Artemis Fowl, Die verlorene Kolonie
Kehren die Dämonen auf die Erde zurück? Jahrtausendelang lebten sie auf der Insel Hybras in einer Zwischenwelt. Doch nun werden immer mehr dieser mondsüchtigen Wesen gesichtet. Artemis Fowl ist tief beunruhigt. Nur wenn es ihm gelingt, einen der Dämonen...
Kehren die Dämonen auf die Erde zurück? Jahrtausendelang lebten sie auf der Insel Hybras in einer Zwischenwelt. Doch nun werden immer mehr dieser mondsüchtigen Wesen gesichtet. Artemis Fowl ist tief beunruhigt. Nur wenn es ihm gelingt, einen der Dämonen zu fangen, wird er Gewissheit über ihre Pläne bekommen.
Kehren die Dämonen auf die Erde zurück? Jahrtausendelang lebten sie auf der Insel Hybris in einer Zwischenwelt, doch nun werden mehr und mehr dieser mondsüchtigen Wesen auf der Erde gesichtet. Eine Bedrohung für die Men-schen und für die unterirdischen Feen und Trolle? Artemis Fowl ist zutiefst be-unruhigt. Nur wenn es ihm gelingt einen der Dämonen zu fangen, wird er Ge-wissheit über ihre Pläne bekommen. Doch gerade, als er auf Sizilien zuschnap-pen will, kommt ihm Minerva Paradizo, ein zwölfjähriges Mädchen, zuvor. Wie konnte das dem genialen Gauner Artemis Fowl passieren? Eine rasante Verfolgungsjagd beginnt, bei der sich Minerva als guter Kumpel entpuppt. Gemeinsam gelingt es ihnen, die zornigen Wesen zu bannen, doch Artemis ge-rät dabei selbst in die Zwischenwelt. Wird er bald auf die Erde zurückkehren? Sein Bodygard Butler ist fest davon überzeugt und auch Minerva wartet
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Artemis Fowl - Die verlorene Kolonie von Eoin Colfer
LESEPROBE
Zeitensprung
Barcelona, Spanien
Fröhlich gehörte nicht zu den Begriffen, mit denen Artemis Fowls Leibwächter für gewöhnlich bezeichnet wurde. Heiterund gelassen ebenso wenig. Schließlich war Butler nicht zu einem dergefährlichsten Männer der Welt geworden, weil er mit jedem, der ihm zufälligüber den Weg lief, einen netten Plausch anfing, es sei denn, er wollte etwasüber Fluchtwege und verborgene Waffen in Erfahrung bringen.
An diesem Nachmittag befanden sichButler und Artemis in Spanien, und die Miene des mächtigen Eurasiers war noch verschlossenerals sonst. Artemis machte es Butler mal wieder unnötig schwer, seinen Job zutun. Über eine Stunde beharrte Butlers junger Schützling nun schon darauf, aufdem Gehweg von Barcelonas Passeig de Gràcia herumzustehen, dessen magere Bäume kaum Schutz vorder prallen Nachmittagssonne oder möglichen Feinden boten.
Dies war die vierte Reise, die sieinnerhalb von ebenso vielen Monaten ohne jede Erklärung unternahmen. ErstEdinburgh, dann Death Valley im amerikanischenWesten, gefolgt von einer außerordentlich beschwerlichen Tour durch das in mehrals einer Hinsicht unzugängliche Usbekistan. Und jetzt Barcelona. Und das allesnur, um auf einen mysteriösen Besucher zu warten, der sich bisher nichthatte blicken lassen.
Die beiden gaben auf dem belebtenGehweg ein seltsames Paar ab: ein riesiger, muskelbepackter Mann um die vierzigim Boss-Anzug und mit kahl rasiertem Schädel, daneben ein schmaler, blasserTeenager mit rabenschwarzem Haar und durchdringenden, blauschwarzen Augen.
»Warum müssen Sie ständig um michherumlaufen?«, fragte Artemis gereizt. Eigentlichkannte er die Antwort, aber der Besucher, auf den er in Barcelona wartete,hatte sich nach seinen Berechnungen bereits um eine Minute verspätet, und soließ er seinen Ärger an dem Leibwächter aus.
»Das wissen Sie doch ganz genau,Artemis«, erwiderte Butler. »Für den Fall, dass auf einem der Dächer einScharfschütze oder jemand mit einem Richtmikrofon hockt. Ich umkreise Sie, umIhnen größtmögliche Deckung zu bieten.« Artemisverspürte wieder einmal den Drang, seine genialen Fähigkeiten unter Beweis zustellen. Und so befriedigend solche Demonstrationen auch für denvierzehnjährigen irischen Jungen sein mochten, wer immer sie über sich ergehen lassenmusste, war weniger begeistert.
