Das ABC der Liebe
Einmal das Alphabet rauf und runter und mitten hinein in die Liebe. Ein wunderbar romantischer Roman über zwei große Buchstaben: F und L - Freundschaft und Liebe.
Natalie ist am Boden zerstört, als ihr Freund Simon sie...
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Produktinformationen zu „Das ABC der Liebe “
Einmal das Alphabet rauf und runter und mitten hinein in die Liebe. Ein wunderbar romantischer Roman über zwei große Buchstaben: F und L - Freundschaft und Liebe.
Natalie ist am Boden zerstört, als ihr Freund Simon sie sitzen lässt. Zum Glück kann sie sich wenigstens auf einen verlassen: auf ihren besten Freund Tom, den sie schon von Kindesbeinen an kennt. Und Tom sieht jetzt endlich seine Chance gekommen, Natalie zu erobern. Um sie von ihrem Liebeskummer abzulenken, schlägt er vor, die nächsten 26 Wochenenden immer etwas Aufregendes zu unternehmen: und zwar 26 Dinge von A bis Z. Doch zwischen Kochkursen und Städtetrips müssen beide feststellen, dass es mit der Liebe nicht so leicht ist wie mit dem ABC.
"Ein absolutes Muss."
THE BOOKSELLER
Lese-Probe zu „Das ABC der Liebe “
Das ABC der Liebe von Elizabeth NobleVorwort:
Silvesternacht
Natalie und Tom
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Silvesternacht. So ist es nun mal. Wirklich gut sieht man im Bikini nur einen einzigen Sommer lang aus (nachdem sich der Busen - vor dem Bauch - entwickelt hat), den allerersten Kuss kann man nur ein Mal erleben (pro Kerl, versteht sich), und jeder Mensch, nun, zumindest jeder aus Natalies Bekanntenkreis, hatte bisher in seinem Leben nur eine einzige wirklich fantastische, hundertprozentig gelungene Wahnsinnssilvesternacht erlebt. Die seltsamerweise in den meisten Fällen zeitlich in das Jahr fiel, in dem man wirklich gut im Bikini aussah und seinen allerersten Kuss bekam. Alle darauf folgenden Jahre schnitten im Vergleich dazu schlechter ab, getreu dem Prinzip »In unserer Jugend waren die Sommer heißer« - war nicht früher tatsächlich alles ein bisschen strahlender und lauter und lebendiger? War ich früher nicht ein bisschen schlanker und hübscher und witziger? War Silvester damals insgesamt nicht einfach schöner? Und der Valentinstag? Ganz ehrlich - wirklich super war dieser Tag nur, als man fünfzehn Jahre alt war und auf eine Valentinskarte von dem Typ im Schulbus in der hintersten Reihe wartete, der immer diese schmalen Krawatten trug und ununterbrochen Led Zeppelins »Stairway To Heaven« hörte. So etwas erlebt man nur in einem einzigen Jahr, ein Mal im Leben.
Silvesternacht, 23:15 Uhr, eigentlich eine fantastische Zeit, um im Auto unterwegs zu sein. Alle anderen waren bestimmt schon »dort«. In dem Lokal, in dem sie nun vorgeben würden, sich prächtig zu amüsieren, während sie in Wirklichkeit an die Hausparty damals 1988 in Cambridge dachten oder an die Zeit 1967, als sie so bekifft waren, dass sie nicht einmal mehr das Glockenläuten um Mitternacht mitbekamen, oder an die Silvesternacht 1992, als sie mitten auf dem Times Square einen Heiratsantrag bekamen, oder an irgendeinen anderen Silvesterabend früher, an dem dieselben zehn Personen, die am Esstisch versammelt saßen, nicht gar so langweilig erschienen waren oder so bissig oder so erpicht darauf, wieder nach Hause zu kommen, weil der Babysitter nach Mitternacht den doppelten Stundenlohn verlangte.
Niemand sonst war um diese Zeit unterwegs. »Dancing in the Moonlight« dröhnte aus dem Autoradio, und Natalie wechselte beschwingt in einer Art Corsa-Salsa auf der menschenleeren Straße mehrmals von einer Fahrspur auf die andere. Ihre Stimmung hob sich ein wenig. Gute Idee. Gute Idee von Tom.
Ursprünglich hatte sie zu Hause bleiben und den Abend in denkbar mieser Laune allein verbringen wollen. Rose, wahrscheinlich die einzige ihrer Freundinnen, die sie aus dieser üblen Stimmung hätte reißen können, hatte bedauernd verkündet, ihr Freund Peter habe ein Silvesterangebot von Eurostar gebucht - zwei Übernachtungen, Drei-Sterne-Hotel in Lille (nicht Paris, das kostete zweihundert Pfund mehr, und schließlich war er ja noch Doktorand). Würde Natalie zurechtkommen? Auch du, Brutus, hatte sich Natalie gedacht (und ein stummes gemeines Gebet zum Himmel geschickt, dass Rose nicht mit einem Verlobungsring am Finger zurückkommen möge, was jedoch wiederum umgehend Schuldgefühle in ihr wachrief), ehe sie ihre Freundin umarmt, ihr mit einem ironischen Schulterzucken angeboten hatte, sich aus ihrer Wäschekommode zu bedienen - Negliges, versteht sich, keine String-Tangas -, und ihr versichert hatte, es sei natürlich okay und sie werde eben auf irgendeine Party gehen. Natürlich hatte Natalie anschließend bei
den zwei Partys, zu denen sie eingeladen war, abgesagt. Sie hatte den Gastgebern vorgeflunkert, sie hätte leider schon etwas anderes vor, und so war es ihr gelungen, vom Radarschirm zu verschwinden (was sie gleichermaßen erleichterte und beunruhigte - es war so leicht gewesen).
Ihre beiden Schwestern konnte sie vergessen. Susannah, die Glückliche, weilte in Marrakesch wegen irgendeiner kombinierten Silvester-Abschluss-Party für den Film, in dem Casper unlängst mitgespielt hatte. Und Bridget war ungefähr im zehnten Monat schwanger, ein Umstand, der es eher unwahrscheinlich machte, dass sie an diesem Abend eine Quelle der Heiterkeit für Natalie sein würde. Bridget und Karl lagen jetzt bestimmt schon im Bett, zwischen sich ihr engelsgleiches achtzehn Monate altes Töchterchen Christina, blätterten in dem Buch der Vornamen und stießen mit Apfelsaftschorle auf das neue Jahr an.
Zu Hause bei Mum und Dad? Dann schon lieber allein. Eine Fünfunddreißigjährige, die am Silvesterabend daheim bei ihren Eltern hockte, diese Vorstellung war zu jeder Zeit schlimm genug, doch nach diesem letzten Jahr, in Anbetracht der Umstände ... Nein, so einen Abend hätte sie nicht ausgehalten. Wenn man sich vorstellte, was dort derzeit ablief.
Sie hätte sich, nachdem Susannah endgültig ausgezogen war, eine neue Mitbewohnerin suchen sollen. Die beiden Schwestern hatten es genossen, die Wohnung für sich allein zu haben, nachdem Bridget vor drei Jahren ausgezogen war, um zu heiraten, und auch die Bezahlung der monatlichen Hypothekenrate war ihnen nicht schwerer gefallen. Bridget wusste es zu schätzen, dass ihr ehemaliges Zimmer ihr nach wie vor zur Verfügung stand: Es ermöglichte ihr die gelegentliche kleine Flucht aus dem Alltag mit Karl und Christina, wenn sie mal abends ausging und es später wurde und sie in der Stadt blieb. Doch dann war Susannah ganz plötzlich ausgezogen, und bei Natalie hatte sich eine gewisse Lethargie breitgemacht. Nein, nicht Lethargie, eher eine Art Erwartungshaltung. Eigentlich sollte auch sie nicht mehr lange dort wohnen bleiben. Eigentlich sollte auch in ihrem Leben irgendetwas passieren.
Nichts war, wie es sein sollte.
Gerade jetzt etwa sollte sie nicht im Auto die M4 entlangbrettern und Radio hören, unterwegs zu der Kneipe, in der sie als Teenager ihre Silvesterpartys gefeiert hatte. Sie sollte auf den Malediven sein, sollte, nach einem aufregenden Tag, den sie mit der Erkundung der Unterwasserwelt verbracht hatte, duftend und sonnengeküsst, gekleidet in hauchfeines weißes Leinen, in die Hotelbar schweben und sündteuren importierten Bollinger trinken. Sie sollte in Simons Armen liegen.
Dieser Mistkerl.
Dieser verdammte Mistkerl.
Sie war gerade im Begriff, ihm Sonnenbrand dritten Grades und geschwollene Lymphknoten nach einer Kollision mit einer Giftqualle zu wünschen, als die Tränen kamen. Verflucht. Sie schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad. DIESE BEFRIEDIGUNG GÖNNE ICH IHM NICHT ICH HABE IHM SIEBEN JAHRE MEINES LEBENS GESCHENKT - NEIN NEIN NEIN VON MIR BEKOMMT ER NICHTS MEHR.
Ihre Silvesternacht - DIE EINE - war jene erste gemeinsame Silvesternacht mit Simon gewesen. Skiurlaub in der Schweiz, in einem Chalet, das den Eltern irgendeiner Bekannten gehörte. Eine schnee- und schnapsreiche Fete auf dem Dorfplatz eines malerischen Bergdorfes. Tausend Menschen, die zu den unterschiedlichsten Melodien tanzten, die aus offenen Fenstern ins Freie drangen, über ihnen der Himmel, aus dem Millionen Schneeflocken fielen. Diese Atmosphäre, die ausgelassene Stimmung einer betrunkenen, sich verbrüdernden Menge. Simon küsste sie, seine Lippen so heiß in der eiskalten Luft. Sie liebten sich im Trockenraum, weil es draußen
im Schnee zu kalt war (sie hatten es probiert), leise, damit niemand aufwachte.
