Carolines Schwester
Caroline ist attraktiv und sehr beliebt - vor allem bei Männern. Ihre Schwester Tossa dagegen fühlt sich hässlich wie die Nacht. Kein Wunder, dass es da des öfteren zu Zickereien und Streit zwischen den Schwestern kommt. Doch dann...
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Produktinformationen zu „Carolines Schwester “
Caroline ist attraktiv und sehr beliebt - vor allem bei Männern. Ihre Schwester Tossa dagegen fühlt sich hässlich wie die Nacht. Kein Wunder, dass es da des öfteren zu Zickereien und Streit zwischen den Schwestern kommt. Doch dann stiehlt Tossa Carolines frischgebackenem Ehemann einen Kuss.
Lese-Probe zu „Carolines Schwester “
Carolines Schwester von Sheila O’Flanagan1 Virgo (Jungfrau)
Ein Sternbild der nördlichen Hemisphäre, benannt nach Astraea, der griechischen Göttin der Gerechtigkeit
Caroline schlich vorsichtig durchs Schlafzimmer, zog den Vorhang zur Seite und begann behutsam das Fenster zu öffnen. Ein Schwall unerwartet kalter Nachtluft fegte ins Zimmer, und sie schauderte unwillkürlich. Sie schob das Fenster etwas weiter nach oben und spähte hinaus. Der Nachthimmel war voller Sterne, und der gelbe Schein einer Straßenlaterne erleuchtete den Hof hinter dem Haus.
In der Ferne hörte sie das gedämpfte Brausen des Verkehrs.
»Was machst du denn da?« Caroline fuhr herum und schlug dabei mit der Schläfe gegen die Fensterkante. Sie fluchte leise, während ihr die Tränen in die Augen stiegen.
»Was machst du da?« fragte Tossa noch einmal.
»Nach was sieht's denn aus?« Caroline drehte sich zu der dunklen Silhouette ihrer Schwester im Bett drüben an der Wand. »Ich gehe aus.«
»Aus?«
»Mensch, schrei doch nicht so, sonst kommt Dad noch rein.« Caroline brachte es fertig, daß ihr eigenes Flüstern so klang, als schreie sie.
»Okay, ist ja gut.« Tossa setzte sich auf. »Wohin gehst du denn? Und wieso kletterst du zum Fenster raus? Du kannst doch die Tür nehmen.«
»Ich will aber nicht die Tür nehmen«, antwortete Caroline gereizt. »Dann fragt Dad, wo ich hingehe und was ich vorhabe, und bleibt auf, bis ich wieder da bin. Und ich habe keine Lust, auf einen Haufen Fragen zu antworten und mir Schuldgefühle einreden zu lassen.«
»Er will gar nicht, daß du Schuldgefühle kriegst. Er macht sich einfach nur Sorgen.«
Tossa schob die Bettdecke zur Seite und tappte zu ihrer Schwester hinüber.
»Sag, wohin
... mehr
gehst du?«
»Du bist vielleicht neugierig«, seufzte Caroline. »Ich treffe mich mit jemandem.«
»Caroline!« Tossa spähte ihr kurzsichtig ins Gesicht. »Einem Mann? Schon wieder?«
»Was soll das heißen, schon wieder?« Caroline sah geradezu empört aus.
»Du warst doch gerade erst mit Jimmy aus. Wer ist es denn diesmal?« Caroline zuckte die Achseln. »Damien.«
»Oh, Caroline.«
»Komm mir nicht mit oh, Caroline«, sagte Tossas Schwester.
»Ich darf ja wohl noch mit Damien ausgehen, oder?«
»An dem Abend, an dem du schon mit Jimmy ausgegangen bist?« Tossa schob sich das widerspenstige Haar aus dem Gesicht. »Fair ist das nicht gerade, oder, Caro?«
»In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt.« Caroline grinste, und Tossa seufzte. Sie verstand nicht, wie ihre Schwester den ganzen Abend mit einem Mann verbringen konnte, um danach einfach zu beschließen, daß sie sich auch noch mit einem anderen treffen würde.
