Nachricht über Funk gehört, die Anordnung zur Evakuierung erteilt und bin auf direktem Weg hergekommen, um Sie zu holen.«
Inzwischen war der Horizont schwarz. Wie eine riesige Welle zwischen Himmel und Erde wälzte sich die nur noch wenige Kilometer entfernte Staubwolke auf sie zu. Keira ließ ihren Kaffeebecher fallen und rannte los. Sie verließ den Pfad und lief den Hang hinab zum Fluss.
Es war fast unmöglich, die Augen offen zu halten. Der vom Wind aufgewirbelte Staub peitschte ihr ins Gesicht, und jedes Mal, wenn sie Harrys Namen schrie, schluckte sie Sand und glaubte zu ersticken. Doch davon ließ sie sich nicht aufhalten. Hinter dem immer dichteren grauen Schleier vermochte sie, das Zelt auszumachen, in dem der Junge sie jeden Morgen weckte, um zusammen mit ihr den Sonnenaufgang hoch oben auf dem Hügel zu bewundern.
Sie riss den Stoff beiseite; ihre Jurte war leer. Das ganze Lager wirkte jetzt wie eine Geisterstadt, weit und breit keine Menschenseele. In der Ferne erkannte man noch vage die Dorfbewohner, die den Hang erklommen, um zu den Grotten weiter oben zu gelangen.
Keira inspizierte die Nachbarzelte und schrie dabei unentwegt den Namen des Jungen, erhielt als Antwort aber nichts als das Grollen des Sturms. Der Teamchef, der ihr gefolgt war, packte sie beim Arm und zog sie fast gewaltsam mit sich. Keira blickte den Hang hinauf.
»Zu spät!«, schrie er durch das Tuch hindurch, das sein Gesicht bedeckte. Er nahm Keira bei der Schulter und schob sie zum Flussufer.
»Rennen Sie, Herrgott noch mal! Rennen Sie!«
»Harry!«
»Er hat sicher irgendwo einen Unterschlupf gefunden. Seien Sie still und halten Sie sich an mir fest.« Die Welle von Staub und Sand verfolgte sie, kam immer näher. Stromabwärts schlängelte sich der Fluss zwischen zwei Felswänden hindurch.
Der Teamchef entdeckte eine Öffnung und zog Keira eilig hinein.
»Hier!«, sagte er und stieß sie bis ans Ende. Das war knapp gewesen. Die rollende Woge, die Erde, Steine und ausgerissene Pflanzen mit sich trug, wälzte sich an ihrer Notunterkunft vorbei. Keira und ihr Teamchef kauerten am Boden. Die Grotte war jetzt in völliges Dunkel getaucht.
Das Tosen des Sturms war ohrenbetäubend. Die Wände begannen zu zittern, und beide fragten sich, ob alles zusammenbrechen und sie für immer unter den Trümmern begraben würde. (...)
Das Tosen dauerte noch endlose Minuten an. Und obwohl sich von Zeit zu Zeit Erdschollen lösten, schien ihr Schutzbunker standzuhalten. Das Tageslicht drang erneut in die Höhle, der Sturm entfernte sich.
Der Teamchef erhob sich und streckte Keira die Hand entgegen, um ihr aufzuhelfen, doch sie ergriff sie nicht.
»Ich bleibe hier«, sagte sie. »Ich bin nicht sicher, dass ich sehen will, was uns draußen erwartet.«
Der Teamchef blickte missmutig drein.
»Harry!«, rief Keira unvermittelt und stürzte hinaus. Draußen war nichts als Verwüstung. Die Büsche, die das Flussufer säumten, waren geradezu geköpft worden; die Böschung, sonst ockergelb, hatte die braune Farbe der Erde, die sie jetzt bedeckte, angenommen.
Der Strom trug Unmengen von Schlamm kilometerweit ins Delta. Kein einziges Zelt im ganzen Lager stand noch an seinem Platz. Auch das Dorf hatte den Angriffen des Sturms nicht standhalten können. Die über Meter vom Wind durch die Luft getriebenen Hütten waren schließlich an Felsen oder Baumstämmen zerschellt. Hoch oben auf dem Hügel verließen die Dorfbewohner ihren Unterschlupf, um in Augenschein zu nehmen, was aus ihrem Vieh und ihren Äckern geworden war.
Eine Frau weinte und presste ihre Kinder an sich. Etwas weiter entfernt sammelten sich die Mitglieder eines anderen Stammes. Keine Spur von Harry.
Keira sah sich suchend um drei Leichen lagen am Ufer. Ihr wurde übel.
»Er wird sich in einer der Grotten versteckt haben, keine Sorge, wir finden ihn schon«, sagte der Teamchef und zwang sie, den Blick abzuwenden. Keira klammerte sich an seinen Arm, und sie erklommen gemeinsam den Hang.
Auf dem Plateau, wo sich die Ausgrabungsstätte befand, waren die Planquadrate völlig verschwunden, der Boden war mit Trümmern übersät, der Sturm hatte alles zerstört.
Keira bückte sich, um einen Höhenmesser aufzuheben. Automatisch wischte sie den Staub ab, doch die Gläser des Gerätes waren unwiederbringlich beschädigt. Etwas weiter entfernt lag das Stativ eines Theodoliten, der Dreifuß himmelwärts gerichtet.
Plötzlich tauchte mitten in dieser Verwüstung das verstörte Gesicht von Harry auf. Keira lief ihm entgegen und nahm ihn in die Arme. Das war alles andere als gewöhnlich. Auch wenn sie ihre Zuneigung denen gegenüber, die ihr Herz erobert hatten, in Worten auszudrücken wusste, gab sie sich sonst nie der geringsten Geste der Zärtlichkeit hin.
Diesmal jedoch drückte sie ihn so fest, dass er fast versucht war, sich aus der Umarmung zu befreien. »Mein Gott, hast du mir Angst gemacht«, sagte sie und wischte ihm den Schmutz aus dem Gesicht. »Ich habe dir Angst gemacht? Nach allem, was passiert ist, soll ich dir Angst gemacht haben?«, wiederholte Harry fassungslos. Keira antwortete nicht.
Sie hob den Kopf und betrachtete, was von ihrer Arbeit geblieben war: nichts. Selbst die Mauer aus getrockneten Lehmsteinen, auf der sie heute Morgen noch gesessen hatte, war zusammengebrochen, weggefegt vom Shamal. Innerhalb weniger Minuten hatte sie alles verloren.
»O weh, deinen Laden hat es ganz schön erwischt«, sagte Harry.
» ... meinen Porzellanladen«, murmelte Keira. Harry schob seine Hand in die von Keira. Er war darauf gefasst, dass sie ihre zurückziehen würde; dass sie einen Schritt zur Seite weichen und vorgeben würde, etwas Wichtiges entdeckt zu haben, so wichtig, dass sie sofort überprüfen müsste, worum es sich handelte. Und dann, etwas später, würde sie ihm durchs Haar streichen, um sich für den Mangel an Zärtlichkeit zu entschuldigen.