Das war »ihre« Silvesternacht gewesen.
Sie hatte Tom ganz vergessen gehabt. Nun, vergessen nicht gerade. Tom war immer da. War all die Jahre immer irgendwie präsent gewesen. Aber sie hatte nicht daran gedacht, dass er sie nicht vergessen hatte.
Natalie und Tom hatten sich im August 1977 kennengelernt, in jenem Sommer, in dem Elvis Aaron Presley gestorben war, in dem Natalie mit ihren Eltern und ihren beiden Schwestern in das übernächste Haus eingezogen war. Bridget war die Nestbauerin gewesen, schon damals. Sie hatte zusammen mit ihrer Mutter die Umzugskisten ausgepackt, ihre gigantische Whimsies-Sammlung, kleine Tierfiguren aus Porzellan, ans Tageslicht befördert und sie auf der weißen Melanin-Kommode arrangiert, die ihr schmales Einzelbett von dem Natalies trennte, in dem Kinderzimmer, das sich die beiden Schwestern teilen sollten. Susannah hatte tagelang nur ferngesehen - man hatte im Andenken an Elvis alle seine Spielfilme gesendet: Viva Las Vegas, King Creole, Love Me Tender. Die neue dreiteilige Couchgarnitur war noch nicht eingetroffen, also hatte Susannah reichlich Platz, um hingebungsvoll dazu zu tanzen und mitzusingen. Sie hätte Natalie gern in ihre Show einbezogen, als Chor im Hintergrund, wenn es ihr möglich gewesen wäre, aber Natalie schmollte und war nicht ansprechbar. Sie hatte nicht umziehen wollen. Sie hatte ihr altes Haus geliebt. Susannah kritisierte sie, sie sperre sich gegen jegliche Veränderungen, statt sie bereitwillig anzunehmen. Solche und ähnliche Sätze gab Susannah des Öfteren von sich, wobei sie das Gesagte mit weit ausholenden, anmutigen Gesten ihrer langen schlanken Arme unterstrich und dabei ihre silbernen Armreifen zum Klirren brachte.
Dad wurde zum Filialleiter ernannt, und aus diesem Grund hatte die ganze Familie umziehen müssen. Es war eine Beförderung und somit eine gute Sache, und außerdem war Natalie ohnehin nicht gefragt worden.
Sie hatte auf dem Ziegelmäuerchen vor ihrem neuen Haus gesessen und mit einem Zweig im Boden gestochert, als sie Tom zum ersten Mal sah. Ihre Mutter war mit ein paar leeren Umzugskisten aus dem Haus getreten, gerade als seine Mutter vorbeiging - sie seien auf dem Weg in die Stadt, erzählte sie, weil ihr Sohn neue Schuhe brauche, ehe die Schule wieder anfinge, und dass seine Füße wie verrückt wachsen würden, sodass sie praktisch jedes halbe Jahr neue Schuhe kaufen müsse, was schon an sich teuer genug sei, aber dann müsse man ja noch an Fußballschuhe denken und an Turnschuhe und Gummistiefel. Tom -der nach Natalies Schätzung ungefähr gleichaltrig war, aber größer - schaute peinlich berührt drein, und Natalies Mum wirkte irgendwie benommen und abwesend und nickte nur und lächelte viel, und ihr Lächeln wurde leicht schief, als Toms Mutter bemerkte, drei Töchter, wie schön und was für ein Glück, denn die Füße von Mädchen würden wahrscheinlich nicht halb so schnell wachsen. Natalie hatte erstaunlich große Füße, die jedoch offenbar nur sporadisch wuchsen, aber dann mit rasanter Geschwindigkeit und meistens kurz nachdem ihre Mutter ihr neue Schuhe gekauft hatte. Es war ein gängiger Scherz innerhalb der Familie. Tom hatte große, weit offene Augen. Und zu viel lockiges Haar. Nicht lang im Nacken wie ein Fußballer, sondern oben auf dem Kopf.
Natalies Mutter erzählte Toms Mutter, Natalie sei burschikos, ein richtiger Wildfang, und Toms Mutter meinte, das würde Tom gefallen, da ohnehin kaum Kinder in seinem Alter in der Straße wohnen würden, und dass die beiden sich anfreunden sollten.
Doch natürlich waren bis dahin noch Wochen ins Land gezogen. Das neue Trimester hatte schon längst begonnen. In diesen Wochen hatten sie verlegen in zwei separaten Gärten, zwei Türen voneinander getrennt, das Gleiche gemacht (mit Fahrrad und Rollerskates fahren, Ballspiele). Mrs Samways, die alte Frau im Haus dazwischen, hatte die beiden Kinder schließlich zusammengebracht. Sie hatte so eine Kupferschale in ihrem Wohnzimmer stehen, die sie mit Bonbons füllte, und dann mussten die Kinder aus der Nachbarschaft immer so tun, als hätten sie die Süßigkeiten »hineingezaubert«, einfach indem sie daran Heben. Jeder wusste, die alte Dame vielleicht ausgenommen, dass da keine Zauberei im Spiel war, aber dennoch kamen die Kinder immer wieder und rieben an der Schale. Mrs Samways schätzte deren Gesellschaft, und die Kinder schätzten die Süßigkeiten, auch wenn es in dem Wohnzimmer immer so roch, als hätte die alte Dame am Abend zuvor dort Fisch gegessen. Wenn Mrs Samways Kinder vor dem Haus spielen sah, kam sie vor die Tür, einen grellbunten gehäkelten Schal über den Schultern, und sagte mit ihrer dünnen, zittrigen Stimme: »Na, hat heute wer Lust auf ein bisschen Zauberei?« Und dann lächelten die Kinder schüchtern und trotteten zu ihr hinüber.
Einmal an einem Sonntag, als die Väter ihre Autos auf Hochglanz polierten und die Mütter das Geschirr vom Mittagessen spülten und die älteren Geschwister im Radio die Hitparade hörten und sich die Hitliste aufschrieben, damit sie am nächsten Tag in der Schule mitreden konnten, reagierten beide, Natalie und Tom, gleichzeitig auf die dünne Fistelstimme. Tom ließ Natalie den Vortritt bei der Wahl der Bonbons, und nachdem sie Mrs Samways Fragen über die Schule über sich hatten ergehen lassen, fragte er Natalie: »Fahren wir ein bisschen Fahrrad?«
»Okay«, antwortete sie mit einem Schulterzucken.
Und so lief es von nun an zwischen den beiden: Tom war der Anstifter, und Natalie war diejenige, die sich ihm bereitwillig anschloss. Er war älter als sie und ging mit Bridget in dieselbe Klasse. Und er war mutiger. Und leichtsinniger, wie Natalies Dad zu sagen pflegte. Tom hatte den Vorschlag gemacht, sie
könnten mit Karacho die steile Straße hinunterfahren und im letzten Moment vor der hüfthohen Ziegelmauer abbremsen, um das Fahrrad nach rechts oder links ausbrechen zu lassen, und, was noch mehr zählte, unter Tränen hatte er diesen Vorschlag sogar zugegeben, auf dem Rücksitz im Auto von Natalies Vater, auf der Fahrt in die Notaufnahme. Tom hatte die Idee gehabt, die Flasche Martini aus der Hausbar zu stibitzen, während der Sommerparty im Haus seiner Eltern, bei der sich die beiden Kinder um die Garderobe der Gäste kümmern und Erdnüsse herumreichen sollten, und die Flasche dann in der Garage gemeinsam zu leeren. Diesmal hatte keiner die Tat eingestehen müssen. Es war ihnen furchtbar schlecht geworden, ganz heimlich, und die Flasche Martini wurde auch nie vermisst. Tom war bei allen Dingen der Vorreiter. Klassenfahrt nach Frankreich. Die erste Zigarette. Knutschen bei ausgeschaltetem Licht auf einer Party, als die Eltern ausgegangen waren und sie sturmfreie Bude hatten. Die diversen Schulabschlussprüfungen wie 0-Level und A-Level, Universität ...
Ein einziges Mal hatten sie sich wirklich ernsthaft gestritten. Es war in dem Jahr gewesen, in dem Torvill und Dean in diesen fließenden violetten Kostümen mit »Bolero« die Weltmeisterschaft im Eistanz gewannen. Tom hatte sich während eines Disco-Abends in der Schule an Susannah herangemacht - die viel und gerne mit allen möglichen Jungs knutschte -, und Natalie war deswegen sauer auf ihn und hatte ihm erklärt, wie widerwärtig sie das finde, so als ob er mit seiner eigenen Schwester herummachen würde. Tom hatte nur gelacht und gemeint, Susannah sei alles andere als eine Schwester für ihn. Wenn er mit ihr, Natalie, knutschen würde, wäre das vielleicht so, als würde er mit seiner Schwester knutschen, aber mit Susannah sei das etwas ganz anderes. Er hatte dabei einen Ausdruck im Gesicht gehabt, den Natalie noch nie an ihm gesehen hatte und der ihr überhaupt nicht gefiel, und so hatte sie ihn geschlagen - nicht ins Gesicht, aber in den
Bauch, und zwar kräftig -, und dann war sie davongeflitzt und hatte eine ganze Woche nicht mit ihm geredet, bis er ihr eine dieser orangenförmigen Schokoladenkugeln, Terry's Chocolate Orange, gekauft und ihr mit sehr ernster Miene versichert hatte, wie leid es ihm tue und dass es nicht wieder vorkommen werde.