»Aber es ist ein bißchen unfair.«
»Ich weiß.« Caroline verzog das Gesicht. »Ehrlich, ich hatte ja nicht vor, an einem Abend mit beiden wegzugehen. Nur, Damien wollte sich heute unbedingt mit mir treffen, und ich hatte Jimmy schon versprochen « Sie unterbrach sich. »Du weißt ja, wie das ist.«
»Eigentlich nicht«, sagte Tossa. Wie könnte sie auch? Sie führte nicht das gleiche Leben wie ihre ältere Schwester. Sie sah nicht so aus, daß die Männer sich auf der Straße nach ihr umdrehten und die Frauen bei ihrem Anblick mit den Zähnen knirschten.
Sie war ganz präsentabel, wenn sie sich Mühe gab das nahm sie jedenfalls an. Aber sie hatte keine wallenden naturblonden Locken, keine klaren, leuchtend blauen Augen und keinen makellosen Teint. Auch Carolines Charme und Unkompliziertheit würde sie niemals besitzen. Und ganz, ganz sicher würde sie nie von einem Treffen mit einem Mann zurückkommen und dann einfach noch mit dem nächsten ausgehen.
»Wohin wollt ihr gehen?« fragte sie. »Weiß ich nicht. Es ist eine Überraschung. Essen vielleicht.« »Essen? Jetzt?« Tossa sah zu ihrem Radiowecker hinüber. »Es ist fast Mitternacht.«
»Na und? Man braucht ja nicht jeden Tag um sieben zu essen.«
»Du wirst dir den Magen verderben.«
»Und du bist so romantisch wie ein Putzlappen«, zischte Caroline. »Sag bloß nichts zu Dad.«
»Mache ich natürlich nicht. Aber du spinnst trotzdem.«
»Warte, bis du selber einen Freund hast«, sagte Caroline mit der ganzen Überlegenheit einer reifen Frau von fast zwanzig Jahren, die bereits allerlei Erfahrungen gesammelt hatte. Sie stieg vorsichtig durch das Fenster auf das Dach des Küchenanbaus hinaus.
»Und laß das Fenster offen, sonst komme ich nicht wieder rein.«
»Paß bloß auf«, sagte Tossa ängstlich.
»Ach, mach doch kein Theater.« Caroline ging mit der Sicherheit jahrelanger Übung über das Dach, sprang auf die Trennmauer hinunter und von dort auf den Asphalt.
Sie sah noch einmal schnell zum Schlafzimmerfenster hinauf und winkte ihrer Schwester fröhlich zu, bevor sie die Straße hinunterlief. Der Nachtwind schnitt durch ihre dünne Jacke, aber sie hatte die Eleganz schon immer der Wärme vorgezogen, und daran würde sich auch heute nichts ändern.
Und Damien mochte die schwarze Airwave-Jacke, die sich wie angegossen an ihren perfekten Körper schmiegte.
Sie hätte es Tossa nie erzählt, aber Caroline war besessen von Damien. Er war älter als die Männer, mit denen sie bisher ausgegangen war, reifer und viel begehrenswerter. Sie hatte ihn einige Wochen zuvor auf einer Party kennengelernt, die Mick Murray, der Bruder ihrer besten Freundin, gegeben hatte.
Donna Murray hatte ein Dutzend Freunde eingeladen, darunter auch Caroline und ihren langjährigen Freund Jimmy Ryan. Jimmy allerdings hatte gestöhnt, als Caroline ihm davon erzählt hatte. Er mußte am Montag eine Hausarbeit einreichen, er hatte noch keinen Strich getan, und er konnte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, den Abend bei den Murrays zu vergeuden, Unsinn zu reden und sich vollaufen zu lassen.