Diesmal aber hielt Keira die ihr arglos gereichte Hand fest, und ihre Finger umschlossen sie.
»Alles ruiniert«, sagte sie mit tonloser Stimme.
»Du kannst neu graben, oder?«
»Das ist nicht mehr möglich.«
»Du musst nur tiefer gehen«, protestierte der Junge.
»Selbst tiefer wäre alles unbrauchbar.«
»Was wird dann geschehen?« Keira ließ sich im Schneidersitz auf dem verwüsteten Boden nieder. Harry folgte ihrem Beispiel und respektierte ihr Schweigen.
»Du wirst mich verlassen, wirst gehen, stimmt's?«, fragte er schließlich.
»Ich habe keine Arbeit mehr.«
»Du könntest helfen, das Dorf wieder aufzubauen. Alles ist zertrümmert. Die Leute hier haben euch auch geholfen.«
»Ja, das können wir für ein paar Tage, ein paar Wochen im Höchstfall tun. Dann aber, du hast recht, müssen wir gehen.«
»Warum denn? Du bist hier doch glücklich, oder?«
»Mehr als je zuvor.«
»Dann musst du bleiben!«, beharrte Harry. Der Teamchef gesellte sich zu ihnen, und Keira bedeutete dem Jungen, dass er sie jetzt allein lassen sollte.
Harry entfernte sich einige Schritte.
»Geh nicht zum Fluss!«, rief sie.
»Das kann dir jetzt doch egal sein, wenn du weißt, dass du gehen wirst!«
»Harry!«, flehte Keira. Doch der Junge lief schon in die Richtung, die sie ihm verboten hatte.
»Sie geben die Ausgrabung auf?«, fragte der Teamchef überrascht.
»Ich fürchte, wir haben bald keine andere Wahl mehr.«
»Warum sich so entmutigen lassen? Man muss sich nur wieder an die Arbeit machen. An gutem Willen fehlt es hier schließlich nicht!«
»Leider ist es nicht nur eine Frage des guten Willens, sondern auch der Mittel. Wir haben fast kein Geld mehr, um unsere Leute zu bezahlen. Meine einzige Hoffnung war, rasch etwas zu finden, um weitere Unterstützung zu bekommen. Ich fürchte, wir sind bald arbeitslos.«
»Und der Kleine? Was soll aus ihm werden?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Keira niedergeschlagen.
»Sie sind seine einzige Bezugsperson, seitdem seine Mutter gestorben ist. Warum nehmen Sie ihn nicht mit?«
»Dazu fehlt mir jede Berechtigung. Er würde an der Grenze festgehalten, für Wochen in ein Lager gesteckt, um dann hierher zurückgeschickt zu werden.«
»Und ausgerechnet in Ihrem Land hält man uns für unzivilisiert!«
»Könnten Sie sich nicht um ihn kümmern?«
»Ich habe so schon Mühe, meine Familie durchzubringen, und meine Frau wird nicht bereit sein, ein weiteres Maul zu stopfen. Außerdem ist Harry ein Mursi, er gehört den Völkern des Omo an, und wir sind Ambara, das würde alles nur noch schwieriger machen. Sie, Keira, haben seinen Vornamen geändert und ihn in den letzten drei Jahren Ihre Sprache gelehrt. Sie haben ihn sozusagen adoptiert. Sie sind für ihn verantwortlich. Er darf nicht ein zweites Mal verlassen werden; das würde er nicht verkraften.«
»Wie hätte ich ihn denn nennen sollen? Ich musste ihm doch einen Vornamen geben. Er sprach kein Wort, als ich ihn aufgenommen habe!«
»Statt uns jetzt zu streiten, sollten wir lieber nach ihm suchen. Bei dem Gesicht, das er eben gemacht hat, wird er so schnell nicht wieder hier auftauchen.«
Keiras Kollegen versammelten sich rund um die Ausgrabungsstätte. Die Stimmung war bedrückend. Jedem wurde das Ausmaß der Zerstörung klar. Alle wandten sich Keira zu und warteten auf Instruktionen.
»Schaut mich nicht so an, ich bin nicht eure Mutter!«, rief die Archäologin aufgebracht.
»Wir haben all unsere Sachen verloren«, protestierte ein Mitglied des Teams.
»Es gibt Tote im Dorf, ich habe drei Leichen im Fluss gesehen«, erwiderte Keira. »Da interessiert mich dein Schlafsack wirklich nicht.«
»Wir müssen so schnell wie möglich ihre sterblichen Überreste begraben«, meinte ein anderer.
»Wir können zusätzlich zu unseren Problemen nicht noch eine Choleraepidemie gebrauchen.« »Freiwillige?«, fragte Keira zweifelnd. Niemand hob die Hand.
»Dann lasst uns alle gehen«, befahl sie. »Wir sollten warten, bis ihre Familien sie holen. Wir müssen ihre Traditionen respektieren.«
»Der Shamal hat auch nichts respektiert. Lasst uns handeln, bevor das Flusswasser verseucht ist«, beharrte Keira. Der Zug setzte sich in Bewegung. Die traurige Aufgabe nahm den Rest des Tages in Anspruch. (...)
Die folgenden Tage verliefen ähnlich. Zwei Wochen später trug die Natur zwar noch die Narben der Katastrophe, das Dorf selbst aber sah fast wieder normal aus. Der Dorfälteste dankte den Archäologen. Keira bat ihn um ein Gespräch unter vier Augen.
Die Blicke der Bewohner signalisierten eindeutig, wie wenig sie schätzten, dass eine Fremde seine Hütte betrat, der Dorfälteste indes akzeptierte aus Dankbarkeit.
Nachdem er die Bitte seines Gastes vernommen hatte, schwor er, bis zu ihrer Rückkehr für Harry, sollte er wieder auftauchen, zu sorgen; im Gegenzug musste sie versprechen, tatsächlich wiederzukommen.
Daraufhin gab er ihr zu verstehen, die Unterhaltung sei beendet. Er sagte zum Abschied lächelnd, auch wenn Harry sich verstecke, weit könne er nicht sein. In den letzten Nächten hätte ein seltsames Tier, während die Dorfbewohner schliefen, Lebensmittel gestohlen, und die Spuren des Eindringlings hätten Ähnlichkeit mit denen eines Jungen.
Vierzehn Tage nach dem Sturm versammelte Keira ihr Team um sich und kündigte an, es sei Zeit, Afrika zu verlassen. Das Funkgerät war zerstört, sie mussten sich alleine durchschlagen. (...)
Mit Hilfe der Dorfbewohner begannen sie, Proviant für die Reise zusammenzustellen; der Aufbruch war für den nächsten Tag in aller Frühe geplant. Keira konnte nachts nicht schlafen und wälzte sich wohl hundertmal auf ihrem Strohlager hin und her. Sobald sie die Augen schloss, tauchte vor ihr Harrys Gesicht auf.
Sie dachte an den Tag zurück, als sie ihm, auf dem Rückweg von einer Exkursion, etwa zehn Kilometer vom Lager entfernt, erstmals begegnet war. Harry saß allein vor einer Hütte. Sonst war weit und breit niemand zu sehen, und das Kind starrte sie nur schweigend an. Was tun?
