Das Billardzimmer
Roman
Konstanz, September 1941: Der jüdische Pianist Helmut Spiegler und seine Frau Eva wollen in die Schweiz flüchten. Ihre Hoffnung ruht auf Gero von Nohlen der Immobilienmakler soll das Ehepaar über die Grenze schmuggeln. Doch die Flucht in die sichere Schweiz...
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Produktinformationen zu „Das Billardzimmer “
Konstanz, September 1941: Der jüdische Pianist Helmut Spiegler und seine Frau Eva wollen in die Schweiz flüchten. Ihre Hoffnung ruht auf Gero von Nohlen der Immobilienmakler soll das Ehepaar über die Grenze schmuggeln. Doch die Flucht in die sichere Schweiz wird zunehmend unmöglich. Helmut und Eva werden zu Gefangenen in von Nohlens Billardzimmer, wo ihre Liebe zerbricht. Während sich der Pianist immer mehr in seine Musik zurückzieht, gerät Eva in gefährliches Fahrwasser. Sie versinkt in einem Mahlstrom tückischer Gefühle, die am Ende Leben kosten... »Ein beachtliches Erzähltalent.« (FAZ)
Klappentext zu „Das Billardzimmer “
Konstanz 1941. Vergeblich versuchen der jüdische Pianist Helmut Spiegler und seine Frau Eva über die Grenze in die Schweiz zu flüchten. Nur einer, so flüstert ihnen jemand zu, kann helfen: Gero von Nohlen, ein schwerreicher Immobilienhändler, der Häuser von geflüchteten Juden verwaltet. Tatsächlich nimmt von Nohlen sie unter dem Vorwand, sie seien ausgebombte Verwandte, in sein Haus auf. Während sich Helmut in die hermetische Welt der späten Beethovensonaten versenkt, gerät Eva in einen Mahlstrom gefährlicher Gefühle, der am Ende ein Leben kostet. Die tragischen Ereignisse des Frühjahrs 1945 bleiben sechzig Jahre lang verborgen, bis Gero von Nohlens Enkel bei Recherchen zur Lebensgeschichte seines nach dem Krieg mit Ämtern und Auszeichnungen honorierten Großvaters die Vergangenheit zum Sprechen bringt und die Lebenslüge einer ganzen Familie entlarvt.In einer raffinierten literarischen Komposition verschränkt Marc Buhl zwei Erzählstimmen zu einem beklemmenden Roman über die Widersprüche eines deutschen Jahrhunderts und öffnet den Blick für eine individuelle Verantwortung, die keine individuelle Schuld mehr braucht.
Lese-Probe zu „Das Billardzimmer “
Er versuchte, die Blaulichter zu zählen. Ihr Flackernpulsierte durch den Nebel und hackte leuchtend blaueStücke aus der Nacht, immer wieder für den Bruchteileiner Sekunde. Blau leuchteten die dürren Äste derBäume und die Fassaden der Häuser, deren Fensterlädenlängst geschlossen waren. Die Thujahecken standenblau und drohend, und das Garagentor rechts sahaus wie ein Computerbildschirm in Wartestellung. Ihmgefiel die blaue Welt, aber ihm gefiel nicht, dass sieimmer wieder verschwand.Es konnten höchstens ein oder zwei Streifenwagensein, nicht viel, aber genug, um ihn hier anzuhalten. Ihnkonnte man problemlos stoppen, das konnte jeder einsameStreifenpolizist, der mit seiner Kelle winkte, underst recht ein Polizeiwagen mit Blaulicht. Sein Großvaterhätte nicht gehalten, der wäre weitergefahren. Manerzählte, dass er in seinem Maybach einmal auf eineStraßensperre zuhielt, die Faust auf der Hupe und sichder Gendarm - es war in Frankreich kurz nach demKrieg - nur durch einen Sprung in den Straßengrabenretten konnte. Aber der Mann in dem Wagen war nurder Enkel und stellte den Motor ab. In dem blauenNebel erkannte er zwei Männer, die mit jedem Aufleuchtendes Lichts ein wenig näher kamen. Er ließ dieHände auf dem Lenkrad und starrte nach vorn. Dashatte er in den USA gelernt. Wer im Handschuhfachnach dem Führerschein kramt, wird erschossen. Daswollte er nicht, trotz allem. Außerdem wusste er nicht,wo sein Führerschein war.