»Dann laß es eben.« Caroline blieb unbeeindruckt. Sie kannte Jimmy schon ein ganzes Leben lang und ging seit vier Jahren mit ihm mit Unterbrechungen, denn von Zeit zu Zeit ließ sie sich kurz mit jemand anderem ein. Jimmy hatte jedesmal gewartet, ohne einen Zweifel daran zu haben, daß sie zu ihm zurückkommen würde, und bisher hatte sie es noch jedes Mal getan.
Aber seit er letzten September mit dem Studium begonnen hatte, war er zusehends zu einem ausgemachten Langweiler geworden. Caroline verstand nicht, wie er so viel Zeit mit Lernen verbringen konnte, wo doch alle Welt wußte, daß man auf die Uni ging, um sich zu amüsieren.
Und dann studierte er auch noch Geisteswissenschaften, nicht etwa Quantenphysik oder etwas wirklich Schwieriges in dieser Art. Er bräuchte überhaupt nicht so viel zu arbeiten.
Sie verstand es einfach nicht. Caroline arbeitete bei der Stadtverwaltung. Sie hatte niemals vorgehabt zu studieren. Die Schule hatte sie gelangweilt; sie war sicher, die Universität würde sie ebenfalls langweilen.
Ihr Job war nicht gerade anspruchsvoll, und sie mußte zugeben, daß er manchmal so langweilig war wie alles andere, aber immerhin verdiente sie genug, um an den Samstagen wie wild einzukaufen und für solche Vergnügungen zu zahlen, die Jimmy sich nicht leisten konnte. Und natürlich konnte er sich zur Zeit überhaupt nichts leisten.
Sie hatte in Donnas Küche gestanden und ein paar Eiswürfel in ihren Wodka Orange gedrückt, als Damien hereinkam.
»Hallo!« Seine Augen leuchteten auf, als er sie allein antraf.
»Was machst du denn hier?«
»Gar nichts. Eis in einen Drink tun.«
»Was trinkst du?«
»Wodka Orange.«
»Warte hier«, sagte er. »Ich hole meinen Drink.«
Er kam einen Augenblick später mit dem Glas in der Hand zurück.
»Das ging ja schnell«, lächelte Caroline.
»Mädchen wie du verschwinden leicht wieder«, sagte er.
Sie lachte. »Mädchen wie ich?«
»Die Sorte, die ich gern besser kennenlernen würde.«
»Ach, wirklich?« Sie nippte an ihrem Glas und musterte ihn. Er war älter als die meisten Männer, die sie kannte sie schätzte ihn auf Mitte Zwanzig. Seine großen braunen Augen und die blasse Haut gefielen ihr.
»Wie heißt du?« fragte er.
»Caroline O'Shaughnessy. Und du?«
»Damien Woods.«
»Nett, dich kennenzulernen, Damien.«
»Gleichfalls.«
Er lächelte ihr zu, legte den Arm um sie und führte sie ins Wohnzimmer zurück. Sie saßen nebeneinander im Halbdunkel, ohne zu sprechen. Caroline lehnte den Kopf an Damiens Schulter; es kam ihr ganz natürlich vor. Einmal dachte sie kurz an Jimmy Ryan und hatte ein schlechtes Gewissen. Aber Jimmy hätte ja mitkommen können. Es war seine Schuld, wenn sie jetzt mit Damien hier saß. »Erzähl doch mal von dir. Woher kennst du Mick Murray?«
Sie setzte sich auf. »Ich bin eine Freundin von Donna. Daher kenne ich ihn.«
Er grinste sie an. »Ich hatte schon gefürchtet, du bist seine derzeitige Freundin.«
»Denkst du wirklich, ich würde mit dir hier sitzen, wenn ich's wäre?«
»Bist du irgend jemandes Freundin?«
Sie lachte. »Was glaubst denn du?«
»Ich glaube, daß du wahrscheinlich zehn an jedem Finger hast.«
»Rede doch keinen Quatsch.« Caroline grinste ihn an. »Du kennst mich ja überhaupt nicht.«
»Das brauche ich auch nicht«, sagte Damien. Ein paarmal tanzten sie miteinander, dann saßen sie wieder nebeneinander. Caroline fühlte sich wohl bei ihm. Sie mochte die Wärme seines Arms, der um ihre Taille lag, und die Art, wie er sich um sie kümmerte.