Einfach weiterlaufen, als wenn nichts wäre? Sie hockte sich neben ihn, und er blieb weiter stumm. Als sie den Kopf durch die Tür der ärmlichen Behausung steckte, entdeckte sie seine Mutter, die gerade gestorben war.
Sie fragte den Jungen, ob er Verwandte hätte, einen Ort, wohin sie ihn bringen könnte, doch sie erhielt keine Antwort: kein Klagen, nur dieser durchdringende Blick. Keira blieb lange neben ihm sitzen, ohne ein Wort zu sagen. Schließlich stand sie auf und setzte ihren Weg fort.
Sie hatte die ganze Zeit den Eindruck, dass er ihr in einigem Abstand folgte und sich jedes Mal, wenn sie sich umdrehte, rasch versteckte. Kurz vor dem Lager aber war auf der Piste keine Spur mehr von ihm zu sehen, und sie glaubte schon, er sei umgekehrt.
Als der Teamchef am nächsten Morgen bekannt gab, es seien Lebensmittel gestohlen worden, war Keira geradezu erleichtert. Es dauerte lange Wochen, bis sich die beiden wiedersahen. Keira hatte angeordnet, man möge nachts in der Nähe ihres Zeltes stets einen Teller mit Essen und etwas zu trinken hinstellen.
Und jeden Abend protestierte der Teamchef, dies sei der beste Weg, um Raubtiere anzulocken. Doch derjenige, den Keira zähmen wollte, hatte nichts von einem wilden Tier, sondern war nur ein verängstigter, einsamer, kleiner Junge.
Je mehr Zeit verstrich, desto öfter dachte Keira über das ungewöhnliche Verhalten des Kindes nach. Abends in ihrem Zelt lauschte sie auf die Schritte dessen, den sie im Geiste schon Harry getauft hatte. Warum gerade dieser Vorname?
Sie wusste es selbst nicht, er war ihr wohl im Traum gekommen. Eines Nachts ging Keira das Risiko ein, sich vor die Kiste zu setzen, auf der der Teller für den Jungen stand. Diesmal hatte sie Besteck dazu gelegt, und das Ganze ähnelte einem Esstisch, den man mitten im Nirgendwo aufgestellt hatte. Harry erschien auf dem Pfad, der vom Fluss hinaufführte.
Er lief mit hoch erhobenem Kopf, sein Gang war stolz. Als er vor ihr stand, begrüßte ihn Keira mit einer Handbewegung und fing an zu essen. Nach kurzem Zögern nahm er ihr gegenüber Platz. So teilten sie ihr erstes Mahl unter freiem Himmel, und Keira brachte ihm die ersten Worte ihrer Sprache bei. Er wiederholte keines, am nächsten Tag beim Essen aber sagte er alle am Vortag gehörten auf, ohne auch nur den geringsten Fehler zu machen.
Erst später in diesem Monat zeigte sich Harry am helllichten Tag. Keira war gerade dabei, vorsichtig in der Erde zu graben, in der Hoffnung, endlich etwas Wertvolles zu entdecken, als sich der Junge langsam näherte.
Was dann folgte, war äußerst eigenartig. Ohne sich darum zu kümmern, ob Harry sie verstand, erklärte ihm Keira jede ihrer Handbewegungen, warum es für sie so wichtig war, ohne Unterlass nach diesen winzigen fossilen Fragmenten zu suchen, und dass jedes einzelne vielleicht von der Entstehung des Menschen auf unserem Planeten zeugen könnte.
Harry kam am nächsten Tag zur selben Stunde zurück und verbrachte diesmal den ganzen Nachmittag an der Seite der Archäologin. Dasselbe wiederholte sich an den folgenden Tagen und zwar jedes Mal mit beeindruckender Pünktlichkeit Harry hatte keine Uhr.
Die Wochen vergingen, und ohne dass sich jemand dessen wirklich bewusst wurde, verließ der Junge das Lager nicht mehr. Vor jeder Mahlzeit, mittags und abends, ließ er, ohne zu murren, den Sprachkurs über sich ergehen, den Keira ihm erteilte.
In dieser Nacht hätte Keira gerne noch einmal seine Schritte gehört, wie er um ihr Zelt herumschlich und darauf wartete, dass sie ihm erlaubte hereinzukommen. Sie hätte ihm eine der afrikanischen Legenden erzählt, von denen sie so viele kannte.
Wie sollte sie sich morgen auf den Weg machen, ohne ihn noch einmal gesehen zu haben? Ein Aufbruch ohne ein Wort ist schlimmer als Verlassenwerden, Schweigen ist Verrat. Keira griff nach dem Geschenk, das Harry ihr eines Tages gemacht hatte.
An einer Lederschnur, die niemals mehr ihren Hals verließ, hing ein sonderbarer Gegenstand. Er war dreieckig, glatt und hart wie Ebenholz; er besaß auch dessen pechschwarze Farbe, doch war er wirklich aus diesem Material gefertigt?
Keira wusste es nicht. Der Gegenstand ähnelte keinem bekannten Stammesschmuck; selbst der Dorfälteste hatte nichts über seinen Ursprung sagen können. Er hatte nur den Kopf geschüttelt; er wisse nicht, worum es sich handele, und vielleicht solle sie ihn besser nicht am Körper tragen. Doch es war ein Geschenk von Harry...
Als Keira ihn nach seiner Herkunft gefragt hatte, hatte der Junge erklärt, er habe ihn auf einer kleinen Insel mitten im TurkanaSee gefunden. Er sei mit seinem Vater in den Krater eines vor Jahrhunderten erloschenen Vulkans gestiegen, wo es den fruchtbaren Schlamm gab, und dort habe er diesen Schatz entdeckt. Keira legte ihn zurück auf ihre Brust, schloss die Augen und suchte vergebens den Schlaf. Im Morgengrauen packte sie ihre Habseligkeiten zusammen und weckte ihre Kollegen. Eine lange Reise stand ihnen bevor.
Nach einem kärglichen Frühstück machte sich die Mannschaft auf den Weg. Die Fischer hatten ihnen zwei Einbäume zur Verfügung gestellt, jeder konnte vier Personen aufnehmen. An verschiedenen Stellen würden sie an Land gehen und die Boote tragen müssen, um Wasserfälle zu umgehen. Die Dorfbewohner hatten sich am Ufer versammelt. Nur ein kleiner Junge erschien nicht zum Appell.
Der Teamchef schloss Keira in die Arme; er hatte Mühe, seine Gefühle zu verbergen. Dann kletterte man an Bord der Pirogen. Die Kinder sprangen ins Wasser und halfen ihnen, die Boote vom Ufer zu entfernen. Die Strömung tat das Übrige und trug sie sanft davon. (...)
»Es ist vielleicht besser so«, murmelte Michel, einer von Keiras französischen Kollegen, der ihr am nächsten stand. Sie wollte etwas antworten, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt.