Keine Papiere also, sagte kurz darauf der schmaleMund in dem schmalen Gesicht, das durch die heruntergekurbelteScheibe in den Wagen starrte, währendder Strahl einer Stablampe durch den Wagen glitt.Besoffen, fragte der andere Polizist. Er war höchstenszwanzig.
Besoffen, sagte der mit der Lampe, und kein Führerschein.Der Fahrer des Wagens tastete über die Mittelkonsole,den Beifahrersitz und suchte in seinen Taschen.Das ist eine Einbahnstraße, sagte der junge Polizist.Da darf man nur in eine Richtung rein. Wussten Siedas?
Im Prinzip ja, sagte der
... mehr
Fahrer, aber die Straße gehörtmir. Das ist meine. Ich darf hier fahren, wie ich will.Er hatte den Führerschein hinter der Sonnenklappegefunden und reichte ihn nach draußen.Der ist nicht besoffen, sagte der junge Polizist, der istirre.
Der andere richtete das Licht auf den Führerscheinund murmelte halblaut: Gero von Nohlen, kenne ichdoch, den Namen, und schwenkte den Strahl auf dasStraßenschild.
Gero-von-Nohlen-Straße, las der junge Polizist.Der Name stand in geschwungenen weißen Buchstabenauf blauem Emailgrund, umrahmt von schmiedeeisernenBlüten.
Genau das habe ich Ihnen doch gerade erklärt, sagteder Mann in dem Wagen. Meine Straße. Wenn Siejetzt die Freundlichkeit hätten, Ihr Auto aus dem Wegzu schaffen, damit ich heimkomme. Es ist nicht mehrweit.
Der mit der Lampe leuchtete abwechselnd auf dasGesicht des Fahrers und das Straßenschild. Er sah aus,als wollte er überlegen, aber als ob das nicht wirklichfunktionierte. Er biss sich auf die Lippen, die jetzt nochschmaler wurden. Dann ging er näher an das Schild, umdie klein gedruckte Erklärung zu lesen.
Gero von Nohlen, Konstanzer Bürgermeister von1946-52, rief er seinem jüngeren Kollegen zu. Dukriegst keine Straße, solange du lebst, das solltest duwissen, lernt ihr so was nicht mehr?Der Jüngere antwortete ihm nicht, sondern beugtesich zu dem Fahrer hinunter.
Da haben Sie Glück, dass es nicht Ihre Straße ist,sagte er. Sonst wären Sie womöglich schon tot.Sie nahmen ihn vorsichtshalber mit und steckten ihnin die Ausnüchterungszelle. Ein Tisch. Ein Stuhl. EinMetallbett. Die Wolldecke auf der Pritsche roch nachLavendel; ein unpassender Duft in diesem Raum, dochdas störte nicht weiter. Hin und wieder schlief Gero vonNohlen gerne auswärts. Hinterher gefiel es ihm zuHause wieder besser.
Als sie ihn am nächsten Morgen rausließen, fuhr Gerodirekt zur Zeitung, wo die Morgenkonferenz der Lokalredaktiongerade erst angefangen hatte. Es war das ersteMal seit langem, dass er rechtzeitig kam, obwohl er sichmehr Mühe geben sollte, denn er war kein Redakteur,sondern freier Mitarbeiter und daher ständig vom Rauswurfbedroht.
Ein kürzerer Aufenthalt im Gefängnis kann durchausresozialisierend wirken, sagte Quante und lächelte Geroso an, dass er sich einen Moment lang überlegte, ob siees wirklich so meinte.
Alle mäkelten ein bisschen an dem Lokalteil von gesternherum. Schlechtes Layout, blasse Fotos, zwei Tippfehlerim Aufmacher und überhaupt, wo bleibt denn diepolitische Relevanz?
Relevanz könnt ihr haben, kündigte Quante an,lehnte sich in ihren Sessel zurück und schoss ihren rechtenZeigefinger auf Gero ab.
Sein Bruder geht in die Politik, sagte sie. Er willOberbürgermeister werden, hier in Konstanz.Blödsinn, sagte Gero. Frau Quante, das ist sogar unterIhrem Niveau.
Als Antwort zog Quante ein Fax aus der Konferenzmappemit dem Briefkopf der Firma von Dietmar, seinemBruder:
Eine Einladung für morgen Abend ins Konzil füreine Podiumsdiskussion über die mögliche Ansiedlungvon High-Tech-Unternehmen in Konstanz. Gleichzeitigwerde Dietmar von Nohlen seine Kandidatur bekanntgeben.