Als er zum Badezimmer im ersten Stock hinaufging, schlenderte sie in die Küche und sah, wie Donna ein paar Bierdosen unter der Anrichte hervorzerrte.
»Hi«, sagte sie. »Kann ich helfen?«
Donna stellte die Dosen auf den Tisch.
»Zu spät. Da, willst du eine?«
»Nein, danke.« Caroline hatte den ganzen Abend Wodka getrunken und fand es nicht ratsam, mit Bier weiterzumachen.
»Du scheinst dich ja gut mit Damien Woods zu verstehen«, sagte Donna. »Ich hab dich eigentlich eingeladen, damit du mir Gesellschaft leistest, nicht ihm.«
»Ach, Donna, das ist doch nicht dein Ernst.«
Donna zuckte die Achseln.
»Tut mir leid«, sagte Caroline reumütig. »Ich dachte, Fergal ist in Ordnung.«
»Ist er ja auch«, murmelte Donna. »Nur mein Typ ist er eigentlich nicht.«
»Aber Damien?« Donna öffnete eine Dose Bier und nahm einen Schluck. »Ach, nein, nicht wirklich. Ich mag ihn, aber ich kriege ihn kaum noch zu sehen. Eine Weile hat er dauernd mit Mick zusammengesteckt, aber Damien hat seine Karriere im Kopf, und Mick kennst du ja dem ist es gleich, was er treibt, solange er dafür bezahlt wird.«
»Ich glaube, Damien mag seinen Job«, sagte Caroline. »Wir hatten die >Was treibst du so<-Unterhaltung.«
»Ich sehe dich eigentlich nicht mit einem Betriebswirt.«
»Warum nicht?«
»Bißchen langweilig für dich.«
»Ach was«, sagte Caroline. »Außerdem, es ist ja nicht fürs Leben. Bloß für heute.«
Aber sie hoffte, daß es doch etwas länger anhalten würde. Sie blieben bis gegen drei Uhr morgens. Caroline war müde, hatte zu viel Wodka getrunken und konnte die Augen kaum noch offenhalten. »Wo wohnst du?« Damien schüttelte sie sacht, um sie aufzuwecken.
»Ashley Road«, murmelte sie. »Geht von Philippsburg Avenue ab. Es ist nicht weit.«
»Komm«, sagte Damien. »Ich fahre dich nach Hause.«
Sie lächelte ihn an. »Das ist wirklich nett, aber ich laufe lieber. Damit mein Kopf wieder klar wird.«
»Ich kann ja mit offenem Fenster fahren«, sagte Damien. »Und ich habe seit Stunden nichts getrunken, es ist absolut sicher. Du kannst um diese Zeit nicht auf der Straße herumlaufen.«
Sie wollte nicht mit ihm streiten. Sie war müde, und es würde angenehm sein, nach Hause gefahren zu werden.
»Okay«, sagte sie. »Danke.«
Er ging hinauf in den ersten Stock, um seine Jacke zu holen, und sie suchte unter den zusammengesunkenen Gestalten auf dem Boden nach Donna. Ihre Freundin saß mit geschlossenen Augen an der Wand.
Caroline tippte sie mit dem Fuß an.
»Ich gehe nach Hause«, sagte sie. »Ich rufe dich morgen an.«
Sie folgte ihm hinaus zu seinem Auto und stieg ein. Sie war todmüde. Vielleicht hätte sie nicht so viel trinken sollen, aber sie hatte sich amüsiert an diesem Abend. Sie konnte nur hoffen, daß sie nicht mit einem gigantischen Kater aufwachen würde; Dad erwartete, daß sie ihm im Laden half, und er würde wütend werden, wenn er vermutete, daß sie sich betrunken hatte.