»Er wird zu seinem Leben zurückkehren«, fuhr Michel fort. »Mach dir keine Gedanken. Du hast dir nichts vorzuwerfen. Ohne dich wäre Harry bestimmt verhungert. Außerdem hat dir der Dorfälteste versprochen, sich um ihn zu kümmern.«
Plötzlich, als das Boot schon kurz vor der Felsenge war, erschien Harrys Gestalt auf einem winzigen Uferstreifen. Keira sprang auf, und das Boot wäre um Haaresbreite gekentert. Michel stellte das Gleichgewicht wieder her, die beiden anderen Kollegen schimpften.
Keira hörte ihre Vorwürfe nicht, sie hatte nur Augen für den Jungen, der da hockte und sie aus der Ferne betrachtete.
»Ich komme zurück, Harry, ich schwöre es!«, schrie sie. Der Junge antwortete nicht. Hatte er sie gehört?
© 2010 by Blanvalet Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH.
Wenn ich heute anfange, dieses Tagebuch zu schreiben, dann mit einer anderen Hoffnung: dass jemand eines Tages diese Seiten und den Mut findet, die Geschichte zu erzählen. Die tiefste Demut eines Wissenschaftlers besteht darin zu akzeptieren, dass nichts unmöglich ist.
Heute weiß ich, wie weit ich von solcher Bescheidenheit entfernt war, bis zu jenem Abend, an dem ich Keira begegnete. Was ich in diesen letzten Monaten durchlebt habe, lässt meine Kenntnisse lächerlich klein erscheinen und hat alles, was ich über die Entstehung der Welt zu wissen glaubte, auf den Kopf gestellt.
ERSTES HEFT
Die Sonne erhob sich über dem östlichen Horn von Afrika. Die archäologische Ausgrabungsstätte im Tal des Omo-Flusses hätte schon in den ersten orangefarbenen Schimmer der aufgehenden Sonne getaucht sein müssen, doch dieser Morgen glich keinem anderen.
Keira hockte, die Hände zum Wärmen um ihren Kaffeebecher gelegt, auf einem Mäuerchen aus getrockneten Lehmsteinen und suchte mit den Augen den noch dunklen Horizont ab. Ein paar Regentropfen prallten vom ausgedörrten Boden ab und wirbelten hier und dort Staubpartikel auf. Ein Junge kam auf sie zugelaufen.
»Du bist ja schon auf«, sagte Keira und strich ihm durchs Haar. Harry nickte.
»Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du in der Ausgrabungsstätte nicht rennen sollst. Wenn du stolperst, könntest du mehrere Wochen Arbeit zerstören. Und was du dabei zerbrechen würdest, wäre unersetzlich. Siehst du diese Wege, die durch Schnüre abgegrenzt sind? Stell dir also vor, es wäre ein Porzellanladen unter freiem Himmel. Ich weiß, es ist nicht der ideale Spielplatz für einen Jungen deines Alters, aber ich kann dir nichts Besseres bieten.«
»Es ist nicht mein Spielplatz, sondern deiner! Und außerdem hat dein Laden eher etwas von einem altem Friedhof.«
Harry deutete mit dem Finger auf die sich nähernde Wolkenfront.
»Was ist das?«, fragte der Junge.
»Ich habe noch nie so einen Himmel gesehen, doch er verheißt nichts Gutes.«
»Es wäre toll, wenn es regnen würde!«
»Es wäre eine Katastrophe, willst du sagen. Hol schnell den Teamchef. Ich möchte das Terrain sichern.«
Der Junge sprintete los und blieb dann unvermittelt stehen.
»Diesmal hast du allen Grund zu rennen. Lauf!«, befahl sie und klatschte in die Hände. In der Ferne wurde der Himmel immer dunkler. Eine Böe riss ein Stück von der Plane weg, die einen Steinhaufen schützte.
»Das hat gerade noch gefehlt«, murmelte Keira und erhob sich von ihrer Mauer. Sie nahm den Pfad, der zum Lager führte, und traf unterwegs den Teamchef, der ihr entgegenkam.
»Falls es regnet, müssen wir möglichst viele Parzellen abdecken. Sichern Sie die Planquadrate, mobilisieren Sie unsere Männer und holen Sie, wenn nötig, Hilfe aus dem Dorf.«
»Das ist kein Regen«, erwiderte der Teamchef resigniert, »und wir können nichts tun. Die Dorfbewohner flüchten schon.«
Ein gewaltiger Sandsturm, vorangetrieben vom Shamal, kam auf sie zu. Unter normalen Umständen weht dieser mächtige Wind, der die Wüste von Saudi-Arabien durchquert, in Richtung Golf von Oman, weiter im Osten, doch es waren keine normalen Zeiten, und der zerstörerische Orkan war nach Westen abgedreht. (...)
»Wo ist Harry?«
»Keine Ahnung«, erwiderte der Teamchef und blickte sich um.
»Ich habe ihn heute Morgen noch nicht gesehen.«
»Hat er Ihnen nicht Bescheid gegeben?«
»Nein, ich habe die Nachricht über Funk gehört, die Anordnung zur Evakuierung erteilt und bin auf direktem Weg hergekommen, um Sie zu holen.«
Inzwischen war der Horizont schwarz. Wie eine riesige Welle zwischen Himmel und Erde wälzte sich die nur noch wenige Kilometer entfernte Staubwolke auf sie zu. Keira ließ ihren Kaffeebecher fallen und rannte los. Sie verließ den Pfad und lief den Hang hinab zum Fluss.
Es war fast unmöglich, die Augen offen zu halten. Der vom Wind aufgewirbelte Staub peitschte ihr ins Gesicht, und jedes Mal, wenn sie Harrys Namen schrie, schluckte sie Sand und glaubte zu ersticken. Doch davon ließ sie sich nicht aufhalten. Hinter dem immer dichteren grauen Schleier vermochte sie, das Zelt auszumachen, in dem der Junge sie jeden Morgen weckte, um zusammen mit ihr den Sonnenaufgang hoch oben auf dem Hügel zu bewundern.
Sie riss den Stoff beiseite; ihre Jurte war leer. Das ganze Lager wirkte jetzt wie eine Geisterstadt, weit und breit keine Menschenseele. In der Ferne erkannte man noch vage die Dorfbewohner, die den Hang erklommen, um zu den Grotten weiter oben zu gelangen.
Keira inspizierte die Nachbarzelte und schrie dabei unentwegt den Namen des Jungen, erhielt als Antwort aber nichts als das Grollen des Sturms. Der Teamchef, der ihr gefolgt war, packte sie beim Arm und zog sie fast gewaltsam mit sich. Keira blickte den Hang hinauf.
»Zu spät!«, schrie er durch das Tuch hindurch, das sein Gesicht bedeckte. Er nahm Keira bei der Schulter und schob sie zum Flussufer.
»Rennen Sie, Herrgott noch mal! Rennen Sie!«
»Harry!«
»Er hat sicher irgendwo einen Unterschlupf gefunden. Seien Sie still und halten Sie sich an mir fest.« Die Welle von Staub und Sand verfolgte sie, kam immer näher. Stromabwärts schlängelte sich der Fluss zwischen zwei Felswänden hindurch.