Und ein einziges Mal, sie war neunzehn, er war zwanzig Jahre alt gewesen, hatten sie sich geküsst - sie war sitzengelassen worden und am Boden zerstört und Tom hatte sich um sie gekümmert. Wieder einmal. Sie hatte sich in irgendeinen Kommilitonen im College verliebt, doch dieser Kerl hatte seine Exfreundin auf irgendeine Wahnsinnshausparty in London mitgenommen und nicht sie, und so war Natalie nach Hause zu ihren Eltern gefahren, um Trübsal zu blasen. Tom war zu der Zeit ebenfalls zu Hause, um letzte Vorbereitungen für seinen geplanten Interrail-Trip zu treffen, und Natalie hatte jammernd auf dem Boden in seinem Zimmer gehockt und zugesehen, wie er Jeans und T-Shirts in seinen Rucksack packte.
»Weißt du, was dein Problem ist?«, hatte Tom gesagt. »Du glaubst, du musst dich in den Kerl verlieben. Jedes Mal wieder.«
»Ich bin eben romantisch - was ist daran so falsch?«, hatte sie ihn angeraunzt.
»Blödsinn! Du hast dir nur was Schlechtes angewöhnt. Erzähl mir doch nicht, dass du jedes Mal verliebt bist, Nat. Es passiert einfach zu oft. Liebe ist ganz was anderes!«
»Und seit wann bist du Experte auf diesem Gebiet? Ich dachte, du studierst Informatik.«
»Ich bin kein Experte. Genau das will ich ja damit sagen. Ich war noch nie verliebt.«
»Ach, du armer kleiner Junge.«
»Ich brauch dein Mitleid nicht, Herzchen. Wer von uns beiden hockt denn jetzt da wie ein Häufchen Elend, na? Ich hab genug anderes gemacht, das kannst du mir glauben.«
»Herumvögeln, zum Beispiel.«
»Nun ja, wenn du davon anfängst. Gelegentlich. Ich hab's ziemlich getrieben, ich hatte meinen Spaß, ich habe Zuneigung empfunden, ein paar Mädchen habe ich sogar sehr, sehr gern gehabt. Aber Liebe? So richtig verliebt war ich bis jetzt noch nicht. Und ich hab auch keine Eile damit. Besonders wenn so etwas« -Tom deutete mit dem Finger auf sie - »dabei herauskommt.«
»Jungs werden später reif als Mädchen.«
»Was für ein lahmes Argument. Du verstehst nicht, was ich meine, Nat. Du bist verliebt in die Liebe. Du fühlst dich zu den falschen Typen hingezogen, und immer wieder fällst du auf die Schnauze. Und dann kommt der große Katzenjammer und der Herzschmerz. Das ist einfach nur albern.«
Voller Empörung war Natalie aufgestanden. »Entschuldige, dass ich dich mit meinem albernen >Herzschmerz-Katzenjammer< belästigt habe. Wie ermüdend muss das für dich sein. Ich gehe jetzt.«
Tom packte sie am Handgelenk. »Hör auf mit dem Quatsch. Ich halte das schon aus. Und du gehst jetzt nirgends hin, höchstens ins Pub, und zwar mit mir. Wenn ich dir nicht mit vernünftigen Argumenten beikommen kann, dann vielleicht mit Alkohol.«
Etliche Drinks später lagen sie im Garten im Gras und redeten immer noch über Natalies Herz.
»Weißt du, was dein Problem ist?«
Natalies Problem in diesem Moment bestand darin, dass sie dringend pinkeln musste, doch sie drehte den Kopf zur Seite und sah ihn an. »Sprich, o weiser Mann.«
»Du legst die falschen Maßstäbe an.«
»Hä?«
»Du musst dich bei deinen Entscheidungen mehr vom Intellekt leiten lassen und weniger von deinen Emotionen ...« Tom lallte ein wenig.
»Wovon redest du eigentlich?«
»Du musst dir bewusst jemanden suchen, der dich nicht im Stich lassen wird.«
»Woher soll man denn vorher wissen, ob einer einen im Stich lassen wird oder nicht?«
»Ich würde dich nicht im Stich lassen.«
Sie streckte ihre Hand aus und schlug auf seinen Brustkorb. »Das weiß ich doch. Du bist mein bester Freund.« Sie tätschelte seine Schulter. Jetzt musste sie aber wirklich aufstehen und auf die Toilette gehen.
Da rollte Tom sich auf die Seite und stützte sich auf seinen Ellbogen. Plötzlich war sein Gesicht ganz dicht vor ihr. Er schaute sie an. Und dann küsste er sie, nur ein Mal, ganz leicht auf den Mund. Zuerst dachte sie, er hätte sein Ziel verfehlt. Vielleicht bemühte er sich, die doppelte Natalie auf die Wange zu küssen. Schließlich hatte er drei Glas Bier getrunken. Doch sein Gesicht sagte ihr etwas anderes. »Halt die Klappe«, erwiderte sie, obwohl er kein Wort gesagt hatte.
»Ich werde dich heiraten.«
»Halt die Klappe!« Ein bisschen lauter diesmal.
»Nicht jetzt. Wir sind noch zu jung.«
»Niemals. Niemals, du dummer Kerl.«
»Niemals ist eine lange Zeit.«
Natalie setzte sich mit einem Ruck auf. »Halt die Klappe.«
»Ich glaube, es sind deine Schlagfertigkeit und deine bissigen, geistreichen Kommentare, die ich am meisten an dir liebe.« Er lächelte und sah fast wieder aus wie der alte Tom.
»Halt die -«
Er streckte den Zeigefinger hoch, um ihr das Wort abzuschneiden. »Okay. Ich werde die Klappe halten. Aber vergiss diesen Nachmittag nicht, Natalie. Wenn du mal wieder mit Liebeskummer angekrochen kommst und vielleicht dreißig Jahre alt bist und deine beste Zeit hinter dir hast und es satthast, auf Männerjagd zu gehen, dann heirate ich dich.«
»Sehr nett. Gut zu wissen. Danke, Tom.«
Du meine Güte - dachten wir damals wirklich, mit dreißig hätten wir die beste Zeit hinter uns? Vor sechzehn Jahren waren wir wahrscheinlich davon überzeugt. War man jenseits der dreißig, erschien einem dieses Alter natürlich ziemlich jung.
Damals hatte er sich über sie lustig gemacht. Vielleicht sollte sie ihn heute Abend an sein Versprechen erinnern. Vielleicht sollte sie auf die Knie fallen, auf sein Angebot eingehen. Aber wahrscheinlich hatte er es längst vergessen - sie war überrascht, dass sie sich daran erinnerte. Und außerdem war dieses Thema derzeit ohnehin nicht geeignet, sie zum Lachen zu bringen.
Das Pub musste gerammelt voll sein - nirgendwo gab es mehr einen freien Parkplatz. Natalie fuhr den Corsa an die Böschung, die das Kricketfeld begrenzte, und stieg aus. Du meine Güte, war das kalt. Sie wickelte ihren Mantel fester um sich, schob das Haar hinter die Ohren und stapfte zum Eingang. Je näher sie kam, desto lauter wurde der Geräuschpegel, und ein sanfter orangefarbener Lichtschein fiel aus den Fenstern nach draußen.
Wie eine warme Decke hüllten sie die Stimmen und Hände ihrer alten Freunde ein.
»Hallo, Nat!«
»Ein gutes neues Jahr!
»Wie geht's dir?«
»Soll ich dir was zu trinken holen?«
Sie spürte eine leichte Euphorie in sich aufsteigen. Die anderen freuten sich über ihr Kommen, und auch ihr tat es gut, die vertrauten Gesichter wiederzusehen. Die Begleiter ihrer Kindheit und Jugend. Der Text dieser Titelmelodie fiel ihr ein - »sometimes you wanna be where everybody knows your narre«. Der gute alte Tom. Wie klug von ihm.
Und dann sah sie ihn. Er trank sein Bier immer in dieser Körperhaltung. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und hielt das Glas in der Armbeuge. Dabei wippte er leicht auf den Fersen. Tom nickte gerade und lächelte sein Gegenüber an und bemerkte Natalie nicht sogleich. Dann ging jemand von der Theke zurück in den Gastraum, in den Händen ein Metalltablett mit Getränken, das er hoch über den Köpfen der Gäste balancierte, und durch die Lücke, die dadurch entstand, fiel Toms Blick auf sie. Er winkte ihr zu und formte mit den Lippen ein Hallo, und plötzlich hielt Natalie es für möglich, dass sie zu heulen anfangen könnte.