»Erstens ist es ziemlichunwahrscheinlich, dass jemand einen Scharfschützen auf mich angesetzt hat«,dozierte er.
»Ich habe mich aus achtzig Prozentmeiner illegalen Unternehmungen herausgezogen und das Kapital auf ein überaus lukrativesPortfolio verteilt. Zweitens kann jeder Lauscher gleich wieder einpacken undnach Hause fahren, da der dritte Knopf Ihres Jacketts Soliniumwellenaussendet, die jede Art von Aufzeichnung verhindern, ob oberirdischer oderunterirdischer Herkunft.«
Unwillkürlich wanderte Butlers Blickzu einem vorüberschlendernden Paar, das vor Verliebtheit und Begeisterung überdie Schönheiten Spaniens förmlich strahlte. Um den Hals des Mannes hing eineVideokamera. Schuldbewusst tastete Butler nach dem Spezialknopf.»Wahrscheinlich haben wir ein paar Flitterwochenvideos ruiniert.«
Artemis zuckte die Achseln. »Eingeringer Preis für den Schutz meiner Privatsphäre.«
»Gibt es noch ein Drittens?«, fragte Butler mit Unschuldsmiene. »Allerdings«,erwiderte Artemis leicht gereizt. Immer noch zeigte sich keine Spur von demerwarteten Besucher. »Was ich gerade sagen wollte, ist: Falls sich tatsächlichein Scharfschütze auf einem der umliegenden Gebäude versteckt haben sollte,dann auf dem hinter uns. Sie sollten also meinen Rücken decken.«
Butler war der Beste in seinerBranche, und selbst er konnte nicht mit absoluter Sicherheit sagen, auf welchemder Dächer ein möglicher Scharfschütze Stellung beziehen würde. »Nur zu,erklären Sie mir bitte, wie Sie darauf kommen. Ich weiß doch, dass Sie es kaumerwarten können. «
»Nun, da Sie schon danach fragen:Kein Scharfschütze würde direkt hier gegenüber auf dem Dach der Casa Milá Position beziehen, weil das Gebäude für denPublikumsverkehr geöffnet ist und er beim Betreten oder Verlassen vermutlich gefilmtwürde.«
»Er oder sie«, korrigierte Butler.»Die meisten Killer sind heutzutage Frauen.«
»Meinetwegen«, sagte Artemis. »Diebeiden Gebäude zur Rechten sind zum Teil vom Laub der Bäume verdeckt, warumalso unnötige Komplikationen in Kauf nehmen?«
»Sehr gut. Und weiter?«
»Die Reihe zu unserer Linkenbeherbergt Finanzunternehmen. Dort sind Aufkleber von privaten Sicherheitsdienstenan den Fenstern, und ein Profi wird jede Konfrontation vermeiden, für die ernicht bezahlt wird.«
Butler nickte. Das stimmte.
»Und so komme ich zu dem logischenSchluss, dass Ihr Scharfschütze sich für das vierstöckige Gebäude hinter uns entscheidenwürde. Es ist ein Wohnhaus, also leicht zu betreten, vom Dach aus hat er - odersie - eine direkte Schusslinie, und die Sicherheitsvorkehrungen dürftenminimal beziehungsweise nicht vorhanden sein.«
Butler schnaubte. Wahrscheinlich lagArtemis mit seinen Überlegungen richtig. Aber beim Personenschutz war wahrscheinlichnicht annähernd so effektiv wie eine kugelsichere Weste. »Da haben Sievermutlich recht«, gab Butler zu.
»Aber nur, wenn der Scharfschützegenauso clever ist wie Sie.«
»Der Punkt geht an Sie«, räumteArtemis ein.