Sie gähnte. Damien Woods bemerkte es aus dem Augenwinkel und sah sich zu ihr um. Sie war das schönste Mädchen, das er je kennengelernt hatte; er konnte kaum glauben, daß sie wirklich allein zu der Party gekommen war und daß nicht jeden Augenblick irgendein gutaussehender Kerl auftauchen und seine Rechte geltend machen würde.
Es fiel ihm schwer, sich auf die Straße zu konzentrieren, während sie neben ihm saß. Am Anfang der Ashley Road hielt er das Auto an und schüttelte sie sanft an der Schulter.
»Wach auf, Caroline«, flüsterte er. »Wo wohnst du denn nun eigentlich?«
Sie sah zum Fenster hinaus.
»Da. Dieser Laden.«
»Okay.« Er fuhr noch ein paar Meter weiter.
»Ich bin eingeschlafen.« Sie rieb sich die Augen. »Tut mir leid. Das war ziemlich unhöflich.«
»Kein Problem.«
»Danke, daß du mich gefahren hast.« Sie tastete auf dem Beifahrersitz nach ihrer Handtasche. Er hob sie auf und gab sie ihr.
»Danke«, sagte sie noch einmal, während sie die Tür öffnete. Sie war hundemüde; sie wußte, daß sie eigentlich netter zu ihm sein sollte, aber inzwischen wollte sie einfach nur noch ins Bett fallen und einschlafen.
Übersetzung: Christine Gaspard
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2000 by Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München
»Du bist vielleicht neugierig«, seufzte Caroline. »Ich treffe mich mit jemandem.«
»Caroline!« Tossa spähte ihr kurzsichtig ins Gesicht. »Einem Mann? Schon wieder?«
»Was soll das heißen, schon wieder?« Caroline sah geradezu empört aus.
»Du warst doch gerade erst mit Jimmy aus. Wer ist es denn diesmal?« Caroline zuckte die Achseln. »Damien.«
»Oh, Caroline.«
»Komm mir nicht mit oh, Caroline«, sagte Tossas Schwester.
»Ich darf ja wohl noch mit Damien ausgehen, oder?«
»An dem Abend, an dem du schon mit Jimmy ausgegangen bist?« Tossa schob sich das widerspenstige Haar aus dem Gesicht. »Fair ist das nicht gerade, oder, Caro?«
»In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt.« Caroline grinste, und Tossa seufzte. Sie verstand nicht, wie ihre Schwester den ganzen Abend mit einem Mann verbringen konnte, um danach einfach zu beschließen, daß sie sich auch noch mit einem anderen treffen würde.
»Aber es ist ein bißchen unfair.«
»Ich weiß.« Caroline verzog das Gesicht. »Ehrlich, ich hatte ja nicht vor, an einem Abend mit beiden wegzugehen. Nur, Damien wollte sich heute unbedingt mit mir treffen, und ich hatte Jimmy schon versprochen « Sie unterbrach sich. »Du weißt ja, wie das ist.«
»Eigentlich nicht«, sagte Tossa. Wie könnte sie auch? Sie führte nicht das gleiche Leben wie ihre ältere Schwester. Sie sah nicht so aus, daß die Männer sich auf der Straße nach ihr umdrehten und die Frauen bei ihrem Anblick mit den Zähnen knirschten.
Sie war ganz präsentabel, wenn sie sich Mühe gab das nahm sie jedenfalls an. Aber sie hatte keine wallenden naturblonden Locken, keine klaren, leuchtend blauen Augen und keinen makellosen Teint. Auch Carolines Charme und Unkompliziertheit würde sie niemals besitzen. Und ganz, ganz sicher würde sie nie von einem Treffen mit einem Mann zurückkommen und dann einfach noch mit dem nächsten ausgehen.