Patrick und Lucy
Lucy hörte Patrick die Treppe herunterkommen und ging hinaus in die Diele. »Danke, dass du mir das abgenommen hast, Schatz. Hast du Erfolg gehabt?«
»Zum Teil. Ed ist nach drei weiteren Kapiteln endlich eingeschlafen, aber Bella besteht hartnäckig darauf, dass sie mit ihren acht Jahren alt genug ist, um bis Mitternacht aufzubleiben.«
»Was hast du zu ihr gesagt?«
»Ich hab ihr geantwortet, wach im Bett zu liegen, das wäre okay für uns, aber wenn sie aufbliebe, würde uns das stören.«
Lucy schmunzelte. »Ganz genau. Die nächsten Stunden gehören nur uns beiden. Komm, trink ein Glas.« Sie hielt in der einen Hand eine geöffnete Flasche Champagner und in der anderen ein Glas, das halb ausgetrunken war. Sie ging zurück in die Küche. »Hol dir doch ein Glas aus dem Schrank, ja?«
Patrick ging ins Wohnzimmer. Wie lange war er oben mit den Kindern beschäftigt gewesen? Das Wohnzimmer sah völlig verändert aus. Sie musste wie ein Derwisch herumgewirbelt sein. Die Zeitungen, die vorher über den ganzen Fußboden verstreut waren, lagen nun in einem ordentlichen Stapel auf dem Couchtisch. Die Spielsachen der Kinder waren in den Boxen hinter der Couch verstaut, und die Nadeln unter dem Tannenbaum, der nun seit drei Wochen im Zimmer stand und praktisch kahl war, waren verschwunden. Genauso fühlte sich Patrick. Verbraucht und mitgenommen. Erschöpft von den Feiertagen. Seine Eltern und ihre Mutter und eine, wie es schien, nicht enden wollende Reihe von Freunden, Verwandten und, wie er sie insgeheim nannte, »diversen« Leuten waren aufgekreuzt und beköstigt und mit Getränken versorgt worden. Und jedes Mal hatten sie hinter ihren Gästen wieder aufgeräumt. Lucy war ihm vorgekommen wie die Fernsehköchin Deliah Smith unter Aufputschmitteln. Praktisch jeden Morgen hatte sie ihn mit Ed zu Tesco geschickt, mit einer rasch hingekritzelten Einkaufsliste, auf der so obskure Dinge standen wie Safran, Bourbon-Vanillezucker und Gänseschmalz, und jeden Abend hatte er die immer gleichen Töpfe und rätselhaften Teile der Küchenmaschine gespült und abgetrocknet und wieder an ihren Plätzen verstaut, damit sie am nächsten Tag erneut zum Einsatz kommen konnten. Jede Nacht war er ins Bett und sogleich in den Tiefschlaf gefallen. Er konnte von Glück reden, wenn er es mal schaffte, bis Mitternacht wach zu bleiben. Silvester sollte man im März feiern. Wer hatte denn Lust, sich nach all dem Weihnachtsstress noch irgendwelche Mühe zu machen? Lucy, ganz klar. Sie hatte den Tisch für zwei gedeckt - Stoffservietten, Kerzen - und eine CD eingelegt, was sie fast nie tat.
Patrick betrachtete sich in dem Spiegel über dem Kaminsims, registrierte seinen blassen Teint, die Tränensäcke unter den Augen und fragte sich, ob er sich ein bisschen fein hätte machen sollen.
»Patrick?« Er nahm ein Glas aus dem Schrank, eine der acht Sektflöten aus Bleikristall, die sie zur Hochzeit geschenkt bekommen hatten, und ging in die Küche.
Es duftete köstlich. Lucy rührte in einem Topf auf dem Herd, und ihre Wangen glühten von der Hitze. Zwei Teller mit gebeiztem Lachs standen auf der Arbeitsplatte.
»Es dauert noch etwa zwanzig Minuten. Gib mal her.« Sie schenkte ihm ein, dann hob sie ihr Glas, um mit ihm anzustoßen. »Ein gutes neues Jahr, mein Schatz.«
»Ein gutes neues Jahr«, erwiderte er. Sie küsste ihn. Es war ein Kuss voller Leidenschaft und Verheißung. »Ich frage mich, wo du die Energie zum Kochen hernimmst, nach diesen zwei Wochen, die du hinter dir hast.«
»Ich bin ziemlich erschöpft«, gestand sie. »Aber du bist für mich schließlich die Hauptperson. Und der Abend heute gehört nur uns beiden. Und außerdem«, fügte sie mit einem verschmitzten Lächeln hinzu, »ist es ein Rezept aus Festmenüs in zehn Minuten.«
»Du bist echt klasse.«
»Und morgen kocht ja Marianne für uns, da habe ich dann einen Tag frei.«
»Sind nur wir eingeladen?«
»Ich denke schon. Warum?«
»Ich meine nur. Es wäre mir lieber so. Wenn andere Eltern aus Bellas Klasse dabei sind, wird immer nur über dasselbe geredet. Lehrer, Stundenplan, Schulparkplatz, Kuchenbacken fürs Schulfest ...«
»Das ist meine Welt, Liebling!«
»Ich weiß ... aber manchmal ist es gar zu öde. Ich finde, es ist entspannter, wenn wir mit Alec und Marianne allein sind.« Lucy schwieg.
Er leerte sein Glas, füllte es erneut und schenkte auch ihr nach. Dann setzte er sich auf einen Stuhl und schaute ihr versonnen beim Kochen zu. Sie hatte sich überhaupt nicht verändert. Sie wirkte weder älter noch fülliger noch müder noch gesetzter. Sie sah einfach noch genauso aus wie das junge Mädchen, das er vor vielen Jahren kennengelernt hatte.
Er war ihr nachgelaufen, damals im Supermarkt, einen Gang nach dem anderen. Obst und Gemüse. Konserven. Backwaren.
Sie hatte so eine Art, die Hüften zu schwingen. Es war ein fröhlicher, optimistischer Gang. Aus sicherer Entfernung, während er planlos alle möglichen Waren von links und rechts in seinen Einkaufswagen lud, beobachtete er sie, wie sie mit ein paar älteren Damen und mit einem pickligen Jüngling, der die Regale auffüllte, schwatzte, und es fiel ihm auf, wie wunderbar ihr kräftiges kastanienbraunes Haar glänzte. Er beobachtete sie, während sie sich genüsslich Zeit ließ, eine Handvoll Pflaumen auszusuchen. Es klang vielleicht lächerlich, selbst für seine Ohren, aber er hatte sich in ihre Rückenansicht verliebt, ehe er sie schließlich an der Ecke des Kosmetikregals überholte und ihr zauberhaftes Gesicht zu sehen bekam, und kurz darauf Bella, die in einem kunstvoll geknoteten Babytragetuch vor ihrer Brust hing.
Lucy und Tom pflegten darüber zu scherzen und behaupteten, Patrick sei der Erfinder der Supermarkt-Anmache.
»Wärst du jetzt gern im Pub mit Tom?« Lucy warf ihm einen leicht spöttischen Blick zu. Sein Bruder hatte Anfang der Woche angerufen und sie beide eingeladen.
»Nein. Wir sind doch viel zu alt für diesen Quatsch, meinst du nicht?«
»Du vielleicht. Ich rechne sehr wohl damit, dass es in meinem Leben noch einige denkwürdige Abende geben wird. Vielleicht wäre es lustig geworden. Wir hätten ja deine Mum bitten können, die Kinder zu nehmen.«
»Siehst du, du bist diejenige, die jetzt gern mit meinem Bruder im Pub wäre!«
»Überhaupt nicht. Obwohl er erwähnt hat, Natalie würde auch kommen, nicht wahr? Ich habe sie seit der Sache mit Simon nicht mehr gesehen. Na ja, vielleicht schaut sie mal kurz bei uns vorbei, ehe sie wieder wegfährt. Das hat sie doch immer getan, oder? Es ist schon eine Art Ritual.«
»Haben wir Rituale?«
»Liebling, wir haben jede Menge davon. Ist dir das noch nie aufgefallen?« Sie umarmte ihn, und er roch den Duft ihres Parfüms, ihres Haars. Er sog den Duft tief ein und stützte sein Kinn auf ihren Scheitel.
Kurz darauf stand sie schon wieder am Herd und rührte weiter in ihrem Topf. »Nicht zu glauben, dass dies bereits unser siebtes gemeinsames Silvester ist, nicht wahr?«
Patrick lächelte nachdenklich. »Beim ersten Mal sind wir auch nicht in Ruhe gelassen worden, weißt du noch?« Bella hatte Zähne bekommen. Er hatte das neue Jahr begrüßt, indem er im Schlafzimmer auf und ab gegangen war, im Arm das plärrende Kind eines anderen Mannes.
Lucy hatte damals vorgeschlagen, sie würde ihre Mutter bitten, das Baby an dem Abend zu nehmen. Es war ihr peinlich, dachte Patrick, und das machte ihn traurig. Will, Lucys Ehemann, hatte sie verlassen, als Bella drei Monate alt war, und Patrick war danach der erste Mann für sie gewesen. Er hatte sich verzweifelt bemüht, ihr zu zeigen, dass Bella kein Problem für ihn darstellte, dass Lucys Vergangenheit Teil seiner Gegenwart und ihrer gemeinsamen Zukunft sein konnte. Dass er dies gleich in der Silvesternacht handfest würde beweisen müssen, damit hatte er nicht gerechnet. Es war das erste Mal, dass sie miteinander geschlafen hatten. Sie waren fast, aber nur fast, schon zu müde dafür gewesen, als Bella endlich mithilfe einer Dosis Cal-pol kapituliert hatte, und es war ach-so-leise geschehen, damit das Kind nicht wieder aufwachte. Patrick hatte auch nicht vergessen, dass Lucy damals gesagt hatte, sie wolle nie mehr ohne ihn ein neues Jahr beginnen, woraufhin sie jedoch geradezu erstarrt war vor Verlegenheit, als wäre ihr mit diesem Satz herausgerutscht, wie sehr sie ihn brauchte, wie sehr sie sich an ihn klammerte und dass er nun bestimmt sofort das Weite suchen würde. Er hatte es gehasst, ihre Dankbarkeit zu bemerken, ihre Scheu wegen ihres Körpers, mit den vier leuchtend roten Schwangerschaftsstreifen und den riesigen Brüsten, aus denen Milch tropfte. Er liebte sie einfach. Alle diese Dinge störten ihn nicht im Geringsten. Es war sein inniger Wunsch gewesen, sich um sie zu kümmern. Dieser Wunsch hatte immer noch Bestand, nach all diesen Jahren. »Was gibt es denn Schönes zu essen?«
»Das da« - sie deutete auf den gebeizten Lachs -> »anschließend Riesengarnelen in einer Tomaten-Champagner-Sauce -dafür brauche ich einen Schuss von dem guten Zeug da, aber keine Sorge, ich habe noch eine zweite Flasche im Kühlschrank kalt gestellt - und zum Nachtisch Erdbeeren.« Sie schob ihre Hand unter sein Hemd und strich sachte mit den Fingerspitzen über seine Haut. »Die kannst du vom Dessertteller essen oder von mir, was du lieber magst.« Sie küsste ihn leidenschaftlich. »Hmmm. Es ist schon ziemlich lange her. Falls dir das noch nicht aufgefallen ist.«
Es war ihm aufgefallen. Es war genau drei Wochen her, seit jenem Tag ...
