Bin ich hier richtig?
Er arbeitet in einem Call-Center, ist aber etwas klüger als die meisten anderen und so macht er Karriere. Gewissermaßen. Denn in seinem neuen Job muss er Stellung beziehen. Und dass er sich in eine Frau verliebt, die nicht zu den Verbündeten gehört, sondern auf der anderen Seite steht, macht es auch nicht leichter.
Er arbeitet in einem Call-Center, ist aber etwas klüger als die meisten anderen und so macht er Karriere. Gewissermaßen. Denn in seinem neuen Job muss er Stellung beziehen. Und dass er sich in eine Frau verliebt, die nicht zu den Verbündeten gehört, sondern auf der anderen Seite steht, macht es auch nicht leichter.
Bin ichhier richtig? von Sean French
LESEPROBE
Sie wissen es nicht, aber es kann sein, dass Sie schonmit mir gesprochen haben. Sie würden sich nicht erinnern, aber möglich ist es.Als das Telefon klingelte, während Sie vor dem Fernseher saßen oder sich geradeeine Tasse Tee eingießen wollten. Sie gingen ran. Eine Stimme - vielleichtmeine Stimme - fragte namentlich nach Ihnen, aber der Name stimmte vielleichtnicht ganz. Wenn Sie zum Beispiel Ferdinand James Robinson heißen, aber alleWelt Sie nur Jim nennt, dann würde ich trotzdem nach Ferdinand Robinson gefragthaben. Denn die Firmen kaufen solche Listen. Sie haben mal ein Formularausgefüllt, weil Sie die Chance hatten, ein Auto zu gewinnen. Sie haben malzwei Gutscheine eingeschickt, weil Sie den Gratis-Ofenhandschuh mit Motiven ausdem »Herrn der Ringe« haben wollten.
Das haben Sie vergessen, aber Ihr Name, Ihre Adresse undIhre Bankverbindung wurden registriert und archiviert und wurden zu einer Ware,die verkauft wurde, bis sie auf meinem Bildschirm landete: als einer der drei-oder vierhundert Namen, die ich im Laufe meines Acht-Stunden-Tags abarbeitenmusste.
Ja?, sagten Sie überrascht. Ich habe Sie gefragt, ob SieInteresse an einer kostenlosen Überprüfung Ihrer Fensterrahmen hätten. Wenn iches mir überlege, habe ich es wahrscheinlich nicht ganz so direkt formuliert.Ich habe Ihnen erklärt, dass ich für eine Firma arbeite, die in Ihrer GegendMarktforschung betreibt - und ob Sie zwei Minuten Zeit hätten, um ein paarFragen zu beantworten. Vielleicht haben Sie geantwortet, Sie hätten keine Zeit,weil Ihr Kind in der Badewanne sei. Ich habe Sie gefragt, wann es Ihnen besserpaßt. Daraufhin haben Sie vielleicht den Hörer auf die Gabel geknallt. Das war dieAntwort, die mir am besten gefiel. Ich brauchte nur auf »KWA« für »Keineweitere Aktion« zu klicken. Wieder einer abgehakt. Als ob mich das kümmerte. Eswaren nicht meine beschissenen Doppelfenster, die ich Ihnen verkaufen wollte.Ich kriegte fünf fünfundsiebzig die Stunde und hatte einen Zwei-Wochen-Vertrag.Man durfte allerdings nicht zu viele KWAs auf dem Bildschirm haben. Dafürhatten sie Parameter. Sie hatten für alles Parameter. Wenn die KWAs auf mehrals dreißig Prozent anstiegen - oder was immer die Grenze war -, wurde maneinbestellt und nach dem Grund gefragt.
Wenn Sie bereit waren, uns bei unserer Marktstudie zuhelfen, habe ich Sie gefragt, ob Sie sich für ein Gratisangebot für neueDoppelfenster interessieren würden. Wenn Sie mit Ja geantwortet haben, hätteich am liebsten gesagt: Wenn Sie Doppelfenster haben wollen, wieso heben Siedann nicht Ihren verdammten Arsch hoch und kümmern sich selber drum? GlaubenSie wirklich, Sie machen das beste Geschäft mit einem, der Sie zufällig anruft?Aber so ging es mir nur am Anfang. Nachher waren Sie nur noch eine Nummer aufmeinem Bildschirm. Und ich war einer von dreihundert Leuten mit Headsets ineinem Riesensaal in einem Lagerhaus in Hendon oder Isle of Dogs oder Edmontonoder Elephant and Castle.