»Außerdem könnten Sie mir garantiertfür jedes Gebäude ein überzeugendes Argument liefern. Sie haben dieses nur ausgewählt,damit ich Ihnen nicht vor der Nase stehe, was mich zu der Annahme führt, dassder geheimnisvolle Besucher vor der Casa Miláerscheinen wird.«
Artemis lächelte. »Gut kombiniert,alter Freund.«
Die Casa Miláwar ein Wohnhaus vom Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, entworfen von demspanischen Jugendstil- Architekten Antonio Gaudí. DieFassade bestand aus gewölbten Wänden und Balkonen mit verschlungenen schmiedeeisernenVerzierungen. Auf dem Gehweg vor dem Haus drängte sich eine Schar von Touristen,die für die nachmittägliche Besichtigung des spektakulären Hauses anstanden. »Werdenwir unseren Besucher unter all diesen Leuten überhaupt erkennen? Sind Siesicher, dass er nicht schon hier ist? Und uns beobachtet?«
Artemis lächelte, und seine Augenfunkelten. »Glauben Sie mir, er ist nicht hier. Wenn er es wäre, gäbe es einziemliches Geschrei.«
Butlers Miene verdüsterte sich. Wenner doch nur ein einziges Mal sämtliche Fakten erfahren würde, bevor sie ins Flugzeugstiegen. Aber das würde er bei Artemis wohl nicht mehr erleben. Für dengenialen jungen Iren war die kunstvolle Präsentation der Lösung des Rätselsstets der wichtigste Teil seiner ausgefuchsten Pläne.»Verraten Sie mir doch wenigstens, ob unser Kontaktmann bewaffnet ist.«
»Das bezweifle ich«, sagte Artemis.»Und selbst wenn, er wird kaum eine Sekunde bei uns sein.«
»Eine Sekunde? Beamt er sich maleben aus dem All herunter, oder was?«
»Nicht aus dem All, Butler«, sagteArtemis mit Blick auf seine Uhr. »Aus der Zeit.« Der Junge seufzte. »Aber der richtigeMoment ist bereits vorbei. Es sieht so aus, als hätte ich uns vergebens hierhergeführt. Unser Besucher ist nicht erschienen. Nun,es bestand ohnehin nur eine geringe Chance. Offenbar war niemand am anderenEnde des Tunnels.«
Butler hatte keine Ahnung, vonwelchem Tunnel Artemis sprach, er war nur erleichtert, dass sie endlich diesenungesicherten Ort verlassen konnten. Je eher sie zum Flughafen von Barcelonakamen, desto besser.
Der Leibwächter zog ein Handy ausseiner Tasche und drückte auf eine Kurzwahltaste. Die Person am anderen Endenahm beim ersten Klingeln ab.
»Maria«, sagte Butler. »Abfahrt, pronto.«
»Sí«,kam die knappe Antwort. Maria arbeitete für einen exklusiven spanischenChauffeurdienst. Sie war unglaublich hübsch und konnte mit ihrer Stirn einenYtong-Stein zerschlagen.
»War das Maria?«,fragte Artemis betont beiläufig.
Doch Butler ließ sich nichttäuschen. Artemis Fowl stellte selten beiläufigeFragen. »Ja, das war Maria. Was auf der Hand liegt, da ich sie mit ihrem Namenangesprochen habe. Normalerweise fragen Sie so gut wie nie nach dem Fahrer, undjetzt gleich viermal innerhalb der letzten Viertelstunde. Wird Maria unsabholen? Wo Maria wohl gerade steckt? Was meinen Sie, wie alt Maria ist?«
Artemis massierte sich die Schläfen.»Das liegt an dieser verdammten Pubertät, Butler. Jedes Mal, wenn ich einhübsches Mädchen sehe, verschwende ich kostbare Gedanken an sie. Zum Beispieldas Mädchen da drüben in dem Restaurant. Während der letzten paar Minuten habeich bestimmt ein Dutzend Mal zu ihr hinübergesehen.«
Automatisch unterzog Butler dasbesagte Mädchen seinem Leibwächter-Check.
Die Kleine war zwölf oder dreizehn,trug allem Anschein nach keine Waffe und hatte einen Wust blonder Ringellocken aufdem Kopf. Sie futterte sich hingebungsvoll durch eineAuswahl von tapas, während ihr männlicherAufpasser, möglicherweise ihr Vater, Zeitung las. Ein weiterer Mann an ihremTisch mühte sich gerade damit ab, ein Paar Krücken unter seinem Stuhl zuverstauen. Butler kam zu dem Schluss, dass das Mädchen keine direkte Bedrohungfür sie darstellte, wohl aber indirekt für Schwierigkeiten sorgen konnte, fallsArtemis Konzentration durch sie beeinträchtigt wurde.
Butler klopfte seinem jungenSchützling auf die Schulter.
»Es ist ganz normal, dass Mädcheneinen ablenken. Wenn Sie in den letzten Jahren nicht damit beschäftigt gewesen wären,die Welt zu retten, wäre das schon eher passiert.«
»Ich muss das trotzdem in den Griffkriegen. Ich habe schließlich Wichtigeres zu tun.«
»Die Pubertät in den Griff kriegen?«, schnaubte der Leibwächter.