Der Teamchef entdeckte eine Öffnung und zog Keira eilig hinein.
»Hier!«, sagte er und stieß sie bis ans Ende. Das war knapp gewesen. Die rollende Woge, die Erde, Steine und ausgerissene Pflanzen mit sich trug, wälzte sich an ihrer Notunterkunft vorbei. Keira und ihr Teamchef kauerten am Boden. Die Grotte war jetzt in völliges Dunkel getaucht.
Das Tosen des Sturms war ohrenbetäubend. Die Wände begannen zu zittern, und beide fragten sich, ob alles zusammenbrechen und sie für immer unter den Trümmern begraben würde. (...)
Das Tosen dauerte noch endlose Minuten an. Und obwohl sich von Zeit zu Zeit Erdschollen lösten, schien ihr Schutzbunker standzuhalten. Das Tageslicht drang erneut in die Höhle, der Sturm entfernte sich.
Der Teamchef erhob sich und streckte Keira die Hand entgegen, um ihr aufzuhelfen, doch sie ergriff sie nicht.
»Ich bleibe hier«, sagte sie. »Ich bin nicht sicher, dass ich sehen will, was uns draußen erwartet.«
Der Teamchef blickte missmutig drein.
»Harry!«, rief Keira unvermittelt und stürzte hinaus. Draußen war nichts als Verwüstung. Die Büsche, die das Flussufer säumten, waren geradezu geköpft worden; die Böschung, sonst ockergelb, hatte die braune Farbe der Erde, die sie jetzt bedeckte, angenommen.
Der Strom trug Unmengen von Schlamm kilometerweit ins Delta. Kein einziges Zelt im ganzen Lager stand noch an seinem Platz. Auch das Dorf hatte den Angriffen des Sturms nicht standhalten können. Die über Meter vom Wind durch die Luft getriebenen Hütten waren schließlich an Felsen oder Baumstämmen zerschellt. Hoch oben auf dem Hügel verließen die Dorfbewohner ihren Unterschlupf, um in Augenschein zu nehmen, was aus ihrem Vieh und ihren Äckern geworden war.
Eine Frau weinte und presste ihre Kinder an sich. Etwas weiter entfernt sammelten sich die Mitglieder eines anderen Stammes. Keine Spur von Harry.
Keira sah sich suchend um drei Leichen lagen am Ufer. Ihr wurde übel.
»Er wird sich in einer der Grotten versteckt haben, keine Sorge, wir finden ihn schon«, sagte der Teamchef und zwang sie, den Blick abzuwenden. Keira klammerte sich an seinen Arm, und sie erklommen gemeinsam den Hang.
Auf dem Plateau, wo sich die Ausgrabungsstätte befand, waren die Planquadrate völlig verschwunden, der Boden war mit Trümmern übersät, der Sturm hatte alles zerstört.
Keira bückte sich, um einen Höhenmesser aufzuheben. Automatisch wischte sie den Staub ab, doch die Gläser des Gerätes waren unwiederbringlich beschädigt. Etwas weiter entfernt lag das Stativ eines Theodoliten, der Dreifuß himmelwärts gerichtet.
Plötzlich tauchte mitten in dieser Verwüstung das verstörte Gesicht von Harry auf. Keira lief ihm entgegen und nahm ihn in die Arme. Das war alles andere als gewöhnlich. Auch wenn sie ihre Zuneigung denen gegenüber, die ihr Herz erobert hatten, in Worten auszudrücken wusste, gab sie sich sonst nie der geringsten Geste der Zärtlichkeit hin.
Diesmal jedoch drückte sie ihn so fest, dass er fast versucht war, sich aus der Umarmung zu befreien. »Mein Gott, hast du mir Angst gemacht«, sagte sie und wischte ihm den Schmutz aus dem Gesicht. »Ich habe dir Angst gemacht? Nach allem, was passiert ist, soll ich dir Angst gemacht haben?«, wiederholte Harry fassungslos. Keira antwortete nicht.
Sie hob den Kopf und betrachtete, was von ihrer Arbeit geblieben war: nichts. Selbst die Mauer aus getrockneten Lehmsteinen, auf der sie heute Morgen noch gesessen hatte, war zusammengebrochen, weggefegt vom Shamal. Innerhalb weniger Minuten hatte sie alles verloren.
»O weh, deinen Laden hat es ganz schön erwischt«, sagte Harry.
» ... meinen Porzellanladen«, murmelte Keira. Harry schob seine Hand in die von Keira. Er war darauf gefasst, dass sie ihre zurückziehen würde; dass sie einen Schritt zur Seite weichen und vorgeben würde, etwas Wichtiges entdeckt zu haben, so wichtig, dass sie sofort überprüfen müsste, worum es sich handelte. Und dann, etwas später, würde sie ihm durchs Haar streichen, um sich für den Mangel an Zärtlichkeit zu entschuldigen.
Diesmal aber hielt Keira die ihr arglos gereichte Hand fest, und ihre Finger umschlossen sie.
»Alles ruiniert«, sagte sie mit tonloser Stimme.
»Du kannst neu graben, oder?«
»Das ist nicht mehr möglich.«
»Du musst nur tiefer gehen«, protestierte der Junge.
»Selbst tiefer wäre alles unbrauchbar.«
»Was wird dann geschehen?« Keira ließ sich im Schneidersitz auf dem verwüsteten Boden nieder. Harry folgte ihrem Beispiel und respektierte ihr Schweigen.
»Du wirst mich verlassen, wirst gehen, stimmt's?«, fragte er schließlich.
»Ich habe keine Arbeit mehr.«
»Du könntest helfen, das Dorf wieder aufzubauen. Alles ist zertrümmert. Die Leute hier haben euch auch geholfen.«
»Ja, das können wir für ein paar Tage, ein paar Wochen im Höchstfall tun. Dann aber, du hast recht, müssen wir gehen.«
»Warum denn? Du bist hier doch glücklich, oder?«
»Mehr als je zuvor.«
»Dann musst du bleiben!«, beharrte Harry. Der Teamchef gesellte sich zu ihnen, und Keira bedeutete dem Jungen, dass er sie jetzt allein lassen sollte.
Harry entfernte sich einige Schritte.
»Geh nicht zum Fluss!«, rief sie.
»Das kann dir jetzt doch egal sein, wenn du weißt, dass du gehen wirst!«
»Harry!«, flehte Keira. Doch der Junge lief schon in die Richtung, die sie ihm verboten hatte.
»Sie geben die Ausgrabung auf?«, fragte der Teamchef überrascht.
»Ich fürchte, wir haben bald keine andere Wahl mehr.«
»Warum sich so entmutigen lassen? Man muss sich nur wieder an die Arbeit machen. An gutem Willen fehlt es hier schließlich nicht!«
»Leider ist es nicht nur eine Frage des guten Willens, sondern auch der Mittel. Wir haben fast kein Geld mehr, um unsere Leute zu bezahlen. Meine einzige Hoffnung war, rasch etwas zu finden, um weitere Unterstützung zu bekommen. Ich fürchte, wir sind bald arbeitslos.«
»Und der Kleine? Was soll aus ihm werden?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Keira niedergeschlagen.