Na, was meinst du dazu, fragte Rotmöller, in der Redaktionzuständig für Soziales.Was soll ich dazu sagen? Bin ich der Hüter meinesBruders, fragte Gero ihn.Das ist die Antwort Kains, predigte Rotmöller, undwer so redet und wer so denkt, der wird seine Handgegen den eigenen Bruder erheben und für den Rest seinesLebens gezeichnet durch die Welt gehen.Amen, sagte Quante, und jetzt an die Arbeit.Gero suchte sich einen freien Computer und beganneinen Artikel über die große Jubiläumsausstellung derKonstanzer Modelleisenbahnbauer zu tippen, die er amVortag besucht hatte.
Er kam nicht weit, weil das Telefon klingelte und dieZentrale Maelzer durchstellte, den Leiter des BankhausesGiebendorff & Söhne.
Was ist los? Haben Sie Geld für mich, fragte Gero.Vielleicht ja, mein lieber Herr von Nohlen, sagteMaelzer. Vielleicht auch nicht.Lieber Herr von Nohlen! Gero legte auf.Gleich darauf rief Maelzer wieder an und fing an zusprechen, bevor Gero den Hörer aus der Hand legenkonnte.
Maelzer sagte, dass das Bankhaus im kommenden Jahrsein fünfzigjähriges Bestehen feiern würde und dass dafüreine Festschrift geplant sei, in der auch Geros Großvatergewürdigt werden solle, dessen unermüdlicher Einsatzbei der Gründung der Bank zeige, dass Geschäftssinnund Idealismus, humanitäre Vorstellungen und ökonomischeZielsetzungen, kurz und gut also Geld und Moralkein Gegensatz seien, wie fälschlicherweise häufig angenommenwerde, sondern zumindest die Grundlage derArbeit ihres Bankhauses, und da die journalistischen Arbeitendes Enkels ja durchweg gerühmt würden, hätte erdie Ehre, ihn zu fragen, ob er möglicherweise geneigt sei,diesen Part der Festschrift zu übernehmen.Steckt mein Bruder dahinter, fragte Gero ihn, aberMaelzer schüttelte den Kopf so heftig, dass Gero dasnoch am anderen Ende der Leitung spüren konnte.Vielleicht könnten Sie vorbeikommen und alles Weiteremit mir besprechen, am besten jetzt gleich, schluger vor.
Der andere richtete das Licht auf den Führerscheinund murmelte halblaut: Gero von Nohlen, kenne ichdoch, den Namen, und schwenkte den Strahl auf dasStraßenschild.
Gero-von-Nohlen-Straße, las der junge Polizist.Der Name stand in geschwungenen weißen Buchstabenauf blauem Emailgrund, umrahmt von schmiedeeisernenBlüten.
Genau das habe ich Ihnen doch gerade erklärt, sagteder Mann in dem Wagen. Meine Straße. Wenn Siejetzt die Freundlichkeit hätten, Ihr Auto aus dem Wegzu schaffen, damit ich heimkomme. Es ist nicht mehrweit.
Der mit der Lampe leuchtete abwechselnd auf dasGesicht des Fahrers und das Straßenschild. Er sah aus,als wollte er überlegen, aber als ob das nicht wirklichfunktionierte. Er biss sich auf die Lippen, die jetzt nochschmaler wurden. Dann ging er näher an das Schild, umdie klein gedruckte Erklärung zu lesen.
Gero von Nohlen, Konstanzer Bürgermeister von1946-52, rief er seinem jüngeren Kollegen zu. Dukriegst keine Straße, solange du lebst, das solltest duwissen, lernt ihr so was nicht mehr?Der Jüngere antwortete ihm nicht, sondern beugtesich zu dem Fahrer hinunter.
Da haben Sie Glück, dass es nicht Ihre Straße ist,sagte er. Sonst wären Sie womöglich schon tot.Sie nahmen ihn vorsichtshalber mit und steckten ihnin die Ausnüchterungszelle. Ein Tisch. Ein Stuhl. EinMetallbett. Die Wolldecke auf der Pritsche roch nachLavendel; ein unpassender Duft in diesem Raum, dochdas störte nicht weiter. Hin und wieder schlief Gero vonNohlen gerne auswärts. Hinterher gefiel es ihm zuHause wieder besser.