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Silvesternacht. So ist es nun mal. Wirklich gut sieht man im Bikini nur einen einzigen Sommer lang aus (nachdem sich der Busen - vor dem Bauch - entwickelt hat), den allerersten Kuss kann man nur ein Mal erleben (pro Kerl, versteht sich), und jeder Mensch, nun, zumindest jeder aus Natalies Bekanntenkreis, hatte bisher in seinem Leben nur eine einzige wirklich fantastische, hundertprozentig gelungene Wahnsinnssilvesternacht erlebt. Die seltsamerweise in den meisten Fällen zeitlich in das Jahr fiel, in dem man wirklich gut im Bikini aussah und seinen allerersten Kuss bekam. Alle darauf folgenden Jahre schnitten im Vergleich dazu schlechter ab, getreu dem Prinzip »In unserer Jugend waren die Sommer heißer« - war nicht früher tatsächlich alles ein bisschen strahlender und lauter und lebendiger? War ich früher nicht ein bisschen schlanker und hübscher und witziger? War Silvester damals insgesamt nicht einfach schöner? Und der Valentinstag? Ganz ehrlich - wirklich super war dieser Tag nur, als man fünfzehn Jahre alt war und auf eine Valentinskarte von dem Typ im Schulbus in der hintersten Reihe wartete, der immer diese schmalen Krawatten trug und ununterbrochen Led Zeppelins »Stairway To Heaven« hörte. So etwas erlebt man nur in einem einzigen Jahr, ein Mal im Leben.
Silvesternacht, 23:15 Uhr, eigentlich eine fantastische Zeit, um im Auto unterwegs zu sein. Alle anderen waren bestimmt schon »dort«. In dem Lokal, in dem sie nun vorgeben würden, sich prächtig zu amüsieren, während sie in Wirklichkeit an die Hausparty damals 1988 in Cambridge dachten oder an die Zeit 1967, als sie so bekifft waren, dass sie nicht einmal mehr das Glockenläuten um Mitternacht mitbekamen, oder an die Silvesternacht 1992, als sie mitten auf dem Times Square einen Heiratsantrag bekamen, oder an irgendeinen anderen Silvesterabend früher, an dem dieselben zehn Personen, die am Esstisch versammelt saßen, nicht gar so langweilig erschienen waren oder so bissig oder so erpicht darauf, wieder nach Hause zu kommen, weil der Babysitter nach Mitternacht den doppelten Stundenlohn verlangte.
Niemand sonst war um diese Zeit unterwegs. »Dancing in the Moonlight« dröhnte aus dem Autoradio, und Natalie wechselte beschwingt in einer Art Corsa-Salsa auf der menschenleeren Straße mehrmals von einer Fahrspur auf die andere. Ihre Stimmung hob sich ein wenig. Gute Idee. Gute Idee von Tom.
Ursprünglich hatte sie zu Hause bleiben und den Abend in denkbar mieser Laune allein verbringen wollen. Rose, wahrscheinlich die einzige ihrer Freundinnen, die sie aus dieser üblen Stimmung hätte reißen können, hatte bedauernd verkündet, ihr Freund Peter habe ein Silvesterangebot von Eurostar gebucht - zwei Übernachtungen, Drei-Sterne-Hotel in Lille (nicht Paris, das kostete zweihundert Pfund mehr, und schließlich war er ja noch Doktorand). Würde Natalie zurechtkommen? Auch du, Brutus, hatte sich Natalie gedacht (und ein stummes gemeines Gebet zum Himmel geschickt, dass Rose nicht mit einem Verlobungsring am Finger zurückkommen möge, was jedoch wiederum umgehend Schuldgefühle in ihr wachrief), ehe sie ihre Freundin umarmt, ihr mit einem ironischen Schulterzucken angeboten hatte, sich aus ihrer Wäschekommode zu bedienen - Negliges, versteht sich, keine String-Tangas -, und ihr versichert hatte, es sei natürlich okay und sie werde eben auf irgendeine Party gehen. Natürlich hatte Natalie anschließend bei
den zwei Partys, zu denen sie eingeladen war, abgesagt. Sie hatte den Gastgebern vorgeflunkert, sie hätte leider schon etwas anderes vor, und so war es ihr gelungen, vom Radarschirm zu verschwinden (was sie gleichermaßen erleichterte und beunruhigte - es war so leicht gewesen).
Ihre beiden Schwestern konnte sie vergessen. Susannah, die Glückliche, weilte in Marrakesch wegen irgendeiner kombinierten Silvester-Abschluss-Party für den Film, in dem Casper unlängst mitgespielt hatte. Und Bridget war ungefähr im zehnten Monat schwanger, ein Umstand, der es eher unwahrscheinlich machte, dass sie an diesem Abend eine Quelle der Heiterkeit für Natalie sein würde. Bridget und Karl lagen jetzt bestimmt schon im Bett, zwischen sich ihr engelsgleiches achtzehn Monate altes Töchterchen Christina, blätterten in dem Buch der Vornamen und stießen mit Apfelsaftschorle auf das neue Jahr an.
Zu Hause bei Mum und Dad? Dann schon lieber allein. Eine Fünfunddreißigjährige, die am Silvesterabend daheim bei ihren Eltern hockte, diese Vorstellung war zu jeder Zeit schlimm genug, doch nach diesem letzten Jahr, in Anbetracht der Umstände ... Nein, so einen Abend hätte sie nicht ausgehalten. Wenn man sich vorstellte, was dort derzeit ablief.
Sie hätte sich, nachdem Susannah endgültig ausgezogen war, eine neue Mitbewohnerin suchen sollen. Die beiden Schwestern hatten es genossen, die Wohnung für sich allein zu haben, nachdem Bridget vor drei Jahren ausgezogen war, um zu heiraten, und auch die Bezahlung der monatlichen Hypothekenrate war ihnen nicht schwerer gefallen. Bridget wusste es zu schätzen, dass ihr ehemaliges Zimmer ihr nach wie vor zur Verfügung stand: Es ermöglichte ihr die gelegentliche kleine Flucht aus dem Alltag mit Karl und Christina, wenn sie mal abends ausging und es später wurde und sie in der Stadt blieb. Doch dann war Susannah ganz plötzlich ausgezogen, und bei Natalie hatte sich eine gewisse Lethargie breitgemacht. Nein, nicht Lethargie, eher eine Art Erwartungshaltung. Eigentlich sollte auch sie nicht mehr lange dort wohnen bleiben. Eigentlich sollte auch in ihrem Leben irgendetwas passieren.
Nichts war, wie es sein sollte.
Gerade jetzt etwa sollte sie nicht im Auto die M4 entlangbrettern und Radio hören, unterwegs zu der Kneipe, in der sie als Teenager ihre Silvesterpartys gefeiert hatte. Sie sollte auf den Malediven sein, sollte, nach einem aufregenden Tag, den sie mit der Erkundung der Unterwasserwelt verbracht hatte, duftend und sonnengeküsst, gekleidet in hauchfeines weißes Leinen, in die Hotelbar schweben und sündteuren importierten Bollinger trinken. Sie sollte in Simons Armen liegen.
Dieser Mistkerl.
Dieser verdammte Mistkerl.
Sie war gerade im Begriff, ihm Sonnenbrand dritten Grades und geschwollene Lymphknoten nach einer Kollision mit einer Giftqualle zu wünschen, als die Tränen kamen. Verflucht. Sie schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad. DIESE BEFRIEDIGUNG GÖNNE ICH IHM NICHT ICH HABE IHM SIEBEN JAHRE MEINES LEBENS GESCHENKT - NEIN NEIN NEIN VON MIR BEKOMMT ER NICHTS MEHR.
Ihre Silvesternacht - DIE EINE - war jene erste gemeinsame Silvesternacht mit Simon gewesen. Skiurlaub in der Schweiz, in einem Chalet, das den Eltern irgendeiner Bekannten gehörte. Eine schnee- und schnapsreiche Fete auf dem Dorfplatz eines malerischen Bergdorfes. Tausend Menschen, die zu den unterschiedlichsten Melodien tanzten, die aus offenen Fenstern ins Freie drangen, über ihnen der Himmel, aus dem Millionen Schneeflocken fielen. Diese Atmosphäre, die ausgelassene Stimmung einer betrunkenen, sich verbrüdernden Menge. Simon küsste sie, seine Lippen so heiß in der eiskalten Luft. Sie liebten sich im Trockenraum, weil es draußen
im Schnee zu kalt war (sie hatten es probiert), leise, damit niemand aufwachte.
Das war »ihre« Silvesternacht gewesen.
Sie hatte Tom ganz vergessen gehabt. Nun, vergessen nicht gerade. Tom war immer da. War all die Jahre immer irgendwie präsent gewesen. Aber sie hatte nicht daran gedacht, dass er sie nicht vergessen hatte.