»Sie sind seine einzige Bezugsperson, seitdem seine Mutter gestorben ist. Warum nehmen Sie ihn nicht mit?«
»Dazu fehlt mir jede Berechtigung. Er würde an der Grenze festgehalten, für Wochen in ein Lager gesteckt, um dann hierher zurückgeschickt zu werden.«
»Und ausgerechnet in Ihrem Land hält man uns für unzivilisiert!«
»Könnten Sie sich nicht um ihn kümmern?«
»Ich habe so schon Mühe, meine Familie durchzubringen, und meine Frau wird nicht bereit sein, ein weiteres Maul zu stopfen. Außerdem ist Harry ein Mursi, er gehört den Völkern des Omo an, und wir sind Ambara, das würde alles nur noch schwieriger machen. Sie, Keira, haben seinen Vornamen geändert und ihn in den letzten drei Jahren Ihre Sprache gelehrt. Sie haben ihn sozusagen adoptiert. Sie sind für ihn verantwortlich. Er darf nicht ein zweites Mal verlassen werden; das würde er nicht verkraften.«
»Wie hätte ich ihn denn nennen sollen? Ich musste ihm doch einen Vornamen geben. Er sprach kein Wort, als ich ihn aufgenommen habe!«
»Statt uns jetzt zu streiten, sollten wir lieber nach ihm suchen. Bei dem Gesicht, das er eben gemacht hat, wird er so schnell nicht wieder hier auftauchen.«
Keiras Kollegen versammelten sich rund um die Ausgrabungsstätte. Die Stimmung war bedrückend. Jedem wurde das Ausmaß der Zerstörung klar. Alle wandten sich Keira zu und warteten auf Instruktionen.
»Schaut mich nicht so an, ich bin nicht eure Mutter!«, rief die Archäologin aufgebracht.
»Wir haben all unsere Sachen verloren«, protestierte ein Mitglied des Teams.
»Es gibt Tote im Dorf, ich habe drei Leichen im Fluss gesehen«, erwiderte Keira. »Da interessiert mich dein Schlafsack wirklich nicht.«
»Wir müssen so schnell wie möglich ihre sterblichen Überreste begraben«, meinte ein anderer.
»Wir können zusätzlich zu unseren Problemen nicht noch eine Choleraepidemie gebrauchen.« »Freiwillige?«, fragte Keira zweifelnd. Niemand hob die Hand.
»Dann lasst uns alle gehen«, befahl sie. »Wir sollten warten, bis ihre Familien sie holen. Wir müssen ihre Traditionen respektieren.«
»Der Shamal hat auch nichts respektiert. Lasst uns handeln, bevor das Flusswasser verseucht ist«, beharrte Keira. Der Zug setzte sich in Bewegung. Die traurige Aufgabe nahm den Rest des Tages in Anspruch. (...)
Die folgenden Tage verliefen ähnlich. Zwei Wochen später trug die Natur zwar noch die Narben der Katastrophe, das Dorf selbst aber sah fast wieder normal aus. Der Dorfälteste dankte den Archäologen. Keira bat ihn um ein Gespräch unter vier Augen.
Die Blicke der Bewohner signalisierten eindeutig, wie wenig sie schätzten, dass eine Fremde seine Hütte betrat, der Dorfälteste indes akzeptierte aus Dankbarkeit.
Nachdem er die Bitte seines Gastes vernommen hatte, schwor er, bis zu ihrer Rückkehr für Harry, sollte er wieder auftauchen, zu sorgen; im Gegenzug musste sie versprechen, tatsächlich wiederzukommen.
Daraufhin gab er ihr zu verstehen, die Unterhaltung sei beendet. Er sagte zum Abschied lächelnd, auch wenn Harry sich verstecke, weit könne er nicht sein. In den letzten Nächten hätte ein seltsames Tier, während die Dorfbewohner schliefen, Lebensmittel gestohlen, und die Spuren des Eindringlings hätten Ähnlichkeit mit denen eines Jungen.
Vierzehn Tage nach dem Sturm versammelte Keira ihr Team um sich und kündigte an, es sei Zeit, Afrika zu verlassen. Das Funkgerät war zerstört, sie mussten sich alleine durchschlagen. (...)
Mit Hilfe der Dorfbewohner begannen sie, Proviant für die Reise zusammenzustellen; der Aufbruch war für den nächsten Tag in aller Frühe geplant. Keira konnte nachts nicht schlafen und wälzte sich wohl hundertmal auf ihrem Strohlager hin und her. Sobald sie die Augen schloss, tauchte vor ihr Harrys Gesicht auf.
Sie dachte an den Tag zurück, als sie ihm, auf dem Rückweg von einer Exkursion, etwa zehn Kilometer vom Lager entfernt, erstmals begegnet war. Harry saß allein vor einer Hütte. Sonst war weit und breit niemand zu sehen, und das Kind starrte sie nur schweigend an. Was tun?
Einfach weiterlaufen, als wenn nichts wäre? Sie hockte sich neben ihn, und er blieb weiter stumm. Als sie den Kopf durch die Tür der ärmlichen Behausung steckte, entdeckte sie seine Mutter, die gerade gestorben war.
Sie fragte den Jungen, ob er Verwandte hätte, einen Ort, wohin sie ihn bringen könnte, doch sie erhielt keine Antwort: kein Klagen, nur dieser durchdringende Blick. Keira blieb lange neben ihm sitzen, ohne ein Wort zu sagen. Schließlich stand sie auf und setzte ihren Weg fort.
Sie hatte die ganze Zeit den Eindruck, dass er ihr in einigem Abstand folgte und sich jedes Mal, wenn sie sich umdrehte, rasch versteckte. Kurz vor dem Lager aber war auf der Piste keine Spur mehr von ihm zu sehen, und sie glaubte schon, er sei umgekehrt.
Als der Teamchef am nächsten Morgen bekannt gab, es seien Lebensmittel gestohlen worden, war Keira geradezu erleichtert. Es dauerte lange Wochen, bis sich die beiden wiedersahen. Keira hatte angeordnet, man möge nachts in der Nähe ihres Zeltes stets einen Teller mit Essen und etwas zu trinken hinstellen.
Und jeden Abend protestierte der Teamchef, dies sei der beste Weg, um Raubtiere anzulocken. Doch derjenige, den Keira zähmen wollte, hatte nichts von einem wilden Tier, sondern war nur ein verängstigter, einsamer, kleiner Junge.
Je mehr Zeit verstrich, desto öfter dachte Keira über das ungewöhnliche Verhalten des Kindes nach. Abends in ihrem Zelt lauschte sie auf die Schritte dessen, den sie im Geiste schon Harry getauft hatte. Warum gerade dieser Vorname?
