Am wilden Fluss
Roman. Deutsche Erstausgabe
Dee Swann will nichts von Männern und Ehe wissen. Doch dann stürzt sie schwer und ausgerechnet der attraktive Lucas findet sie. Sie hat keine andere Wahl, als sich von ihm helfen zu lassen. Und er weckt eine ungeahnte Leidenschaft in ihr. Doch Lucas ist schon vergeben.
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Produktinformationen zu „Am wilden Fluss “
Dee Swann will nichts von Männern und Ehe wissen. Doch dann stürzt sie schwer und ausgerechnet der attraktive Lucas findet sie. Sie hat keine andere Wahl, als sich von ihm helfen zu lassen. Und er weckt eine ungeahnte Leidenschaft in ihr. Doch Lucas ist schon vergeben.
Klappentext zu „Am wilden Fluss “
Die schöne Dee Swann hat früh gelernt, sich aufdringliche Verehrer vom Leib zu halten. Allein lebt sie am Angel Creek, der dem Tal das nötige Wasser beschert. Kaum einer im Ort, der nicht sie und ihr Grundstück begehrt! Und eine Ehe? Davon will sie nichts wissen. Ganz anders als ihre Freundin Olivia, die bald schon den Rancher Lucas Cochran heiraten wird. Doch dann stürzt Dee schwer. Zum ersten Mal ist sie wehrlos. Und zum ersten Mal muss sie einen Mann ganz nah an sich heranlassen. Denn ausgerechnet Lucas findet sie. Seine Hände auf ihrer Haut, als er Dee vorsichtig untersucht, wecken eine nie gekannte Leidenschaft. Lucas und sie - unmöglich. Lucas und sie - unaufhaltsam und mitreißend wie wildes Wasser ...
Die schöne Dee Swann hat früh gelernt, sich aufdringliche Verehrer vom Leib zu halten. Allein lebt sie am Angel Creek, der dem Tal das nötige Wasser beschert. Kaum einer im Ort, der nicht sie und ihr Grundstück begehrt! Und eine Ehe? Davon will sie nichts wissen. Ganz anders als ihre Freundin Olivia, die bald schon den Rancher Lucas Cochran heiraten wird. Doch dann stürzt Dee schwer. Zum ersten Mal ist sie wehrlos. Und zum ersten Mal muss sie einen Mann ganz nah an sich heranlassen. Denn ausgerechnet Lucas findet sie. Seine Hände auf ihrer Haut, als er Dee vorsichtig untersucht, wecken eine nie gekannte Leidenschaft. Lucas und sie - unmöglich. Lucas und sie - unaufhaltsam und mitreißend wie wildes Wasser ...
Lese-Probe zu „Am wilden Fluss “
Am wilden Fluss von Linda HowardLucas Cochran war seit fast einem Monat zurück. Noch immer staunte er, wie viel Ehre das Städtchen Prosper seinem Namen inzwischen machte. Mehr als eine Kleinstadt würde es nie sein, aber es war gepflegt und geschäftig. Die Menschen auf der Straße sagten eine Menge über einen Ort aus, und demnach zu urteilen, war Prosper ruhig, beständig und - nun ja - prosperierend. Eine Boomtown war vielleicht aufregender als eine Stadt wie Prosper. Dort ließ sich auch mehr Geld verdienen. Aber Goldgräberstädte gingen gewöhnlich unter, sobald die Erzminen erschöpft waren.
Prosper dagegen war aus einem einzigen Gebäude entstanden, das den wenigen Siedlern der Umgebung als Gemischtwarenladen, Bar und Pferdestation diente. Lucas erinnerte sich noch an die Zeit, als das Gelände, das Prosper inzwischen einnahm, nichts als kahler Boden war und die einzigen weißen Männer im Umkreis von Meilen auf der Double-C-Ranch lebten. Der Goldrausch von 1858 hatte das geändert und tausende Männer auf der Suche nach schnellem Reichtum in die Berge von Colorado gelockt. In der Umgebung von Prosper gab es kein Gold, doch ein paar Menschen hatten das Land gesehen, waren geblieben und hatten sich kleine Farmen aufgebaut. Mehr Einwohner bedeuteten größeren Bedarf an Waren. Dem einsamen Gemischtwarenladen mit Bar und Pferdestation gesellte sich bald ein weiteres Gebäude an die Seite, und die winzige Siedlung, aus der eines Tages Prosper in Colorado entstehen sollte, war ins Leben gerufen.
... mehr
Lucas kannte etliche Goldgräberstädte, nicht nur in Colorado, und alle ähnelten einander in ihrer Hektik. Die schlammigen Straßen wimmelten von Goldgräbern und von Gestalten, die Ersteren ihr Gold abnehmen wollten: Spieler, Saloon-Besitzer, Huren und Minenbesetzer. Er war froh, dass Prosper nicht mit Gold oder Silber gesegnet war - oder gestraft, je nach Standpunkt. So würde die Stadt noch existieren, wenn die meisten Goldgräberstädte langst zu verwitterten Skeletten verfallen wären.
Es war ein handfestes kleines Städtchen, ein guter Ort, um Kinder aufzuziehen, was die dreihundertachtundzwanzig Seelen zahlende Einwohnerschaft belegte. Sämtliche Unternehmen lagen längs der langen Hauptstraße, um die herum sich neun Wohnstraßen gruppierten. Die meisten Hauser waren klein und schlicht, doch einige Bürger, wie zum Beispiel der Bankier Wilson Millican, waren schon vor ihrer Niederlassung in Prosper vermögend gewesen. Deren Hauser hatten auch in Denver oder den größeren Städten im Osten nicht fehl am Platz gewirkt.
Prosper besaß nur einen Saloon und kein Bordell, wenngleich die Männer in der Stadt - und die Frauen auch, was die Männer allerdings nicht ahnten - wussten, dass die beiden Saloon-Girls für einen gewissen Preis etwaige Sondergelüste stillten. Am nördlichen Stadtrand standen eine Kirche und eine Schule für die Kinder. Prosper verfügte über eine Bank, zwei Hotels, drei Restaurants, einen Gemischtwarenladen, zwei Pferdestationen, einen Friseursalon, einen Schuster, einen Schmied und sogar über ein Hutgeschäft für die Damen. Einmal pro Woche fuhr die Postkutsche durch die Stadt.