»Wohin wollt ihr gehen?« fragte sie. »Weiß ich nicht. Es ist eine Überraschung. Essen vielleicht.« »Essen? Jetzt?« Tossa sah zu ihrem Radiowecker hinüber. »Es ist fast Mitternacht.«
»Na und? Man braucht ja nicht jeden Tag um sieben zu essen.«
»Du wirst dir den Magen verderben.«
»Und du bist so romantisch wie ein Putzlappen«, zischte Caroline. »Sag bloß nichts zu Dad.«
»Mache ich natürlich nicht. Aber du spinnst trotzdem.«
»Warte, bis du selber einen Freund hast«, sagte Caroline mit der ganzen Überlegenheit einer reifen Frau von fast zwanzig Jahren, die bereits allerlei Erfahrungen gesammelt hatte. Sie stieg vorsichtig durch das Fenster auf das Dach des Küchenanbaus hinaus.
»Und laß das Fenster offen, sonst komme ich nicht wieder rein.«
»Paß bloß auf«, sagte Tossa ängstlich.
»Ach, mach doch kein Theater.« Caroline ging mit der Sicherheit jahrelanger Übung über das Dach, sprang auf die Trennmauer hinunter und von dort auf den Asphalt.
Sie sah noch einmal schnell zum Schlafzimmerfenster hinauf und winkte ihrer Schwester fröhlich zu, bevor sie die Straße hinunterlief. Der Nachtwind schnitt durch ihre dünne Jacke, aber sie hatte die Eleganz schon immer der Wärme vorgezogen, und daran würde sich auch heute nichts ändern.
Und Damien mochte die schwarze Airwave-Jacke, die sich wie angegossen an ihren perfekten Körper schmiegte.
Sie hätte es Tossa nie erzählt, aber Caroline war besessen von Damien. Er war älter als die Männer, mit denen sie bisher ausgegangen war, reifer und viel begehrenswerter. Sie hatte ihn einige Wochen zuvor auf einer Party kennengelernt, die Mick Murray, der Bruder ihrer besten Freundin, gegeben hatte.
Donna Murray hatte ein Dutzend Freunde eingeladen, darunter auch Caroline und ihren langjährigen Freund Jimmy Ryan. Jimmy allerdings hatte gestöhnt, als Caroline ihm davon erzählt hatte. Er mußte am Montag eine Hausarbeit einreichen, er hatte noch keinen Strich getan, und er konnte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, den Abend bei den Murrays zu vergeuden, Unsinn zu reden und sich vollaufen zu lassen.
»Dann laß es eben.« Caroline blieb unbeeindruckt. Sie kannte Jimmy schon ein ganzes Leben lang und ging seit vier Jahren mit ihm mit Unterbrechungen, denn von Zeit zu Zeit ließ sie sich kurz mit jemand anderem ein. Jimmy hatte jedesmal gewartet, ohne einen Zweifel daran zu haben, daß sie zu ihm zurückkommen würde, und bisher hatte sie es noch jedes Mal getan.
Aber seit er letzten September mit dem Studium begonnen hatte, war er zusehends zu einem ausgemachten Langweiler geworden. Caroline verstand nicht, wie er so viel Zeit mit Lernen verbringen konnte, wo doch alle Welt wußte, daß man auf die Uni ging, um sich zu amüsieren.
Und dann studierte er auch noch Geisteswissenschaften, nicht etwa Quantenphysik oder etwas wirklich Schwieriges in dieser Art. Er bräuchte überhaupt nicht so viel zu arbeiten.
Sie verstand es einfach nicht. Caroline arbeitete bei der Stadtverwaltung. Sie hatte niemals vorgehabt zu studieren. Die Schule hatte sie gelangweilt; sie war sicher, die Universität würde sie ebenfalls langweilen.
Ihr Job war nicht gerade anspruchsvoll, und sie mußte zugeben, daß er manchmal so langweilig war wie alles andere, aber immerhin verdiente sie genug, um an den Samstagen wie wild einzukaufen und für solche Vergnügungen zu zahlen, die Jimmy sich nicht leisten konnte. Und natürlich konnte er sich zur Zeit überhaupt nichts leisten.
Sie hatte in Donnas Küche gestanden und ein paar Eiswürfel in ihren Wodka Orange gedrückt, als Damien hereinkam.