Sie wusste es selbst nicht, er war ihr wohl im Traum gekommen. Eines Nachts ging Keira das Risiko ein, sich vor die Kiste zu setzen, auf der der Teller für den Jungen stand. Diesmal hatte sie Besteck dazu gelegt, und das Ganze ähnelte einem Esstisch, den man mitten im Nirgendwo aufgestellt hatte. Harry erschien auf dem Pfad, der vom Fluss hinaufführte.
Er lief mit hoch erhobenem Kopf, sein Gang war stolz. Als er vor ihr stand, begrüßte ihn Keira mit einer Handbewegung und fing an zu essen. Nach kurzem Zögern nahm er ihr gegenüber Platz. So teilten sie ihr erstes Mahl unter freiem Himmel, und Keira brachte ihm die ersten Worte ihrer Sprache bei. Er wiederholte keines, am nächsten Tag beim Essen aber sagte er alle am Vortag gehörten auf, ohne auch nur den geringsten Fehler zu machen.
Erst später in diesem Monat zeigte sich Harry am helllichten Tag. Keira war gerade dabei, vorsichtig in der Erde zu graben, in der Hoffnung, endlich etwas Wertvolles zu entdecken, als sich der Junge langsam näherte.
Was dann folgte, war äußerst eigenartig. Ohne sich darum zu kümmern, ob Harry sie verstand, erklärte ihm Keira jede ihrer Handbewegungen, warum es für sie so wichtig war, ohne Unterlass nach diesen winzigen fossilen Fragmenten zu suchen, und dass jedes einzelne vielleicht von der Entstehung des Menschen auf unserem Planeten zeugen könnte.
Harry kam am nächsten Tag zur selben Stunde zurück und verbrachte diesmal den ganzen Nachmittag an der Seite der Archäologin. Dasselbe wiederholte sich an den folgenden Tagen und zwar jedes Mal mit beeindruckender Pünktlichkeit Harry hatte keine Uhr.
Die Wochen vergingen, und ohne dass sich jemand dessen wirklich bewusst wurde, verließ der Junge das Lager nicht mehr. Vor jeder Mahlzeit, mittags und abends, ließ er, ohne zu murren, den Sprachkurs über sich ergehen, den Keira ihm erteilte.
In dieser Nacht hätte Keira gerne noch einmal seine Schritte gehört, wie er um ihr Zelt herumschlich und darauf wartete, dass sie ihm erlaubte hereinzukommen. Sie hätte ihm eine der afrikanischen Legenden erzählt, von denen sie so viele kannte.
Wie sollte sie sich morgen auf den Weg machen, ohne ihn noch einmal gesehen zu haben? Ein Aufbruch ohne ein Wort ist schlimmer als Verlassenwerden, Schweigen ist Verrat. Keira griff nach dem Geschenk, das Harry ihr eines Tages gemacht hatte.
An einer Lederschnur, die niemals mehr ihren Hals verließ, hing ein sonderbarer Gegenstand. Er war dreieckig, glatt und hart wie Ebenholz; er besaß auch dessen pechschwarze Farbe, doch war er wirklich aus diesem Material gefertigt?
Keira wusste es nicht. Der Gegenstand ähnelte keinem bekannten Stammesschmuck; selbst der Dorfälteste hatte nichts über seinen Ursprung sagen können. Er hatte nur den Kopf geschüttelt; er wisse nicht, worum es sich handele, und vielleicht solle sie ihn besser nicht am Körper tragen. Doch es war ein Geschenk von Harry...
Als Keira ihn nach seiner Herkunft gefragt hatte, hatte der Junge erklärt, er habe ihn auf einer kleinen Insel mitten im TurkanaSee gefunden. Er sei mit seinem Vater in den Krater eines vor Jahrhunderten erloschenen Vulkans gestiegen, wo es den fruchtbaren Schlamm gab, und dort habe er diesen Schatz entdeckt. Keira legte ihn zurück auf ihre Brust, schloss die Augen und suchte vergebens den Schlaf. Im Morgengrauen packte sie ihre Habseligkeiten zusammen und weckte ihre Kollegen. Eine lange Reise stand ihnen bevor.
Nach einem kärglichen Frühstück machte sich die Mannschaft auf den Weg. Die Fischer hatten ihnen zwei Einbäume zur Verfügung gestellt, jeder konnte vier Personen aufnehmen. An verschiedenen Stellen würden sie an Land gehen und die Boote tragen müssen, um Wasserfälle zu umgehen. Die Dorfbewohner hatten sich am Ufer versammelt. Nur ein kleiner Junge erschien nicht zum Appell.
Der Teamchef schloss Keira in die Arme; er hatte Mühe, seine Gefühle zu verbergen. Dann kletterte man an Bord der Pirogen. Die Kinder sprangen ins Wasser und halfen ihnen, die Boote vom Ufer zu entfernen. Die Strömung tat das Übrige und trug sie sanft davon. (...)
»Es ist vielleicht besser so«, murmelte Michel, einer von Keiras französischen Kollegen, der ihr am nächsten stand. Sie wollte etwas antworten, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt.
»Er wird zu seinem Leben zurückkehren«, fuhr Michel fort. »Mach dir keine Gedanken. Du hast dir nichts vorzuwerfen. Ohne dich wäre Harry bestimmt verhungert. Außerdem hat dir der Dorfälteste versprochen, sich um ihn zu kümmern.«
Plötzlich, als das Boot schon kurz vor der Felsenge war, erschien Harrys Gestalt auf einem winzigen Uferstreifen. Keira sprang auf, und das Boot wäre um Haaresbreite gekentert. Michel stellte das Gleichgewicht wieder her, die beiden anderen Kollegen schimpften.
Keira hörte ihre Vorwürfe nicht, sie hatte nur Augen für den Jungen, der da hockte und sie aus der Ferne betrachtete.
»Ich komme zurück, Harry, ich schwöre es!«, schrie sie. Der Junge antwortete nicht. Hatte er sie gehört?
© 2010 by Blanvalet Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH.
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Autoren-Porträt von Marc Levy
Marc Levy, geb. 1961 in Frankreich, lebte nach seinem Informatik- und Betriebswirtschaftsstudium an der Universität in Paris hat er in San Francisco gelebt. 1990 eröffnete er mit zwei Freunden ein Architektenbüro in Paris. Mit siebenunddreißig Jahren schrieb er für seinen Sohn seinen ersten Roman. Seine Romane sind in zweiundvierzig Sprachen übersetzt und internationale Bestseller. Marc Levy lebt zur Zeit mit seiner Familie in New York.
Autoren-Interview mit Marc Levy
Autoreninterview mit Marc LevyMarc Levy spricht über seinen neuen Roman „Am ersten Tag“
Wie sind Sie auf die Idee zu diesem Buch gekommen?
Normalerweise sind es die Leute um mich herum oder bestimmte Situationen, die mich inspirieren. Bei Am ersten Tag aber waren eine Kindheitserinnerung und ein Gespräch mit meiner Großmutter die Auslöser...
Warum wollten Sie einen Abenteuerroman schreiben?