Die Stadt als solche existierte einzig und allein, weil die Cochrans aus dem Nichts die große Double-C-Ranch aufgebaut hatten. Sie hatten sich gegen die Komantschen und die Arapaho behauptet und mit ihrem eigenen Blut für das Land bezahlt. Lucas war der erste in Prosper geborene Cochran, und jetzt war von der ganzen Familie nur noch er übrig. Während der Indianerkriege hatte er seine zwei Brüder und seine Mutter begraben müssen, und sein Vater war vor einem Monat gestorben. Andere Rancher waren zugezogen, doch die Cochrans waren die ersten gewesen. Jeder, der lange genug in Prosper lebte, wusste, dass das Fundament der Stadt nicht die lang gezogene Hauptstraße war, sondern die Reihe der Gräber auf der Familiengrabstätte der Double-C-Ranch.
Auf seinem Weg zum Laden knallten Lucas' Stiefelabsätze auf dem Gehsteig. Ein kalter Wind blies und brachte den Geruch von Schnee mit sich. Tief hängende graue Wolken türmten sich ober den Bergen und kündeten von einer neuerlichen Verzögerung des Frühlingsanfangs. Eine Frau mit fest um die Schultern gezogenem Schal kam Lucas entgegen, und er tippte an seinen Hut. "Sieht nach noch mehr Schnee aus, Mrs Padgett."
Beatrice Padgett schenkte ihm ein freundliches Lächeln. "Weiß Gott, Mr Cochran."
Er betrat den Gemischtwarenladen und nickte dem Besitzer Mr Winches zu. Winches' Geschäft hatte sich in den zehn Jahren von Lucas' Abwesenheit gemacht. Inzwischen konnte er sich sogar einen Angestellten leisten, der sich um die Lagerhaltung kümmerte.
"Hosea", grüßte Lucas ihn bei seinem Namen.
"Wie geht's, Lucas? Wird ein bisschen kalt da draußen, wie?"
"Morgen früh schneit es. Die Schneegipfel haben es nötig, aber mir persönlich wäre der Frühling lieber."
"So geht's uns allen! Brauchst du etwas Bestimmtes?"
"Nur etwas Waffenöl."
"Da links, ziemlich weit hinten."
"Danke."
Lucas schritt den Gang entlang und wäre fast mit einer Farmersfrau zusammengeprallt, die beim Zaumzeug stand. Geistesabwesend entschuldigte er sich und ging ohne einen zweiten Blick weiter. Die Farmarbeit war schwer für Frauen und ließ sie frühzeitig altern. Außerdem hatte er gerade einen vertrauten blonden Kopf drüben bei den Mehlsäcken erspäht. Etwas wie Zufriedenheit erfüllte ihn. Olivia Millican war genau der Typ Frau, den er sich wünschte, wenn er mal heiraten würde: gut erzogen, von angenehmem Wesen und so hübsch, dass er gern für den Rest seines Lebens mit ihr ins Bett gehen würde. Er hatte Pläne für die Double-C-Ranch und gedachte, sie auch in die Tat umzusetzen.
Zwei Frauen standen neben Olivia. Darum verzichtete er darauf, zu ihr zu gehen, und zog nur knapp seinen Hut zum Gruß, als sie zufällig in seine Richtung blickte. Es sprach für sie, dass sie nicht anfing zu kichern wie die beiden jungen Frauen in ihrer Begleitung. Stattdessen nickte sie ihm nur ernst zu. Dass ihre Wangen dabei leicht erröteten, machte sie nur noch hübscher.
Er bezahlte das Waffenöl und ging. Die Tor war noch nicht hinter ihm ins Schloss gefallen, als ein gedämpftes Quieken und Kichern losbrach, an dem Olivia auch dieses Mal nicht beteiligt war.
"Er hat zwei Mal mit dir getanzt!"
"Was hat er gesagt?" "Als er mich aufgefordert hat, war ich so aufgeregt, dass ich beinahe in Ohnmacht gefallen wäre!"
"Kann er gut tanzen? Bei der Vorstellung, dass er den Arm um meine Taille legt, hatte ich doch wahrhaftig Schmetterlinge im Bauch! Ein Glock, dass er mich nicht aufgefordert hat, sonst hätte ich mich schrecklich blamiert. Aber trotzdem muss ich gestehen, dass ich verflixt eifersüchtig auf dich war, Olivia."
Dee Swann streifte die drei jungen Frauen mit einem Blick. Die zwei Kichererbsen plapperten abwechselnd drauflos, ohne Olivia Gelegenheit zu einer Antwort zu geben. Olivia errötete leicht, verlor aber nicht die Haltung. Schon bei dem kurzen Blick begriff Dee, dass wie üblich ober einen Mann geklatscht wurde, in diesem Fall ober Lucas Cochran. Während sie neues Zaumzeug aussuchte, spitzte sie die Ohren. Auf der Suche nach einem möglichst geschmeidigen Zügel ließ sie die starren Riemen durch ihre Finger gleiten.
"Er war ganz Kavalier", sagte Olivia mit fester Stimme. Die Bankierstochter ließ sich selten aus der Fassung bringen. Dee hob den Blick. Belustigung ober Olivias unerschütterlich gutes Benehmen blitzte in ihren Augen auf, und in stummer Zwiesprache kreuzten sich ihre Blicke ober den Gang hinweg. Olivia erkannte Dees Erheiterung so klar, als hatte sie laut gelacht. Ebenso gut verstand sie, warum Dee sich nicht zu ihnen gesellte, sondern es lieber sah, dass Olivia ihre Anwesenheit lediglich mit einem höflichen Nicken zur Kenntnis nahm. Dee hütete ihre Privatsphäre sorgfältig, und Olivia respektierte ihre alte Freundin genug, um sie nicht in eine Unterhaltung einzubeziehen, die sie nicht interessierte und womöglich sogar ärgerte.