Natalie und Tom hatten sich im August 1977 kennengelernt, in jenem Sommer, in dem Elvis Aaron Presley gestorben war, in dem Natalie mit ihren Eltern und ihren beiden Schwestern in das übernächste Haus eingezogen war. Bridget war die Nestbauerin gewesen, schon damals. Sie hatte zusammen mit ihrer Mutter die Umzugskisten ausgepackt, ihre gigantische Whimsies-Sammlung, kleine Tierfiguren aus Porzellan, ans Tageslicht befördert und sie auf der weißen Melanin-Kommode arrangiert, die ihr schmales Einzelbett von dem Natalies trennte, in dem Kinderzimmer, das sich die beiden Schwestern teilen sollten. Susannah hatte tagelang nur ferngesehen - man hatte im Andenken an Elvis alle seine Spielfilme gesendet: Viva Las Vegas, King Creole, Love Me Tender. Die neue dreiteilige Couchgarnitur war noch nicht eingetroffen, also hatte Susannah reichlich Platz, um hingebungsvoll dazu zu tanzen und mitzusingen. Sie hätte Natalie gern in ihre Show einbezogen, als Chor im Hintergrund, wenn es ihr möglich gewesen wäre, aber Natalie schmollte und war nicht ansprechbar. Sie hatte nicht umziehen wollen. Sie hatte ihr altes Haus geliebt. Susannah kritisierte sie, sie sperre sich gegen jegliche Veränderungen, statt sie bereitwillig anzunehmen. Solche und ähnliche Sätze gab Susannah des Öfteren von sich, wobei sie das Gesagte mit weit ausholenden, anmutigen Gesten ihrer langen schlanken Arme unterstrich und dabei ihre silbernen Armreifen zum Klirren brachte.
Dad wurde zum Filialleiter ernannt, und aus diesem Grund hatte die ganze Familie umziehen müssen. Es war eine Beförderung und somit eine gute Sache, und außerdem war Natalie ohnehin nicht gefragt worden.
Sie hatte auf dem Ziegelmäuerchen vor ihrem neuen Haus gesessen und mit einem Zweig im Boden gestochert, als sie Tom zum ersten Mal sah. Ihre Mutter war mit ein paar leeren Umzugskisten aus dem Haus getreten, gerade als seine Mutter vorbeiging - sie seien auf dem Weg in die Stadt, erzählte sie, weil ihr Sohn neue Schuhe brauche, ehe die Schule wieder anfinge, und dass seine Füße wie verrückt wachsen würden, sodass sie praktisch jedes halbe Jahr neue Schuhe kaufen müsse, was schon an sich teuer genug sei, aber dann müsse man ja noch an Fußballschuhe denken und an Turnschuhe und Gummistiefel. Tom -der nach Natalies Schätzung ungefähr gleichaltrig war, aber größer - schaute peinlich berührt drein, und Natalies Mum wirkte irgendwie benommen und abwesend und nickte nur und lächelte viel, und ihr Lächeln wurde leicht schief, als Toms Mutter bemerkte, drei Töchter, wie schön und was für ein Glück, denn die Füße von Mädchen würden wahrscheinlich nicht halb so schnell wachsen. Natalie hatte erstaunlich große Füße, die jedoch offenbar nur sporadisch wuchsen, aber dann mit rasanter Geschwindigkeit und meistens kurz nachdem ihre Mutter ihr neue Schuhe gekauft hatte. Es war ein gängiger Scherz innerhalb der Familie. Tom hatte große, weit offene Augen. Und zu viel lockiges Haar. Nicht lang im Nacken wie ein Fußballer, sondern oben auf dem Kopf.
Natalies Mutter erzählte Toms Mutter, Natalie sei burschikos, ein richtiger Wildfang, und Toms Mutter meinte, das würde Tom gefallen, da ohnehin kaum Kinder in seinem Alter in der Straße wohnen würden, und dass die beiden sich anfreunden sollten.
Doch natürlich waren bis dahin noch Wochen ins Land gezogen. Das neue Trimester hatte schon längst begonnen. In diesen Wochen hatten sie verlegen in zwei separaten Gärten, zwei Türen voneinander getrennt, das Gleiche gemacht (mit Fahrrad und Rollerskates fahren, Ballspiele). Mrs Samways, die alte Frau im Haus dazwischen, hatte die beiden Kinder schließlich zusammengebracht. Sie hatte so eine Kupferschale in ihrem Wohnzimmer stehen, die sie mit Bonbons füllte, und dann mussten die Kinder aus der Nachbarschaft immer so tun, als hätten sie die Süßigkeiten »hineingezaubert«, einfach indem sie daran Heben. Jeder wusste, die alte Dame vielleicht ausgenommen, dass da keine Zauberei im Spiel war, aber dennoch kamen die Kinder immer wieder und rieben an der Schale. Mrs Samways schätzte deren Gesellschaft, und die Kinder schätzten die Süßigkeiten, auch wenn es in dem Wohnzimmer immer so roch, als hätte die alte Dame am Abend zuvor dort Fisch gegessen. Wenn Mrs Samways Kinder vor dem Haus spielen sah, kam sie vor die Tür, einen grellbunten gehäkelten Schal über den Schultern, und sagte mit ihrer dünnen, zittrigen Stimme: »Na, hat heute wer Lust auf ein bisschen Zauberei?« Und dann lächelten die Kinder schüchtern und trotteten zu ihr hinüber.
Einmal an einem Sonntag, als die Väter ihre Autos auf Hochglanz polierten und die Mütter das Geschirr vom Mittagessen spülten und die älteren Geschwister im Radio die Hitparade hörten und sich die Hitliste aufschrieben, damit sie am nächsten Tag in der Schule mitreden konnten, reagierten beide, Natalie und Tom, gleichzeitig auf die dünne Fistelstimme. Tom ließ Natalie den Vortritt bei der Wahl der Bonbons, und nachdem sie Mrs Samways Fragen über die Schule über sich hatten ergehen lassen, fragte er Natalie: »Fahren wir ein bisschen Fahrrad?«
»Okay«, antwortete sie mit einem Schulterzucken.
Und so lief es von nun an zwischen den beiden: Tom war der Anstifter, und Natalie war diejenige, die sich ihm bereitwillig anschloss. Er war älter als sie und ging mit Bridget in dieselbe Klasse. Und er war mutiger. Und leichtsinniger, wie Natalies Dad zu sagen pflegte. Tom hatte den Vorschlag gemacht, sie
könnten mit Karacho die steile Straße hinunterfahren und im letzten Moment vor der hüfthohen Ziegelmauer abbremsen, um das Fahrrad nach rechts oder links ausbrechen zu lassen, und, was noch mehr zählte, unter Tränen hatte er diesen Vorschlag sogar zugegeben, auf dem Rücksitz im Auto von Natalies Vater, auf der Fahrt in die Notaufnahme. Tom hatte die Idee gehabt, die Flasche Martini aus der Hausbar zu stibitzen, während der Sommerparty im Haus seiner Eltern, bei der sich die beiden Kinder um die Garderobe der Gäste kümmern und Erdnüsse herumreichen sollten, und die Flasche dann in der Garage gemeinsam zu leeren. Diesmal hatte keiner die Tat eingestehen müssen. Es war ihnen furchtbar schlecht geworden, ganz heimlich, und die Flasche Martini wurde auch nie vermisst. Tom war bei allen Dingen der Vorreiter. Klassenfahrt nach Frankreich. Die erste Zigarette. Knutschen bei ausgeschaltetem Licht auf einer Party, als die Eltern ausgegangen waren und sie sturmfreie Bude hatten. Die diversen Schulabschlussprüfungen wie 0-Level und A-Level, Universität ...
Ein einziges Mal hatten sie sich wirklich ernsthaft gestritten. Es war in dem Jahr gewesen, in dem Torvill und Dean in diesen fließenden violetten Kostümen mit »Bolero« die Weltmeisterschaft im Eistanz gewannen. Tom hatte sich während eines Disco-Abends in der Schule an Susannah herangemacht - die viel und gerne mit allen möglichen Jungs knutschte -, und Natalie war deswegen sauer auf ihn und hatte ihm erklärt, wie widerwärtig sie das finde, so als ob er mit seiner eigenen Schwester herummachen würde. Tom hatte nur gelacht und gemeint, Susannah sei alles andere als eine Schwester für ihn. Wenn er mit ihr, Natalie, knutschen würde, wäre das vielleicht so, als würde er mit seiner Schwester knutschen, aber mit Susannah sei das etwas ganz anderes. Er hatte dabei einen Ausdruck im Gesicht gehabt, den Natalie noch nie an ihm gesehen hatte und der ihr überhaupt nicht gefiel, und so hatte sie ihn geschlagen - nicht ins Gesicht, aber in den
Bauch, und zwar kräftig -, und dann war sie davongeflitzt und hatte eine ganze Woche nicht mit ihm geredet, bis er ihr eine dieser orangenförmigen Schokoladenkugeln, Terry's Chocolate Orange, gekauft und ihr mit sehr ernster Miene versichert hatte, wie leid es ihm tue und dass es nicht wieder vorkommen werde.
Und ein einziges Mal, sie war neunzehn, er war zwanzig Jahre alt gewesen, hatten sie sich geküsst - sie war sitzengelassen worden und am Boden zerstört und Tom hatte sich um sie gekümmert. Wieder einmal. Sie hatte sich in irgendeinen Kommilitonen im College verliebt, doch dieser Kerl hatte seine Exfreundin auf irgendeine Wahnsinnshausparty in London mitgenommen und nicht sie, und so war Natalie nach Hause zu ihren Eltern gefahren, um Trübsal zu blasen. Tom war zu der Zeit ebenfalls zu Hause, um letzte Vorbereitungen für seinen geplanten Interrail-Trip zu treffen, und Natalie hatte jammernd auf dem Boden in seinem Zimmer gehockt und zugesehen, wie er Jeans und T-Shirts in seinen Rucksack packte.