»Da wären Sie der Erste.«
»Das bin ich meistens«, sagteArtemis.
Und das stimmte. Kein andererTeenager hatte im zarten Alter von vierzehn Jahren bereits eine Elfe entführt,seinen Vater aus den Händen der russischen Mafiyagerettet und mitgeholfen, einen Kobold-Aufstand niederzuschlagen. Es huptezweimal. Auf der anderen Seite der Kreuzung hielt eine Limousine. Durch dasoffene Fenster gab ihnen eine junge Dame ein Zeichen.
»Da ist Maria«, sagteArtemis, dann riss er sich zusammen.
»Ich meine, fahren wir. Vielleichthaben wir am nächsten Zielort mehr Glück.«
Butler ging voran und stoppte denVerkehr mit einer einzigen Bewegung seiner riesigen Hand. »Vielleicht sollten wirMaria mitnehmen. Ein fest angestellter Chauffeur würde mir die Arbeit sehrerleichtern.«
Artemis brauchte einen Moment, biser begriff, dass der Leibwächter ihn foppte. »Sehr witzig, Butler. Sie beliebenzu scherzen, hoffe ich?«
»Allerdings.«
»Dachte ich mir, obwohl ich nichtviel Erfahrung mit Humor habe. Abgesehen von Mulch Diggums Witzen.«
Mulch war ein kleptomanischer Zwerg, derbei früheren Gelegenheiten für Artemis gestohlen - und ihn bestohlenhatte. Diggums hielt sich für einen witzigenZeitgenossen. Er bezog einen Großteil seiner Scherze aus dem reichhaltigenFundus, den ihm seine Körperfunktionen boten.
»Wenn Sie das Humor nennen«, sagteButler, der sich bei der Erinnerung an seine Begegnungen mit dem explosiven Zwergtrotzdem ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte.
Plötzlich blieb Artemis stehen.Mitten auf der belebten Kreuzung.
Butler richtete den Blick drohendauf die dreispurige Fahrbahn, auf der sich etwa hundert Autofahrer drängten undungeduldig hupten.
»Ich spüre etwas«, flüsterteArtemis. »Elektrizität.«
»Ob Sie die vielleicht auf deranderen Straßenseite spüren könnten?«, fragte Butler.
Artemis streckte die Hand aus. SeineFingerspitzen kribbelten.
»Er kommt doch noch, aber ein paarMeter vom Ziel entfernt. Da ist irgendwo eine Konstante, die nicht konstant ist.«
In der Luft begann sich ein Schattenabzuzeichnen. Aus dem Nichts tauchte ein Funkenwirbel auf, begleitet von Schwefelgeruch.In dem Funkenwirbel erschien ein graugrünes Wesen mit goldenen Augen, einemdicken Schuppenpanzer und großen, stachelbewehrten Ohren. Es stand aufrecht,war etwa eins fünfzig groß und von menschenähnlicher Gestalt, doch sonst hattees nichts Menschliches an sich. Es schnüffelte durch schlitzförmige Nüstern,öffnete sein Schlangenmaul und sprach.
»ErgebensteGlückwunsche an Lady Heatherington Smythe«, sagte es mit einer Stimme, die wie zerberstendes Glasund knirschender Stahl klang. Das Wesen packte Artemis ausgestreckte Hand miteiner vierfingrigen Pranke.
»Faszinierend«, sagte der irischeJunge.
Butler ließ sich nicht ablenken, erwollte Artemis so schnell wie möglich aus der Nähe dieser Kreatur fortschaffen.»Nichts wie weg«, sagte er brüsk und fasste Artemis an der Schulter.
Doch Artemis war bereits weg. DasWesen war ebenso schnell verschwunden, wie es aufgetaucht war, und hatte denTeenager mitgenommen. Ein Vorfall, der später überall in den Nachrichtengemeldet wurde, nur gab es seltsamerweise trotz der zahllosen mit Kamerasbewaffneten Touristen keine Bilder davon. ( )
© Ullstein Buchverlage
Übersetzung: Claudia Feldmann
- Autor: Eoin Colfer
- Altersempfehlung: 12 - 15 Jahre
- 2007, 3, 352 Seiten, Maße: 14,5 x 21,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Claudia Feldmann
- Verlag: List
- ISBN-10: 3471772804
- ISBN-13: 9783471772805
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