So klein Prosper auch war, die Stadt hatte trotzdem eine klare Gesellschaftsordnung. Normalerweise wäre Dee in den Kreisen, in denen Olivia sich bewegte, nicht willkommen gewesen. Und sie hatte von Anfang an mit ihrer Freundin geklärt, dass sie nicht die Ausnahme von der Regel sein wollte. Außerdem verspürte Dee nicht das geringste Interesse an dieser Art von Umgang. Ihre Vorliebe für ein zurückgezogenes Leben war so ausgeprägt, dass nur sie und Olivia wussten, wie eng ihre Freundschaft eigentlich war. Aber natürlich wussten alle, dass sie sich kannten und zusammen die Schule besucht hatten. Dee besuchte Olivia nie; stets war es Olivia, die allein zu Dees kleinem Häuschen ritt. Doch diese Regelung gefiel beiden. Sie schützte nicht nur Dees Privatsphäre, sondern schenkte Olivia auch eine gewisse Freiheit, ein Gefühl der Erleichterung, wenn auch nur für ein paar Stunden. Nur in Dees Gegenwart konnte sie wahrhaft sie selbst sein. Das hieß nicht etwa, dass sie ihre Damenhaftigkeit abgelegt hatte, sondern nur, dass sie es genoss, sagen zu dürfen, was sie dachte. Olivias Blick enthielt das Versprechen, bald zu Dee hinauszureiten und ihr zu erzählen, was sich seit ihrem letzten Treffen ereignet hatte. Wegen des langen Winters lag Olivias letzter Besuch schon ober einen Monat zurück.
Dee hatte ihre Wahl getroffen und ging mit dem Zaumzeug und ihren übrigen Einkaufen zum Tresen, wo Hosea Winches wartete. Gewissenhaft trug er die Waren auf der Seite mit ihrem Namen in das Hauptbuch ein und zog die Summe von dem Restguthaben aus dem letzten Jahr ab. Sie las die Zahlen auf dem Kopf und sah, dass nur noch eine geringe Summe übrig blieb, doch sie würde reichen, bis sie im Sommer ihre Ernte eingebracht hatte.
Mr Winches drehte das Hauptbuch um, damit sie seine Rechnung überprüfen konnte. Während sie mit dem Finger an der Zahlenreihe entlangfuhr, fasste er die Gruppe junger Frauen hinten im Laden ins Auge. Ersticktes Lachen, hell vor Aufregung, ließ ihn durch die Nase schnauben. "Hört sich an, als wäre ein Fuchs im Hühnerstall, dieses Gegacker", knurrte er. Zufrieden mit der Rechnung, nickte Dee, drehte das Buch wieder um und sammelte ihre Einkäufe ein. "Danke, Mr Winches."
Er schüttelte geistesabwesend den Kopf. "Sei dankbar, dass du vernünftiger bist als manche andere", brummte er. "Man könnte meinen, sie hätten noch nie ein Mannsbild gesehen."
Darauf sah Dee sich zuerst nach den anderen um und dann zu Mr Winches. Beide zuckten mit den Schultern. Lucas Cochran war also nach zehn Jahren Abwesenheit wieder in der Stadt. Na und? Ihnen war das völlig gleichgültig.
Natürlich hatte sie Cochran erkannt, als sie im Laden fast mit ihm zusammengestoßen wäre. Doch weil Erkennen schließlich nicht das Gleiche wie Kennen ist, hatte sie ihn nicht angesprochen. Außerdem bezweifelte sie, dass er sie erkannt hatte. Schließlich hatte er Prosper verlassen, kurz nachdem ihre Eltern sich in der Gegend angesiedelt hatten. Damals war sie ein Schulmädchen von vierzehn Jahren gewesen, er war acht Jahre älter, ein erwachsener Mann. Sie kannte zwar sein Gesicht, wusste aber nichts über Lucas.
Dee hatte sich angewöhnt, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern, und erwartete das Gleiche auch von anderen Menschen. Trotzdem wusste sie, was auf der Double-C-Ranch vor sich ging. Es war die größte Ranch in der Gegend, daher zollten ihr alle eine gewisse Aufmerksamkeit. Lucas' Vater Ellery Cochran war vor wenigen Wochen gestorben. Dee hatte den Mann nicht persönlich gekannt und konnte ihm gerade seinen Namen zuordnen, wenn er ihr in der Stadt über den Weg gelaufen war. Sein Tod bedeutete kein außergewöhnliches Ereignis für sie. Der Tod war normal, und Ellery war friedlich gestorben. Mehr konnte ein Mensch kaum verlangen.
Der Vorfall interessierte sie nur beiläufig, etwa so wie die Geburt eines Kindes bei einem Nachbarn. Da sie mit Ellery nie etwas zu schaffen gehabt hatte, erwartete sie auch keinen näheren Umgang mit seinem Sohn. Als sie hinaus in den eisigen Wind trat, hatte sie die Cochrans bereits wieder vergessen. Sie zog den alten Mantel ihres Vaters fester um den Körper, stülpte sich seinen zu großen Hut über die Ohren, senkte den Kopf, um das Gesicht vor dem Wind zu schützen, lief eilig zu ihrem Wagen und stieg ein.
Spät an diesem Nachmittag fing es an zu schneien. Das stille Wirbeln der weißen Flocken war ein Anblick, den Dee liebte. Er erfüllte sie mit Zufriedenheit und nicht mit Unruhe wegen der weiteren Verzögerung des Frühlings. Dee liebte den Wechsel der Jahreszeiten. Jede hatte ihren eigenen Zauber und ihre eigene Schönheit, und sie lebte so eng verbunden mit dem Land, dass sie fest in den unaufhaltsamen Rhythmus der Natur eingebunden war. Ihre Tiere standen behaglich im Stall. Die Arbeit des Tages war erledigt, und sie saß geborgen in ihrem Häuschen, in dem ein munteres Feuer fröhlich prasselte und sie von außen wärmte. Von innen wärmte sie sich mit einer Tasse Kaffee. Sie hatte nichts Dringenderes mehr zu tun, als die Füße ans Feuer zu strecken und eines der wenigen kostbaren Bücher zu lesen, die sie sich für den Winter zugelegt hatte. Der Winter war die Zeit des Ausruhens für sie. In den übrigen drei Jahreszeiten war sie zu beschäftigt, um Zeit oder Energie aufs Lesen verwenden zu können.
Doch bald schon ließ sie das Buch in den Schoß sinken, lehnte den Kopf zurück an die hohe Lehne des Schaukelstuhls, richtete den Blick nach innen und plante ihren Garten. Der Mais war im vergangenen Jahr so gut gediehen, dass es vielleicht ratsam war, mehr davon anzubauen. Mais war nie verschwendet; was die Stadtbewohner nicht kauften, konnte sie immer noch als Futter für ihr Pferd verwenden. Doch wenn sie mehr Mais anbaute, musste sie Einsparungen bei anderen Gemüsesorten vornehmen, und sie war nicht sicher, ob das klug wäre. Dank sorgfältiger Planung und etlicher Experimente wusste sie auf den Quadratmeter genau, wie viel sie allein bewirtschaften konnte. Sie hatte nicht die Absicht, auf Kosten der Qualität ihres Gemüses zu expandieren. Und sie wollte auch nicht irgendeinen Jungen als Aushilfe einstellen. Vielleicht war es egoistisch von ihr, aber die größte Freude, die sie aus ihrem Garten zog - abgesehen von der urtümlichen Befriedigung über das Wachsen von Pflanzen -, war ihre völlige Unabhängigkeit. Sie war allein und war es mit Wonne.