»Weißt du, was dein Problem ist?«, hatte Tom gesagt. »Du glaubst, du musst dich in den Kerl verlieben. Jedes Mal wieder.«
»Ich bin eben romantisch - was ist daran so falsch?«, hatte sie ihn angeraunzt.
»Blödsinn! Du hast dir nur was Schlechtes angewöhnt. Erzähl mir doch nicht, dass du jedes Mal verliebt bist, Nat. Es passiert einfach zu oft. Liebe ist ganz was anderes!«
»Und seit wann bist du Experte auf diesem Gebiet? Ich dachte, du studierst Informatik.«
»Ich bin kein Experte. Genau das will ich ja damit sagen. Ich war noch nie verliebt.«
»Ach, du armer kleiner Junge.«
»Ich brauch dein Mitleid nicht, Herzchen. Wer von uns beiden hockt denn jetzt da wie ein Häufchen Elend, na? Ich hab genug anderes gemacht, das kannst du mir glauben.«
»Herumvögeln, zum Beispiel.«
»Nun ja, wenn du davon anfängst. Gelegentlich. Ich hab's ziemlich getrieben, ich hatte meinen Spaß, ich habe Zuneigung empfunden, ein paar Mädchen habe ich sogar sehr, sehr gern gehabt. Aber Liebe? So richtig verliebt war ich bis jetzt noch nicht. Und ich hab auch keine Eile damit. Besonders wenn so etwas« -Tom deutete mit dem Finger auf sie - »dabei herauskommt.«
»Jungs werden später reif als Mädchen.«
»Was für ein lahmes Argument. Du verstehst nicht, was ich meine, Nat. Du bist verliebt in die Liebe. Du fühlst dich zu den falschen Typen hingezogen, und immer wieder fällst du auf die Schnauze. Und dann kommt der große Katzenjammer und der Herzschmerz. Das ist einfach nur albern.«
Voller Empörung war Natalie aufgestanden. »Entschuldige, dass ich dich mit meinem albernen >Herzschmerz-Katzenjammer< belästigt habe. Wie ermüdend muss das für dich sein. Ich gehe jetzt.«
Tom packte sie am Handgelenk. »Hör auf mit dem Quatsch. Ich halte das schon aus. Und du gehst jetzt nirgends hin, höchstens ins Pub, und zwar mit mir. Wenn ich dir nicht mit vernünftigen Argumenten beikommen kann, dann vielleicht mit Alkohol.«
Etliche Drinks später lagen sie im Garten im Gras und redeten immer noch über Natalies Herz.
»Weißt du, was dein Problem ist?«
Natalies Problem in diesem Moment bestand darin, dass sie dringend pinkeln musste, doch sie drehte den Kopf zur Seite und sah ihn an. »Sprich, o weiser Mann.«
»Du legst die falschen Maßstäbe an.«
»Hä?«
»Du musst dich bei deinen Entscheidungen mehr vom Intellekt leiten lassen und weniger von deinen Emotionen ...« Tom lallte ein wenig.
»Wovon redest du eigentlich?«
»Du musst dir bewusst jemanden suchen, der dich nicht im Stich lassen wird.«
»Woher soll man denn vorher wissen, ob einer einen im Stich lassen wird oder nicht?«
»Ich würde dich nicht im Stich lassen.«
Sie streckte ihre Hand aus und schlug auf seinen Brustkorb. »Das weiß ich doch. Du bist mein bester Freund.« Sie tätschelte seine Schulter. Jetzt musste sie aber wirklich aufstehen und auf die Toilette gehen.
Da rollte Tom sich auf die Seite und stützte sich auf seinen Ellbogen. Plötzlich war sein Gesicht ganz dicht vor ihr. Er schaute sie an. Und dann küsste er sie, nur ein Mal, ganz leicht auf den Mund. Zuerst dachte sie, er hätte sein Ziel verfehlt. Vielleicht bemühte er sich, die doppelte Natalie auf die Wange zu küssen. Schließlich hatte er drei Glas Bier getrunken. Doch sein Gesicht sagte ihr etwas anderes. »Halt die Klappe«, erwiderte sie, obwohl er kein Wort gesagt hatte.
»Ich werde dich heiraten.«
»Halt die Klappe!« Ein bisschen lauter diesmal.
»Nicht jetzt. Wir sind noch zu jung.«
»Niemals. Niemals, du dummer Kerl.«
»Niemals ist eine lange Zeit.«
Natalie setzte sich mit einem Ruck auf. »Halt die Klappe.«
»Ich glaube, es sind deine Schlagfertigkeit und deine bissigen, geistreichen Kommentare, die ich am meisten an dir liebe.« Er lächelte und sah fast wieder aus wie der alte Tom.
»Halt die -«
Er streckte den Zeigefinger hoch, um ihr das Wort abzuschneiden. »Okay. Ich werde die Klappe halten. Aber vergiss diesen Nachmittag nicht, Natalie. Wenn du mal wieder mit Liebeskummer angekrochen kommst und vielleicht dreißig Jahre alt bist und deine beste Zeit hinter dir hast und es satthast, auf Männerjagd zu gehen, dann heirate ich dich.«
»Sehr nett. Gut zu wissen. Danke, Tom.«
Du meine Güte - dachten wir damals wirklich, mit dreißig hätten wir die beste Zeit hinter uns? Vor sechzehn Jahren waren wir wahrscheinlich davon überzeugt. War man jenseits der dreißig, erschien einem dieses Alter natürlich ziemlich jung.
Damals hatte er sich über sie lustig gemacht. Vielleicht sollte sie ihn heute Abend an sein Versprechen erinnern. Vielleicht sollte sie auf die Knie fallen, auf sein Angebot eingehen. Aber wahrscheinlich hatte er es längst vergessen - sie war überrascht, dass sie sich daran erinnerte. Und außerdem war dieses Thema derzeit ohnehin nicht geeignet, sie zum Lachen zu bringen.
Das Pub musste gerammelt voll sein - nirgendwo gab es mehr einen freien Parkplatz. Natalie fuhr den Corsa an die Böschung, die das Kricketfeld begrenzte, und stieg aus. Du meine Güte, war das kalt. Sie wickelte ihren Mantel fester um sich, schob das Haar hinter die Ohren und stapfte zum Eingang. Je näher sie kam, desto lauter wurde der Geräuschpegel, und ein sanfter orangefarbener Lichtschein fiel aus den Fenstern nach draußen.
Wie eine warme Decke hüllten sie die Stimmen und Hände ihrer alten Freunde ein.
»Hallo, Nat!«
»Ein gutes neues Jahr!
»Wie geht's dir?«
»Soll ich dir was zu trinken holen?«
Sie spürte eine leichte Euphorie in sich aufsteigen. Die anderen freuten sich über ihr Kommen, und auch ihr tat es gut, die vertrauten Gesichter wiederzusehen. Die Begleiter ihrer Kindheit und Jugend. Der Text dieser Titelmelodie fiel ihr ein - »sometimes you wanna be where everybody knows your narre«. Der gute alte Tom. Wie klug von ihm.
Und dann sah sie ihn. Er trank sein Bier immer in dieser Körperhaltung. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und hielt das Glas in der Armbeuge. Dabei wippte er leicht auf den Fersen. Tom nickte gerade und lächelte sein Gegenüber an und bemerkte Natalie nicht sogleich. Dann ging jemand von der Theke zurück in den Gastraum, in den Händen ein Metalltablett mit Getränken, das er hoch über den Köpfen der Gäste balancierte, und durch die Lücke, die dadurch entstand, fiel Toms Blick auf sie. Er winkte ihr zu und formte mit den Lippen ein Hallo, und plötzlich hielt Natalie es für möglich, dass sie zu heulen anfangen könnte.
Patrick und Lucy
Lucy hörte Patrick die Treppe herunterkommen und ging hinaus in die Diele. »Danke, dass du mir das abgenommen hast, Schatz. Hast du Erfolg gehabt?«
»Zum Teil. Ed ist nach drei weiteren Kapiteln endlich eingeschlafen, aber Bella besteht hartnäckig darauf, dass sie mit ihren acht Jahren alt genug ist, um bis Mitternacht aufzubleiben.«
»Was hast du zu ihr gesagt?«
»Ich hab ihr geantwortet, wach im Bett zu liegen, das wäre okay für uns, aber wenn sie aufbliebe, würde uns das stören.«
Lucy schmunzelte. »Ganz genau. Die nächsten Stunden gehören nur uns beiden. Komm, trink ein Glas.« Sie hielt in der einen Hand eine geöffnete Flasche Champagner und in der anderen ein Glas, das halb ausgetrunken war. Sie ging zurück in die Küche. »Hol dir doch ein Glas aus dem Schrank, ja?«
Patrick ging ins Wohnzimmer. Wie lange war er oben mit den Kindern beschäftigt gewesen? Das Wohnzimmer sah völlig verändert aus. Sie musste wie ein Derwisch herumgewirbelt sein. Die Zeitungen, die vorher über den ganzen Fußboden verstreut waren, lagen nun in einem ordentlichen Stapel auf dem Couchtisch. Die Spielsachen der Kinder waren in den Boxen hinter der Couch verstaut, und die Nadeln unter dem Tannenbaum, der nun seit drei Wochen im Zimmer stand und praktisch kahl war, waren verschwunden. Genauso fühlte sich Patrick. Verbraucht und mitgenommen. Erschöpft von den Feiertagen. Seine Eltern und ihre Mutter und eine, wie es schien, nicht enden wollende Reihe von Freunden, Verwandten und, wie er sie insgeheim nannte, »diversen« Leuten waren aufgekreuzt und beköstigt und mit Getränken versorgt worden. Und jedes Mal hatten sie hinter ihren Gästen wieder aufgeräumt. Lucy war ihm vorgekommen wie die Fernsehköchin Deliah Smith unter Aufputschmitteln. Praktisch jeden Morgen hatte sie ihn mit Ed zu Tesco geschickt, mit einer rasch hingekritzelten Einkaufsliste, auf der so obskure Dinge standen wie Safran, Bourbon-Vanillezucker und Gänseschmalz, und jeden Abend hatte er die immer gleichen Töpfe und rätselhaften Teile der Küchenmaschine gespült und abgetrocknet und wieder an ihren Plätzen verstaut, damit sie am nächsten Tag erneut zum Einsatz kommen konnten. Jede Nacht war er ins Bett und sogleich in den Tiefschlaf gefallen. Er konnte von Glück reden, wenn er es mal schaffte, bis Mitternacht wach zu bleiben. Silvester sollte man im März feiern. Wer hatte denn Lust, sich nach all dem Weihnachtsstress noch irgendwelche Mühe zu machen? Lucy, ganz klar. Sie hatte den Tisch für zwei gedeckt - Stoffservietten, Kerzen - und eine CD eingelegt, was sie fast nie tat.