»Hallo!« Seine Augen leuchteten auf, als er sie allein antraf.
»Was machst du denn hier?«
»Gar nichts. Eis in einen Drink tun.«
»Was trinkst du?«
»Wodka Orange.«
»Warte hier«, sagte er. »Ich hole meinen Drink.«
Er kam einen Augenblick später mit dem Glas in der Hand zurück.
»Das ging ja schnell«, lächelte Caroline.
»Mädchen wie du verschwinden leicht wieder«, sagte er.
Sie lachte. »Mädchen wie ich?«
»Die Sorte, die ich gern besser kennenlernen würde.«
»Ach, wirklich?« Sie nippte an ihrem Glas und musterte ihn. Er war älter als die meisten Männer, die sie kannte sie schätzte ihn auf Mitte Zwanzig. Seine großen braunen Augen und die blasse Haut gefielen ihr.
»Wie heißt du?« fragte er.
»Caroline O'Shaughnessy. Und du?«
»Damien Woods.«
»Nett, dich kennenzulernen, Damien.«
»Gleichfalls.«
Er lächelte ihr zu, legte den Arm um sie und führte sie ins Wohnzimmer zurück. Sie saßen nebeneinander im Halbdunkel, ohne zu sprechen. Caroline lehnte den Kopf an Damiens Schulter; es kam ihr ganz natürlich vor. Einmal dachte sie kurz an Jimmy Ryan und hatte ein schlechtes Gewissen. Aber Jimmy hätte ja mitkommen können. Es war seine Schuld, wenn sie jetzt mit Damien hier saß. »Erzähl doch mal von dir. Woher kennst du Mick Murray?«
Sie setzte sich auf. »Ich bin eine Freundin von Donna. Daher kenne ich ihn.«
Er grinste sie an. »Ich hatte schon gefürchtet, du bist seine derzeitige Freundin.«
»Denkst du wirklich, ich würde mit dir hier sitzen, wenn ich's wäre?«
»Bist du irgend jemandes Freundin?«
Sie lachte. »Was glaubst denn du?«
»Ich glaube, daß du wahrscheinlich zehn an jedem Finger hast.«
»Rede doch keinen Quatsch.« Caroline grinste ihn an. »Du kennst mich ja überhaupt nicht.«
»Das brauche ich auch nicht«, sagte Damien. Ein paarmal tanzten sie miteinander, dann saßen sie wieder nebeneinander. Caroline fühlte sich wohl bei ihm. Sie mochte die Wärme seines Arms, der um ihre Taille lag, und die Art, wie er sich um sie kümmerte.
Als er zum Badezimmer im ersten Stock hinaufging, schlenderte sie in die Küche und sah, wie Donna ein paar Bierdosen unter der Anrichte hervorzerrte.
»Hi«, sagte sie. »Kann ich helfen?«
Donna stellte die Dosen auf den Tisch.
»Zu spät. Da, willst du eine?«
»Nein, danke.« Caroline hatte den ganzen Abend Wodka getrunken und fand es nicht ratsam, mit Bier weiterzumachen.
»Du scheinst dich ja gut mit Damien Woods zu verstehen«, sagte Donna. »Ich hab dich eigentlich eingeladen, damit du mir Gesellschaft leistest, nicht ihm.«
»Ach, Donna, das ist doch nicht dein Ernst.«
Donna zuckte die Achseln.