Anfangs hatte es ihr Angst gemacht, damals mit achtzehn Jahren plötzlich ganz alleine dazustehen. Als Dee sechzehn war, nur ein paar Jahre nachdem die Familie sich in dem schmalen, fruchtbaren Tal knapp außerhalb der Grenzen von Prosper in Colorado niedergelassen hatte, starb ihre Mutter. Sie war Lehrerin und hinterließ ihrer Tochter ihre Bücher, ihre Wertschatzung harter Arbeit und einen gesunden Menschenverstand. Kaum zwei Jahre später handelte sich ihr Vater George Swann einen Tritt an den Kopf von einem Maultier ein. Er starb am nächsten Tag in seinem Bett, ohne noch einmal das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.
Stille und Leere hatten sie heimgesucht. Die Einsamkeit und ihre Verletzlichkeit machten ihr Angst. Eine Frau allein war schutzlos. Dee hatte ihrem Vater eigenhändig ein Grab geschaufelt und ihn begraben. Niemand sollte wissen, dass sie völlig allein auf dem Gehöft lebte. Wenn sie zum Proviantkauf nach Prosper kam, ignorierte sie freundliche Erkundigungen nach ihrem Vater und sagte nur, er könnte die Ranch im Moment nicht verlassen. Ihr Gewissen beruhigte sie damit, dass sie ja nicht log, auch wenn sie nicht die ganze Wahrheit preisgab.
George war zu Beginn des Winters verstorben, und während der langen kalten Monate hatte Dee getrauert und über ihre Lage nachgedacht. Das kleine Tal gehörte jetzt ihr. Es war zu klein für Viehhaltung im großen Stil, aber zu groß, um es allein zu bewirtschaften. Der Boden war fruchtbar, bewässert vom kristallklaren Angel Creek, der sich aus der Prosper-Schlucht ergoss und mitten durch das Tal floss. Sie konnte sich später nie genau an den Tag erinnern, an dem sie entschied, wie sie ihr Leben zukünftig gestalten wollte. Mit jedem Tag, der kam, hatte sie einfach getan, was getan werden musste.
In erster Linie musste sie lernen, sich zu verteidigen. Mit verbissener Entschlossenheit nahm sie sich Tag für Tag die Waffen ihres Vaters vor: einen 36erColt, ein altes Sharps-Gewehr und eine glänzende, ein Jahr alte, doppelläufige Schrotflinte. Der Colt war lange nicht benutzt worden und eingerostet. Seit Georges Ankunft am Angel Creek hatte er ihn nicht mehr aus dem Halfter genommen. Er konnte nicht gut mit Handfeuerwaffen umgehen, hatte er oft im Scherz gesagt. Mit einer Schrotflinte dagegen brauchte er nur ungefähr die Richtung seines Ziels ins Visier zu nehmen.
Dee ging es ähnlich. Sie reinigte und ölte alle drei Waffen, wie sie es sich bei ihrem Vater abgeschaut hatte, und übte Stunde um Stunde das Laden und Entladen, bis sie es automatisch und ohne nachzudenken beherrschte. Erst dann begann sie, auf Ziele zu schießen. Als Erstes nahm sie sich den Colt vor, weil sie glaubte, es wäre am einfachsten. Doch sie begriff sofort, warum George diese Waffe nicht sehr gemocht hatte. Auf einige Entfernung war sie einfach nicht zielgenau genug, um sich auf sie verlassen zu können. Dee experimentierte, bis sie wusste, aus welcher Entfernung sie die Zielscheibe traf, die sie an einen dicken Baumstamm gemalt hatte. Mit dem Gewehr fiel es ihr viel leichter, ein Ziel zu treffen, noch dazu aus viel größerer Entfernung. Doch wie ihr Vater hatte auch sie eine Vorliebe für die Schrotflinte. Jemand, der Böses im Sinn hatte, mochte denken, mit einer Pistole oder selbst mit dem Gewehr würde sie nicht treffen. Aber kein Mann bei klarem Verstand käme je auf die Idee, dass sie ihn mit einer Schrotflinte verfehlen könnte.
Sie verschwendete ihre Zeit nicht mit dem Versuch, möglichst schnell mit der Pistole bei der Hand zu sein. Das war etwas für Revolverhelden auf der Suche nach zweifelhaftem Ruhm, und das brauchte sie nicht. Sie strebte Zielsicherheit an, und daran arbeitete sie Tag für Tag, bis sie sich für geschickt genug hielt, um sich mit der Waffe zu verteidigen, die ihr gerade zur Verfügung stand. Mehr als geschickt würde sie nie sein, aber Geschicklichkeit reichte ihr.
Auch den Garten bewirtschaftete sie pragmatisch. Sie und ihre Mutter hatten ihn stets gepflegt und jeden Sommer stundenlang Gemüsevorräte für den Winter eingekocht. Dee arbeitete gern im Garten, sie mochte den Rhythmus dieser Arbeit und genoss es, die Früchte ihrer Mühen zu ernten. Der Verlust ihrer Eltern hatte sie mit der Erkenntnis konfrontiert, dass das menschliche Leben vergänglich war, und sie hatte etwas Dauerhaftes gebraucht, um die Trauer oberwinden zu können. Das Land war ihre Rettung, denn es blieb. Ein Garten war etwas Produktives, er bot Fülle für die grundlegendsten Bedürfnisse. Es milderte ihren Schmerz, wenn sie sah, wie aus dem Boden Leben entstand, und die körperliche Arbeit bescherte ihr die Erfüllung einer anderen Art. Das Land gab ihr einen Lebensinhalt.