Vielleicht ging es auch nicht um Doppelfenster. Vielleichtging es um einen Kabelanschluss, und es ist sogar möglich, dass Sie mich angerufenhaben, um einen Mobiltelefonvertrag abzuschließen oder um zu fragen, warum IhreFlugtickets noch nicht gekommen seien. An jedem Terminal war ein kleinerSpiegel angebracht, und es gab die Anweisung, in den Spiegel zu schauen und zulächeln, bevor man auf die Taste drückte, um den nächsten Anruf entgegenzunehmen.Der Kunde kann am Telefon immer hören, ob Sie lächeln, sagte man uns. Hallo,mein Name ist Mark, danke, dass Sie die Cowboy-Firma anrufen, für die ichgerade arbeite, und was kann ich für Sie tun?
Hoffentlich waren Sie nicht einer von denen, die ichangerufen habe, um ihnen zu sagen, dass sie einen Urlaub gewonnen hätten. Daswar der einzige Job, den ich hingeschmissen habe, weil ich ihn
nicht ertragen konnte. Ich habe Leute sagen hören, siekönnten nicht als Verkäufer arbeiten, weil sie psychologisch nicht damit zurechtkämen,dass man ihnen die Tür vor der Nase zuschlägt. Wenn man per Telefon verkauft,ist es nur eine metaphorische Tür, und es ist alles sehr distanziert, abertrotzdem sah man hin und wieder zwei oder drei Terminals weiter eine Frau, diekläglich schniefte. Sie war dann entweder eine Stunde später weg, oder sie waram nächsten Tag genau wie wir alle.
Aber wenn ich Leute anrief, um ihnen zu sagen, dass sieeinen Urlaub gewonnen hätten, waren die aufgeknallten Hörer die Guten. DieZweitbesten waren diejenigen, die sagten: Es geht um dieses Time-Sharing,nicht wahr? Oder - verständlicherweise - um dieses beschissene Time-Sharing.Obwohl dieser Kunde praktisch schon gestorben war, hatten wir eine feststehendeAntwort darauf. Es gab eine feststehende Antwort auf alles. Ich sagte in einemsolchen Fall: Als Bestandteil des Preises würden wir Ihnen gern einmal unsereeinzigartige Anlageempfehlung vorstellen.
Schmerzhaft wurde es bei den Leuten, die sofort aus dem Häuschengerieten, wenn sie erfuhren, dass sie einen Preis gewonnen hatten. Dann hörte man,wie sie andere Familienmitglieder riefen. Was war es denn? Zwei Wochen Spanien.Haben wir gewonnen? Ja, Sir. Herzlichen Glückwunsch. Und wann können wirfahren?
Nach und nach hörte man, wie ihre Begeisterung abflaute,wenn sie begriffen, mit welchen speziellen Bedingungen der Preis verbundenwar. Sie würden an der Präsentation teilnehmen müssen. Ja, ja, sagten sie dann,aber was ist mit meinem Preis? Zwei Wochen Spanien inklusive Flug und Hotel?War da kein Haken dabei? Nein, natürlich nicht, lautete unsere Antwort.Bedingung war nur, dass sie die zwei Wochen in dem von uns ausgesuchten Hotelverbrachten und das Essen im Hotelrestaurant für die zwei Wochen im Vorausbezahlten.
© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 2005
Übersetzung: Rainer Schmidt
- Autor: Sean French
- 2005, 2, 318 Seiten, Maße: 13,5 x 21,5 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Übersetzung: Schmidt, Rainer
- Verlag: FISCHER Scherz
- ISBN-10: 3502100764
- ISBN-13: 9783502100768
"Unwiderstehlich, glaubwürdig, einfühlsam, überzeugend." (The Independent)
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