Schon seit Langem wollte ich einen Roman schreiben, in dem ich die verschiedenen literarischen Genres Abenteuer, Thriller und Liebesgeschichte miteinander vermischen konnte. Ich hatte Lust auf Intrigen, drastische Wendungen und Mysterien, aber auch auf fremde Weiten und darauf, dass meine Figuren von einem Land zum nächsten, von einer Kultur zur anderen reisen.
Haben Sie für dieses Buch viel recherchiert?
Am ersten Tag ist eigentlich der Roman, für den die Recherchen am zeitaufwändigsten waren. Im Buch kommen viele Reisen vor, die ich natürlich nicht selbst gemacht habe, und bestimmte Länder und Orte, die ich nicht persönlich gesehen habe und über die ich mich erkundigen musste. Vor allem sind meine Figuren diesmal eine Archäologin und ein Astrophysiker. Alles, was sie im Roman tun oder sagen in Bezug auf ihren Beruf, kann man nicht erfinden.
Ich musste zuerst verstehen, worin ihre Arbeit genau bestand, um ihre Suche, ihre Entscheidungen und ihre Abenteuer beschreiben zu können. Und das hat mich viel Zeit gekostet, denn Keira und Adrian sind viel gebildeter als ich das können Sie mir glauben!
»Wo beginnt die Morgendämmerung?« ist das eine Frage, die Sie sich als Kind selbst gestellt haben?
Ja, als Kind, wie viele andere Kinder auch glaube ich, habe ich mir diese Frage gestellt. Heute noch frage ich mich oft, wenn ich den Himmel
... mehr
anschaue, wie alles überhaupt begann. Wie das Leben entstanden ist. Ob das Universum einer vorgeschriebenen Logik folgt, hinter die wir nur noch nicht gekommen sind. Oder ob das Leben nur eine chaotische Symphonie oder eine poetische Unordnung ist.
Welcher Figur aus Am ersten Tag fühlen Sie sich am nächsten?
Sagen wir es so: Keira und Adrian verkörpern meine Kindheitsträume. Träume, die zu denen eines Erwachsenen geworden sind. Da die Sterne und unsere Erde mich immer fasziniert haben, wäre ich sehr gerne Astrophysiker geworden. Als junger Mensch war ich von der Archäologie und dem Ursprung des Menschen fasziniert und bin es eigentlich noch immer. Das Schreiben ermöglicht es einem, bestimmte Träume und Situationen aus zweiter Hand zu leben. Und wenn ich eine Geschichte schreibe, verbringe ich so viel Zeit mit den Figuren, dass sie mir alle schrecklich fehlen, wenn der Roman fertig ist.
Was repräsentiert der kleine afrikanische Junge Harry für Sie?
Für mich ist Harry das Kind in uns, das für immer in uns bleiben wird; das Kind, das man nicht vergessen darf. In Harry steckt auch viel vom Fuchs des kleinen Prinzen.
Warum findet man in Ihren Büchern keine Personenbeschreibungen?
Vom ersten Roman an habe ich meine Figuren absichtlich nie genau beschrieben. Man könnte sagen, dass ich die Silhouette der verschiedenen Figuren »skizziere«, und es ist mir lieber, wenn die Leser sich den Rest selbst ausdenken, jeder Figur die Erscheinung verleihen, die ihrer Kultur, ihrer Fantasie entspricht ... Dadurch, denke ich, entsteht eine tiefere Bindung zu den Figuren. Allerdings bin ich mir sicher, dass man zum Beispiel ganz unterschiedliche Beschreibungen von Keira hätte, wenn man die Leser fragen würde, wie die junge Frau für sie aussieht; und dieser Gedanke gefällt mir.
Am ersten Tag ist der Beginn des Abenteuers um Keira und Adrian, das in „Die erste Nacht“ weitergeht. Warum haben Sie entschieden, zwei Romane zu schreiben?
Als ich anfing, Am ersten Tag zu schreiben, wusste ich nicht, dass es zwei Bände geben würde. Aber als ich die Mitte der Geschichte erreicht hatte, waren es bereits 450 Seiten! Dann habe ich mich gefragt, ob ich wirklich ein tausendseitiges Buch herausbringen will ... Für die Leser wäre das nicht so praktisch! Letzten Endes haben sich daraus die zwei Bände ergeben.
© 2010 by Blanvalet Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH.
Welcher Figur aus Am ersten Tag fühlen Sie sich am nächsten?
Sagen wir es so: Keira und Adrian verkörpern meine Kindheitsträume. Träume, die zu denen eines Erwachsenen geworden sind. Da die Sterne und unsere Erde mich immer fasziniert haben, wäre ich sehr gerne Astrophysiker geworden. Als junger Mensch war ich von der Archäologie und dem Ursprung des Menschen fasziniert und bin es eigentlich noch immer. Das Schreiben ermöglicht es einem, bestimmte Träume und Situationen aus zweiter Hand zu leben. Und wenn ich eine Geschichte schreibe, verbringe ich so viel Zeit mit den Figuren, dass sie mir alle schrecklich fehlen, wenn der Roman fertig ist.
Was repräsentiert der kleine afrikanische Junge Harry für Sie?
Für mich ist Harry das Kind in uns, das für immer in uns bleiben wird; das Kind, das man nicht vergessen darf. In Harry steckt auch viel vom Fuchs des kleinen Prinzen.
Warum findet man in Ihren Büchern keine Personenbeschreibungen?
Vom ersten Roman an habe ich meine Figuren absichtlich nie genau beschrieben. Man könnte sagen, dass ich die Silhouette der verschiedenen Figuren »skizziere«, und es ist mir lieber, wenn die Leser sich den Rest selbst ausdenken, jeder Figur die Erscheinung verleihen, die ihrer Kultur, ihrer Fantasie entspricht ... Dadurch, denke ich, entsteht eine tiefere Bindung zu den Figuren. Allerdings bin ich mir sicher, dass man zum Beispiel ganz unterschiedliche Beschreibungen von Keira hätte, wenn man die Leser fragen würde, wie die junge Frau für sie aussieht; und dieser Gedanke gefällt mir.
Am ersten Tag ist der Beginn des Abenteuers um Keira und Adrian, das in „Die erste Nacht“ weitergeht. Warum haben Sie entschieden, zwei Romane zu schreiben?
Als ich anfing, Am ersten Tag zu schreiben, wusste ich nicht, dass es zwei Bände geben würde. Aber als ich die Mitte der Geschichte erreicht hatte, waren es bereits 450 Seiten! Dann habe ich mich gefragt, ob ich wirklich ein tausendseitiges Buch herausbringen will ... Für die Leser wäre das nicht so praktisch! Letzten Endes haben sich daraus die zwei Bände ergeben.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Marc Levy
- 2010, 477 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Eliane Hagedorn, Bettina Runge
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3764503734
- ISBN-13: 9783764503734
Rezension zu „Am ersten Tag “
"Spannender Liebesroman, der Antworten auf fundamentale Fragen zu geben versucht."
Kommentar zu "Am ersten Tag"
0 Gebrauchte Artikel zu „Am ersten Tag“
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