Zu Frühlingsbeginn wurde in der Stadt bekannt, dass George Swann im Winter gestorben war. Dee sah sich etlichen Fragen ausgesetzt. Menschen, die sie lediglich vom Sehen kannte, fragten sie unverblümt nach ihren Plänen, ob sie Verwandte hätte, die sie aufnehmen worden, wann sie zurück nach Osten ginge. Sie hatte Cousinen in Virginia, aber selbst wenn sie zurückgewollt hätte, was nicht der Fall war, gab es niemanden, der ihr nahestand. Außerdem war sie der Meinung, dass es außer ihr niemanden etwas anging. Die Neugier der Stadtbewohner empfand sie als nahezu unerträglich. Dee war seit jeher gern allein, und dieser Charakterzug hatte sich in den vergangenen Monaten noch verstärkt. Die Leute waren empört, als sie ihre Absicht erklärte, auf dem Gehöft zu bleiben. Sie war nichts weiter als ein Mädchen, noch nicht einmal neunzehn Jahre alt. Nach der Meinung der Stadtleute hatte sie kein Recht darauf, dort draußen ganz allein zu leben. Eine anständige Frau tat so etwas nicht.
Ein paar junge Viehtreiber von den Ranches der Umgebung und auch einige andere, denen man als Entschuldigung nicht ihre Jugend zugutehalten konnte, glaubten, sie sehnte sich nach dem, was ein Mann ihr geben könnte. In den Sommernächten machten sie sich allein, manchmal auch zu zweit, auf den Weg zu Dees Häuschen. Mit der Flinte in der Hand sorgte Dee dafür, dass sie schneller wieder von ihrem Grundstock verschwanden, als sie gekommen waren. Allmählich sprach sich herum, dass die kleine Swann nicht an Männern interessiert war. Ein paar mussten sich jedoch erst eine Schrotladung in den Allerwertesten einhandeln, bevor sie das begriffen.
Übersetzung: Elisabeth Hartmann
© 1991 by Linda Howington
Lucas kannte etliche Goldgräberstädte, nicht nur in Colorado, und alle ähnelten einander in ihrer Hektik. Die schlammigen Straßen wimmelten von Goldgräbern und von Gestalten, die Ersteren ihr Gold abnehmen wollten: Spieler, Saloon-Besitzer, Huren und Minenbesetzer. Er war froh, dass Prosper nicht mit Gold oder Silber gesegnet war - oder gestraft, je nach Standpunkt. So würde die Stadt noch existieren, wenn die meisten Goldgräberstädte langst zu verwitterten Skeletten verfallen wären.
Es war ein handfestes kleines Städtchen, ein guter Ort, um Kinder aufzuziehen, was die dreihundertachtundzwanzig Seelen zahlende Einwohnerschaft belegte. Sämtliche Unternehmen lagen längs der langen Hauptstraße, um die herum sich neun Wohnstraßen gruppierten. Die meisten Hauser waren klein und schlicht, doch einige Bürger, wie zum Beispiel der Bankier Wilson Millican, waren schon vor ihrer Niederlassung in Prosper vermögend gewesen. Deren Hauser hatten auch in Denver oder den größeren Städten im Osten nicht fehl am Platz gewirkt.
Prosper besaß nur einen Saloon und kein Bordell, wenngleich die Männer in der Stadt - und die Frauen auch, was die Männer allerdings nicht ahnten - wussten, dass die beiden Saloon-Girls für einen gewissen Preis etwaige Sondergelüste stillten. Am nördlichen Stadtrand standen eine Kirche und eine Schule für die Kinder. Prosper verfügte über eine Bank, zwei Hotels, drei Restaurants, einen Gemischtwarenladen, zwei Pferdestationen, einen Friseursalon, einen Schuster, einen Schmied und sogar über ein Hutgeschäft für die Damen. Einmal pro Woche fuhr die Postkutsche durch die Stadt.
Die Stadt als solche existierte einzig und allein, weil die Cochrans aus dem Nichts die große Double-C-Ranch aufgebaut hatten. Sie hatten sich gegen die Komantschen und die Arapaho behauptet und mit ihrem eigenen Blut für das Land bezahlt. Lucas war der erste in Prosper geborene Cochran, und jetzt war von der ganzen Familie nur noch er übrig. Während der Indianerkriege hatte er seine zwei Brüder und seine Mutter begraben müssen, und sein Vater war vor einem Monat gestorben. Andere Rancher waren zugezogen, doch die Cochrans waren die ersten gewesen. Jeder, der lange genug in Prosper lebte, wusste, dass das Fundament der Stadt nicht die lang gezogene Hauptstraße war, sondern die Reihe der Gräber auf der Familiengrabstätte der Double-C-Ranch.
Auf seinem Weg zum Laden knallten Lucas' Stiefelabsätze auf dem Gehsteig. Ein kalter Wind blies und brachte den Geruch von Schnee mit sich. Tief hängende graue Wolken türmten sich ober den Bergen und kündeten von einer neuerlichen Verzögerung des Frühlingsanfangs. Eine Frau mit fest um die Schultern gezogenem Schal kam Lucas entgegen, und er tippte an seinen Hut. "Sieht nach noch mehr Schnee aus, Mrs Padgett."
Beatrice Padgett schenkte ihm ein freundliches Lächeln. "Weiß Gott, Mr Cochran."
Er betrat den Gemischtwarenladen und nickte dem Besitzer Mr Winches zu. Winches' Geschäft hatte sich in den zehn Jahren von Lucas' Abwesenheit gemacht. Inzwischen konnte er sich sogar einen Angestellten leisten, der sich um die Lagerhaltung kümmerte.
"Hosea", grüßte Lucas ihn bei seinem Namen.
"Wie geht's, Lucas? Wird ein bisschen kalt da draußen, wie?"
"Morgen früh schneit es. Die Schneegipfel haben es nötig, aber mir persönlich wäre der Frühling lieber."
"So geht's uns allen! Brauchst du etwas Bestimmtes?"
"Nur etwas Waffenöl."
"Da links, ziemlich weit hinten."
"Danke."
Lucas schritt den Gang entlang und wäre fast mit einer Farmersfrau zusammengeprallt, die beim Zaumzeug stand. Geistesabwesend entschuldigte er sich und ging ohne einen zweiten Blick weiter. Die Farmarbeit war schwer für Frauen und ließ sie frühzeitig altern. Außerdem hatte er gerade einen vertrauten blonden Kopf drüben bei den Mehlsäcken erspäht. Etwas wie Zufriedenheit erfüllte ihn. Olivia Millican war genau der Typ Frau, den er sich wünschte, wenn er mal heiraten würde: gut erzogen, von angenehmem Wesen und so hübsch, dass er gern für den Rest seines Lebens mit ihr ins Bett gehen würde. Er hatte Pläne für die Double-C-Ranch und gedachte, sie auch in die Tat umzusetzen.