»Tut mir leid«, sagte Caroline reumütig. »Ich dachte, Fergal ist in Ordnung.«
»Ist er ja auch«, murmelte Donna. »Nur mein Typ ist er eigentlich nicht.«
»Aber Damien?« Donna öffnete eine Dose Bier und nahm einen Schluck. »Ach, nein, nicht wirklich. Ich mag ihn, aber ich kriege ihn kaum noch zu sehen. Eine Weile hat er dauernd mit Mick zusammengesteckt, aber Damien hat seine Karriere im Kopf, und Mick kennst du ja dem ist es gleich, was er treibt, solange er dafür bezahlt wird.«
»Ich glaube, Damien mag seinen Job«, sagte Caroline. »Wir hatten die >Was treibst du so<-Unterhaltung.«
»Ich sehe dich eigentlich nicht mit einem Betriebswirt.«
»Warum nicht?«
»Bißchen langweilig für dich.«
»Ach was«, sagte Caroline. »Außerdem, es ist ja nicht fürs Leben. Bloß für heute.«
Aber sie hoffte, daß es doch etwas länger anhalten würde. Sie blieben bis gegen drei Uhr morgens. Caroline war müde, hatte zu viel Wodka getrunken und konnte die Augen kaum noch offenhalten. »Wo wohnst du?« Damien schüttelte sie sacht, um sie aufzuwecken.
»Ashley Road«, murmelte sie. »Geht von Philippsburg Avenue ab. Es ist nicht weit.«
»Komm«, sagte Damien. »Ich fahre dich nach Hause.«
Sie lächelte ihn an. »Das ist wirklich nett, aber ich laufe lieber. Damit mein Kopf wieder klar wird.«
»Ich kann ja mit offenem Fenster fahren«, sagte Damien. »Und ich habe seit Stunden nichts getrunken, es ist absolut sicher. Du kannst um diese Zeit nicht auf der Straße herumlaufen.«
Sie wollte nicht mit ihm streiten. Sie war müde, und es würde angenehm sein, nach Hause gefahren zu werden.
»Okay«, sagte sie. »Danke.«
Er ging hinauf in den ersten Stock, um seine Jacke zu holen, und sie suchte unter den zusammengesunkenen Gestalten auf dem Boden nach Donna. Ihre Freundin saß mit geschlossenen Augen an der Wand.
Caroline tippte sie mit dem Fuß an.
»Ich gehe nach Hause«, sagte sie. »Ich rufe dich morgen an.«
Sie folgte ihm hinaus zu seinem Auto und stieg ein. Sie war todmüde. Vielleicht hätte sie nicht so viel trinken sollen, aber sie hatte sich amüsiert an diesem Abend. Sie konnte nur hoffen, daß sie nicht mit einem gigantischen Kater aufwachen würde; Dad erwartete, daß sie ihm im Laden half, und er würde wütend werden, wenn er vermutete, daß sie sich betrunken hatte.
Sie gähnte. Damien Woods bemerkte es aus dem Augenwinkel und sah sich zu ihr um. Sie war das schönste Mädchen, das er je kennengelernt hatte; er konnte kaum glauben, daß sie wirklich allein zu der Party gekommen war und daß nicht jeden Augenblick irgendein gutaussehender Kerl auftauchen und seine Rechte geltend machen würde.
Es fiel ihm schwer, sich auf die Straße zu konzentrieren, während sie neben ihm saß. Am Anfang der Ashley Road hielt er das Auto an und schüttelte sie sanft an der Schulter.
»Wach auf, Caroline«, flüsterte er. »Wo wohnst du denn nun eigentlich?«
Sie sah zum Fenster hinaus.
»Da. Dieser Laden.«
»Okay.« Er fuhr noch ein paar Meter weiter.
»Ich bin eingeschlafen.« Sie rieb sich die Augen. »Tut mir leid. Das war ziemlich unhöflich.«
»Kein Problem.«
»Danke, daß du mich gefahren hast.« Sie tastete auf dem Beifahrersitz nach ihrer Handtasche. Er hob sie auf und gab sie ihr.
»Danke«, sagte sie noch einmal, während sie die Tür öffnete. Sie war hundemüde; sie wußte, daß sie eigentlich netter zu ihm sein sollte, aber inzwischen wollte sie einfach nur noch ins Bett fallen und einschlafen.
Übersetzung: Christine Gaspard
Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2000 by Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München
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Bibliographische Angaben
- Autor: Sheila O'Flanagan
- 2010, 1, 536 Seiten, Maße: 12,5 x 18,8 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3868003320
- ISBN-13: 9783868003321
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