Als sie ihn am nächsten Morgen rausließen, fuhr Gerodirekt zur Zeitung, wo die Morgenkonferenz der Lokalredaktiongerade erst angefangen hatte. Es war das ersteMal seit langem, dass er rechtzeitig kam, obwohl er sichmehr Mühe geben sollte, denn er war kein Redakteur,sondern freier Mitarbeiter und daher ständig vom Rauswurfbedroht.
Ein kürzerer Aufenthalt im Gefängnis kann durchausresozialisierend wirken, sagte Quante und lächelte Geroso an, dass er sich einen Moment lang überlegte, ob siees wirklich so meinte.
Alle mäkelten ein bisschen an dem Lokalteil von gesternherum. Schlechtes Layout, blasse Fotos, zwei Tippfehlerim Aufmacher und überhaupt, wo bleibt denn diepolitische Relevanz?
Relevanz könnt ihr haben, kündigte Quante an,lehnte sich in ihren Sessel zurück und schoss ihren rechtenZeigefinger auf Gero ab.
Sein Bruder geht in die Politik, sagte sie. Er willOberbürgermeister werden, hier in Konstanz.Blödsinn, sagte Gero. Frau Quante, das ist sogar unterIhrem Niveau.
Als Antwort zog Quante ein Fax aus der Konferenzmappemit dem Briefkopf der Firma von Dietmar, seinemBruder:
Eine Einladung für morgen Abend ins Konzil füreine Podiumsdiskussion über die mögliche Ansiedlungvon High-Tech-Unternehmen in Konstanz. Gleichzeitigwerde Dietmar von Nohlen seine Kandidatur bekanntgeben.
Na, was meinst du dazu, fragte Rotmöller, in der Redaktionzuständig für Soziales.Was soll ich dazu sagen? Bin ich der Hüter meinesBruders, fragte Gero ihn.Das ist die Antwort Kains, predigte Rotmöller, undwer so redet und wer so denkt, der wird seine Handgegen den eigenen Bruder erheben und für den Rest seinesLebens gezeichnet durch die Welt gehen.Amen, sagte Quante, und jetzt an die Arbeit.Gero suchte sich einen freien Computer und beganneinen Artikel über die große Jubiläumsausstellung derKonstanzer Modelleisenbahnbauer zu tippen, die er amVortag besucht hatte.
Er kam nicht weit, weil das Telefon klingelte und dieZentrale Maelzer durchstellte, den Leiter des BankhausesGiebendorff & Söhne.
Was ist los? Haben Sie Geld für mich, fragte Gero.Vielleicht ja, mein lieber Herr von Nohlen, sagteMaelzer. Vielleicht auch nicht.Lieber Herr von Nohlen! Gero legte auf.Gleich darauf rief Maelzer wieder an und fing an zusprechen, bevor Gero den Hörer aus der Hand legenkonnte.
Maelzer sagte, dass das Bankhaus im kommenden Jahrsein fünfzigjähriges Bestehen feiern würde und dass dafüreine Festschrift geplant sei, in der auch Geros Großvatergewürdigt werden solle, dessen unermüdlicher Einsatzbei der Gründung der Bank zeige, dass Geschäftssinnund Idealismus, humanitäre Vorstellungen und ökonomischeZielsetzungen, kurz und gut also Geld und Moralkein Gegensatz seien, wie fälschlicherweise häufig angenommenwerde, sondern zumindest die Grundlage derArbeit ihres Bankhauses, und da die journalistischen Arbeitendes Enkels ja durchweg gerühmt würden, hätte erdie Ehre, ihn zu fragen, ob er möglicherweise geneigt sei,diesen Part der Festschrift zu übernehmen.Steckt mein Bruder dahinter, fragte Gero ihn, aberMaelzer schüttelte den Kopf so heftig, dass Gero dasnoch am anderen Ende der Leitung spüren konnte.Vielleicht könnten Sie vorbeikommen und alles Weiteremit mir besprechen, am besten jetzt gleich, schluger vor.
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Autoren-Porträt von Marc Buhl
Marc Buhl, geboren 1967, studierte Germanistik, Anglistik, Politikwissenschaften und BWL in Freiburg. Hier arbeitete er nach ausgedehnten Reisen nach Afrika und Asien mehrere Jahre als freier Journalist und schrieb seinen ersten Roman.
Bibliographische Angaben
- Autor: Marc Buhl
- 2006, 317 Seiten, Maße: 12,5 x 21,8 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Eichborn
- ISBN-10: 3821857811
- ISBN-13: 9783821857817
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