Zwei Frauen standen neben Olivia. Darum verzichtete er darauf, zu ihr zu gehen, und zog nur knapp seinen Hut zum Gruß, als sie zufällig in seine Richtung blickte. Es sprach für sie, dass sie nicht anfing zu kichern wie die beiden jungen Frauen in ihrer Begleitung. Stattdessen nickte sie ihm nur ernst zu. Dass ihre Wangen dabei leicht erröteten, machte sie nur noch hübscher.
Er bezahlte das Waffenöl und ging. Die Tor war noch nicht hinter ihm ins Schloss gefallen, als ein gedämpftes Quieken und Kichern losbrach, an dem Olivia auch dieses Mal nicht beteiligt war.
"Er hat zwei Mal mit dir getanzt!"
"Was hat er gesagt?" "Als er mich aufgefordert hat, war ich so aufgeregt, dass ich beinahe in Ohnmacht gefallen wäre!"
"Kann er gut tanzen? Bei der Vorstellung, dass er den Arm um meine Taille legt, hatte ich doch wahrhaftig Schmetterlinge im Bauch! Ein Glock, dass er mich nicht aufgefordert hat, sonst hätte ich mich schrecklich blamiert. Aber trotzdem muss ich gestehen, dass ich verflixt eifersüchtig auf dich war, Olivia."
Dee Swann streifte die drei jungen Frauen mit einem Blick. Die zwei Kichererbsen plapperten abwechselnd drauflos, ohne Olivia Gelegenheit zu einer Antwort zu geben. Olivia errötete leicht, verlor aber nicht die Haltung. Schon bei dem kurzen Blick begriff Dee, dass wie üblich ober einen Mann geklatscht wurde, in diesem Fall ober Lucas Cochran. Während sie neues Zaumzeug aussuchte, spitzte sie die Ohren. Auf der Suche nach einem möglichst geschmeidigen Zügel ließ sie die starren Riemen durch ihre Finger gleiten.
"Er war ganz Kavalier", sagte Olivia mit fester Stimme. Die Bankierstochter ließ sich selten aus der Fassung bringen. Dee hob den Blick. Belustigung ober Olivias unerschütterlich gutes Benehmen blitzte in ihren Augen auf, und in stummer Zwiesprache kreuzten sich ihre Blicke ober den Gang hinweg. Olivia erkannte Dees Erheiterung so klar, als hatte sie laut gelacht. Ebenso gut verstand sie, warum Dee sich nicht zu ihnen gesellte, sondern es lieber sah, dass Olivia ihre Anwesenheit lediglich mit einem höflichen Nicken zur Kenntnis nahm. Dee hütete ihre Privatsphäre sorgfältig, und Olivia respektierte ihre alte Freundin genug, um sie nicht in eine Unterhaltung einzubeziehen, die sie nicht interessierte und womöglich sogar ärgerte.
So klein Prosper auch war, die Stadt hatte trotzdem eine klare Gesellschaftsordnung. Normalerweise wäre Dee in den Kreisen, in denen Olivia sich bewegte, nicht willkommen gewesen. Und sie hatte von Anfang an mit ihrer Freundin geklärt, dass sie nicht die Ausnahme von der Regel sein wollte. Außerdem verspürte Dee nicht das geringste Interesse an dieser Art von Umgang. Ihre Vorliebe für ein zurückgezogenes Leben war so ausgeprägt, dass nur sie und Olivia wussten, wie eng ihre Freundschaft eigentlich war. Aber natürlich wussten alle, dass sie sich kannten und zusammen die Schule besucht hatten. Dee besuchte Olivia nie; stets war es Olivia, die allein zu Dees kleinem Häuschen ritt. Doch diese Regelung gefiel beiden. Sie schützte nicht nur Dees Privatsphäre, sondern schenkte Olivia auch eine gewisse Freiheit, ein Gefühl der Erleichterung, wenn auch nur für ein paar Stunden. Nur in Dees Gegenwart konnte sie wahrhaft sie selbst sein. Das hieß nicht etwa, dass sie ihre Damenhaftigkeit abgelegt hatte, sondern nur, dass sie es genoss, sagen zu dürfen, was sie dachte. Olivias Blick enthielt das Versprechen, bald zu Dee hinauszureiten und ihr zu erzählen, was sich seit ihrem letzten Treffen ereignet hatte. Wegen des langen Winters lag Olivias letzter Besuch schon ober einen Monat zurück.
Dee hatte ihre Wahl getroffen und ging mit dem Zaumzeug und ihren übrigen Einkaufen zum Tresen, wo Hosea Winches wartete. Gewissenhaft trug er die Waren auf der Seite mit ihrem Namen in das Hauptbuch ein und zog die Summe von dem Restguthaben aus dem letzten Jahr ab. Sie las die Zahlen auf dem Kopf und sah, dass nur noch eine geringe Summe übrig blieb, doch sie würde reichen, bis sie im Sommer ihre Ernte eingebracht hatte.
Mr Winches drehte das Hauptbuch um, damit sie seine Rechnung überprüfen konnte. Während sie mit dem Finger an der Zahlenreihe entlangfuhr, fasste er die Gruppe junger Frauen hinten im Laden ins Auge. Ersticktes Lachen, hell vor Aufregung, ließ ihn durch die Nase schnauben. "Hört sich an, als wäre ein Fuchs im Hühnerstall, dieses Gegacker", knurrte er. Zufrieden mit der Rechnung, nickte Dee, drehte das Buch wieder um und sammelte ihre Einkäufe ein. "Danke, Mr Winches."
Er schüttelte geistesabwesend den Kopf. "Sei dankbar, dass du vernünftiger bist als manche andere", brummte er. "Man könnte meinen, sie hätten noch nie ein Mannsbild gesehen."
Darauf sah Dee sich zuerst nach den anderen um und dann zu Mr Winches. Beide zuckten mit den Schultern. Lucas Cochran war also nach zehn Jahren Abwesenheit wieder in der Stadt. Na und? Ihnen war das völlig gleichgültig.