Patrick betrachtete sich in dem Spiegel über dem Kaminsims, registrierte seinen blassen Teint, die Tränensäcke unter den Augen und fragte sich, ob er sich ein bisschen fein hätte machen sollen.
»Patrick?« Er nahm ein Glas aus dem Schrank, eine der acht Sektflöten aus Bleikristall, die sie zur Hochzeit geschenkt bekommen hatten, und ging in die Küche.
Es duftete köstlich. Lucy rührte in einem Topf auf dem Herd, und ihre Wangen glühten von der Hitze. Zwei Teller mit gebeiztem Lachs standen auf der Arbeitsplatte.
»Es dauert noch etwa zwanzig Minuten. Gib mal her.« Sie schenkte ihm ein, dann hob sie ihr Glas, um mit ihm anzustoßen. »Ein gutes neues Jahr, mein Schatz.«
»Ein gutes neues Jahr«, erwiderte er. Sie küsste ihn. Es war ein Kuss voller Leidenschaft und Verheißung. »Ich frage mich, wo du die Energie zum Kochen hernimmst, nach diesen zwei Wochen, die du hinter dir hast.«
»Ich bin ziemlich erschöpft«, gestand sie. »Aber du bist für mich schließlich die Hauptperson. Und der Abend heute gehört nur uns beiden. Und außerdem«, fügte sie mit einem verschmitzten Lächeln hinzu, »ist es ein Rezept aus Festmenüs in zehn Minuten.«
»Du bist echt klasse.«
»Und morgen kocht ja Marianne für uns, da habe ich dann einen Tag frei.«
»Sind nur wir eingeladen?«
»Ich denke schon. Warum?«
»Ich meine nur. Es wäre mir lieber so. Wenn andere Eltern aus Bellas Klasse dabei sind, wird immer nur über dasselbe geredet. Lehrer, Stundenplan, Schulparkplatz, Kuchenbacken fürs Schulfest ...«
»Das ist meine Welt, Liebling!«
»Ich weiß ... aber manchmal ist es gar zu öde. Ich finde, es ist entspannter, wenn wir mit Alec und Marianne allein sind.« Lucy schwieg.
Er leerte sein Glas, füllte es erneut und schenkte auch ihr nach. Dann setzte er sich auf einen Stuhl und schaute ihr versonnen beim Kochen zu. Sie hatte sich überhaupt nicht verändert. Sie wirkte weder älter noch fülliger noch müder noch gesetzter. Sie sah einfach noch genauso aus wie das junge Mädchen, das er vor vielen Jahren kennengelernt hatte.
Er war ihr nachgelaufen, damals im Supermarkt, einen Gang nach dem anderen. Obst und Gemüse. Konserven. Backwaren.
Sie hatte so eine Art, die Hüften zu schwingen. Es war ein fröhlicher, optimistischer Gang. Aus sicherer Entfernung, während er planlos alle möglichen Waren von links und rechts in seinen Einkaufswagen lud, beobachtete er sie, wie sie mit ein paar älteren Damen und mit einem pickligen Jüngling, der die Regale auffüllte, schwatzte, und es fiel ihm auf, wie wunderbar ihr kräftiges kastanienbraunes Haar glänzte. Er beobachtete sie, während sie sich genüsslich Zeit ließ, eine Handvoll Pflaumen auszusuchen. Es klang vielleicht lächerlich, selbst für seine Ohren, aber er hatte sich in ihre Rückenansicht verliebt, ehe er sie schließlich an der Ecke des Kosmetikregals überholte und ihr zauberhaftes Gesicht zu sehen bekam, und kurz darauf Bella, die in einem kunstvoll geknoteten Babytragetuch vor ihrer Brust hing.
Lucy und Tom pflegten darüber zu scherzen und behaupteten, Patrick sei der Erfinder der Supermarkt-Anmache.
»Wärst du jetzt gern im Pub mit Tom?« Lucy warf ihm einen leicht spöttischen Blick zu. Sein Bruder hatte Anfang der Woche angerufen und sie beide eingeladen.
»Nein. Wir sind doch viel zu alt für diesen Quatsch, meinst du nicht?«
»Du vielleicht. Ich rechne sehr wohl damit, dass es in meinem Leben noch einige denkwürdige Abende geben wird. Vielleicht wäre es lustig geworden. Wir hätten ja deine Mum bitten können, die Kinder zu nehmen.«
»Siehst du, du bist diejenige, die jetzt gern mit meinem Bruder im Pub wäre!«
»Überhaupt nicht. Obwohl er erwähnt hat, Natalie würde auch kommen, nicht wahr? Ich habe sie seit der Sache mit Simon nicht mehr gesehen. Na ja, vielleicht schaut sie mal kurz bei uns vorbei, ehe sie wieder wegfährt. Das hat sie doch immer getan, oder? Es ist schon eine Art Ritual.«
»Haben wir Rituale?«
»Liebling, wir haben jede Menge davon. Ist dir das noch nie aufgefallen?« Sie umarmte ihn, und er roch den Duft ihres Parfüms, ihres Haars. Er sog den Duft tief ein und stützte sein Kinn auf ihren Scheitel.
Kurz darauf stand sie schon wieder am Herd und rührte weiter in ihrem Topf. »Nicht zu glauben, dass dies bereits unser siebtes gemeinsames Silvester ist, nicht wahr?«
Patrick lächelte nachdenklich. »Beim ersten Mal sind wir auch nicht in Ruhe gelassen worden, weißt du noch?« Bella hatte Zähne bekommen. Er hatte das neue Jahr begrüßt, indem er im Schlafzimmer auf und ab gegangen war, im Arm das plärrende Kind eines anderen Mannes.
Lucy hatte damals vorgeschlagen, sie würde ihre Mutter bitten, das Baby an dem Abend zu nehmen. Es war ihr peinlich, dachte Patrick, und das machte ihn traurig. Will, Lucys Ehemann, hatte sie verlassen, als Bella drei Monate alt war, und Patrick war danach der erste Mann für sie gewesen. Er hatte sich verzweifelt bemüht, ihr zu zeigen, dass Bella kein Problem für ihn darstellte, dass Lucys Vergangenheit Teil seiner Gegenwart und ihrer gemeinsamen Zukunft sein konnte. Dass er dies gleich in der Silvesternacht handfest würde beweisen müssen, damit hatte er nicht gerechnet. Es war das erste Mal, dass sie miteinander geschlafen hatten. Sie waren fast, aber nur fast, schon zu müde dafür gewesen, als Bella endlich mithilfe einer Dosis Cal-pol kapituliert hatte, und es war ach-so-leise geschehen, damit das Kind nicht wieder aufwachte. Patrick hatte auch nicht vergessen, dass Lucy damals gesagt hatte, sie wolle nie mehr ohne ihn ein neues Jahr beginnen, woraufhin sie jedoch geradezu erstarrt war vor Verlegenheit, als wäre ihr mit diesem Satz herausgerutscht, wie sehr sie ihn brauchte, wie sehr sie sich an ihn klammerte und dass er nun bestimmt sofort das Weite suchen würde. Er hatte es gehasst, ihre Dankbarkeit zu bemerken, ihre Scheu wegen ihres Körpers, mit den vier leuchtend roten Schwangerschaftsstreifen und den riesigen Brüsten, aus denen Milch tropfte. Er liebte sie einfach. Alle diese Dinge störten ihn nicht im Geringsten. Es war sein inniger Wunsch gewesen, sich um sie zu kümmern. Dieser Wunsch hatte immer noch Bestand, nach all diesen Jahren. »Was gibt es denn Schönes zu essen?«
»Das da« - sie deutete auf den gebeizten Lachs -> »anschließend Riesengarnelen in einer Tomaten-Champagner-Sauce -dafür brauche ich einen Schuss von dem guten Zeug da, aber keine Sorge, ich habe noch eine zweite Flasche im Kühlschrank kalt gestellt - und zum Nachtisch Erdbeeren.« Sie schob ihre Hand unter sein Hemd und strich sachte mit den Fingerspitzen über seine Haut. »Die kannst du vom Dessertteller essen oder von mir, was du lieber magst.« Sie küsste ihn leidenschaftlich. »Hmmm. Es ist schon ziemlich lange her. Falls dir das noch nicht aufgefallen ist.«
Es war ihm aufgefallen. Es war genau drei Wochen her, seit jenem Tag ...
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Bibliographische Angaben
- Autor: Elizabeth Noble
- 464 Seiten, Maße: 13,4 x 19,2 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3868006117
- ISBN-13: 9783868006117
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