Natürlich hatte sie Cochran erkannt, als sie im Laden fast mit ihm zusammengestoßen wäre. Doch weil Erkennen schließlich nicht das Gleiche wie Kennen ist, hatte sie ihn nicht angesprochen. Außerdem bezweifelte sie, dass er sie erkannt hatte. Schließlich hatte er Prosper verlassen, kurz nachdem ihre Eltern sich in der Gegend angesiedelt hatten. Damals war sie ein Schulmädchen von vierzehn Jahren gewesen, er war acht Jahre älter, ein erwachsener Mann. Sie kannte zwar sein Gesicht, wusste aber nichts über Lucas.
Dee hatte sich angewöhnt, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern, und erwartete das Gleiche auch von anderen Menschen. Trotzdem wusste sie, was auf der Double-C-Ranch vor sich ging. Es war die größte Ranch in der Gegend, daher zollten ihr alle eine gewisse Aufmerksamkeit. Lucas' Vater Ellery Cochran war vor wenigen Wochen gestorben. Dee hatte den Mann nicht persönlich gekannt und konnte ihm gerade seinen Namen zuordnen, wenn er ihr in der Stadt über den Weg gelaufen war. Sein Tod bedeutete kein außergewöhnliches Ereignis für sie. Der Tod war normal, und Ellery war friedlich gestorben. Mehr konnte ein Mensch kaum verlangen.
Der Vorfall interessierte sie nur beiläufig, etwa so wie die Geburt eines Kindes bei einem Nachbarn. Da sie mit Ellery nie etwas zu schaffen gehabt hatte, erwartete sie auch keinen näheren Umgang mit seinem Sohn. Als sie hinaus in den eisigen Wind trat, hatte sie die Cochrans bereits wieder vergessen. Sie zog den alten Mantel ihres Vaters fester um den Körper, stülpte sich seinen zu großen Hut über die Ohren, senkte den Kopf, um das Gesicht vor dem Wind zu schützen, lief eilig zu ihrem Wagen und stieg ein.
Spät an diesem Nachmittag fing es an zu schneien. Das stille Wirbeln der weißen Flocken war ein Anblick, den Dee liebte. Er erfüllte sie mit Zufriedenheit und nicht mit Unruhe wegen der weiteren Verzögerung des Frühlings. Dee liebte den Wechsel der Jahreszeiten. Jede hatte ihren eigenen Zauber und ihre eigene Schönheit, und sie lebte so eng verbunden mit dem Land, dass sie fest in den unaufhaltsamen Rhythmus der Natur eingebunden war. Ihre Tiere standen behaglich im Stall. Die Arbeit des Tages war erledigt, und sie saß geborgen in ihrem Häuschen, in dem ein munteres Feuer fröhlich prasselte und sie von außen wärmte. Von innen wärmte sie sich mit einer Tasse Kaffee. Sie hatte nichts Dringenderes mehr zu tun, als die Füße ans Feuer zu strecken und eines der wenigen kostbaren Bücher zu lesen, die sie sich für den Winter zugelegt hatte. Der Winter war die Zeit des Ausruhens für sie. In den übrigen drei Jahreszeiten war sie zu beschäftigt, um Zeit oder Energie aufs Lesen verwenden zu können.
Doch bald schon ließ sie das Buch in den Schoß sinken, lehnte den Kopf zurück an die hohe Lehne des Schaukelstuhls, richtete den Blick nach innen und plante ihren Garten. Der Mais war im vergangenen Jahr so gut gediehen, dass es vielleicht ratsam war, mehr davon anzubauen. Mais war nie verschwendet; was die Stadtbewohner nicht kauften, konnte sie immer noch als Futter für ihr Pferd verwenden. Doch wenn sie mehr Mais anbaute, musste sie Einsparungen bei anderen Gemüsesorten vornehmen, und sie war nicht sicher, ob das klug wäre. Dank sorgfältiger Planung und etlicher Experimente wusste sie auf den Quadratmeter genau, wie viel sie allein bewirtschaften konnte. Sie hatte nicht die Absicht, auf Kosten der Qualität ihres Gemüses zu expandieren. Und sie wollte auch nicht irgendeinen Jungen als Aushilfe einstellen. Vielleicht war es egoistisch von ihr, aber die größte Freude, die sie aus ihrem Garten zog - abgesehen von der urtümlichen Befriedigung über das Wachsen von Pflanzen -, war ihre völlige Unabhängigkeit. Sie war allein und war es mit Wonne.
Anfangs hatte es ihr Angst gemacht, damals mit achtzehn Jahren plötzlich ganz alleine dazustehen. Als Dee sechzehn war, nur ein paar Jahre nachdem die Familie sich in dem schmalen, fruchtbaren Tal knapp außerhalb der Grenzen von Prosper in Colorado niedergelassen hatte, starb ihre Mutter. Sie war Lehrerin und hinterließ ihrer Tochter ihre Bücher, ihre Wertschatzung harter Arbeit und einen gesunden Menschenverstand. Kaum zwei Jahre später handelte sich ihr Vater George Swann einen Tritt an den Kopf von einem Maultier ein. Er starb am nächsten Tag in seinem Bett, ohne noch einmal das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.
Stille und Leere hatten sie heimgesucht. Die Einsamkeit und ihre Verletzlichkeit machten ihr Angst. Eine Frau allein war schutzlos. Dee hatte ihrem Vater eigenhändig ein Grab geschaufelt und ihn begraben. Niemand sollte wissen, dass sie völlig allein auf dem Gehöft lebte. Wenn sie zum Proviantkauf nach Prosper kam, ignorierte sie freundliche Erkundigungen nach ihrem Vater und sagte nur, er könnte die Ranch im Moment nicht verlassen. Ihr Gewissen beruhigte sie damit, dass sie ja nicht log, auch wenn sie nicht die ganze Wahrheit preisgab.
George war zu Beginn des Winters verstorben, und während der langen kalten Monate hatte Dee getrauert und über ihre Lage nachgedacht. Das kleine Tal gehörte jetzt ihr. Es war zu klein für Viehhaltung im großen Stil, aber zu groß, um es allein zu bewirtschaften. Der Boden war fruchtbar, bewässert vom kristallklaren Angel Creek, der sich aus der Prosper-Schlucht ergoss und mitten durch das Tal floss. Sie konnte sich später nie genau an den Tag erinnern, an dem sie entschied, wie sie ihr Leben zukünftig gestalten wollte. Mit jedem Tag, der kam, hatte sie einfach getan, was getan werden musste.
In erster Linie musste sie lernen, sich zu verteidigen. Mit verbissener Entschlossenheit nahm sie sich Tag für Tag die Waffen ihres Vaters vor: einen 36erColt, ein altes Sharps-Gewehr und eine glänzende, ein Jahr alte, doppelläufige Schrotflinte. Der Colt war lange nicht benutzt worden und eingerostet. Seit Georges Ankunft am Angel Creek hatte er ihn nicht mehr aus dem Halfter genommen. Er konnte nicht gut mit Handfeuerwaffen umgehen, hatte er oft im Scherz gesagt. Mit einer Schrotflinte dagegen brauchte er nur ungefähr die Richtung seines Ziels ins Visier zu nehmen.
Dee ging es ähnlich. Sie reinigte und ölte alle drei Waffen, wie sie es sich bei ihrem Vater abgeschaut hatte, und übte Stunde um Stunde das Laden und Entladen, bis sie es automatisch und ohne nachzudenken beherrschte. Erst dann begann sie, auf Ziele zu schießen. Als Erstes nahm sie sich den Colt vor, weil sie glaubte, es wäre am einfachsten. Doch sie begriff sofort, warum George diese Waffe nicht sehr gemocht hatte. Auf einige Entfernung war sie einfach nicht zielgenau genug, um sich auf sie verlassen zu können. Dee experimentierte, bis sie wusste, aus welcher Entfernung sie die Zielscheibe traf, die sie an einen dicken Baumstamm gemalt hatte. Mit dem Gewehr fiel es ihr viel leichter, ein Ziel zu treffen, noch dazu aus viel größerer Entfernung. Doch wie ihr Vater hatte auch sie eine Vorliebe für die Schrotflinte. Jemand, der Böses im Sinn hatte, mochte denken, mit einer Pistole oder selbst mit dem Gewehr würde sie nicht treffen. Aber kein Mann bei klarem Verstand käme je auf die Idee, dass sie ihn mit einer Schrotflinte verfehlen könnte.
Sie verschwendete ihre Zeit nicht mit dem Versuch, möglichst schnell mit der Pistole bei der Hand zu sein. Das war etwas für Revolverhelden auf der Suche nach zweifelhaftem Ruhm, und das brauchte sie nicht. Sie strebte Zielsicherheit an, und daran arbeitete sie Tag für Tag, bis sie sich für geschickt genug hielt, um sich mit der Waffe zu verteidigen, die ihr gerade zur Verfügung stand. Mehr als geschickt würde sie nie sein, aber Geschicklichkeit reichte ihr.
Auch den Garten bewirtschaftete sie pragmatisch. Sie und ihre Mutter hatten ihn stets gepflegt und jeden Sommer stundenlang Gemüsevorräte für den Winter eingekocht. Dee arbeitete gern im Garten, sie mochte den Rhythmus dieser Arbeit und genoss es, die Früchte ihrer Mühen zu ernten. Der Verlust ihrer Eltern hatte sie mit der Erkenntnis konfrontiert, dass das menschliche Leben vergänglich war, und sie hatte etwas Dauerhaftes gebraucht, um die Trauer oberwinden zu können. Das Land war ihre Rettung, denn es blieb. Ein Garten war etwas Produktives, er bot Fülle für die grundlegendsten Bedürfnisse. Es milderte ihren Schmerz, wenn sie sah, wie aus dem Boden Leben entstand, und die körperliche Arbeit bescherte ihr die Erfüllung einer anderen Art. Das Land gab ihr einen Lebensinhalt.
Zu Frühlingsbeginn wurde in der Stadt bekannt, dass George Swann im Winter gestorben war. Dee sah sich etlichen Fragen ausgesetzt. Menschen, die sie lediglich vom Sehen kannte, fragten sie unverblümt nach ihren Plänen, ob sie Verwandte hätte, die sie aufnehmen worden, wann sie zurück nach Osten ginge. Sie hatte Cousinen in Virginia, aber selbst wenn sie zurückgewollt hätte, was nicht der Fall war, gab es niemanden, der ihr nahestand. Außerdem war sie der Meinung, dass es außer ihr niemanden etwas anging. Die Neugier der Stadtbewohner empfand sie als nahezu unerträglich. Dee war seit jeher gern allein, und dieser Charakterzug hatte sich in den vergangenen Monaten noch verstärkt. Die Leute waren empört, als sie ihre Absicht erklärte, auf dem Gehöft zu bleiben. Sie war nichts weiter als ein Mädchen, noch nicht einmal neunzehn Jahre alt. Nach der Meinung der Stadtleute hatte sie kein Recht darauf, dort draußen ganz allein zu leben. Eine anständige Frau tat so etwas nicht.
Ein paar junge Viehtreiber von den Ranches der Umgebung und auch einige andere, denen man als Entschuldigung nicht ihre Jugend zugutehalten konnte, glaubten, sie sehnte sich nach dem, was ein Mann ihr geben könnte. In den Sommernächten machten sie sich allein, manchmal auch zu zweit, auf den Weg zu Dees Häuschen. Mit der Flinte in der Hand sorgte Dee dafür, dass sie schneller wieder von ihrem Grundstock verschwanden, als sie gekommen waren. Allmählich sprach sich herum, dass die kleine Swann nicht an Männern interessiert war. Ein paar mussten sich jedoch erst eine Schrotladung in den Allerwertesten einhandeln, bevor sie das begriffen.
Übersetzung: Elisabeth Hartmann
© 1991 by Linda Howington
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Autoren-Porträt von Linda Howard
Linda Howard erhielt für ihre Romane bereits mehrere Auszeichnungen, u. a. den "Silver Pen" der Zeitschrift "Affaire de C ur" und den von den Leserinnen der "Romantic Times" verliehenen Preis für den besten erotischen Roman. Linda Howards Bücher, die allesamt auf den vorderen Plätzen der US-Bestsellerlisten standen, haben inzwischen eine Gesamtauflage von über fünf Millionen Exemplaren erreicht. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Hunden in Alabama.
Bibliographische Angaben
- Autor: Linda Howard
- 2012, 304 Seiten, Maße: 12,5 x 18,6 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Hartmann, Elisabeth
- Übersetzer: Elisabeth Hartmann
- Verlag: MIRA Taschenbuch
- ISBN-10: 3862783413
- ISBN-13: 9783862783410
Rezension zu „Am wilden Fluss “
"Eine verbotene Leidenschaft, eine gefährliche Bestimmung ..." - www.goodreads.com "Linda Howard hat einen herausragenden Job gemacht." - www.likesbooks.com
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